Chamber Orchestra of Europe Sir András Schiff - Freitag 26.11.21 - Berliner Philharmoniker

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Chamber Orchestra of Europe Sir András Schiff - Freitag 26.11.21 - Berliner Philharmoniker
orchester
Kammer
    Chamber Orchestra of Europe
    Sir András Schiff

    Freitag
    26.11.21
Chamber Orchestra of Europe Sir András Schiff - Freitag 26.11.21 - Berliner Philharmoniker
Kammermusiksaal

                                                                                 Freitag, 26.11.21, 20 Uhr

                                                                                 Serie Internationale Kammerorchester
                                                                                 Chamber Orchestra of Europe
                                                                                 Sir András Schiff Klavier und Leitung
                                                                                 Lorenza Borrani Violine und Konzertmeisterin
                                                                                 Clara Andrada Flöte

AUSSERGEWÖHNLICHER KLANG –
   EINZIGARTIGES ERLEBNIS
Tauchen Sie ein in die C. Bechstein Welt und begeben Sie sich
  auf eine Klangreise in unser C. Bechstein Centrum Berlin.                      Kirill Petrenko
                                                                                 Chefdirigent und künstlerischer Leiter
                                                                                 der Berliner P­ hilharmoniker

                                                                                  Andrea Zietzschmann
                                                                                  Intendantin der Stiftung Berliner
            C. Bechstein Centrum Berlin · Kantstraße 17 · 10623 Berlin
    Telefon +49 (0)30 2260 559 100 · berlin@bechstein.de · bechstein-berlin.de   ­Philharmoniker
Chamber Orchestra of Europe Sir András Schiff - Freitag 26.11.21 - Berliner Philharmoniker
Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Orchestersuite (Ouvertüre) Nr. 2
h-Moll BWV 1067
für Flöte, Streicher und Basso continuo

1. Ouvertüre
2. Rondeau
3. Sarabande
4. Bourrée I – II – I
5. Polonaise – Double – Polonaise
6. Menuett
7. Badinerie
Dauer: ca. 25 Min.

Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 17
G-Dur KV 453
1. Allegro
2. Andante
3. Allegretto
Dauer: ca. 30 Min.

Pause

     3           Programm
Chamber Orchestra of Europe Sir András Schiff - Freitag 26.11.21 - Berliner Philharmoniker
Johann Sebastian Bach                                                         • 	Mitglieder des Chamber Orchesta of Europe
Brandenburgisches Konzert Nr. 5                                                  in ­diesem Konzert
D-Dur BWV 1050                                                                Violinen                Kontrabässe
für Flöte, Violine, Cembalo [Klavier], Streicher und Basso continuo           Lorenza Borrani         Dane Roberts
                                                                              Lucy Gould              Andrei Mihailescu
1. Allegro                                                                    Sophie Besançon
2. Affettuoso                                                                 Fiona Brett             Flöte
3. Allegro                                                                    Christian Eisenberger   Clara Andrada
                                                                              Matilda Kaul
Dauer: ca. 25 Min.                                                            Sylwia Konopka          Oboen
                                                                              Maria Kubizek           Nick Deutsch
                                                                              Stefano Mollo           Rachel Frost
Wolfgang Amadeus Mozart                                                       Fredrik Paulsson
                                                                              Joseph Rappaport        Klarinetten
Symphonie Nr. 40 g-Moll KV 550                                                Håkan Rudner            Romain Guyot
1. Molto allegro                                                              Henriette Scheytt       Julien Chabod
2. Andante                                                                    Martin Walch
3. Menuetto: Allegretto – Trio                                                Elizabeth Wexler        Fagotte
4. Allegro assai                                                              Mats Zetterqvist        Daniel Jemison
                                                                                                      Christopher Gunia
Dauer: ca. 25 Min.                                                            Bratschen
                                                                              Pascal Siffert          Hörner
                                                                              Tom Dunn                Jasper de Waal
                                                                              Claudia Hofert          Peter Richards
                                                                              Anna Krimm
                                                                              Riikka Repo
                                                                              Dorle Sommer

