Corona-Update KAV Berlin - April 2020 Sebastian Günther Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Übersicht 1. Grundsätze und Historie 1. Gesetzesänderung vom März 2020 2. Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld 2. Tarifabschluss zur „Einführung von Kurzarbeit“ 3. Weitere Themen rund um die Corona-Situation und Kurzarbeit 1. Arbeitszeitguthaben 2. Annahmeverzug 3. Urlaub 4. Home-Office 5. Mitbestimmung 2
Gesetzesänderung März 2020 3
Gesetzesänderung zur Kurzarbeit vom März 2020 Kurzarbeitergeld: Verordnung der Bundesregierung • 13.03.2020: gesetzliche Änderung – Verbesserung der Regelung für das Kurzarbeitergeld durch Verordnungsermächtigung (§ 109 SGB III): • abweichend von § 96 I S. 1 Nr. 4 SGB III: Herabsetzung der Schwelle der vom Arbeitsausfall betroffenen Beschäftigten auf 10 % (sonst 1/3) • abweichend von § 96 IV S. 2 Nr. 3 SGB III: Verzicht auf den Einsatz negativer Arbeitszeitsalden • Einführung der Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge • Befristung der Ermächtigung bis zum 31.12.2021 • Verordnung durch Bundesregierung § 96 I S. 1 Nr. 4 SGB III beschlossen: Geltung ab 01.03.2020 4
Gesetzesänderung zur Kurzarbeit vom März 2020 Kurzarbeitergeld: Antrag und Modus • Antrag vom Arbeitgeber bei der Agentur für Arbeit • Agentur für Arbeit prüft und bestätigt die Kurzarbeitssituation „an sich“ • Arbeitgeber zahlt Kurzarbeitergeld an die Beschäftigten • Arbeitgeber beantragt die entsprechende Erstattung bei der Agentur für Arbeit • Minijobber: kein Kurzarbeitergeld, da nicht versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung • Nicht alle Beschäftigten müssen gleichermaßen betroffen sein, die Arbeitszeitreduzierung kann unterschiedlich ausfallen oder für Teile des Betriebs • Voraussetzung: Vereinbarung über TV, BV/DV oder Arbeitsvertrag/Änderungsvertrag 5
Gesetzesänderung zur Kurzarbeit vom März 2020 Kurzarbeitergeld im öD? Bestätigung durch die Bundesagentur für Arbeit: →Sofern ein Arbeitsausfall durch eine behördliche oder behördlich anerkannte Maßnahme verursacht worden ist, liegt ein unabwendbares Ereignis vor. →In diesem Fall können auch kommunale Einrichtungen und Betriebe, wie z.B. Theater, Museen, Schwimmbäder, Musik- und Volkshochschulen dem Grunde nach Kurzarbeitergeld erhalten. VKA-Rundschreiben R 62/2020 v. 31.03.2020 6
Gesetzesänderung zur Kurzarbeit vom März 2020 Kurzarbeitergeld: Höhe? →Grundsatz: 60 % des Nettoentgelts →Anhebung auf 67 %, wenn mindestens ein Kind im Haushalt lebt Verdienst aus Nebentätigkeiten wird nicht angerechnet, wenn die Nebentätigkeit bereits vor Beginn der Kurzarbeit bestand. VKA-Bereich: Aufstockung wird verhandelt (s.u.) 7
Gesetzesänderung zur Kurzarbeit vom März 2020 Kurzarbeitergeld: Urlaub Die Bundesagentur für Arbeit verzichtet bis zum 31.12.2020 auf die Einbringung von Urlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr. Grund: Urlaub kaum nutzbar, Schadensminderungspflicht des Einzelnen aufgrund von Corona nicht vorrangig. Aber: Resturlaub soll genutzt werden. 8
Tarifvertrag zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der VKA 9
Tarifvertrag zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der VKA - Einigung vom 30.03.2020 - Eckpunktepapier formuliert - Einigung avisiert für den 15.04.2020 - Inkrafttreten geplant für: 01.04.2020 - Laufzeit/Befristung: 31.12.2020 → Freigabe folgt durch die VKA „demnächst“ – erst dann kann der TV umgesetzt werden. 10
Tarifvertrag zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der VKA Geltungsbereich: • Mitglieder eines KAV und • Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Erhalt von Kurzarbeitergeld →keine Geltung für kommunale Kernverwaltung →keine Geltung für betriebliche Vereinbarungen vor dem 01.04.2020, wenn mindestens 80 % Nettoabsicherung 11
Tarifvertrag zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der VKA zu beachten bei der Mitbestimmung: - PersVG Berlin § 2 Abs. 4 – keine Abweichung vom PersVG durch Tarifvertrag - andere Personalvertretungsgesetze regeln den Mitbestimmungskatalog auch abschließend - BetrVG: § 87 Abs. 1 Nr. 3 – vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit → ohne Einigung entscheidet die Einigungsstelle 12
Tarifvertrag zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der VKA Aufstockung geplant: - Entgeltgruppen 1 -10: 95 % des bisherigen durchschnittlichen Nettoentgelts - Entgeltgruppen 11-15: 90 % des bisherigen durchschnittlichen Nettoentgelts Beachte: Aufstockungsbetrag und verbleibendes Arbeitsentgelt sind zusatzversorgungspflichtig 13
Tarifvertrag zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der VKA Kündigungsschutz bzgl. betriebsbedingter Kündigung → keine Kündigung während der Kurzarbeit und 3 Monate danach Wiedereinstellung: →Anspruch auf vorrangige Berücksichtigung bei Einstellung, → wenn befristeter ArbV wegen der Kurzarbeit nicht verlängert wird und → wenn gleiche Eignung 14
Tarifvertrag zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der VKA Folgen für die Arbeitszeit: • Überstunden/Mehrarbeit nicht bei Kurzarbeit (kein Überschreiten der angepassten Sollarbeitszeit) • vor der Einführung von Kurzarbeit • Abbau von Arbeitszeitguthaben • keine Pflicht zum Aufbau von Minusstunden • ATZ: Verlängerung der Arbeitsphase (§ 10 TV FlexAZ analog) 15
Weitere Themen rund um die Corona-Situation und Kurzarbeit 16
Freistellung - grundsätzlich nicht einseitig durch den Arbeitgeber möglich - bei konkreten COVID-19-Symptomen besteht Fürsorgepflicht des Arbeitgebers - Untersuchungspflicht gemäß § 3 Abs. 4 TVöD - Freistellung (wegen der Unmöglichkeit der Leistungserbringung ohne Entgeltfortzahlung) 17
Arbeitszeitguthaben Anrechnung von Arbeitszeitguthaben bei Freistellung durch den Arbeitgeber? →grundsätzlich: einseitig durch den Arbeitgeber nicht möglich →DV/BV: Betriebsferien, Arbeitszeitregelung (Ende der Gleitzeit und verminderter Arbeitseinsatz) Kehrt der/die Beschäftigte nicht aus der Urlaub zurück (z.B. Ausfall des Flugs), dann trägt der AN/ANin das Wegerisiko 18
Annahmeverzug bei behördlicher Betriebsschulschließung? →Betriebsrisiko trägt der Arbeitgeber? →Überwiegende Ansicht: (+) →abschließende Rechtsprechung fehlt →Bei behördlicher Schließung sollte Entschädigungen über § 56 IfSG mit dem Gesundheitsamt geklärt werden. 19
Annahmeverzug bei Kinderbetreuung durch Kita-/Schulschließung? →§ 616 BGB durch § 29 TVöD abbedungen →§ 29 Absatz 1 Buchst. e Doppelbuchst. bb TVöD gilt lediglich im Fall der schweren Erkrankung des eigenen Kindes/eigener Kinder →§ 29 Absatz 3 Satz 1 TVöD: AG kann 3 Tage gewähren Aber … 20
