BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG

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BULLETIN
                               DER
                         BUNDESREGIERUNG
                            Nr. 39-3 vom 18. März 2021

Rede der Bundesministerin für Ernährung und
Landwirtschaft, Julia Klöckner,

zur digitalen DLG- Mitgliederversammlung
am 16. März 2021 als Videobotschaft:

Sehr geehrte Damen und Herren,

es sind bewegte Zeiten für die Landwirtschaft. Die Stimmung ist aufgeladen − auf der
einen Seite Verbände der Umweltseite mit nachvollziehbaren Anliegen zur Nachhal­
tigkeit. Auf der anderen Seite die landwirtschaftliche Branche, die an die Wirtschaft­
lichkeit und Umsetzbarkeit erinnert, genauso nachvollziehbar. Und dazwischen die
Verbraucherinnen und Verbraucher, die hohe Erwartungen und Wünsche haben, de­
nen das eigene Portemonnaie oft aber näher ist als die betriebswirtschaftliche Rech­
nung derer, die die Wünsche umsetzen müssen. Diese unterschiedlichen Erwartungen
und auch Klagen hat es schon immer gegeben, aber die Stimmung wird aufgeheizter.
Und dabei gibt es Wege des Konsenses, des Kompromisses, des Ausgleichs.

Für mich liegt die Lösung vieler Zielkonflikte nicht im beschaulichen Zurückblicken in
die Vergangenheit, sondern in der gedanklichen Offenheit, der Innovation, der For­
schung, der Modernisierung. Zusammen mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel habe
ich mich heute Morgen mit der Zukunftskommission Landwirtschaft getroffen.

Drei Punkte sind dabei klar geworden: Die Debatten sind intensiv und fachlich an­
spruchsvoll. Konsens ist immer dann am einfachsten, wenn die Debatte eine gewisse
Flughöhe hat, also nicht allzu konkret wird. In vielen Bereichen kann es Lösungswege
und Konsens geben.

Denn wir müssen gemeinsam zwischen den Anforderungen an eine produktive Land­
wirtschaft und den Interessen des Umwelt- und Naturschutzes einen Weg finden. Die
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heutigen, neuen Zahlen zur Emission von Treibhausgasen im Jahr 2020 zeigen, dass
gerade die Landwirtschaft auf dem richtigen Weg ist. Die Landwirtschaft hatte an den
Gesamtemissionen einen Anteil von knapp neun Prozent: Gegenüber 2019 sind die
klimarelevanten Emissionen der Landwirtschaft um 2,2 Prozent auf rund 66 Millionen
Tonnen CO2-Äquivalente gesunken. Im Vergleich zum Jahr 1990 ist das ein Rückgang
von fast 24 Prozent. Das bedeutet, dass die Landwirtschaft ihre Klimaschutzverpflich­
tungen gemäß Klimaschutzgesetz voll erfüllt.

Landwirtschaft und Umweltschutz dürfen nicht als Gegenpole verstanden werden.
Deshalb geht die Arbeit der Kommission jetzt in die entscheidende Phase. Lieber Herr
Präsident Paetow, ich wünsche Ihnen dafür bei Ihrer Kommissionsarbeit viel Erfolg.
Denn es geht darum, heute zu skizzieren, wie Deutschland auch in 20 Jahren noch ein
erfolgreicher Agrarstandort sein kann, wie wir uns die Landwirtschaft in 15 Jahren zum
Beispiel vorstellen. Wie wir in 20 Jahren Ernährungssicherung und sichere Einkommen
mit hohen Umwelt-, Natur- und Tierschutzstandards verbinden, während wir gleichzei­
tig über aktuelle Weichenstellungen diskutieren.

Und ich würde dabei sogar noch einen Schritt weitergehen: Wir stellen gerade in der
Agrarpolitik neue Züge aufs Gleis!

Erstens: Wir gestalten eine GAP, die mehr Umwelt-, Natur- und Klimaschutz erreichen
soll.

Zweitens: Wir beginnen den Umbau der Tierhaltung für mehr Tierwohl und gesell­
schaftliche Akzeptanz.

