BERECHNUNG DER PENSIONS- UND RENTENANWARTSCHAFTEN IN DEN VOLKSWIRTSCHAFTLICHEN GESAMTRECHNUNGEN
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
BERECHNUNG DER PENSIONS- UND RENTENANWARTSCHAFTEN IN DEN VOLKSWIRTSCHAFTLICHEN Thorsten Haug ist Diplom-Volkswirt und seit 2006 GESAMTRECHNUNGEN im Statistischen Bundesamt tätig. Er ist Referent im Referat „Arbeit- nehmerentgelt, Sozialbeiträge, Berechnungsmethodik und Ergebnisse Nettolöhne“. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Analysen und Publikatio nen zur Alterssicherung. Thorsten Haug Schlüsselwörter: Alterssicherung – Rentenanwartschaften – Tabelle 29 – ESVG 2010 – Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen ZUSAMMENFASSUNG Vor dem Hintergrund alternder Gesellschaften wächst die Bedeutung statistischer Informationen zur Alterssicherung. Mit der Einführung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010 wurde hierzu eine Tabelle vorgegeben, die Renten- und Pensionsansprüche der privaten Haushalte in den Volkswirtschaft lichen Gesamtrechnungen darstellt. Der Beitrag erläutert zum einen Entstehung und Aufbau der Tabelle, für die seit Ende 2017 eine europäische Lieferverpflichtung be- steht. Zum anderen werden Berechnungsmethodik, Annahmen und die verwendeten Datenquellen dargestellt und dabei nach den Systemen betriebliche Alterssicherung, Beamtenversorgung und gesetzliche Sozialversicherung differenziert. Im Anschluss werden erstmals Ergebnisse der Tabelle für das Berichtsjahr 2015 präsentiert. Keywords: old-age provision – pension entitlements – table 29 – ESA 2010 – national accounts ABSTRACT Against the background of ageing societies statistical information on old-age provision is of increasing significance. With the introduction of the 2010 version of the European System of National and Regional Accounts (ESA 2010) a new table was specified to show pension entitlements of households in national accounts. This article describes the development and structure of the table on pension entitlements whose transmis- sion for European purposes has been compulsory since the end of 2017. Furthermore, the methodology of calculation, assumptions and the data sources used are explained. A differentiation is made between the pension systems included, namely occupation- al pension schemes, public officials’ pension schemes and social security pensions. Finally, table results are presented for the first time for reference year 2015. Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018 77
Thorsten Haug 1 Ende 2003 wurde in einer vom Internationalen Wäh- rungsfonds eingerichteten Internet-Diskussionsgruppe vorgeschlagen, mit Blick auf die Renten- und Pensi- Einleitung onsansprüche alle Forderungen beziehungsweise Ver- bindlichkeiten aus arbeitgeberfinanzierten Alterssiche- Die Ansprüche privater Haushalte auf betriebliche Ren- rungssystemen (einschließlich der Altersversorgung ten, Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Beamtinnen und Beamten) im Kernsystem der VGR und Pensionsansprüche von Beamtinnen und Beam- zu buchen. Dieser Vorschlag führte nach eingehender ten stellen einen bedeutsamen Teil der Altersvorsorge Diskussion Ende 2006 zu einem Kompromissvorschlag, privater Haushalte dar. Statistische Informationen zu der Anfang 2007 von der Statistischen Kommission der Alterssicherungsansprüchen sind ein wichtiger Maß- Vereinten Nationen angenommen wurde. Er enthält fol- stab zur Beurteilung der Alterssicherung im nationalen gende Elemente: wie im internationalen Kontext. Angesichts der unter- schiedlichen institutionellen Ausgestaltung von Alters- > Alle kapitalgedeckten Alterssicherungssysteme und sicherungssystemen in verschiedenen Staaten war ein nicht kapitalgedeckten Systeme privater Arbeitgeber Vergleich der Alterssicherungsansprüche in den Volks- – wie die betriebliche Altersversorgung in Deutsch- wirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) in der Vergan- land – werden im Kernsystem der VGR gebucht. genheit nur eingeschränkt möglich. Während Transaktio- > In einer Ergänzungstabelle beziehungsweise im Rah- nen wie Beiträge und geleistete Renten schon bisher in men eines Satellitensystems werden Ströme und Be den VGR enthalten waren, trifft dies für die Ansprüche stände aller arbeitgeberbezogenen Alterssicherungs- aus nicht kapitalgedeckten Systemen nicht zu. Um eine systeme dargestellt. Für Deutschland betrifft das bessere Vergleichbarkeit dieser Ansprüche zu ermög- zusätzlich zur betrieblichen Altersversorgung auch die lichen, wurden versicherungsmathematische Modell- Rentenansprüche in der gesetzlichen Rentenversiche- rechnungen zu deren Bestimmung entwickelt. Diese rung und die Beamtenversorgung. wurden mit der Einführung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) 2010 > Die Sozialversicherungssysteme (Rentenversicherung) in das dazugehörende Lieferprogramm übernommen. werden ausschließlich in der Ergänzungstabelle abge- Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) erstel- bildet. len hierzu eine Tabelle über die „im Rahmen von Sozial > Umlagefinanzierte Alterssicherungssysteme des Staa- schutzsystemen aufgelaufenen Alterssicherungsansprü- tes – wie die Beamtenversorgung in Deutschland – che“ und übermitteln diese an das Statistische Amt können im Kernsystem oder außerhalb des Kernsys- der Europäischen Union (Eurostat). Die Tabelle, deren tems dargestellt werden. Berechnung grundsätzlich außerhalb des Kernsystems der VGR erfolgt, hat im Lieferprogramm zum ESVG 2010 In der Folge wurde eine entsprechende Tabelle sowohl die Nummer 29. Sie wird daher häufig vereinfachend als in das neue SNA 2008 als auch in das ESVG 2010 auf- „Tabelle 29“ oder als „Ergänzungstabelle“ bezeichnet. genommen. Letzteres stimmt mit dem SNA 2008 im Hinblick auf Begriffsbestimmungen, Buchungsregeln Ausgangspunkt zum Erstellen der Tabelle war der Auftrag und Zuordnungen überein, ist aber stärker auf eine Ver- der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen im wendung innerhalb der EU abgestimmt und für deren März 2003, das weltweite System of National Accounts Mitgliedstaaten rechtsverbindlich. Zum letzten Punkt (SNA) 1993 zu aktualisieren. | 1 Vor dem Hintergrund des des Kompromissvorschlages – der Behandlung umlage demografischen Wandels und alternder Gesellschaften, finanzierter Alterssicherungssysteme des Staates – wur insbesondere in den industriell geprägten Ländern, de innerhalb der EU entschieden, dass eine Buchung stand seinerzeit auch die Behandlung von Renten- und nur in der Ergänzungstabelle erfolgen soll. Pensionsansprüchen im Rahmen der VGR auf der Liste der Revisionsthemen. Auf europäischer Ebene wurde bereits 2006 eine Task Force von Eurostat und Europäischer Zentralbank (EZB) 1 An der Überarbeitung des SNA 1993 waren die Vereinten Nationen, zur Berechnung der Pensions- und Rentenanwartschaf- die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Internationale Währungsfonds, die Europäische Kommis- ten in den VGR eingerichtet. Seit 2008 wird diese Euro- sion und die Weltbank beteiligt. stat/EZB-Task Force als Eurostat/EZB Contact Group on 78 Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018
