Das Erreichen der Energie- und Klimaziele der Bundesregierung im Gebäudesektor unter den derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen
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Das Erreichen der Energie- und Klimaziele der Bundesregierung im Gebäudesektor unter den derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen Dr. Hans-Joachim Ziesing AG Energiebilanzen „Mit EnEV, EE WärmeG & Co in der Sanierungsfalle? – Kluge Vorgaben für den Gebäudesektor“ NABU – Naturschutzbund Deutschland e. V. Veranstaltung im Rahmen der Berliner Energietage 2012 Berlin, 25. Mai 2012
Die gebäudebezogenen Ziele im Energiekonzept der Bundesregierung Basisziel: Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 % (d.h. 2050 maximal zulässige THG-Emissionen: 250 bis 60 Mio. t CO2äquiv.; 2010: 937 Mio. t CO2äquiv.) Gebäudebezogene Ziele: Reduzierung des Raumwärmebedarfs bis 2050 um 80 % vs. 2008 (d.h. von etwa 2.780 PJ 2008 um 2.250 PJ auf 530 PJ 2050) Verdoppelung der Sanierungsrate im Gebäudebestand auf 2 % pro Jahr Klimaneutralität des Gebäudebestandes im Jahr 2010 Klimaneutralität heisst: 20 % des verbleibenden Raumwärmebedarfs sind mit Hilfe von emissionsfreien erneuerbaren Energien zu decken (direkt oder – via Strom – indirekt) 2
Struktur des Endenergieverbrauchs nach Anwendungen 2010 (I) 100% 1,5 1,6 3,3 4,4 14,8 3,8 BELEUCHTUNG 90% 21,7 5,3 12,0 80% 12,2 IKT 36,4 Struktur der Anwendungen 70% 15,7 MECHANISCHE 29,4 60% 7,7 ENERGIE 4,1 KÄLTE 50% 98,5 21,1 6,1 40% 65,6 SONSTIGE 73,5 30% 4,3 PROZESSWÄRME 49,1 WARMWASSER 20% 42,6 30,7 10% RAUMWÄRME 0,9 7,7 0% Industrie GESAMT Gewerbe, Handel, Verkehr ohne Verkehr Haushalte Dienstleistungen Gesamt Quelle: AG Energiebilanzen 3
Struktur des Endenergieverbrauchs nach Anwendungen 2010 (II) 100% BELEUCHTUNG Anteile am gesamten Endenergieverbrauch 90% 2,3 6,1 1,5 80% 0,8 3,5 IKT 36,4 70% 2,4 MECHANISCHE 60% 1,2 ENERGIE 50% 0,6 27,8 KÄLTE 21,1 40% 18,4 SONSTIGE 20,9 30% 4,3 PROZESSWÄRME 7,5 WARMWASSER 20% 30,7 10% RAUMWÄRME 0% 2,2 Industrie GESAMT Gewerbe, Handel, Verkehr Haushalte Dienstleistungen Quelle: AG Energiebilanzen 4
Spezifischer Endenergieverbrauch im Haushaltsbereich 300 Spezifischer Spezifischer Endenergieverbrauch in kWh je m2 Endenergie- 1990-2010: 250 239 verbrauch gesamt - 14,0 % 205 200 182 Spezifischer 154 150 Endenergie- verbrauch zur Raumheizung 1990-2010: 100 - 15,8 % 50 Quellen: Statistisches Bundesamt; AG Energiebilanzen. 0 1992 1995 1990 1991 1993 1994 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 6
Auswirkungen der Energiewende auf den Gebäudebestand • Die Ziele für den Gebäudebestand sind nur zu erreichen, wenn die energieeffiziente Sanierung des Gebäude-/Wohnungsbestands Sanierungsquote wie die Sanierungsintensität sind deutlich zu erhöhen. • Gebäudebestand (Ende 2010): 18,1 Mio. Wohnungsbestand (Ende 2010): 39,5 Mio. • Errichtung neuer Gebäude 2010: 84,2 103 bzw. 0,46 % Errichtung neuer Wohnungen 2010: 138,4 103 bzw. 0,35 % • Totalabgang an Gebäuden 2010: 6,3 103 bzw. 0,03 % Totalabgang an Wohnungen 2010: 24,4 103 bzw. 0,06 % • Klimaneutralität bedeutet, dass bis 2050 praktisch kein Gebäude energetisch „unangetastet“ bleiben darf. Bei Gleichverteilung und auf 40 Jahre umgerechnet, müssen also rund 1 Mio. Wohnungen pro Jahr auf Klimaneutralität saniert werden. 7
Was wird bisher getan oder noch nicht getan wird Gesetz zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden: momentan noch im Vermittlungsausschuss Energieeinsparverordnung (EnEV) 2012: noch nicht verabschiedet. EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden: noch nicht umgesetzt Entwurf einer europäischen Energieeffizienzrichtlinie: von Deutschland blockiert KfW-Förderprogramme für energieeffizientes Sanieren (zum Energieeffizienzhaus 55, 70, 85, 100 oder 115): läuft KfW-Förderprogramme für energieeffizientes Bauen: läuft 8
Beispiele der Wirkungen der KfW-Gebäudesanierungsprogramme CO2-Gebäudesanierungsprogramm 2008: 36.000 Förderkredite und Zuschüsse mit 2,9Mrd. