DARE TO DREAM OF EUROPE - bpb:METRO Spezial - Bundeszentrale für politische Bildung

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DARE TO DREAM OF EUROPE - bpb:METRO Spezial - Bundeszentrale für politische Bildung
bpb:METRO Spezial

                     DARE TO DREAM OF EUROPE
          Eurovision Song Contest als kulturpolitischer Laufsteg Europas

                                              „Es ist Zeit, Pop als politische Äußerung und Kulturgut anzuerkennen
                                        und zu fördern, statt Gräben zwischen Oper und Diskothek herbeizureden“
                                                                                                        Katja Lucker

Das „bpb:METRO Spezial“ unter dem Titel „Dare to Dream of Europe“ widmet sich dem Eurovision
Song Contest (ESC) als Europas bekanntestem Musikwettbewerb. Denn seit 63 Jahren singt, tanzt, aber
auch reflektiert und beeinflusst der ESC den kulturellen, politischen und sozialen Wandel Europas.

Ins Leben gerufen im Jahr 1956 als ein gemeinsames experimentelles Fernsehprojekt der Mitglieder
der Europäischen Rundfunkunion, Schweiz, Niederlande, Belgien, Bundesrepublik Deutschland,
Frankreich, Luxemburg und Italien, vereint der Eurovision Song Contest heute über 40 Länder, darunter
auch Australien und die Länder aus dem Mittelmeerraum. Neue Technologien haben aus dem
Eurovision Song Contest einen globalen Wettbewerb etabliert, der jedes Jahr in über 140 Ländern live
übertragen wird.

Der Eurovision Song Contest versteht sich als eine unpolitische Veranstaltung. In den Regularien der
Europäischen Rundfunkunion ist ausdrücklich niedergeschrieben, dass "Texte, Ansprachen und Gesten
politischer Natur […] während des Contests untersagt“ sind. Und dennoch gelingt es jedes Jahr aufs
Neue aktuelle politische, kulturelle und gesellschaftliche Forderungen auf der Bühne zu artikulieren.

1974 brachte der portugiesische Beitrag die friedliche Revolution im Land ins Rollen. Die bosnische
Band „Fazla“ reiste 1993 aus belagertem Sarajevo an und machte auf den Balkankrieg aufmerksam.
Dana International aus Israel, die 1996 die erste offene Quere Performance darlegte, ist ein weiteres
Beispiel für die kritischen und dezidiert politischen Inhalte der Darbietungen. Das Gewinnerland als
Gastgeber muss, wie z.B. im Falle von Aserbaidschan 2012 geschehen, auch mit einer kritischen
Berichterstattung hinsichtlich der Menschenrechtssituation und Pressefreiheit rechnen.

Gleichzeitig nutzten viele Länder, unter anderem Estland oder Irland, diesen Wettbewerb um ihre
internationale Reputation zu steigern. Eine Diskrepanz zwischen der gefeierten Vielfalt und Inklusion
auf der Bühne und der tatsächlichen Realität bleibt in den meisten Fällen zurück.

Gespaltet zwischen der anfänglichen Rolle einer unterhaltsamen Fernsehshow und der anvertrauten
Rolle eines Seismographen der europäischen Geschichte nach 1956, bietet der Eurovision Song Contest
einen einzigartigen „Laufsteg“ für die europäische Kulturpolitik. Mit diskursiven und künstlerischen
Formaten möchten wir mit Ihnen und unseren internationalen Gästen die Geschichte und Gegenwart
des Eurovison Song Contest kennenlernen und erleben.
18. MAI 2019 | Kalkscheune, Johannisstr. 2, 10117 Berlin

PROGRAMM

14.00
Begrüßung
        Thomas Krüger
        Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung

14.15 – 14:45
„Gemeinsamkeiten, Gegensätze und eine Euro-Vision – wie der ESC Europa greifbar macht“
      Keynote-Speaker Dr. Irving Wolther

14.45 – 16.00
„Douze points“ 63 Jahre lang. Oder was hat eine Unterhaltungsshow mit der Identität zu tun?
        Diskussion

        Von der Teilnehmerzahl über die Rolle der Fans bis zum Voting-System hat sich seit 1956 viel
        geändert. Nach wie vor, werden jedes Jahr die wichtigen „douze points“ vergeben und mehr
        als nie zuvor wird dieser Musikwettbewerb als ein beachtenswertes friedliches Miteinander
        in Europa zelebriert. Im Laufe der Zeit haben sich die Erwartungen an den Eurovision Song
        Contest weit über die einer Unterhaltungsshow gesteigert. Mit Recht? Ist im Eurovision Song
        Contest eine (trans-)europäische Identität oder eine europäische Popkultur sichtbar? Liegt
        der Erfolg dieser Veranstaltung an der nationenbasierten Wettbewerbsstruktur, an aktiver
        FAN-Community oder an der ewigen Sehnsucht nach einem „united Europe“?

        Darüber diskutieren Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendörfer (Musikwissenschaftlerin, Carl von
        Ossietzky Universität Oldenburg), Jan Feddersen (Journalist, taz) und Katja Lucker
        (Musikbeauftragte der Hauptstadt Berlin und Leiterin des Musicboards Berlin)
        Moderation: Tobi Müller (Kulturjournalist und Autor)

16.00 – 16.30
        Kaffeepause

16.30 – 17.45
„Kultureller Kitsch“ im Amt. Oder wie ein Musikwettbewerb die europäische Kulturpolitik prägt?
       Diskussion

        Der Eurovision Song Contest wird wegen seiner übertriebenen Bühneneffekte und
        Liedertexte oft als kultureller Kitsch gesehen. Gleichzeitig hat sich der ESC in einen
        bedeutungsvollen „Laufsteg“ für eine europäische Kulturdiplomatie entwickelt. Wir fragen
wie die Staaten diesen Musikwettbewerb nutzen, um ihr Image zu promoten und ihre
       nationale Eigenständigkeit zu behaupten. Wie werden politische Themen hervorgehoben, die
       einen Europäismus, bzw. Euroskeptizismus im Kontext der europäischen Integration
       bekräftigen? Wie nutzten einzelne Akteure/innen, wie die ehemalige ESC-Gewinnerin
       Ruslana Lyschytschko, ihren ESC-Erfolg, um Europa für politische, gesellschaftliche und
       ökologische Themen zu sensibilisieren?

       Gespräch mit Dr. Irving Wolther (Sprach- und Kulturwissenschaftler, Universität Hannover),
       Dr. Dean Vuletic (Historiker, Universität Wien) und Ruslana Lyschytschko (Aktivistin und ESC-
       Gewinnerin 2004)

       Moderation: Tobi Müller (Kulturjournalist und Autor)

18.00 – 19.00
WATCH, SIT & TALK
       In Workshops mit kürzen Vorträgen reflektieren die ESC-Experten zusammen mit dem
       Publikum ausgewählte Aspekte des Eurovision Song Contest: Ost-West Beziehungen,
       Menschenrechte, sexuelle Vielfalt und Nationalismus. Der Dokumentarfilm Eurovisions
       (ARTE, 2016) zeigt das Musikereignis, das seit Jahrzehnten gemeinsame transeuropäische
       Erinnerungen schafft.

       In kleinen Gruppen können sich die Teilnehmenden austauschen, Themen vertiefen,
       Informationen aus erster Hand bekommen und interessante Persönlichkeiten kennenlernen.

       Die Gespräche und der Film finden parallel, auf Englisch oder auf Deutsch statt.

## „Germany: 12 Points!“: Der ESC als Popgeschichte deutscher Selbstbilder und
Selbstverständnisse
(auf Deutsch)

       In den gängigen „Meistererzählungen“ zur Geschichte deutscher Popmusik (z.B. die
       Dokumentation Pop 2000) spielen die deutschen Beiträge zum Eurovision Song Contest wenn
       überhaupt nur eine marginale Rolle, was wohl vor allem durch jene ideologisch bzw.
       ästhetisch motivierte, musikalisch in der Sache allerdings kaum haltbare Grenzziehung
       zwischen Pop und Schlager zu erklären sein dürfte.

       Indes lassen sich die mittlerweile 63 deutschen Beiträge zum ESC selbstverständlich ebenfalls
       als deutsche Popgeschichte lesen, die insbesondere mit Blick auf Fragen nach Repräsentation
       und Affirmation des Nationalen im europäischen Kontext zugleich auch eine Geschichte von
       deutschen Selbstbildern und Selbstverständnissen ist.