Berechnung der Pensions- und Rentenanwartschaften in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen Pensions weitergeführt. Diese Gruppe hat sich, teilweise an erworbenen Alterssicherungsansprüchen gegenüber in Zusammenarbeit mit der OECD, intensiv mit Fragen der Beamtenversorgung und der gesetzlichen Sozialver- zur konkreten Durchführung der komplexen Berechnun- sicherung. Die Alterssicherungsansprüche ge genüber gen befasst. den Systemen der betrieblichen Alterssicherung werden in der Finanzierungsrechnung der Deutschen Bundes- Zum Ende des Jahres 2017 wurden erstmals Ergebnisse bank auch bisher schon nachgewiesen. für das Berechnungsjahr 2015 an Eurostat übermittelt. Im vorliegenden Beitrag liegt der Fokus auf der Darstel- Die Tabelle 29 deckt damit wichtige, aber nicht alle lung der Berechnungsmethodik und diesen Ergebnissen. Möglichkeiten der Altersvorsorge privater Haushalte Grundlegende methodische Fragen zum Renten- und ab. Ausschließlich privat veranlasste Altersvorsorge- Pensionsvermögen in den VGR wurden bereits in dieser verträge, die keinen Arbeitgeberbezug aufweisen, sind Zeitschrift erörtert (Braakmann und andere, 2007; Haug, nicht Bestandteil dieser Ergänzungstabelle. Hierun- 2010). Nachfolgend werden zunächst Ziel und Aufbau ter fallen beispielsweise individuell abgeschlossene der Tabelle 29 vorgestellt (Kapitel 2). Anschließend wer- Lebensversicherungen. Ebenfalls nicht enthalten sind den die Methodik der Anwartschaftsberechnung erläutert bedarfsgeprüfte Leistungen zur Grundsicherung, wie (Kapitel 3) und die spezifischen Besonderheiten für die Sozialhilfeleistungen. Sonstige Vermögensarten, die drei Teilbereiche der Berechnungen – betriebliche Alters- der Altersvorsorge dienen können, wie Kapitalvermö- versorgung, Beamtenversorgung und Gesetzliche Sozial- gen oder Wohneigentum, werden ebenfalls nicht in der versicherung– sowie die verwendeten Datenquellen und Tabelle dargestellt. Berechnungsannahmen erklärt (Kapitel 4). In Kapitel 5 Die Tabelle 29 bietet einen Rahmen für die Darstellung erfolgt eine Darstellung und Erläuterung der Ergebnisse international vergleichbarer und konsistenter Angaben der Ergänzungstabelle für das Berechnungsjahr 2015. zum Vermögen und den gebuchten Transaktionen sowie weiterer Stromgrößen für die Ansprüche privater Haus- halte aus Rückstellungen bei Altersvorsorgeeinrichtun- 2 gen. Eine schematische Darstellung des Aufbaus der Tabelle 29 zeigt Grafik 1 auf Seite 80. Erläuterung der Tabelle 29 In den Spalten der Tabelle wird nach der Art des Alters- sicherungssystems differenziert. Es wird unterschieden Mit der Einführung der Tabelle 29 „Im Rahmen von Sozialschutzsystemen aufgelaufene Alterssicherungs- > nach der Buchung innerhalb oder außerhalb der Haupt- ansprüche“ im ESVG-Lieferprogramm erfolgt erstmals konten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, ein umfassender Ausweis der Alterssicherungsansprü- > nach dem Systemträger, das heißt ob es sich um ein che privater Haushalte gegenüber Arbeitgebern und der staatliches Arbeitgebersystem, um ein nicht staat gesetzlichen Sozialversicherung. Im Detail werden Infor- liches Arbeitgebersystem oder um die Sozialversiche- mationen zu rung handelt und > den Alterssicherungsansprüchen privater Haushalte > nach der Art der Renten- oder Pensionszusage, das gegenüber staatlichen Arbeitgebersystemen mit Leis- heißt ob vonseiten des Arbeitgebers eine Beitragszu- tungszusage, sage oder eine Leistungszusage vorliegt. > den Alterssicherungsansprüchen privater Haushalte Bei einer Verbuchung außerhalb der Hauptkonten erfolgt aus umlagefinanzierten Systemen der Sozialversiche- der Ausweis der Alterssicherungsansprüche ausschließ- rung sowie lich in der Ergänzungstabelle und nicht im Kontensystem > den Alterssicherungsansprüchen gegenüber Sys te der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Dies ist men der betrieblichen Alterssicherung in den deutschen VGR für die Pensionsanwartschaften der Beamtinnen und Beamten und die Anwartschaften dargestellt. Bisher werden in den Volkswirtschaftlichen gegenüber der gesetzlichen Sozialversicherung der Fall. Gesamtrechnungen für die beiden erstgenannten Sys- teme nur Stromgrößen (Sozialbeiträge und geleistete Zu den staatlichen Alterssicherungssystemen zählen Renten/Pensionen) verbucht, nicht jedoch der Bestand neben der Altersversorgung der Beamtinnen und Beam- Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018 79
Thorsten Haug Grafik 1 Schematische Darstellung zum Aufbau der Tabelle 29 Verbuchung In den Hauptkonten der VGR Nicht in den Kopf Hauptkonten Systemträger Nicht staatlicher Träger Staatlicher Träger Zusageart Beitrags- Leistungs- Beitrags- Leistungszusage für Arbeit- Summe zusage zusage zusage nehmer des Staates Vorspalte Zuordnung Sozialver- S.12 S.13 sicherung Tabellenspalte B E G H Zeilen Betriebliche Alterssicherung Summe versorgung im öffentlichen Dienst) Betriebliche Alterssicherung (Zusatz- Beamtenversorgung Sozialversicherung Eröffnungsbilanz 1 Anwartschaften 2 Sozialbeiträge Veränderung der Versorgungs- 3 Sonstige Änderungen ansprüche auf- 4 Geleistete Pensionen grund 5=2+3–4 Zwischensumme von Trans- 6 Übertragungen aktionen 7 Reformen Veränderung 8 Umbewertungen aufgrund sonstiger Sonstige Volumen- 9 Ströme änderungen Schlussbilanz 10 Anwartschaften 2018 - 01 - 0132 ten auch die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst entsprechen deren Bilanzwert und sind in den Kernkon- und insbesondere die gesetzliche Sozialversicherung, ten der VGR enthalten. In Deutschland gibt es derzeit die in den VGR dem Sektor Staat zugerechnet wird. Nicht keine entsprechenden Systeme. Dagegen bestimmt sich staatliche Arbeitgebersysteme enthalten die betrieb- der Anspruch aus Systemen mit Leistungszusage nach liche Alterssicherung (ohne die Zusatzversorgung im einer Formel, die die Rentenhöhe abhängig von