Dan Kersch : "Wir stehen unserem Personal gegenüber in der Pflicht".

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Dan Kersch : "Wir stehen unserem Personal gegenüber in der Pflicht".
016 » INTERVIEW
Auteur FGFC Rédacteur Marco Thomé Photos Christof Weber, Shutterstock

Dan Kersch : „Wir stehen
unserem Personal gegenüber
in der Pflicht“.
Thema psychosoziale Beratungsstelle
bei den Kommunen.

                                                                        Innenminister und     Herr Minister, der Aufmacher unseres
                                                                                              letzten „FGFC Mag’“ war : „psycho­soziale
                                                                        „Fonction Publique“   Belastungen und mangelnde Führungs-
                                                                        Minister Dan Kersch   kompetenzen bei den Gemeinden“.
                                                                        bezieht Stellung.     Was ist Ihre Meinung hierzu ?

                                                                                              Ich bin der Meinung, dass wir generell im
                                                                                              öffentlichen Dienst keinen allgemeinen
                                                                                              Mangel an Führungskompetenzen haben.

                                                                                              Richtig ist jedoch, dass wir zunehmend
                                                                                              wahrnehmen, dass der menschliche
                                                                                              Umgang zwischen Politik und Personal oder
WWW PLUS D’INFOS                                                                              den Bediensteten untereinander, immer
www.fgfc.lu
                                                                                              weniger den Gepflogenheiten entspricht.
Dan Kersch : "Wir stehen unserem Personal gegenüber in der Pflicht".
» 017

Viele scheinen verlernt zu haben in
ange­messener Weise miteinander zu
kommunizieren. Die zwischenmen­sch­
lichen Beziehungen stimmen oft nicht
mehr. Gleichzeitig sind wir mit wachsen­
den Anforderungen in der Arbeitswelt
konfrontiert.

Hinzu kommt, dass es bei den Gemein­
den öfters an den Voraussetzungen für
ein professionelles Personalmanagement
fehlt. Das Gefälle in Punkto Größe, Einwoh­
nerzahl und Anforderungen zwischen der
Hauptstadt und der kleinsten Gemeinde
ist schon beträchtlich.

Organigramme und Postenbeschrei­
bungen zählen in vielen Gemeinden
noch immer nicht zur Grundstruktur der
internen Organisation, werden jedoch
verbindlich durch die kommende Reform
eingeführt.
                                                    „Die zwischenmenschlichen
Zielorientierte Arbeitsabläufe mit indivi­
                                                    Beziehungen stimmen
duellem Arbeitsplan werden ihr übriges              oft nicht mehr“
tun, um die Organisations­strukturen bei
den Kommunen zu bringen optimieren.

Mir ist jedoch klar, dass Beziehungen
zwischen Menschen nicht per Gesetz             Tatsächlich war der Bereich der Arbeits­
dekretiert werden können. Ich bin wie Sie      medizin im öffentlichen Dienst keine
der Meinung, dass ein effektiver, kompe­       Priorität der Vorgängerregierungen. Dieser
tenter und freundlicher Dienst am Kunde        wichtige Bereich wird zum Beispiel von
Bürger, eigentlich nur von Mitarbeitern        der aktuellen Reform kaum tangiert.
gewährleistet werden kann, die zufrieden
mit ihrem Arbeitsumfeld sind. Im Optimal­      Für mich wird jedoch nach Umsetzung der
fall identifizieren sie sich gar mit dem was   Reform, diese Angelegenheit eine Priorität
sie tun. Diese Vision gilt es ins Auge zu      darstellen. Ein erster Schritt in diese
fassen. Es bleibt jedoch hierbei noch vieles   Richtung wurde übrigens bereits unter­
gemeinsam zu tun.                              nommen. Ein unter der alten Regierung
                                               bestandener Posten eines Arbeitspsycho­
Beim gesamten öffentlichen Dienst              logen wurde endlich ausgeschrieben und
zeichnen sich nur drei Personen                besetzt. Dies reicht selbstverständlich
­verant­wortlich für das Thema „betrie-        nicht aus, ist aber ein Anfang.
bliche Gesundheitsförderung“. Zeigt
 dies nicht klar und deutlich wie stief­       Themen wie Arbeitsbedingungen, Wohl­
 mütterlich das Thema bei Staat und            befinden am Arbeitsplatz, Effektivität
 Kom­munen behandelt wird.                     werden bei den kommenden generellen
                                               Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaf­
Nach eingehender Analyse der Sachver­          ten auf der Tagesordnung stehen.
halte kann ich leider nur feststellen, dass
das Adjektiv „stiefmütterlich“ hier genau      Das aktuelle Regierungsprogramm sieht
ins Schwarze trifft.                           vor, dass es bis zum Ende der Legislatur­
                                               periode, neben der bereits beschlossenen
Dan Kersch : "Wir stehen unserem Personal gegenüber in der Pflicht".
Dan Kersch : "Wir stehen unserem Personal gegenüber in der Pflicht".
» 019

Erhöhung, zu keiner weiteren Punktwert­        Was gedenken Sie hier zu tun ?
höhung kommen wird. Wir werden uns
also kurzfristig mit anderen Themen            Als Regierung sind wir hier aufgerufen zu
befassen als Geld.                             handeln. Wir werden diese Kommission in

     „Das Arbeitsleben
     innerhalb der Verwaltung
     gehört auf unsere Prioritätenliste”
Neben der Vereinbarung von Privat- und         naher Zukunft mit einer komplett neuen
Berufsleben gehört auch das Arbeitsleben       Arbeitsbasis ausstatten.
innerhalb der Verwaltung ganz klar auf die
Prioritätenliste. Hier liegt vieles im Argen   Wie diese konkret aussehen wird, werden
und wir können zusammen vieles bewegen.        wir unter anderem auch mit ihnen dis­
                                               kutieren. Ich bin hoch motiviert meinen
Neben der reinen medizinischen Vor-            Teil dazu beizutragen, dass wir eine für
und Nachsorge, gehören natürlich auch          alle Bedienstete sinnvolle und gangbare
Problemfelder wie Stress, Druck oder           Prozedur hinkriegen werden.
Mobbing ins Rampenlicht. Hier stecken
unserer Prozeduren teils noch in den           Nun, da die Bewertung kommen wird,
Kinderschuhen.                                 stellen sich automatisch Fragen in
                                               Punkto kohärente Kommunikation
Das Verfassungsgericht hat die „Anti-          im öffentlichen Dienst. Brauchen
Mobbing Kommission“ beim Staat aus             wir hier nicht alle zusammen einen
dem Jahre 2007 als verfassungswidrig           Bewusstseinswandel ?
erklärt, da diese nicht für Kommunal-
beamte zuständig ist.                          Ich weiß, dass die Gewerkschaften der
                                               Einführung der Bewertung im öffentlichen
                                               Dienst mit Skepsis entgegen sehen.
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020 » INTERVIEW

Wir werden die Teilvorgabe der früheren     Dies ist sehr wichtig
Regierung nun umsetzen. Alle zusammen
sollten wir versuchen, aus den neuen
                                            und muss auch
                                            gefördert werden.
                                                                         „Die kommenden
Regelungen ein positives Instrument                                      ­Reformen sind
zu machen.                                  Wir sollten also             keine Bibel”
                                            neue Wege gehen
Ich bin der Meinung, dass die ge­plan­      und durch offene
ten Mitarbeitergespräche die von            Kommunikation eine
Ihnen angesprochenen Probleme ins           andere Form des Miteinanders schaffen.       keine Sammelstelle, die statistisches
Bewusstsein aller Beteiligten bringen       Hiervon werden dann alle profitieren         ­Material über den Zustand des öffentli­
werden. Wie dann konkret vor Ort damit      können.                                      chen Dienstes erhebt.
umgegangen wird, müssen wir abwarten.
                                            Gibt es hier schon konkrete Projekte         Aktuell planen wir das Schaffen einer
Natürlich brauchen wir klare Hierarchien.   beim Staat ?                                 solchen Zentralstelle, die einen Überblick
Chef sein wird man jedoch nicht nur                                                      über den jeweiligen Laufbahnverlauf des
durch die Hierarchie selbst sondern vor     Aktuell ist die staatliche Personalverwal­   staatlichen Bediensteten ermöglicht.
allem, durch den persönlichen Respekt,      tung dabei, die nötigen EDV-Grundlagen
den man sich Tag für Tag in Zusammen­       für die Umsetzung der nun kommenden          Das Erheben solcher Daten ist wesent­
arbeit mit den Mitarbeitern, immer wieder   Reformen zu schaffen. Im Gegensatz zu        lich, da man ohne Wissen keine Vor- oder
neu erarbeiten muss.                        den Gemeinden hat der Staat zum Beispiel     Nachsorge betreiben kann. Wie sollen wir
                                                                                         zum Beispiel zusammen eine adäquate
                                                                                         Gesundheitsvorsorge im öffentlichen
                                                                                         Dienst hinkriegen, wenn wir nicht wissen
                                                                                         wie der Krankenstand des Personals
                                                                                         aussieht ?