                                                                              Violoncelli
Die Mitglieder des Chamber Orchestra of Europe ­                              William Conway
widmen dieses Konzert dem Andenken ihres Ehrenmitglieds                       Kate Gould
Bernard Haitink.                                                              Benoît Grenet
                                                                              Sally Jane Pendlebury

Dieses Konzert wird     Fotoaufnahmen,                Die Stiftung Berliner   Das Chamber Orchestra of Europe ist ein frei finanziertes
­gefördert von der      Bild- und Tonaufzeich­       ­Philharmoniker          Orchester und erhält wertvolle Unterstützung von einer
                         nungen sind nicht            wird gefördert durch:
                        ­gestattet. Bitte schalten                            Reihe privater Spender sowie der Gatsby Charitable
                        Sie vor dem Konzert                                   Foundation. Solistenstellen werden gefördert von Dasha
                        Ihre Mobiltelefone aus.                               Shenkman, Sir Siegmund Warburg’s Voluntary Settlement,
                                                                              dem Rupert Hughes Will Trust, den 35th Anniversary Friends,
                                                                              den American Friends und vom Underwood Trust.

     4           Saison 2021/22                                                   5        Mitwirkende
Chamber Orchestra of Europe Sir András Schiff - Freitag 26.11.21 - Berliner Philharmoniker
Musik für Erste unter Gleichen
Konzertante Werke
von Bach und Mozart

                                           Das Konzert,
                                           Federzeich-
                                           nung von Pier
                                           Leone Ghezzi
                                           (1674  –1755)

Als »Wettkampf« wird das Konzert für Solo und Or-
chester immer wieder beschrieben, und der Begriff
stimmt zweifellos, wenn man an große romantische
Konzerte von Schumann oder Brahms denkt. Die
Anfänge allerdings sahen anders aus: Aus einem
Ensemble von Gleichberechtigten lösten sich Einzel­
stimmen heraus, um – eher im Austausch als im
Kampf – mit den anderen zu korrespondieren. In
konzertanten Werken von Bach und Mozart ist am
heutigen Abend zu erleben, wie die Idee der Solo-
stimme an Kontur gewann und, kurz gesagt, das In-
dividuum zu einer Größe der Orchestermusik wurde.