Beiträ- öffentlichen Dienst). gen und Beschäftigungszeit einschließlich zukünftigen Rentenanpassungen definiert, gegebenenfalls auch in Die Unterscheidung nach Art der Renten- oder Pensions- Verbindung mit einem Mindestanspruch. Hierbei liegt zusage hängt davon ab, wie das Leistungsversprechen das Risiko zur Bedienung der Rentenversprechen beim der Höhe nach definiert ist. Bei Systemen mit Beitrags- Arbeitgeber oder einer von ihm beauftragten institu- zusage hängt die Rentenleistung ausschließlich von tionellen Einheit. Systeme mit Leistungszusage sind der Summe der Beiträge ab, die von den Beschäftigten entweder kapitalgedeckt oder, wenn keine Vermögens- und ihren Arbeitgebern im Laufe ihres Erwerbslebens werte den Alterssicherungsansprüchen gegenüberste- geleistet wurden, zuzüglich der Kapitalerträge durch die hen, umlagefinanziert. Der Wert von Ansprüchen aus Anlage des Vermögens durch den Systemverwalter | 2. Systemen mit Leistungszusage ist nicht unmittelbar er- Das Risiko, eine ausreichende Altersvorsorge zu erlan- sichtlich, sondern muss mittels versicherungsmathema- gen, liegt bei Systemen mit Beitragszusage allein bei tischer Berechnungen bestimmt werden. den Versicherten, da den Arbeitgebern über etwaige Bei- tragszahlungen hinaus keine Verpflichtungen entstehen. In Tabelle 29 werden für Deutschland die folgenden Die Anwartschaften aus Systemen mit Beitragszusage Alterssicherungssysteme nachgewiesen: > Die betriebliche Altersversorgung nicht staatlicher 2 Der Begriff „Systemverwalter“ bezeichnet die Einheit, die für die Träger wird in Spalte B (Systeme mit Leistungszusage praktische Organisation des Alterssicherungssystems verantwortlich ist, einschließlich der Kapitalanlage. Diese kann vom Systemträger, und sonstige Systeme ohne Beitragszusagen) darge- der die rechtliche Verantwortung für die Zusagen aus dem Alters- stellt. sicherungssystem trägt, verschieden sein, es können aber auch beide Funktionen durch dieselbe institutionelle Einheit ausgeübt werden. 80 Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018
Berechnung der Pensions- und Rentenanwartschaften in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen > Die betriebliche Altersversorgung staatlicher Träger der Ansprüche aufgrund sonstiger Volumenänderungen. umfasst in Deutschland die Zusatzversorgung im Diese ergeben sich insbesondere durch das Einarbeiten öffentlichen Dienst. Diese wird in Spalte E als Sys- neuer aktueller versicherungsmathematischer Berech- tem mit Leistungszusage für Arbeitnehmerinnen und nungsparameter. Veränderun gen der Anwartschaften Arbeitnehmer des Staates im Sektor finanzielle Kapi- durch eine Änderung der Diskontrate oder durch geän- talgesellschaften | 3 verbucht. Wie bei der betrieblichen derte Annahmen zur Lohnentwicklung werden als Umbe- Altersversorgung nicht staatlicher Träger sind auch wertungseffekte verbucht, wohingegen Anpassungen diese Ansprüche im Kernsystem der VGR erfasst. bei der Lebenserwartung und anderer Berechnungs parameter den sonstigen Volumenänderungen zuge- > Die Beamtenversorgung stellt ebenfalls ein System mit ordnet werden. Zu Letzteren zählen beispielsweise Leistungszusage für Arbeitnehmerinnen und Arbeit- Änderungen der altersspezifischen Verheiratetenwahr- nehmer des Staates dar, wird allerdings außerhalb des scheinlichkeiten bei der Bestimmung von Witwen-/ Kernsystems dem Sektor Staat zugeordnet (Spalte G). Witwerrenten. > Die gesetzliche Rentenversicherung sowie die Alters sicherung der Landwirte werden in Spalte H von Tabelle 29 (Altersvorsorgeeinrichtungen der Sozial 3 versicherung) gebucht. In den Zeilen folgt die Tabelle 29 einem bilanziellen Auf- Allgemeine Berechnungsmethodik bau. Ausgehend von den Anwartschaften | 4 zu Jahresbe- Im Rahmen der Tabelle 29 erfolgt erstmals der Ausweis ginn werden Veränderungen der Anwartschaften durch von Alterssicherungsansprüchen aus der gesetzlichen Transaktionen und sonstige Ströme gebucht, die die Sozialversicherung sowie aus der Beamtenversorgung Anwartschaften erhöhen oder verringern, sodass sich in den VGR (Spalten G und H). Für diese Angaben lie- am Schluss die Anwartschaften zum Jahresende erge- gen keine Basisstatistiken vor, sie werden modell ben. Transaktionen umfassen die anwartschaftsstei- mäßig durch versicherungsmathematische Berechnun- gernden Sozialbeiträge einschließlich der Kapitalerträge gen ermittelt, die im Folgenden dargestellt werden. Im der privaten Haushalte auf das Anwartschaftsvermögen Gegensatz dazu werden die betrieblichen Alterssiche- und abzüglich der Dienstleistungsentgelte der Träger von rungsansprüche der nicht staatlichen und staatlichen Alterssicherungssystemen, die für die Verwaltung des Betriebsrentensysteme in den Spalten B respektive E Alterssicherungssystems anfallen (Nettoprinzip). Auch auf Basis von Angaben der Deutschen Bundesbank die im Jahresverlauf geleisteten Renten und Pensionen bestimmt. Grund dafür ist, dass eine originäre Berech- reduzieren die Höhe der Anwartschaften. Ebenfalls zu nung dieser Ansprüche aus Mangel an Daten nicht den Transaktionen zählen Anwartschaftsübertragun- möglich und angesichts der Vielzahl der Systemträger gen zwischen den einzelnen Alterssicherungssystemen auch nicht praktikabel ist. sowie die Veränderung der Anwartschaften durch Refor- men des Alterssicherungssystems, beispielsweise auf- Alterssicherungsansprüche entsprechen in Tabelle 29 grund von Gesetzesänderungen, welche die Rentenhöhe dem Gegenwartswert (Anwartschaftsbarwert) von zu oder das Renteneintrittsalter betreffen. Zu den Verände- künftigen Renten- und Pensionszahlungen auf Grund- rungen der Versorgungsansprüche aufgrund sonstiger lage von zum Bilanzstichtag erworbenen Ansprüchen. Ströme gehören Umbewertungen sowie die Veränderung Diese basieren bei Erwerbstätigen auf zurückliegenden Dienst-/Versicherungszeiten und bei Rentenempfänge- rinnen und Rentenempfängern sowie Pensionärinnen 3 In den VGR werden die Versorgungsanstalt des Bundes und der Län- der (VBL) und die Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche und Pensionären auf der verbleibenden Bezugsdauer. Altersversorgung (AKA) dem Sektor S.12 zugeordnet, weil diese als Die Berechnungen beruhen zum einen auf beobacht eigenständige institutionelle Einheiten über Entscheidungshoheit über die Ausgestaltung ihres Alterssicherungssystems verfügen. baren Ereignissen, über die statistische Angaben vorlie- 4 Der Begriff „Anwartschaften“ bezeichnet hier den Barwert der Alters- gen (das sind beispielsweise die Zahlen der Arbeitneh- sicherungsansprüche aktiver Beschäftigter (Versicherte, Beamtinnen/ merinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner Beamte) wie auch den Wert der Ansprüche gegenwärtiger Renten bezieherinnen und Rentenbezieher sowie Versorgungsempfängerin- beziehungsweise Pensionärinnen und Pensionäre), so- nen und Versorgungsempfänger. wie auf Angaben zu den zurückliegenden Beschäfti- Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018 81