Aber bei all dem gilt: Sie, liebe Landwirtinnen und Landwirte, sollen gut von ihrer Arbeit
leben können. Wir als Landwirtschaftsministerium sind an Ihrer Seite, wenn es darum
geht, die neuen Herausforderungen zu bewältigen. Deshalb investieren wir über eine
Milliarde Euro in die Innovationen in der Landwirtschaft. Für uns müssen Einkommen
sowie Tier-, Umwelt- und Naturschutz zusammen gedacht werden.
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Bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 sind wir jetzt auf der Zielgeraden
– national und auf europäischer Ebene. National habe ich unsere konkreten Vorstel­
lungen in der vergangenen Woche vorgestellt. Folgende Details sollen Kernelemente
unseres Nationalen Strategieplans werden:

Erstens: Wir werden Landwirtinnen und Landwirte bis 40 Jahre noch stärker unterstüt­
zen. Künftig wird ihnen eine zusätzliche Prämie für bis zu 120 Hektar (bisher 90 Hektar)
gewährt. 98 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung.

Zweitens: Wir wollen kleinere und mittlere Betriebe besser unterstützen. Dazu werden
wir die ersten Hektare künftig noch stärker fördern. Statt wie bisher sieben Prozent
sollen künftig zehn Prozent der Obergrenze für Direktzahlungen für die Umverteilungs­
prämie verwendet werden. Das ist ein Plus von 122 Millionen Euro auf dann 452 Milli­
onen Euro jährlich.

Gewährt wird diese Summe in zwei Stufen: In Stufe 1 (bis 40 Hektar) soll es einen
Zuschlag von rund 62 Euro pro Hektar geben, in Stufe 2 (41 bis 60 Hektar) werden
rund 37 Euro zusätzlich gezahlt. Das führt zwangsläufig zu Verschiebungen, die wir
mit Augenmaß und nicht in Schwarz-Weiß-Manier vornehmen.

Drittens: Der europäisch beschlossene Systemwechsel findet sich natürlich in unse­
rem nationalen Vorschlag wieder. Jeder Euro Fördergeld aus Brüssel soll an Umwelt-
, Biodiversitäts- und Klimaauflagen geknüpft sein. Es geht darum, dass Landwirtschaft
noch stärker zu mehr Umwelt-, Klima- und Artenschutz und damit zum Erhalt der ei­
genen Wirtschaftsgrundlage beiträgt. Entscheidend ist, wie die Fläche bewirtschaftet
wird. Der alleinige Besitz von Fläche berechtigt nicht zum Bezug von Direktzahlungen.

Viertens: Wir werden zudem die Landwirtinnen und Landwirte belohnen, die noch mehr
für Umwelt und Klima leisten wollen. 20 Prozent der Direktzahlungen sind dafür vor­
gesehen. Für Deutschland entsprechen diese 20 Prozent insgesamt 900 Millionen
Euro jährlich. Um Geld aus diesen 20 Prozent zu erhalten, müssen so genannte Öko-
Regelungen umgesetzt werden.

Fünftens: Veränderungen wird es auch bei der Umschichtung geben. Die Mittel, die
aus der 1. in die 2. Säule der GAP umgeschichtet werden, sollen von sechs auf acht
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Prozent erhöht werden. Das ist ein Plus von knapp 100 Millionen Euro jährlich. Damit
stehen den Bundesländern in der 2. Säule aus der Umschichtung insgesamt knapp
400 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung für die Förderung von Klima- und Umwelt­
schutzmaßnahmen, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und die Stärkung der länd­
lichen Räume.

Mit unserem nationalen Strategieplan berücksichtigen wir, dass die landwirtschaftliche
Struktur in Deutschland vielfältig ist. Ein Ausspielen Ost gegen Süd, Süd gegen Nord,
West gegen Ost gibt es mit mir nicht. Wir haben als Landwirtschaftsministerium stets
die Menschen und ihre Familien im Blick, die in der Landwirtschaft arbeiten. Andere
wollen Sie, liebe Landwirtinnen und Landwirte, zu Landschaftsgärtnern und Blühflä­
chen-Bewachern degradieren. Das kann ich nicht akzeptieren! Unser Strategieplan
bringt daher die Einkommens- sowie Ernährungssicherung mit mehr Umwelt- und Kli­
maschutz zusammen.