                                                                                         Erst mit verbindlichem Zahlenmaterial
                                                                                         können wir spezifische Interventionen
                                                                                         in die Wege leiten, die jeweils auf die
                                                                                         Problemfelder innerhalb klar definierten
                                                                                         Dienststellen ausgerichtet sind.

                                                                                         Stellt sich zum Beispiel heraus, dass in einer
                                                                                         Verwaltung der Krankenstand ­besonders
                                                                                         hoch ist, muss sich von offizieller Seite
                                                                                         darum gekümmert werden, woran dies
                                                                                         konkret liegt. Erste Analysen und Stellung­
                                                                                         nahmen werden dann von der Direktion
                                                                                         abgefragt. Überzeugen diese Erklärungen,
                                                                                         muss nicht weiter nach­gebohrt werden.
                                                                                         Sollte dem nicht so sein, müssen konkrete
                                                                                         Maßnahmen ergriffen werden.

                                                                                         Hinsichtlich der Bewertung, sind wir
                                                                                         als FGFC der Meinung, dass SYVICOL
                                                                                         und Gewerkschaften gemeinsam einen
                                                                                         Leitfaden über eine optimale Organisa­
                                                                                         tion der Gemeinden ausarbeiten sollen.
                                                                                         Wie sehen Sie dies ?

                                                                                         Ich unterstütze dieses Vorhaben und ich
                                                                                         glaube, dass das SYVICOL dies zumindest
                                                                                         ähnlich sieht.
Innenminister Dan Kersch
Dan Kersch : "Wir stehen unserem Personal gegenüber in der Pflicht".
» 021

                                                                                             Ich weiß, dass Sie als FGFC hier anderer
Ihnen geht es ja darum Richtlinien auszu­     Das Ganze ist ebenfalls nicht zum Nulltarif    Meinung sind. Dies liegt wahrscheinlich
arbeiten, an denen sich sowohl Gemeinde,      zu haben. Hier müssen wir als Staat und        in der Natur der Sache, da wir doch teils
wie auch Personal später orientieren          Kommunen investieren. Ich betone hier          unterschiedliche Interessen vertreten.
können. Wenn dieser Leitfaden erst einmal     ausdrücklich Kommunen, da im Moment            Hier besteht also Klärungsbedarf.
vorliegt, ist es sogar denkbar einzelne       die Ausbildung der Kommunalbeamten
Bereiche reglementarisch festzuschreiben.     fast zu 100 % vom Staat übernommen             Abschließend ist es mir wichtig zu
                                              wird. Dies sollte auch einmal gesagt           unterscheiden :
Die nun zu beschließende Reform ist           ­werden dürfen.
keine Bibel. Zusammen sollten wir uns klar                                                   1. Die kommende Bewertung darf nicht
werden, wie wir positiv nach vorne kom­       Was ist für Sie darüber hinaus noch            dazu genutzt werden, die Disziplinar­
men. Sollten Vorgänge sich als schwierig      wichtig in diesem Kontext ?                    prozedur zu umgehen. Dies kommt nicht
umsetzbar oder gar als unsinnig erweisen                                                     in Frage, das mache ich nicht mit.
werden wir nachbesseren. Ich sehe das         Sie wissen, dass Ich der Meinung bin, dass
Ganze als einen längeren Prozess bei dem      die überwiegende Mehrheit der Men­             2. Wenn sich die Regierung auf der einen
wir erst am Anfang stehen.                    schen im öffent­lichen Dienst eine sehr        Seite für mehr Flexibilität im Disziplinar­
                                              gute Arbeit leistet. Eine                                      recht aus­spricht, um
Im Rahmen des Konzeptes „fördern              Minderheit profitiert je­                                      Menschen dafür verant­
und fordern“ stehen wir für die               doch von dem gegenwär­                                         wortlich zu machen,
Schaffung einer psychosozialen Bera-          tigen System. Hier will die                                    dass sie sich nicht an
tungsstelle im kommunalen Dienst.             Regierung einschreiten.          „Fordern                      die vereinbarten Regeln
Wie sehen Sie dieses Anliegen ?
                                              Im Interesse der gene­
                                                                                  und                        halten, so muss diese auf
                                                                                                             der anderen Seite jene
Dass wir eine solche Beratungsstelle im       rellen Entwicklung des            fördern                      Kollegen unter­stützen
öffentlichen Dienst brauchen, steht für       gesamten öffentlichen            gehören                       die produktiv den öffent­
mich außer Frage.                             Dienstes ist es wichtig,
                                              dass wir diesen Leuten das
                                                                              zusammen”                      lichen Dienst mittragen.

Ob wir dieser aber nun alleine für die        Handwerk legen. Ich bin                                       Für diese Menschen
Kommunen einführen sollen, ist mir noch       also der Meinung, dass das                                    brauchen wir die von
nicht klar. Ich bin nach wie vor dabei, mir   Disziplinarrecht reformiert                                   Ihnen angedachten
hierzu konkret eine Meinung zu bilden.        werden muss. Ich will die öffentlichen         Begleitmaßnahmen. Das Ganze gehört
Da dies überdies ebenfalls eine Kosten­       Arbeitgeber in die Lage versetzen dem          also zusammen.
frage ist, sollten wir zunächst einmal die    Missbrauch ein Ende zu setzen.
bestehenden Synergien beim Staat ins                                                         Herr Minister wir bedanken uns
Auge fassen.                                  Die aktuelle Prozedur ist vor allem für jene   bei Ihnen für dieses Gespräch.
                                              unwürdig, die für eine adäquate Arbeits­
Allgemein sind wir uns jedoch einig, dass     leistung im öffentlichen Dienst stehen und
wir von den Bediensteten einen effektiven     das sind die Allermeisten.
öffentlichen Dienst einfordern dürfen und
können. Wer auf der einen Seite fordert       Ich habe immer mehr Kenntnis von
muss auf der anderen Seite auch fördern.      Menschen die sich beschweren, dass es
So wird ein Ganzes daraus. Die Schaffung      ihnen Kollegen quasi unmöglich machen
einer psycho-sozialen Beratungsstelle geht    anständig im Team zusammen zu arbei­
hier in die richtige Richtung.                ten. Verwaltungschefs beklagen sich, dass
                                              sie überhaupt keinen Sinn darin sehen
Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass           eine Disziplinarprozedur in die Wege zu
Menschen keine Maschinen sind die wie         leiten, da diese sowieso keine oder ver­
Roboter funktionieren. Wenn Menschen          spätete Konsequenzen haben wird.
nicht mehr „funktionieren“ dann hat das
oftmals Gründe. Als Arbeitgeber ist es        Hier müssen wir reagieren. Ich bin noch
unsere Pflicht unseren Bediensteten zur       immer der Meinung, dass prinzipiell jene
Seite zu stehen und den Dingen auf den        öffentliche Instanz die den Kollegen
Grund zu gehen.                               einstellt, auch gesetzlich befähigt sein
                                              muss ihn zu entlassen.
Dan Kersch : "Wir stehen unserem Personal gegenüber in der Pflicht". Dan Kersch : "Wir stehen unserem Personal gegenüber in der Pflicht".
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