Thorsten Haug gungszeiten. Zusätzlich erfordern die versicherungs Berechnung von Anwartschaften besteht darin, die mathematischen Berechnungen auch einige Annahmen, künftigen Bestandszahlen beziehungsweise den Ein- die die Entwicklung von Rechengrößen in künftigen Jah- tritt von Rentenfällen realistisch abzubilden. Hierzu ren betreffen. Hierunter fallen die Fortschreibung von werden Übergänge zwischen den Personengrup- Bestandszahlen mittels Sterbetafeln, die Bestimmung pen mittels Eintrittswahrscheinlichkeiten für Tod d beziehungsweise Anpassung von Rentenzahl beträgen (beziehungsweise die Überlebenswahrscheinlichkeit in zukünftigen Jahren unter Berücksichtigung der zu ¬ d = 1 – d ), für den Eintritt von Altersrenten r und für künftigen Lohnentwicklung sowie die Fortschreibung den Eintritt einer Erwerbsminderung/Dienstunfähigkeit des Rentenzugangsverhaltens. Ein weiterer Faktor, der v bestimmt. Die Bestandsprojektion differenziert neben einen deutlichen Einfluss auf die Höhe der Anwartschaf- den Statusgruppen Arbeitnehmer/-in, Altersrentner/-in, ten hat, ist der Abzinsungssatz (Diskontrate) zur Bestim- Erwerbsminderungsrentner/-in und Witwe/Witwer auch mung der Gegenwartswerte. Für die Annahmen wurde nach Geschlecht und Einzelalter. auf europäischer Ebene vereinbart, dass diese nach ein- heitlichen Grundsätzen bestimmt werden sollen, damit Grafik 2 zeigt, wie der Übergang von Personen eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen den EU- beständen (Arbeitnehmer/-innen beziehungsweise Ren- Mitgliedstaaten gewährleistet ist. Bei wichtigen quanti- tenempfänger/-innen) in andere Statusgruppen anhand tativen Annahmen wird auf die Annahmen der Working der oben genannten Wahrscheinlichkeiten modelliert Group on Ageing Populations and Sustainability (AWG) | 5 wird. Die Todeswahrscheinlichkeit basiert auf den alters- zurückgegriffen. Dies betrifft die Diskontrate, die nomi- spezifischen Sterbeziffern der Sterbetafeln, während nal 5 % (real 3 %) beträgt, und die Annahmen zur Lohn- die Verrentungswahrscheinlichkeiten aus der Renten entwicklung (nominal langfristig 3 % bis 3,5 %). Gemäß zugangsstatistik der Deutschen Rentenversicherung be- ESVG 2010 sollen Lohnsteigerungen berücksichtigt wer- ziehungsweise der Versorgungsempfängerstatistik des den, wenn diese bei den künftigen Rentenzahlbeträgen Statistischen Bundesamtes abgeleitet werden. Der Be- eine Rolle spielen. Dieser Ansatz wird als PBO-Methode stand eines Jahres ergibt sich aus dem Bestand des bezeichnet (PBO = Projected Benefit Obligation). Vorjahres unter Berücksichtigung von altersspezifi schen Abgängen durch Tod und gegebenenfalls Zu Für die Berechnung der Ansprüche gegen die gesetzliche gängen, abhängig von der betrachteten Personen- Rentenversicherung werden bei der Bestandfortschrei- gruppe. Zugänge durch Hinterbliebenenrenten werden bung Sterbetafeln verwendet, die auf der Koordinier- bestimmt, indem bei Verstorbenen entsprechend der ten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Wahrscheinlichkeit m, verheiratet zu sein, eine Witwe/ Bundesamtes basieren. Die Berechnung der Pensions ein Witwer unter Berücksichtigung des typischen Alters- ansprüche der Beamtinnen und Beamten stützt sich auf unterschieds | 6 zum Bestand der bestehenden Witwen/ spezifische Sterbetafeln für diesen Personenkreis. Es Witwer hinzugerechnet wird. Waisenrenten werden handelt sich in beiden Fällen um Generationensterbe- aufgrund der geringen quantitativen Bedeutung mit- tafeln, die eine künftige Veränderung der Lebenserwar- tels eines vereinfachten Modells basierend auf alters- tung berücksichtigen. spezifischen Quoten bestimmt. Personen, die bereits Altersrente oder Erwerbsminderungsrente beziehen, Bei der Berechnung der Anwartschaften werden alle behalten ihren Status mit der Überlebenswahrschein- Rentenarten berücksichtigt, die Bestandteil des Alters- lichkeit 1 – d. Im Todesfall wird mit Wahrscheinlichkeit m sicherungssystems sind. Darunter fallen Altersrenten, ebenfalls eine Hinterbliebenenrente angesetzt. Im Falle Erwerbsminderungsrenten beziehungsweise Pen der gesetz lichen Rentenversicherung werden darüber sions ansprüche aus Dienstunfähigkeit und Hinter- hinaus Bezieherinnen und Bezieher von Erwerbsminde- bliebenenrenten. Eine zentrale Voraussetzung der rungsrenten bei Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze 5 Die AWG ist eine durch das Economic Policy Committee (EPC) der in den Bestand der Bezieherinnen und Bezieher von EU beauftragte Arbeitsgruppe, die langfristige Projektionen zu Altersrenten überführt. den fiskalischen Auswirkungen durch die alternde Bevölkerung in Europa erstellen soll. Die AWG veröffentlichte zuletzt im Jahr 2015 einen Bericht mit Projektionen für die 28 EU-Mitgliedstaaten sowie 6 Die Berechnungen von Hinterbliebenenrenten basieren auf der Norwegen. Dieser umfasst auch Annahmen zu demografischen und Annahme, dass Witwen von verstorbenen Ruhegehaltsempfängern/ wirtschaftlichen Parametern, die teilweise bei der Berechnung der Rentnern zwei Jahre jünger sind, im umgekehrten Fall wird angenom- Alterssicherungsansprüche Anwendung finden. men, dass Witwer ein um zwei Jahre höheres Alter aufweisen. 82 Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018
Berechnung der Pensions- und Rentenanwartschaften in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen Grafik 2 Schematische Darstellung zur Projektion der Personenanzahl Status in t Status zum Zeitpunkt t + 1 Arbeitnehmer/-in Rest Arbeitnehmer/-in ¬d . r Altersrentner/-in ¬d . v erwerbsgemindert d verstorben d.m Witwe/Witwer ¬d wie zuvor Altersrentner/-in oder erwerbsgemindert d verstorben d.m Witwe/Witwer d: Wahrscheinlichkeit, dass die Person zwischen t und t + 1 verstirbt (Sterbeziffer) ¬d = 1 – d: Überlebenswahrscheinlichkeit r: Verrentungswahrscheinlichkeit (Altersrente) v: Verrentungswahrscheinlichkeit (Erwerbsminderungsrente) m: Verheiratetenwahrscheinlichkeit 2018 - 01 - 0133 Die Berechnung der Anwartschaften auf Basis der > Die versicherungsmathematischen Berechnungspara- modellmäßig bestimmten Bestandszahlen erfolgt für meter werden für das jeweilige Berichtsjahr festgelegt. die Beamtenversorgung, die gesetzliche Rentenver- Diese umfassen die Diskontrate, die Lohnentwicklung, sicherung und die Alterssicherung der Landwirte grund- die Sterbetafeln, die Wahrscheinlichkeit, verheiratet sätzlich in vier Schritten: zu sein, den Altersunterschied bei Ehepaaren, sowie weitere Faktoren, die bei der Bemessung der Renten- > Aus den Basisstatistiken, die sich für die versiche- höhe eine Rolle spielen. rungsmathematisch bestimmten Rechenbereiche ge- setzliche Rentenversicherung, Alterssicherung der > Die Berechnung des Anwartschaftsbarwerts erfolgt bei Landwirte und Beamtenversorgung unterscheiden, Vorliegen der oben aufgeführten Angaben automa- werden die für die Berechnungen notwendigen Aus- tisch. gangsdaten zusammengeführt. Die Basisdaten bilden den Kernbestandteil der Berech- > Mittels weiterer Berechnungen werden diese Daten in nung der Alterssicherungsansprüche. Für die aktiven die für das Berechnungsmodell der Anwartschaften Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umfassen diese notwendige Form überführt. Diese Angaben werden im die Bestandszahlen, die altersspezifischen Anwart- Folgenden als Basisdaten bezeichnet. Sie umfassen schaften und die Zugangsquoten zum Eintritt in den Informationen zum Personenbestand, zu den Anwart- Ruhestand: schaften und zu den Rentenzugangsquoten nach Ein- zelalter, jeweils differenziert nach Personengruppen Die Bestimmung des Bestands Ba,g,l,t einer Periode (aktiv Beschäftigte/Versicherte, Empfänger/-innen t mit Einzelalter a erfolgt ausgehend vom Ausgangs- von Altersrenten und Erwerbsminderungsrenten, Wit- bestand Ba,g,l,t0 und Fortschreibung mittels Sterbe- wen/Witwer und Waisen) sowie getrennt für Frauen tafeln: Ba,t,g,l = Ba–1,t–1,g,l*(1–da–1,t–1,g ) mit d als und Männer. Weiterhin wird bei der Beamtenversor- alters- und geschlechtsspezifischer Sterbeziffer. Neben gung nach Laufbahngruppen unterschieden, wohinge- der Unterscheidung nach Einzelalter a wird dabei wei- gen bei der gesetzlichen Sozialversicherung nach dem ter differenziert nach Geschlecht g und Laufbahn l Gebietsstand (Ost/West) differenziert wird. (Beamtenversorgung) beziehungsweise Gebietsstand l Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018 83
Thorsten Haug (gesetzliche Sozialversicherung). Die altersspezifi- unterscheidet sich zwischen den Alterssicherungssyste- schen Anwartschaften ABa,g,l,t0 geben an, wie hoch der men, die versicherungsmathematisch bestimmt werden. monatliche Rentenanspruch von Arbeiterinnen und Im Fall der gesetzlichen Rentenversicherung findet eine Arbeitern, Angestellten sowie Beamtinnen und Beam- Differenzierung nach Geschlecht g, Gebietsstand l sowie ten im aktiven Dienst in einer bestimmten Altersgruppe Personengruppen (Versicherte, Rentner/-innen, …) statt, im Ausgangsjahr ausfällt. Die Fortschreibung für künf- bei dem System der Beamtenversorgung erfolgt eine Dif- tige Jahre erfolgt durch Anpassungen unter Berück- ferenzierung nach Beschäftigungsbereich, Geschlecht, sichtigung zukünftiger Lohnsteigerungen st: ABa,g,l,t = Laufbahn und Personengruppen. ABa,g,l,t0 * ∏tt0 st. Der effektive Auszahlungsbetrag ZB wird bestimmt, indem die Anwartschaften mit den Zugangs- quoten multipliziert werden: ZBa,g,l,t = ZQa,l,t * ABa,g,l,t. 4 Die Zugangsquoten geben dabei an, welcher prozentu- ale Anteil der Anwartschaften in einem bestimmten Alter Bestimmung der Basisdaten bei den zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Auszahlung kommt. Die Zugangsquoten werden bestimmt, indem Statisti- Alterssicherungssystemen im Einzelnen ken zum Rentenzugang beziehungsweise zum Zugang an Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsemp- Die in Kapitel 3 dargestellte Berechnungsweise unter- fängern ausgewertet und unter Berücksichtigung der scheidet sich bei der Beamtenversorgung und der gesetzlichen Regelungen fortgeschrieben werden. Zu gesetzlichen Sozialversicherung im Hinblick auf die den gesetzlichen Regelungen zählen auch Änderun- verwendeten Datenquellen. Diese werden, ebenso wie gen in zukünftigen Jahren, die durch die Anhebung der die Ausgangsdaten der betrieblichen Altersversorgung, Altersgrenzen („Rente mit 67“) bedingt sind. Hierbei nachfolgend dargestellt. Für alle Systeme gilt: Die Anga- werden altersspezifische Abschläge für den vorgezo- ben zu tatsächlichen Sozialbeiträgen und den gezahlten genen Renten-/Ruhestandseintritt berücksichtigt. Die Leistungen entsprechen den jeweiligen Größen in den resultierenden Zugangsquoten stellen dabei eine kumu- Kernkonten, die Alterssicherungsansprüche werden am lative Verteilungsfunktion über die Alter a dar. Jahresanfang und am Jahresende (Zeile 1 beziehungs- weise Zeile 10 von Tabelle 29) versicherungsmathema- Bei Rentenempfängerinnen und Rentenempfängern be tisch berechnet. ziehungsweise Beamtinnen und Beamten im Ruhestand gestaltet sich die Berechnung einfacher: Der Auszah- lungsbetrag steht fest, daher muss keine Bestimmung 4.1 Beamtenversorgung der altersspezifischen Anwartschaften erfolgen. Auch Die Berechnung der Anwartschaften der Beamtenversor- entfällt die Bestimmung der Zugangsquoten für den gung erfolgt auf Basis von Auswertungen der Personal- Eintritt in die Rentenphase/den Ruhestand, da dieser standstatistik und der Versorgungsempfängerstatistik. bereits erfolgt ist. Sie umfassen die Beamtinnen und Beamten des Bun- Der Anwartschaftsbarwert PVa,t für einen bestimmten des, der Deutschen Bahn und der Deutschen Post und Bestand an Aktiven/Versicherten oder Versorgungs schließen auch die Soldatinnen und Soldaten ein. Für empfängerinnen/-empfängern sowie Rentnerinnen/ die Beschäftigten der Bundesländer werden die Berech- Rentnern bestimmt sich nach der folgenden Formel: nungen für die Beschäftigungsbereiche Schulen, Justiz und Polizei, Gemeinden, mittelbarer öffentlicher Dienst amax tmaxBa,t *ZBa,t PVa,t = � � und sonstige Bereiche differenziert durchgeführt. Dies a=0 t=0 ∏tt0 i erfordert, wie im vorherigen Kapitel dargestellt, jeweils die Bestimmung von Bestandszahlen, von altersspezifi- Dabei wird das Produkt aus Bestand B und effektivem schen Anwartschaften und von entsprechenden Renten- Auszahlungsbetrag ZB, der über t – t0 Perioden abgezinst zugangsquoten. wird, aufsummiert über alle Altersgruppen im Projekti- onszeitraum. Die Berechnung der Alterssicherungsan- Mittels einer Auswertung der Personalstandstatistik sprüche erfolgt als Gesamtsumme über alle Teilberei- zum 30. Juni eines Jahres werden die Bestandszahlen che. Die Differenzierung in verschiedene Teilbereiche aktiver Beschäftigter bestimmt. Da die Anwartschaf- 84 Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018