   6     Saison 2021/22
Chamber Orchestra of Europe Sir András Schiff - Freitag 26.11.21 - Berliner Philharmoniker
Wann geschieht in der Musikgeschichte etwas zum ers-
ten Mal? Eine verwegene Frage, wer wollte sie im Ernst
                                                               Johann Sebastian Bach
beantworten? Johann Sebastian Bachs fünftes Bran-              Orchestersuite (Ouvertüre) Nr. 2
denburgisches Konzert wurde gleichwohl zum »ersten
Klavierkonzert der Musikgeschichte« ernannt. Dieser
Ehrentitel erscheint zwar etwas fragwürdig, denn das
»Clavier«, in diesem Falle das Cembalo, teilt sich die So-
listenrolle mit der Querflöte und der Violine. Aber allein
die Tatsache, dass ein Cembalo aus dem Basso continuo,
dem das Klangfundament liefernden Generalbass, er-
hoben wurde und eine Solopartie erhielt, war bis dahin         »Höre ich den ersten Theil einer guten Ouvertür, so
ohne Beispiel und ein musikhistorisches Ereignis – sofern      empfinde ich eine sonderbare Erhebung des Gemüths;
Bach nicht damals bereits, wie vermutet werden darf,           bey dem zweyten breiten sich die Geister in aller Wollust
die Ecksätze seines Tripelkonzerts in a-Moll geschrieben       aus; und wenn ein ernsthaffter Schluß erfolget, sammlen
hatte, dessen Solistengruppe ebenfalls Flöte, Violine und      und ziehen sie sich wieder in ihren gewöhnlichen ruhigen
Cembalo umfasst.                                               Sitz«, schwärmte der Hamburger Komponist Johann
      Im Brandenburgischen Konzert Nr. 5 wertete Bach          Mattheson, ein Zeitgenosse Bachs. Die Ouvertüre, deren
den Status des Cembalos noch einmal auf, als er um             Charakter und Grundriss Mattheson beschreibt, war
1720 für eine Aufführung in Köthen die Solokadenz des          durch Jean-Baptiste Lully, den ein halbes Jahrhundert
Cembalisten im ersten Satz auf üppige 65 Takte aus-            vor Bach geborenen Hofkomponisten des Sonnenkönigs
dehnte. Aber im Barock öffnete sich ohnehin alle Musik         Ludwig XIV., begründet und geprägt worden: Gravitäti-
ins Konzertante, wurde zum Wechselspiel der Instrumen-         sche Rahmenteile – ihr Markenzeichen ist der punktierte
te, die ein Ensemble aus Solisten bildeten, kein anonymes      Rhythmus – umschließen einen Binnensatz von zügigem
Kollektiv. Auch Mozart trat in seinen Wiener Klavierkon-       Tempo, in dem sich die Stimmen nach Art einer Fuge
zerten noch als »Erster unter Gleichen« auf, nicht als Herr-   gegenseitig vorwärtsjagen.
scher unter Lakaien oder als Held unter Feinden. Die Ära
der großen Solokonzerte mit ihren imperialen virtuosen
Machtdemonstrationen sollte erst lange nach Mozarts                Die französische Ouvertüre – festlich, heroisch,
Tod anbrechen.                                                     pathetisch – reflektiert den Geist des
                                                                   ­Absolutismus zur Zeit des Sonnenkönigs.
                                                                     Diese Instrumentalform – festlich, heroisch, pathe-
                                                               tisch – reflektiert den Geist des französischen Absolutis-
                                                               mus. An den weltoffenen Höfen der deutschen Herzöge
                                                               und Fürsten zeigte man sich allem Neuen und Extra-
                                                               vaganten, das aus Frankreich kam, sehr zugetan, auch
                                                               dem Lully’schen Typus der Ouvertüre. Versailles wirkte
                                                               geschmacksbildend weit über die Grenzen Frankreichs
                                                               hinaus, und so schuf auch Johann Sebastian Bach in
                                                               seiner Zeit als Konzertmeister der herzoglichen Kapelle in
                                                               Weimar und als Hofkapellmeister im anhaltischen Köthen
                                                               ­prachtvolle französische Ouvertüren. Der Name bezeich-
                                                                nete zu Bachs Zeiten allerdings längst nicht mehr das Ein-
                                                                leitungsstück allein, sondern zugleich die anschließende
                                                                Folge verschiedener Tanzsätze, weshalb diese Gattung
                                                                später unter dem Begriff der Orchestersuite firmierte.

    8         Saison 2021/22                                       9         Werkeinführungen
Chamber Orchestra of Europe Sir András Schiff - Freitag 26.11.21 - Berliner Philharmoniker
Wolfgang Amadeus Mozart
                                                                         Klavierkonzert Nr. 17

                                                                         »Alles Ländliche, Idyllen- und Eklogenmäßige, jede
                                                                         ruhige und befriedigte Leidenschaft, jeder zärtliche
                                                                         Dank für aufrichtige Freundschaft und treue Liebe; – mit
                                                                         einem Wort, jede sanfte und ruhige Bewegung des
                                                                         Herzens lässt sich trefflich in diesem Tone ausdrücken«,
                                                                         schrieb Christian Friedrich Daniel Schubart 1784 über die
                                                                         Tonart G-Dur. Wie zum Beweis fand im selben Jahr die
                                                                         Uraufführung des Mozart’schen Klavierkonzerts Nr. 17
                                                                         in G-Dur bei einem Musikfest auf dem Lande statt, an
                                                                         einem Junitag in Döbling bei Wien, auf dem Besitz der
                                                                         Familie Ployer. Die junge Barbara (oder Babette) Ployer,
                                                                         Ziehtochter des Familienoberhaupts, war Mozarts offen-
                                                                         bar erfreulich talentierte Schülerin: Eigens für sie hatte er
                                                                         diese Freundschaftsgabe – wie zuvor schon das Klavier-
Schloss Versailles, wo Jean-Baptiste Lully, Hofkomponist Ludwigs XIV.,   konzert Nr. 14 in Es-Dur – komponiert.
die Gattung der französischen Ouvertüre schuf.