Urlaub Übertariflichen Erweiterung von § 29 Abs. 3 Satz 1 TVöD: - befristet bis zum 09.04.2020 - 10 zusätzliche (bezahlte) Urlaubstage - Voraussetzung: - tatsächliche Schließung der Kita bzw. Schule - gilt bei Betreuung von Kindern unter 12 Jahren - keine alternative Betreuung - keine entgegenstehenden dienstlichen Gründe 21
Urlaub →vorrangig: Prüfung, ob Homeoffice oder Einbringung von Arbeitszeitguthaben oder Resturlaub möglich →KAV Berlin: Urlaub aus 2019 auch nach dem 31.03.2020 Und: → beantragter und genehmigter Urlaub kann nicht einseitig wieder geändert werden → einvernehmlich kann eine Lösung, z.B. eine Verlegung/Rücknahme vorgenommen werden 22
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - bei Atemwegserkrankungen AU (auch Krankgeldbescheinigung) über telefonische Anamese für 14 Tage möglich - Regelung gilt bis zum 23.06.2020 Davon umfasst sind weiterhin nur Patienten mit Erkrankungen der oberen Atemwege, die eine leichte Symptomatik zeigen; unabhängig davon, ob bei Ihnen der Verdacht besteht, dass sie mit dem Corona-Virus infiziert sein könnten. 23
Homeoffice DGVU „So bleibt die Arbeit sicher und gesund“ (Anlage 1) Pressemitteilung der DGUV vom 19.03.2020 (Anlage 2) Tipps des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik Pdf: Sicheres mobiles Arbeiten 24
Homeoffice →keine Regelung im TVöD, TV-V oder TV-Ärzte/VKA vorhanden →Regelung im Arbeitsvertrag oder in DV/BV möglich →Einseitige Anordnung durch den Arbeitgeber möglich? →(-), da einerseits nicht vom DirR umfasst und PR/BR mitbestimmungsberechtigt sind (Mitbestimmung s.u.) →(+), wenn Regelungen dazu bestehen (ArbV; DV/BV) 25
Homeoffice Leitsatz Der Arbeitgeber ist nicht allein aufgrund seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts berechtigt, dem Arbeitnehmer Telearbeit zuzuweisen. LAG Berlin-Brandenburg v. 14.11.2018 – 17 Sa 562/17 „… Die Beklagte hat dem Kläger schließlich auch nicht in Ausübung ihres Weisungsrechts (§ 106 Satz 1 GewO) eine Tätigkeit im „Home-Office“ rechtswirksam zugewiesen. Dabei ist bereits zweifelhaft, ob das mit „Ihre Versetzung“ überschriebene Schreiben der Beklagten vom 06.04.2017 eine einseitige Zuweisung einer Tätigkeit in Telearbeit enthält; denn die Beklagte hat dort ausdrücklich eine Zustimmung des Klägers zu der neuen Tätigkeit erbeten. Dass die Beklagte dem Kläger auf andere Weise eine Arbeit im „Home-Office“ übertragen hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine derartige Anordnung wäre zudem nach Auffassung der Berufungskammer von dem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht nicht mehr umfasst. Mit ihr würde die Beklagte den vereinbarten Vertragsrahmen, der eine Tätigkeit in einer Betriebsstätte vorsah, überschreiten; hierfür bietet § 106 Satz 1 GewO keine Grundlage. …“ 26
Homeoffice LAG Berlin-Brandenburg v. 14.11.2018 – 17 Sa 562/17 „… Die Umstände einer ausschließlich in der eigenen Wohnung zu verrichtenden Arbeit sind mit einer Tätigkeit, die in einer Betriebsstätte zusammen mit weiteren Mitarbeitern des Arbeitgebers auszuüben ist, nicht zu vergleichen. Der Arbeitnehmer verliert den unmittelbaren Kontakt zu seinen Kollegen und die Möglichkeit, sich mit ihnen auszutauschen, wird deutlich verringert. Auch werden die Grenzen von Arbeit und Freizeit fließend. Der Arbeitnehmer ist für die betriebliche Interessenvertretung und die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften schwerer erreichbar. Dass Arbeitnehmer gleichwohl z.B. zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf an einer Telearbeit interessiert sein können, ändert nichts daran, dass diese Form der Arbeit einem Arbeitnehmer in aller Regel nicht einseitig von dem Arbeitgeber zugewiesen werden kann. …“ 27