Berechnung der Pensions- und Rentenanwartschaften in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ten jeweils zum 31.12. eines Jahres erhoben werden, Rentenbestand bereit. Im Gegensatz zur Beamtenversor- erfolgt eine Fortschreibung dieser Bestandszahlen über gung liegt bei der gesetzlichen Rentenversicherung eine das fehlende zweite Halbjahr. Hierbei werden die Alte- Anwartschaftsstatistik vor. Sie weist erworbene Ansprü- rung und Mortalität des Ausgangsbestands, die Ver- che von Versicherten auf Altersrente und Erwerbsminde- sorgungsabgänge im entsprechenden Zeitraum sowie rungsrente (einschließlich Zurechnungszeiten) aus. Da etwaige Neuzugänge berücksichtigt. Weil keine Anwart- die Anwartschaftsstatistik den Rentenzahlbetrag nach schaftsstatistik vorliegt, werden die altersspezifischen Abzug von Eigenbeiträgen zur Krankenversicherung der Anwartschaften auf Grundlage der ruhegehaltsfähigen Rentner und zur Pflegeversicherung zeigt, müssen diese Dienstzeiten bestimmt, die für jedes Einzelalter und dif- zum Auszahlungsbetrag hinzugerechnet werden, um die ferenziert nach Geschlecht und Laufbahn auf Basis der Anwartschaften vollständig abzubilden. Darüber hinaus Personalstandstatistik und geeigneter Schätzansätze gibt es beim Zusammentreffen von Witwen-/Witwer- berechnet werden. Jedes Jahr ruhegehaltsfähiger Dienst- renten und (eigenen) Altersrenten von Hinterbliebenen zeit in Vollzeit gewährt einen Anspruch auf 1,79375 % beim Überschreiten von Obergrenzen Anrechnungsvor- der Bezüge, die zwei Jahre vor Eintritt in den Ruhestand schriften, die gegenüber einer unbeschränkten Berech- bezogen werden. Folgende Faktoren beeinflussen nung von Altersrenten und Hinterbliebenenrenten zu die ruhegehaltsfähige Dienstzeit: Diensteintrittszeit- einer Reduktion der Anwartschaften führen. Witwen-/ punkt, Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubungszeiten, Witwerrenten werden daher um einen Abschlag redu- berücksichtigungsfähige Vorzeiten für Wehrdienst oder ziert. Die Bestimmung von Zugangsquoten bezieht Beschäftigungszeiten als Angestellte(r), Zurechnungs- alle Zugangswege für Altersrenten und Erwerbsminde- zeiten aufgrund von Dienstunfähigkeit sowie Altersteil- rungsrenten ein, die auf Angaben der Statistik zum Ren- zeit. Mit den vorliegenden Angaben und Schätzansätzen tenzugang basieren. Die altersspezifischen Zugangs- zu diesen Faktoren wird eine Verteilung der altersspe- wahrscheinlichkeiten werden unter Einbeziehung der zifischen ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten bestimmt. Da Anhebung der Altersgrenzen und der Änderungen durch sich die Zahlbeträge des Ruhegehalts nach dem End- das RV-Leistungsverbesserungsgesetz | 7 („Rente mit 63“ gehalt vor Ruhestandseintritt bemessen, ist es darüber für Versicherte mit 45 und mehr Versicherungsjahren) hinaus erforderlich, die Karriereentwicklung bis zum fortgeschrieben. Ruhestand zu projizieren. Damit wird erreicht, dass die altersspezifischen Anwartschaften die tatsächlich zu erwartenden Zahlbeträge widerspiegeln. Die Projektion 4.3 Alterssicherung der Landwirte erfolgt unter Berücksichtigung der Verteilung der Ver- sorgungszugänge nach Besoldungsklassen. Die Bestim- Die Alterssicherung der Landwirte besteht als separates mung der Quoten für die Zugänge in den Ruhestand nach System zur zusätzlichen Altersversorgung für selbststän- Einzelalter basiert auf der Verteilung der Versorgungszu- dige Landwirtinnen und Landwirte, deren Ehepartnerin- gänge aus der Versorgungsempfängerstatistik nach Alter nen und Ehepartner und mithelfende Familienangehö- und Zugangsweg (Pensionierung mit Regelaltersgrenze, rige im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung. Die Dienstunfähigkeit, besondere Altersgrenze und Schwer- Leistungen der Alterssicherung der Landwirte hängen behinderung). ab von der Anzahl der Beitragsjahre und dem Renten artfaktor, nicht jedoch von der Beitragshöhe. Alle Versi- 4.2 Gesetzliche Rentenversicherung cherten leisten einen einheitlichen Beitrag, wobei bei Unterschreitung von Einkommensgrenzen Eigenbeiträge Die Berechnung der Anwartschaften gegenüber der durch Transferleistungen reduziert werden. Die Berech- gesetzlichen Rentenversicherung (einschließlich Knapp- nungen stützen sich auf Angaben des Spitzenverbands schaft und Künstlersozialversicherung) umfasst die der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Angaben Anwartschaften der Versicherten und der Bezieherinnen liegen zur Zahl der Versicherten sowie der Rentnerinnen und Bezieher von Altersrenten, Erwerbsminderungsren- und Rentner vor. Mit den ebenfalls verfügbaren Angaben ten und Hinterbliebenenrenten, jeweils getrennt nach 7 Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Renten- Geschlecht und Gebietsstand. Angaben zur Anzahl der versicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23. Juni 2014 Personen stellt die Statistik zu den Versicherten und zum (BGBl. I Seite 787). Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018 85
Thorsten Haug zur Anzahl der Beitragsjahre lassen sich die altersspe- nommen wurde. Angaben zu den Transaktionen wurden zifischen Anwartschaften der Versicherten und Renten- wie bei den anderen Alterssicherungssystemen aus den empfängerinnen und -empfänger bestimmen. Informati- Hauptkonten der VGR übernommen. Die zusätzlichen onen zum Rentenzugang sind hingegen nicht verfügbar. Sozialbeiträge der privaten Haushalte aus Kapitalerträ- Die Rentenzugangsquoten müssen somit auf Basis der gen werden mithilfe des Abzinsungssatzes | 9 bestimmt, Bestandsangaben und der gesetzlichen Regelungen der nach § 253 Absatz 2 Handelsgesetzbuch für die geschätzt werden. Angesichts der geringen quantitati- Bilanzierung von Pensionsrückstellungen bei Unterneh- ven Bedeutung der Alterssicherung der Landwirte als Teil men anzuwenden ist. Die sich als Restgröße ergebende der gesetzlichen Sozialversicherung wirken sich diese Saldenposition wird bei der betrieblichen Altersversor- Einschränkungen jedoch nicht spürbar auf das Gesamt- gung als Teil der Umbewertungen gebucht. ergebnis aus. 5 4.4 Betriebliche Alterssicherung Die betriebliche Altersversorgung umfasst in Deutsch- Ergebnisse land die nicht staatlichen Betriebsrentensysteme nach Die Ergebnisse der Tabelle 29 werden ab dem Berech- dem Betriebsrentengesetz mit den Durchführungswegen