       Mit Dr. Thorsten Hindrichs (Musikwissenschaftler, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

## Ost-West-Beziehungen und der Eurovision Song Contest
(auf Englisch)

       Dieser Workshop wird untersuchen wie die kulturellen und politischen Beziehungen zwischen
       Osteuropa und Westeuropa den Eurovision Song Contest während des Kalten Krieges
beeinflusst haben, insbesondere in Bezug auf das osteuropäische Pendant des Eurovision,
       den Intervision Song Contest.

       Darüber hinaus wird sich der Workshop auch damit befassen, wie der Eurovision Song
       Contest seit 1989 die kulturellen und politischen Beziehungen zwischen Osteuropa und
       Westeuropa weiterhin widerspiegelt.

       Mit Dr. Dean Vuletic (Historiker, Universität Wien)

## Sexuelle Demokratie und Queer-Politik beim Eurovision Song Contest
(auf Englisch)

       Der Eurovision Song Contest wurde oft diskursiv als eine Veranstaltung zur Förderung der
       sexuellen Progressivität konzipiert, die immer wieder mit "europäischen Werten", d.h. mit
       der Sexualdemokratie in Westeuropa, in Verbindung gebracht wird.

       Im Hinblick auf öffentliche Meinung über die Rechte und Freiheiten des LGBT in Ländern wie
       Serbien (ESC 2008) und Aserbaidschan (ESC 2012) während und nach dem Eurovision Song
       Contest frage ich mich, ob diese Art von kultureller Leistung auch als Katalysator für einen
       dynamischen Austausch zwischen Geschlecht, Sexualität und verschiedenen Identitäten im
       heutigen Europa angesehen werden könnte.

       Mit Prof. Dr. Milija Gluhović (Theaterwissenschaftler, Universität Warwick, Großbritannien)

## Film Eurovisions (ARTE, 2016)
(auf Deutsch)

       Jedes Jahr im Mai schicken 40 europäische und nicht-europäische Länder von Irland bis
       Aserbaidschan Popgruppen oder Sänger, um sie in einem Wettbewerb zwischen den
       Nationen zu vertreten, der gleichzeitig von mehreren Fernsehsendern gefilmt wird. Mit
       seinen klassischen Pop-Nummern, eingängigen Refrains und übertriebene Beleuchtung
       fasziniert das jährliche Ritual des Eurovision Song Contest das Publikum seit Jahrzehnten.

       Jedes Land sieht das anders. Die Skandinavier und Osteuropäer lieben es. Die Franzosen und
       Briten sind ambivalenter. Aber Jahr für Jahr zieht es die größten Fernsehzuschauer der Welt
       an. Fast 200 Millionen Zuschauer schalten ein, um ihre Favoriten zu jubeln.

       Dieser Dokumentarfilm untersucht die anhaltende Faszination der Eurovision.

19:00 – 21.00

Empfang und GetTogether

Ab 21.00

ESC – Live Übertragung und Voting

23.30 – Bekanntgabe: bpb-ESC Gewinner/in

Die Veranstaltung ist kostenfrei. Eine Anmeldung ist aufgrund begrenzter Platzkapazitäten
erforderlich. Anmeldung unter: anmeldung-berlin@bpb.de
TEILNEHMENDE

Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendörfer, Musikwissenschaftlerin und seit 2005 Professorin für Musik
und Medien an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. In ihrer Lehre und Forschung sind ihre
Schwerpunkte Theorie und Geschichte mediatisierter Musik- bzw. Kulturformen, Musik und
Globalisierung, Transkulturalität, Musik- und Kreativwirtschaft, Jugendkulturen und populäre Musik,
sowie Kultur- und Musikpolitik. Sie ist Mitglied im Kuratorium des Instituts für Kulturpolitik der
Kulturpolitischen Gesellschaft und des Kuratoriums der Kunststiftung Sachsen-Anhalt , sowie
Präsidentin des deutschsprachiges Zweiges der IASPM –International Association for the Study of
Popular Music.
Jan Feddersen, Sozialwirt und Journalist, Publizist in Berlin, u.a. Redakteur bei der TAZ. Er schreibt als
Journalist und Wissenschaftler über den Eurovision Song Contest seit 1991. Seit 2005 kommentiert
und analysiert er dieses Pop-Event schlechthin, meist auf eurovision.de. Er ist Autor mehrerer
Buchpublikationen zum Eurovision Song Contest. Sein neuer Text wird demnächst im aktuellen
"Jahrbuch Sexualitäten" zum ESC unter dem Titel Queeres Weltkulturerbe veröffentlicht.
Prof. Dr. Milija Gluhović ist Theaterwissenschaftler und Assistenzprofessor an der Universität
Warwick in Großbritannien. Er forschte in einem internationalen, interdisziplinären
Forschungsnetzwerk zum Thema „Eurovision Song Contest and the ‘New’ Europe”. In diesem
Rahmen war er 2013 zusammen mit Karen Fricker Herausgeber der Publikation Performing the 'New'
Europe: Identities, Feelings and Politics in the Eurovision Song Contest. Seine Forschungsinteressen
umfassen u.a. auch Gedächtnisforschung, europäische Identität, Migration und Menschenrechte,
Religion, Säkularität und Politik.
Dr. Thorsten Hindrichs, Musikwissenschaftler, lehrt an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
studierte in Köln, Perugia und Mainz. Er ist verantwortlich für das Forschungsprojekt "Musik und
Jugendkulturen" und seit 2015 Mitglied im "Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus" des
Landes Rheinland-Pfalz. Seine Forschungsschwerpunkte sind Musik und Jugendkulturen, RechtsRock,
Musik und Musikleben der Renaissance und Gitarrenmusik.