                                                                               Mozart eröffnet das Konzert mit einem
                                                                              ­klingenden Monogramm.
      In seinen Köthener Jahren, vor 1722, komponierte
 Bach die (verschollene) Erstfassung seiner Ouvertüre                         Man darf annehmen, dass Barbara Ployer ihren
 Nr. 2 in h-Moll zunächst in a-Moll und mit einer konzertie-             Solopart mit dem Ausdruck »zärtlichen Dankes« vorzu-
 renden Solovioline. Ende der 1730er Jahre bearbeitete                   tragen wusste. Schon der erste Takt verrät den Urheber,
 er dieses Werk für Flöte, Streicher und Basso continuo und              wenn die Violinen mit einem marschartigen Lieblings-
 präsentierte es in den Konzerten des Leipziger Colle-                   rhythmus Mozarts anheben, mit dem er die meisten
gium musicum, eines bunt gemischten Ensembles aus                        seiner 1784 erschaffenen Klavierkonzerte eröffnet: eine
­Studenten der Universität, Privatschülern des Thomas-                   Art Künstlermonogramm. Das Thema im letzten Satz
 kantors, reisenden Virtuosen und Ratsmusikern, die unter                könnten die Spatzen von den Dächern pfeifen, und diese
 Bachs Leitung allwöchentlich in den Sälen eines mon­                    Behauptung ist keineswegs nur metaphorisch gemeint,
 dänen Leipziger Kaffeehauses auftraten.                                 besaß doch Mozart einen Vogel, einen Star, der diese
                                                                         Tonfolge tatsächlich nachgesungen haben soll. Im Juni
                                                                         1787, als er den liebgewonnenen Sänger in seinem
                                                                         ­Garten begraben musste, dachte sich Mozart zum weh-
                                                                          mütigen Abschied eine Elegie aus: »Hier ruht ein lieber
                                                                          Narr, / Ein Vogel Staar. / Noch in den besten Jahren /
                                                                          Mußt er erfahren / Des Todes bittern Schmerz. / Mir blut’t
                                                                          das Herz, / Wenn ich daran gedenke.«

      10         Saison 2021/22                                               11        Werkeinführungen
Chamber Orchestra of Europe Sir András Schiff - Freitag 26.11.21 - Berliner Philharmoniker
Johann Sebastian Bach
Brandenburgisches Konzert Nr. 5

Christian Ludwig von Brandenburg, Markgraf von
Schwedt, der jüngste Sohn des Großen Kurfürsten
und Onkel des amtierenden Preußenkönigs Friedrich
Wilhelm I., vereinte in seiner privilegierten Person die
Großzügigkeit des Mäzens mit der Passion des musikali-
schen Liebhabers. In seinen Privatgemächern im Berliner
Stadtschloss ließ er Opern und Oratorien einstudieren –
und ebenso die sechs Brandenburgischen Konzerte,
die ihm Johann Sebastian Bach gewidmet hatte. Auch
wenn er diesen Genuss nur mit wenigen teilte, rettete der     Titelblatt zu Bachs Manuskript der Brandenburgischen
Markgraf gleichwohl die Ehre des Berliner Musiklebens.        Konzerte mit Widmung an den Markgrafen Christian Ludwig
                                                              von Brandenburg-Schwedt
Denn sein Neffe, der zu gröberem Zeitvertreib disponier-
te »Soldatenkönig«, hatte zuvor bei seinem Amtsantritt
umgehend die preußische Hofkapelle aufgelöst und
eingespart.