nungsjahr 2015 im dreijährlichen Zyklus ausgewie- Direktzusage, Unterstützungskassen, Direktversiche- sen, bei einer Lieferfrist von 24 Monaten fand die erste rungen, Pensionskassen und Pensionsfonds sowie die Datenübermittlung an Eurostat somit zum Jahresende berufsständischen Versorgungssysteme für die freien 2017 statt. Die Berechnungen schließen eine Sensi- Berufe. Die betriebliche Alterssicherung staatlicher Trä- tivitätsanalyse mit einer Variation der Diskontrate um ger für deren Arbeitnehmerschaft wird als Zusatzver- ± 1 Prozentpunkt ein, die zeigt, welche Auswirkungen sorgung im öffentlichen Dienst bezeichnet, zu der die eine Änderung des Abzinsungssatzes auf die Anwart- Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) schaften hat. und die Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung (AKA) zählen. Diese werden innerhalb Wie bereits in Kapitel 2 erläutert, soll Tabelle 29 einen des Kernsystems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrech- vollständigen Ausweis der Alterssicherungsansprüche nungen gebucht und den Spalten B (nicht staatliche Trä- der privaten Haushalte gegenüber Arbeitgebersystemen ger) und E (staatliche Träger) zugeordnet. Während die und der gesetzlichen Sozialversicherung ermöglichen. Transaktionen (Sozialbeiträge, geleistete Renten) schon Auf nationaler Ebene erlaubt die Tabelle eine umfassen- bisher in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen dere Beurteilung der Vermögen der privaten Haushalte ausgewiesen werden, gibt es bislang keine Angaben aus Anwartschaften, welche für nicht kapitalgedeckte zum Umfang der betrieblichen Alterssicherungsansprü- Systeme in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnun- che. Für die Tabelle 29 werden deshalb Angaben der gen bisher nicht vorlagen. Auf internationaler bezie- Finanzierungsrechnung der Deutschen Bundesbank hungsweise europäischer Ebene bietet die Tabelle eine herangezogen. Diese bilden in den Positionen AF.63 bis bessere Vergleichbarkeit von Alterssicherungsansprü- AF.65 die Ansprüche privater Haushalte aus Rückstel- chen zwischen Ländern, die eine unterschiedliche Struk- lungen bei Altersvorsorgeeinrichtungen (AF.63) und die tur der Alterssicherung aufweisen. Während in manchen Ansprüche von Altersvorsorgeeinrichtungen an deren Ländern die Sozialversicherung den größten Teil der Träger (AF.64) ab. | 8 Die Angaben der Finanzierungs- Alterssicherungsansprüche repräsentiert, spielen in rechnung differenzieren nicht zwischen den Ansprüchen anderen Ländern betriebliche Arbeitgebersysteme eine staatlicher und nicht staatlicher Träger, sodass für diese größere Rolle. Rein privat veranlasste Vorsorgeverträge Aufteilung ein Schätzansatz auf der Basis von zusätz ohne Arbeitgeberbezug sind in der Tabelle 29 jedoch lichen Informationen der Deutschen Bundesbank vorge- nicht enthalten und werden in den VGR als Lebens 8 Die Position AF.65 (Ansprüche auf andere Leistungen als Alterssiche- 9 Die Abzinsungszinssätze gemäß § 253 Absatz 2 Handelsgesetzbuch rungsleistungen) stellt den Überschuss der Nettobeiträge über die (7-Jahresdurchschnitt beziehungsweise 10-Jahresdurchschnitt) wer- Leistungen dar und ist als seltener Korrekturposten ebenfalls in den den von der Deutschen Bundesbank monatlich bestimmt und bereit- Angaben enthalten (ESVG 2010, Ziffer 5.187) gestellt. 86 Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018
Berechnung der Pensions- und Rentenanwartschaften in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen Tabelle 1 Alterssicherungsansprüche aus Sozialschutzsystemen 2015, Werte in Mrd. EUR Buchung In den Hauptkonten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen Nicht in den Haupt- Altersvor- konten sorgeein- richtungen Träger der Alterssicherungssysteme Nicht staatliche Träger Staat insgesamt Syste- Systeme insgesamt Syste- Systeme mit Leistungszusage für Altersvor- me mit mit Leis- me mit Arbeitnehmer/-innen des Staates sorgeein- Beitrags- tungszu- Beitrags- richtungen zusagen sagen und zusagen im Sektor im Sektor im Sektor der sonstige finanzielle Staat Staat Sozialver- Systeme Kapital- sicherung ohne gesell- Beitrags- schaften zusagen Zeilen- nummer Spalte A B C D E F G H I Bilanz am Jahresanfang (Eröffnungsbilanz) 1 Ansprüche gegenüber Alters sicherungssystemen – 639,3 639,3 – 112,8 – 1 225,6 6 748,6 8 726,3 Veränderung bei Alterssicherungsansprüchen aufgrund von Transaktionen 2 Zunahme von Alterssicherungs ansprüchen aufgrund von Sozial beiträgen – 109,7 109,7 – 15,2 – 69,6 545,6 740,0 2.1 Tatsächliche Sozialbeiträge der Arbeitgeber – 33,0 33,0 – 10,0 – 0,0 94,3 137,3 2.2 Unterstellte Sozialbeiträge der Arbeitgeber 1,3 1,3 0,0 8,3 9,6 2.3 Tatsächliche Sozialbeiträge der privaten Haushalte – 53,1 53,1 – 1,1 – 0,0 113,9 168,1 2.4 Zusätzliche Sozialbeiträge der Haushalte aus Kapitalerträgen – 24,9 24,9 – 4,4 – 61,3 337,4 428,0 2.5 abzüglich: Dienstleistungsentgelte der Träger der Alterssicherungs systeme – 2,6 2,6 – 0,4 – . 0,0 3,0 3 Sonstige (versicherungsmathe matische) Veränderung von Alters- sicherungsansprüchen in Alters vorsorgeeinrichtungen der Sozial versicherung 11,6 11,6 4 Abnahme von Alterssicherungs- ansprüchen durch Zahlung von Alterssicherungsleistungen – 48,6 48,6 – 10,7 – 47,9 252,2 359,4 5 Veränderung von Alterssicherungs ansprüchen durch Sozialbeiträge und Alterssicherungsleistungen – 61,0 61,0 – 4,5 – 21,7 305,0 392,2 6 Anwartschaftsübertragungen zwi- schen Alterssicherungssystemen – . . – . – . . . 7 Veränderung der Anwartschaften aufgrund verhandelter Änderungen des Alterssicherungssystems – . . – . – 0,0 0,0 . Veränderung bei Alterssicherungsansprüchen aufgrund sonstiger Ströme 8 Veränderung von Alterssicherungs ansprüchen aufgrund von Umbe- wertungen – – 31,7 – 31,7 – 0,7 – 0,0 – 153,3 – 184,4 9 Veränderung der Versorgungs ansprüche aufgrund sonstiger Volumenänderungen – . . – . – – 12,0 – 56,4 – 68,4 Bilanz am Jahresende (Schlussbilanz) 10 Ansprüche gegenüber Alters vorsorgeeinrichtungen – 668,6 668,6 – 118,0 – 1 235,2 6 843,9 8 865,7 Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018 87
Thorsten Haug versicherungen gebucht. Die versicherungsmathema- schaft zu Wieder beschaffungspreisen in den VGR: tische Berechnung der Ansprüche basiert hierbei auf Dieses lag Ende 2015 mit 9,8 Billionen Euro auf einem europaweit harmonisierten Annahmen, was die Ergeb- vergleichbaren Niveau wie das Anwartschaftsvermögen nisse zwischen den Mitgliedstaaten der EU vergleichbar mit 8,9 Billionen Euro. Die Berechnung der im Rahmen macht. von Sozialschutzsystemen aufgelaufenen Alterssiche- rungsansprüche stellt indessen keinen Maßstab dar, Tabelle 1 zeigt die vollständige Tabelle 29 mit den um die Nachhaltigkeit von Alterssicherungssystemen Ergebnissen zu den Pensions- und Rentenanwartschaf- zu beurteilen, und ist auch nicht als Staatsschuld zu ten für das Berechnungsjahr 2015. Die Anwartschaften interpretieren. Ein Grund dafür ist, dass die Tabelle der nicht staatlichen betrieblichen Altersversorgung Bruttoansprüche auf Anwartschaften ohne Berück- sind in Spalte B, die der Zusatzversorgung im öffent- sichtigung zukünftiger Beiträge – beispielsweise in lichen Dienst in Spalte E, die Beamtenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung – ausweist. Zum Spalte G und die Anwartschaften gegenüber der gesetz- anderen stellen die Anwartschaften zwar gewichtige lichen Sozialversicherung in Spalte H enthalten. Insge- Ansprüche der privaten Haushalte dar, dennoch sind samt werden für Ende 2015 Anwartschaften in Höhe von diese der Höhe nach nicht in vollem Umfang rechtlich 8,9 Billionen Euro ausgewiesen. Diese entfallen zu 77 % garantiert. So kann der Gesetzgeber den Leistungsum- auf die gesetzliche Sozialversicherung. Der Anteil der fang der Sozialversicherung durch Reformen beeinflus- Alterssicherungsansprüche in der Beamtenversorgung sen. Dasselbe gilt auch für die Beamtenversorgung, bei beträgt etwa 14 %, die restlichen 9 % entfallen auf die der Leistungskürzungen ebenfalls jederzeit möglich betriebliche Altersversorgung. Grafik 3 sind. Vor diesem Hintergrund sind die Anwartschaften ein Abbild der zum Bilanzierungszeitpunkt geltenden Grafik 3 gesetzlichen Regelungen. Anwartschaften in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in % Die starke Abhängigkeit der modellmäßig ermittelten Anwartschaften von der Diskontrate zeigt sich in der Gesetzliche Sozialversicherung 225 ebenfalls im Lieferprogramm des ESVG 2010 geforder- ten Sensitivitätsanalyse. Die Diskontrate im Basisszena- Beamtenversorgung 41 rio, das der regulären Liefertabelle entspricht, beträgt Betriebliche Altersversorgung 5 % nominal. Eine Reduktion der Diskontrate um einen 4 staatlicher Träger Prozentpunkt erhöht die Anwartschaften um etwas mehr Betriebliche Altersversorgung 22 nicht staatlicher Träger Grafik 4 Insgesamt 291 Sensitivitätsanalyse der Anwartschaften 2015 Billionen EUR Bestand der Anwartschaften zum Jahresende 2015. 2018 - 01 - 0134 12 In Relation zum Bruttoinlandsprodukt, das im Jahr 10 2015 bei 3 043,7 Milliarden Euro lag, ergibt sich ein Wert der Alterssicherungsansprüche von 291 %. Somit 8 liegen diese fast um den Faktor drei höher als das 6 Brutto inlandsprodukt. Dies zeigt die hohe quantita- tive Bedeutung der Alterssicherung. Der Wert kommt 4 aber auch dadurch zustande, dass die Bestandsgröße der Anwartschaften mit der Aggregation der Zahlungs- 2 ströme über eine lange Auszahlungsphase auf das Bruttoinlandsprodukt eines Jahres bezogen wird. Die 0 um 1 Prozentpunkt Basisszenario um 1 Prozentpunkt hohe quantitative Bedeutung zeigt ebenso ein Ver- niedrigere Diskontrate (Diskontrate von 5 %) höhere Diskontrate gleich mit dem Nettoanlagevermögen der Volkswirt- 2018 - 01 - 0135 88 Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018
Berechnung der Pensions- und Rentenanwartschaften in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen als 20 %, bei einer Anhebung der Diskontrate auf 6 % Erweiterungen denkbar, beispielsweise das Einbeziehen reduzieren sich die Anwartschaften in vergleichbarem der im Moment nicht enthaltenen Ansprüche aus privat Maße um knapp 16 %. Grafik 4 veranlassten Sparverträgen ohne Arbeitgeberbezug. Auch andere Vermögensformen, die der Alterssicherung Die Wahl der Diskontrate auf EU-Ebene erfolgt durch die dienen können, wie selbstgenutztes Wohneigentum, Working Group on Ageing Populations and Sustainabi- könnten berücksichtigt werden. lity (AWG) | 10 für alle Länder gleich und wird über einen sehr langen Zeitraum angewendet. Daher stellt die Sen- sitivitätsanalyse ein Instrument dar, um die Auswirkun- gen einer etwaigen Über- oder Unterzeichnung der Dis- kontrate auf die Anwartschaften abzubilden. 6 Fazit Die mit dem ESVG 2010 neu eingeführte Tabelle 29 bie- tet Informationen zum Alterssicherungsvermögen der privaten Haushalte, die in dieser Form in den Volkswirt- schaftlichen Gesamtrechnungen bisher nicht verfügbar waren. Sie verdeutlicht die hohe quantitative Bedeutung dieser Ansprüche und ermöglicht eine vergleichende Einordnung der verschiedenen Alterssicherungssysteme in bilanzieller Form. Weiter gestattet sie eine Beurteilung der Faktoren, welche zur Veränderung der Alterssiche- rungsansprüche in einem Berichtsjahr geführt haben. Im europäischen Rahmen wird das Thema „Alters sicherung“ besser vergleichbar: Mit der Tabelle liegen nun Ergebnisse für arbeitgeberbezogene Alterssiche- rungssysteme und die gesetzliche Sozialversicherung auf Basis einheitlicher Berechnungen und Annahmen für alle Mitgliedstaaten der EU vor. Bei einer Veröffent- lichung im dreijährlichen Zyklus wird künftig auch eine Betrachtung der Veränderung der Alterssicherungsan- sprüche im Zeitverlauf möglich sein. Es gilt allerdings die Einschränkung, dass die Ergebnisse jeweils die Systemparameter und rechtlichen Rahmenbedingun- gen des Bilanzierungszeitpunktes widerspiegeln, die sich zwischen verschiedenen Jahren ändern (können). Zudem verdeutlichen die dargestellten Berechnungs methoden, dass Ergebnisse zu Anwartschaften in deut- lich stärkerem Umfang auf Annahmen und Modellrech- nungen beruhen, als das in den VGR ansonsten der Fall ist. Über den derzeit definierten Rahmen der Tabelle 29 zum Alterssicherungsvermögen hinaus sind außerdem 10 Siehe Fußnote 5. Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018 89
Thorsten Haug LITERATURVERZEICHNIS Braakmann, Albert/Grütz, Jens/Haug, Thorsten. Das Renten- und Pensionsvermögen in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. In: Wirtschaft und Statistik. Ausgabe 12/2007, Seite 1167 ff. Haug, Thorsten. Anhebung der Altersgrenzen in der Beamtenversorgung: Eine Modell- betrachtung verschiedener Szenarien. In: Wirtschaft und Statistik. Ausgabe 12/2010, Seite 1059 ff. European Commission. The 2015 Ageing Report: Economic and budgetary projections for the 28 EU Member States (2013-2060). European Economy 3/2015. Luxemburg 2015. RECHTSGRUNDLAGEN Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23. Juni 2014 (BGBl. I Seite 787). 90 Statistisches Bundesamt | WISTA | 2 | 2018
Sie können auch lesen