Ein wichtiges Standbein unserer Landwirtschaft ist die Tierhaltung. Eines, bei dem der
Druck besonders groß ist, die Zahlen zeigen das: Während die Zahl der landwirtschaft­
lichen Betriebe zwischen 2010 und 2020 um rund zwölf Prozent zurückging, gab es
bei den Betrieben mit Nutztierhaltung einen Rückgang um 22 Prozent.

Auch die Wertschöpfung dort sinkt stetig, denn ein immer geringerer Teil dessen, was
Verbraucherinnen und Verbraucher für Nahrungsmittel bezahlen, kommt bei den Er­
zeugerinnen und Erzeugern an. Insgesamt betrug ihr Anteil an den Verkaufserlösen
2019 nur noch rund 22 Prozent. 1980 lag er noch fast doppelt so hoch. Gleichzeitig
steht die Tierhaltung im Mittelpunkt gesellschaftlicher Akzeptanzdebatten. Verände­
rungen werden eingefordert. Deshalb habe ich ja bereits 2019 das Kompetenznetz­
werk Nutztierhaltung eingesetzt.

Die so genannte Borchert-Kommission hat Ideen zum Umbau der Tierhaltung mit ver­
schiedenen Möglichkeiten zur Finanzierung vorgelegt. Unser Ministerium hat nun
durch eine unabhängige Machbarkeitsstudie die möglichen Finanzierungsinstrumente
bewerten lassen.

Folgende Fragen standen dabei im Mittelpunkt der Analyse: Welche Handlungsoptio­
nen bei der Finanzierung und bei der Förderung des Umbaus der Nutztierhaltung sind
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in Deutschland rechtlich möglich, und welche scheiden aus rechtlichen oder anderen
Gründen aus? Darauf gibt die Studie im Detail Antwort. Drei konkrete Finanzierungs­
modelle werden dabei favorisiert: Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für
tierische Produkte von sieben auf 19%, Einführung einer mengenbezogenen Ver­
brauchsteuer „Tierwohlabgabe“, Einführung einer „Ergänzungsabgabe Tierwohl“.

Alle drei Optionen verdeutlichen, dass wir hier über ein milliardenschweres Projekt re­
den, das eine finanziell tragfähige Grundlage braucht. Denn wir sehen weiterhin, dass
höhere Kosten für mehr Tierwohl kaum über den Markt zu refinanzieren sind.

Leider verhalten sich die Verbraucherinnen und Verbraucher an der Ladenkasse nicht
immer so, wie sie es in Umfragen betonen. Ohne eine aktive Förderung wird der Um­
bau unserer Tierhaltung also nicht funktionieren. Der Umbau unserer Tierhaltung wird
zudem nur als gesamtgesellschaftlicher Prozess mit parteiübergreifend erzielten Er­
gebnissen erfolgreich sein können. Dieses Thema ist zu wichtig, um Einzelinteressen
nachzugehen. Es darf auch nicht zur politischen Profilierung dienen. Wir brauchen jetzt
umgehend konkrete Lösungswege, die unseren Landwirtinnen und Landwirten Plan­
barkeit und Verlässlichkeit bieten.

Ich werde den Dialog dazu jetzt starten, mit der Landwirtschaft und der Gesellschaft,
mit Umweltverbänden, Verbraucherinnen und Verbrauchern und Medien. Und an Sie
gerichtet sage ich: Machen Sie mit. Bringen Sie sich in die Diskussion ein. Ich will die
Tierhaltung, die Landwirtschaft in Deutschland mit Ihnen zusammen zukunftsfähig ma­
chen.

Moderne Technologien schützen Insekten, erhalten die Artenvielfalt und verbessern
die Qualität von Luft, Wasser und Böden. Deshalb fördern wir durch unser Investiti­
onsprogramm Landwirtschaft einen Modernisierungs- und Technikschub in der Land­
wirtschaft, durch Investitionen in klima- und umweltfreundlichere Maschinen, Geräte
und Anlagen. Über 800 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Beim Programm­
start im Januar waren innerhalb von Stunden die Mittel für einige Bereiche vergeben.
Das zeigt, Sie wollen in Klima-, Umwelt- und Naturschutz investieren. Deshalb werden
wir in Kürze die nächste Förderrunde starten. Wir geben den genauen Starttermin dann
rechtzeitig bekannt.
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Wir investieren in die moderne, nachhaltige Landwirtschaft, für eine zuversichtliche
Vision unserer Landwirtschaft.

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