                                                              ihrem Empfänger, dem Hohenzollernprinzen Christian
    Dass das Konzert ursprünglich für Kammer­                 Ludwig, ins Berliner Stadtschloss.
    ensemble geschrieben wurde, hört man noch                       Das fünfte Brandenburgische Konzert war kein
    der Endfassung an.                                        neu komponiertes Werk, als Bach es 1721 nach Berlin
                                                              übersandte. Wahrscheinlich entstand die ursprüngliche
                                                              Fassung im Frühsommer 1718, den Bach mit ausge­wähl­
       Deren prominenteste Mitglieder fanden ein künst-       en Hofmusikern in Karlsbad verbrachte, dem m   ­ ondänen
lerisches Asyl am Hof zu Köthen, unter der Regierung          böhmischen Kurort, damals ein Tummelplatz der Hoch-
des »gnädigen und Music so wohl liebenden als kennen­         aristokratie. Der kränkelnde Fürst Leopold war mit
den« Fürsten Leopold, der 1717 den vormaligen Wei-            viel­köpfiger Entourage angereist. Aus Anhalt wurde
marer Hoforganisten und Konzertmeister Bach an die            sogar »das Fürstl. ClaviCymbel ins CarlsBad« befördert,
Spitze seiner hochgerühmten Hofkapelle berief. Die            auf dem Bach mit seinen Musikern möglicherweise das
evangelisch-reformierte Konfession des Landesherrn            spätere fünfte Brandenburgische Konzert darbot, in
erlaubte der Kirchenmusik am Köthener Hof keine Ent-          einer Urfassung, die für Querflöte, Solovioline, ein kleines,
faltung, und so komponierte der Kapellmeister Bach ein        einmanualiges Cembalo und ein Ensemble aus lediglich
­reiches weltliches Repertoire für seine Instrumentalis-      einer Violine, einer Viola und einem Violone als »Tutti«
 ten: Suiten, P­ artiten, Sonaten und vor allem Konzerte in   ­bestimmt war. Dieser intime, kammermusikalische Ur-
 wechselnden, erlesenen und symbolträchtigen Beset-            sprung des Konzerts zeigt sich sogar noch in der endgül-
 zungen. Sechs von ihnen brachte er 1721 in Reinschrift,       tigen Version: im langsamen, »Affettuoso« bezeichneten
 bezeich­nete sie auf dem Titelblatt als »Six Concerts Avec    Mittelsatz, der wie eine Triosonate mit begleitendem
 ­plusieurs Instruments« und versah sie obendrein mit einer    Cembalo musiziert wird.
  aus­giebigen französischen Widmung. Auf dem diploma­
  tischen Weg gelangte die handschriftliche Partitur zu

    12        Saison 2021/22                                       13        Werkeinführungen
Chamber Orchestra of Europe Sir András Schiff - Freitag 26.11.21 - Berliner Philharmoniker
Wolfgang Amadeus Mozart
Symphonie Nr. 40

Unter allen Symphonien, die Mozart im Laufe von zwei-
einhalb Jahrzehnten schuf, finden sich nur zwei in Moll,
und beide stehen in derselben Tonart g-Moll: »bang und
dunkel fährt es herein, oft genug, aber es ist der Lebens-
wind, der durchs Fenster kommt«, sagt dazu der Schrift-
steller Albrecht Goes. Der Lebenswind – er durchströmt
die Symphonie Nr. 40 mit dem erhöhten Pulsschlag einer
»Aria agitata«, einem aus der damaligen Oper vertrau-
ten Typus der Arie, wie etwa der liebestolle Cherubino
sie in Mozarts Le nozze di Figaro im Überschwang der
Gefühle anstimmt: »Ich weiß nicht mehr, wer ich bin, was
ich tue«.

                                                                      Mozart zur Zeit
    Wann begann je zuvor eine Symphonie derart                        der ­Entstehung der
                                                                      ­Symphonie Nr 40,
    unruhig schweifend, leise, fast heimlich?                          Silberstiftporträt von
                                                                       Dorothea Stock

     Die rastlos pochenden Achtel der geteilten Violen
geben das Tempo vor für den wortlosen Gesang der
Violinen, der, kurzatmig und aufgebracht, ziellos um sich
selber kreist, eben ganz wie beim aufgebrachten Che-
rubino. Wann begann je zuvor eine Symphonie wie das
Molto allegro, der kopflose Kopfsatz der g-Moll-Sym-         vorbereitet waren«, wie es 1813 in einem Tonkünstler-
phonie, derart unruhig schweifend, leise, fast heimlich,     Lexi­kon hieß. Wie sollten die Zeitgenossen auch vor-
ganz ohne jeden Anklang an Fest und Fanfare, an »Vor-        bereitet sein auf Mozarts g-Moll-Symphonie – auf eine
hang auf« und »Aufgepasst«? War das nun eine große           Musik, die an die tabuisierten Grenzen der Harmonik
Symphonie, bestimmt für die Öffentlichkeit? Musik für        rührte, die den vertrauten Satzcharakter eines singenden
ein künftiges Zeitalter? Franz Schubert in seinem a-Moll-    Allegro in unerhörte Ausdruckswelten trieb und das höfi-
Streichquartett und Felix Mendelssohn in seinem Violin-      sche Menuett in rhythmischen Spannungen aufrieb?
konzert sollten Kompositionen ganz ähnlich eröffnen:
mit sehnsuchtsvollen Melodien über figurativ bewegtem                                                Wolfgang Stähr
Klanggrund.
     Gar nicht selten gab es Stimmen, die – anfangs vor-
wurfsvoll, später entschuldigend – behaupteten, Mozarts
Werke seien zu schwer, zu schwierig, »zu stark gewürzt«,
der Komponist sei »ein Meteor am musikalischen Hori-
zonte« gewesen, »auf dessen Erscheinung wir noch nicht

    14        Saison 2021/22                                     15        Werkeinführungen
Chamber Orchestra of Europe Sir András Schiff - Freitag 26.11.21 - Berliner Philharmoniker
Sir András Schiff

Johann Sebastian Bach sei – so Sir András Schiff – sein
Lieblingskomponist und gleichzeitig das Zentrum unserer
westlichen Musik: »Bach bildet den Höhepunkt. Alle
nachfolgenden Komponisten beziehen sich in irgendei-
ner Weise auf ihn.« Nach András Schiffs Worten prägt
die Auseinandersetzung mit dem Barockkomponisten
insgesamt seine Musizierweise – egal, ob er Klavier­­
werke von Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Chopin,
Schumann oder Bartók interpretiere.
    Der aus Budapest stammende Musiker startete seine
internationale Karriere 1974 mit dem Gewinn des Ersten
Preises beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb.
Heute ist er für seine zugleich reflektierte und lebendige
Musikzierweise ebenso berühmt wie für seine gefeierten
Beethoven- und Bach-Zyklen. Darüber hinaus ist er ein
leidenschaftlicher Kammermusiker und gefragter Solist
renommierter Orchester, gelegentlich tritt er dabei auch
als Dirigent auf. Seit 1989 gehört er zu den künstlerischen
Freunden der Berliner Philharmoniker, deren Pianist in
Residence er in der Saison 2007/08 war. Auch mit dem
Chamber Orchestra of Europe verbindet András Schiff,
den Queen Elizabeth II. 2014 in den Adelsstand erhob,
eine über 35-jährige künstlerische Freundschaft. »Es ist
ein einzigartiges Ensemble, in dem es keine Routine gibt«,
schwärmt der Pianist. »Die Musiker kommen aus unter-
schiedlichen Ländern und haben unterschiedliche
Spieltraditionen gelernt, und dennoch haben sie einen
spezifischen Klang entwickelt.«

    16      Saison 2021/22                                    17   Biografien
Chamber Orchestra of Europe

»Die Musik ist größer als der Einzelne« – so lautet das
Credo des Chamber Orchestra of Europe, das in ­diesem
Jahr seinen 40. Geburtstag feiert. ­Hervorgegangen ist
das Ensemble aus dem European Union Youth O      ­ rchestra,
das Claudio Abbado, Chefdirigent der Berliner Phil-
harmoniker von 1990 bis 2002, initiiert und lange Jahre
geleitet hat. Das Feuer, das Abbado in den Jugendlichen
entzündete, wollten einige der ehemaligen Mitglieder
weitertragen, indem sie das Chamber Orchestra of
Europe gründeten. Die Formation wurde maßgeblich
von Abbados Art des Musizierens geprägt, in der der
Gemeinschaftsgedanke eine zentrale Rolle spielte. Mit
Abbado realisierte das Orchester preisgekrönte Auf-
nahmen, darunter Gioachino Rossinis Oper Il viaggio a
Reims und sämtliche Symphonien Franz Schuberts. Doch
auch andere Dirigenten haben das Profil des ­Orchesters
geformt: Nikolaus Harnoncourt, Bernard Haitink und
Yannick Nézet-Séguin, um nur einige zu nennen. Das
Chamber Orchestra of Europe, dessen Mitglieder auch
erfolgreich als Solistinnen und Solisten sowie als Leh-
rende an Hochschulen arbeiten, gehört zu den besten
Kammerorchestern unserer Zeit. Es tritt in aller Welt auf
und gastiert seit der Saison 2018/19 ­regelmäßig auf
Einladung der Stiftung Berliner Philharmoniker in Berlin.
Eine tragende Säule seines Repertoires ist die Musik der
Wiener Klassik.

    18      Saison 2021/22                                     19   Biografien
© Conny Maier, Courtesy of König Galerie

                                                                                                                                                                                                                           © A Gentil Carioca, Maxwell Alexandre
Blick auf die Conditio humana
Artists of the Year 2021 der Deutschen Bank
im PalaisPopulaire

Die Auszeichnung „Artist of the Year“ der Deutschen Bank wird zehn
Jahre alt. Junge Künstler*innen, die mit Papier oder Fotografie
arbeiten, werden seit 2010 durch Ankäufe ihrer Werke für die
Sammlung Deutsche Bank, einen Katalog und Einzelausstellungen
einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Anlässlich des
Jubiläums werden erstmals drei Künstler*innen ausgezeichnet,
die jetzt mit neuen Werken im PalaisPopulaire zu sehen sind. Das                                                                                                                        gewalt und schwarze Identität. Virtuos in der Farbgebung, kraftvoll und
Besondere: Alle drei kamen über ungewöhnliche Wege zur Kunst,                                                                                                                           nicht ohne Ironie knüpft die Berlinerin Conny Maier an die Traditionen
reflektieren elementare Themen wie Gemeinschaft, Spiritualität                                                                                                                          der französischen Fauvisten und des deutschen Expressionismus an.
und Umweltzerstörung. Der 30-jährige Maxwell Alexandre stammt                                                                                                                           Im Zentrum ihrer Malerei-Installation steht ein riesiges, im wahrsten
aus Rio de Janeiros größter Favela. Seine Gemälde, Performances                                                                                                                         Sinne überwältigendes Triptychon, dem sie den Titel „Dominanz“
und Installationen kreisen um Rassismus, Musik, Religion, Polizei-                                                                                                                      gegeben hat. Und genau darum geht es auch in ihren Bildern: um
                                                                                                                                                                                        den Konflikt zwischen moderner Zivilisation und Natur, die Frage, wer
                                                                                                                                                                                        wen beherrscht, die Oberhand behält. Der taiwanesische Künstler
                                                                                                                                                                                        Zhang Xu Zhan fertigt für seine Filme und Installationen filigrane
                                                                                                                                                                                        Figuren und Landschaften aus Pappmaschee an. Sein immersiver
                                                                                                                                                                                        Kosmos ist von märchenhaften Wesen, singenden Tieren und Pflanzen
                                                                     © Zhang Xu Zhan, courtesy of the artist and Project Fulfill Art Space

                                                                                                                                                                                        sowie Naturgeistern bevölkert – und transformiert alte Fabeln für das
                                                                                                                                                                                        Internetzeitalter. Drei Statements zur Conditio humana, die radikales
                                                                                                                                                                                        Um- und Neudenken einfordern.

                                                                                                                                                                                        Deutsche Bank „Artists of the Year“ 2021
                                                                                                                                                                                        Maxwell Alexandre – Conny Maier – Zhang Xu Zhan
                                                                                                                                                                                        Bis zum 7. Februar 2022

                                                                                                                                                                                        PalaisPopulaire
                                                                                                                                                                                        Unter den Linden 5, 10117 Berlin
                                                                                                                                                                                        db-palaispopulaire.de
Konzerttipps

                                                                      Patricia Kopatchinskaja und die
                                                                     ­Karajan-Akademie

Klassik
                                                                     In diesem Konzert der Karajan-Akademie erleben wir
                                                                     unsere Artist in Residence Patricia Kopatchinskaja nicht
                                                                     nur als Geigerin, sondern auch als Dirigentin. Sie eröffnet
                                                                     den Abend mit Heinrich Ignaz Franz Bibers Battalia,
                                                                     einem eindrucksvollen musikalischen Schlachtengemälde
                                                                     aus der Barockzeit, und beendet ihn mit Joseph Haydns
                                                                     humorvoller »Abschiedssymphonie«. Dazwischen spielt

erleben
                                                                     sie – unter der Leitung von Stanley Dodds – den Solopart
                                                                     des Violinkonzerts von Márton Illés, einem Schüler von
                                                                     Wolfgang Rihm.

                                                                     So    12.12.21    20 Uhr

                                                                     Kammermusiksaal
                                                                     Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker
                                                                     Patricia Kopatchinskaja Violine und Leitung

                                                                     Karten von 15 bis 35 Euro

                                                                      »Lost Generation«: Musik verfolgter
                                                                     ­Komponisten
                                                                     Als der 26-jährige Pavel Haas sein übermütiges Streich-
                                                                     quartett »Von den Affenbergen« schrieb, da ahnte er wohl
                                                                     nicht, welch grausames Schicksal ihn nach der Annexion
                                                                     seiner tschechischen Heimat durch das nationalsozialisti-
                                                                     sche Regime erwartete: Verfolgung, Deportation und Tod
                                                                     in Auschwitz. Mitglieder der Berliner Philharmoniker stellen
                                                                     das Quartett in diesem Konzert der Reihe Lost Generation
   Unterstützen Sie uns beim Kauf                                    vor – neben Werken von Ernst Toch und Hanns Eisler, die
   hochwertiger Instrumente, bei der                                 den Repressalien der Nazis durch Emigration entkommen
                                                                     konnten.
   Verbesserung der Ausstattung in
   Philharmonie und Kammermusiksaal                                  Mi    15.12.21    20 Uhr

   oder bei der Förderung besonderer                                 Kammermusiksaal
                                                                     Hande Küden Violine · Kotowa Machida Violine und Viola
   musikalischer Projekte.                                           Allan Nilles Viola · Knut Weber Violoncello
                                                                     Gunars Upatnieks Kontrabass · Mor Biron Fagott
                                                                     Jelka Weber Flöte · Wenzel Fuchs Klarinette
                                                                     Jan Schlichte Schlagzeug
   Wir freuen uns auf Sie!                                           Karten von 10 bis 26 Euro

   Freunde der Berliner Philharmoniker e. V.
   berliner-philharmoniker.de/freunde
                                                 23   Konzerttipps

Ticketverkauf
• online unter berliner-philharmoniker.de
• t elefonisch unter +49 30 254 88-999
   Montag – Freitag 9 –16 Uhr
• a n der Konzertkasse der Philharmonie
    Montag – Freitag 15–18 Uhr
    Samstag, Sonntag und an Feiertagen 11–14 Uhr


                                                                                                                       Hier spielen
                                                                                                                       wir nur für
                                                                                                                       Sie
                                                 
Impressum                                         Newsletter und Social Media

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Herbert-von-Karajan-Straße 1, 10785 Berlin
   redaktion@berliner-philharmoniker.de

Redaktion: Tobias Möller (V. i. S. d. P.)
Mitarbeit: Stephan Kock, Anne Röwekamp,
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Abbildungen: S. 7 akg-images, S. 10 Invictus
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Commons, S. 15 Granger Historical Picture Ar-
chive / Alamy Stock Foto, S. 17 Joanna Bergin,
S. 19 Julia Wesely, S. 23 (o.) Stefan Höderath,
(u.) privat · Anzeigenvermarktung: Tip Berlin
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+49 30 23 32 69 610, anzeigen@tip-berlin.de
Artwork: Studio Oliver Helfrich · Layout: Stan                                                                                                 Jetzt in
Hema · Satz: Bettina Aigner · Herstellung:                                                                                                     Hi-Res
Reiter-Druck, 12247 Berlin
                                                                                                                                               Audio
Programm- und Besetzungsänderungen
vorbehalten
                                                                                              Offizieller Streaming-Partner
Einzelheftpreis: 3 Euro                                                                       der Digital Concert Hall
PH 22, 2021/22
                                                                                                                                 digitalconcerthall.com
      24         Saison 2021/22
15.9.2021 – 7.2.2022

                                           Deutsche Bank
                                           “Artists of the Year”
                                                      MA XWELL
                                                      ALEXANDRE
                                                      CONNY
© Conny Maier. Courtesy of König Galerie

                                                      MAIER
                                                      ZHANG XU
                                                      ZHAN
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