Homeoffice →Einseitige Anordnung durch den Arbeitgeber möglich in der Corona-Krise? →Fürsorgepflicht des Arbeitgebers? →Argument „Kontaktverlust zu Kollegen“ passt nun nicht, wenn alle zuhause →Ausnahmesituation dürfte einseitige Anordnung rechtfertigen? Trotzdem sind die Mitbestimmungsrechte zu beachten (s.u.) 28
Mitbestimmung PersVG Berlin →die Grundsätze werden durch die Corona-Krise nicht ausgehebelt. →Beschlüsse im PersVG Berlin nur in Sitzungen unter Anwesenheit der PR-Mitglieder. →beachte: Zustimmungsfiktion bei Verstreichen der Frist des § 79 PersVG Berlin →Ausnahmen: nur in den Ländern Baden-Württemberg (§ 34 Abs. 3 LPVG) und Sachsen (§ 35 Abs. 5 SächsPersVG) sind Beschlüsse des PR außerhalb von Sitzungen möglich. →Hessen: Gesetzesentwurf zu virtuellen PR-Sitzungen 29
Mitbestimmung BPersVG →Grundsätzlich wie im PersVG Berlin →Hinzu kommt § 69 Abs. 5 BPersVG: vorläufige Regelungen durch den Arbeitgeber →beachte: Zustimmungsfiktion BetrVG →Beschlüsse nur in Sitzungen unter Anwesenheit →beachte: Zustimmungsfiktion nur bei § 99 BetrVG (Einstellung, Eingruppierung, Versetzung) 30
Mitbestimmung Vorgehen aufgrund von Corona? →Regelungsabreden treffen: →Beschlüsse werden vom Arbeitgeber aufgrund der besonderen Lage auch über E-Mail-Umlauf akzeptiert? (Rechtlich fragwürdig) →Verlängerung der Fristen? 14 Tage → 1 Monat? →Bundesarbeitsminister Heil hat sich öffentlich positioniert: virtuelle Betriebsratssitzungen sollen ebenso wie eine virtuelle Beschlussfassung zulässig seien. 31
Mitbestimmung Vorgehen aufgrund von Corona? Mitbestimmung Home-Office? (+) § 85 Abs. 1 Nr. 12 PersVG Berlin; § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG; (+) § 99 BetrVG (= Versetzung; LAG Düsseldorf 10.09.2014, Az. 12 Sa 505/14) weitere Tatbestände betroffen: Datenschutz, Unfallverhütung u.a. → Sinnvoll und notwendig sind Dienstvereinbarungen Initiativrecht des PR (+) § 79 Abs. 4 PersVG; § 70 BPersVG (z.B. Weber zum PersVG Berlin; BVerwG v. 24.10.2001 – 6 P 13.00) → insgesamt auf „flexible Arbeitszeit“ übertragbar 32
Sozialschutzpaket Das Gesetz für leichteren Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus (Sozialschutz-Paket) soll helfen, die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie für die Bürgerinnen und Bürger abzufedern. • Zugang in die Grundsicherungssysteme • Verordnungsermächtigung ins Arbeitszeitgesetz • Hinzuverdienstgrenze in der Rentenversicherung wird gelockert Video der Agentur für Arbeit auf YouTube 33
Wünsche und Anregungen Feedback, Wünsche und weitere Webinar-Themen? Ansprechpartnerin im KAV Berlin: Wiebke Wehrhahn 030 / 21 45 81-12 wiebke.wehrhahn@kavberlin.de 34
Vielen Dank! Sebastian Günther Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht HAHN|KROLL|GÜNTHER Rechtsanwälte Berlin 030/236 07 46-0 guenther@hkg-recht.de 35
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