Katja Lucker, Musikbeauftragte der Hauptstadt Berlin und Leiterin des Musicboards Berlin, begann
ihre Karriere 1990 in Berlin als Schauspielerin, bevor sie sich erfolgreich als Kulturmanagerin
selbständig machte. 2012 wurde sie berufen das Musicboard aufzubauen, um neue Impulse für die
Berliner Popmusikszene zu setzen. Seit 2015 firmiert das Musicboard als landeseigene Musicboard
Berlin GmbH mit Katja Lucker als Geschäftsführerin. Unter Katja Luckers Leitung ist das Musicboard
zudem seit 2015 für die Organisation des Pop-Kultur Festivals verantwortlich und richtete 2018
erstmals die Fête de la Musique in Berlin aus.

Ruslana Lyschytschko, Sängerin und Aktivistin aus der Ukraine. 2004 gewann sie den Eurovision Song
Contest für die Ukraine mit dem Titel Wild Dances. Sie engagiert sich als Umweltaktivistin und setzt
sich außerdem gegen Menschenhandel, für verschiedene Kinderprojekte und die Bewahrung des
kulturellen Erbes in der Ukraine ein. 2018 präsentierte sie ihr neuestes Projekt, mit dem sie sich für
einen Wandel zu erneuerbaren Energien einsetzt. Sowohl für ihre musikalischen Leistungen, als auch
für ihr gesellschaftliches Engagement erhielt Ruslana Lyschytschko zahlreiche Auszeichnungen.

Tobi Müller ist Kulturjournalist und Autor. Nach seinem sprachwissenschaftlichen Studium, arbeitete
er als Redakteur für verschiedene Zeitungen und Fernsehsender in Zürich. Heute schreibt er
freischaffend für Print und Radio zu Pop- und Theaterthemen und moderiert Podien. Daneben
entwickelt er eigene Theater- und Filmprojekte.
Dr. Dean Vuletic, Historiker an der Universität Wien, promovierte an der Columbia University. Er
beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Zeitgeschichte Europas und leitet das Forschungsprojekt
„Intervision: Popular Music and Politics in Eastern Europe”. 2018 erschien sein Werk Postwar Europe
and the Eurovision Song Contest, die erste wissenschaftliche Monografie, die sich mit der Geschichte
des Eurovision Song Contest auseinandersetzt. Regelmäßig kommentiert Vuletic den Eurovision Song
Contest in den internationalen Medien.
Dr. Irving Wolther, studierte angewandte Sprach- und Kulturwissenschaften und Journalistik an den
Universitäten Mainz, Genf und Hannover. Er beschäftigt sich seit über 40 Jahren mit dem Eurovision
Song Contest und gehört international zu den führenden Forschern zu diesem Thema. In seiner
Dissertation analysierte er 2006 erstmals die komplexen Zusammenhänge des Eurovision Song
Contest im Spannungsfeld zwischen Medien, Musikwirtschaft, Politik und Nationalkultur. Wolther ist
Mitgründer und Inhaber des _phonos-Journalistenbüros in Hannover und arbeitet als Journalist u. a
für die offizielle deutsche Webseite eurovision.de. Von 2009 bis 2012 organisierte er in Hannover den
innovativen Kompositionswettbewerb HÖREN!, der als „Ausgewählter Ort im Land der Ideen 2011“
ausgezeichnet wurde.
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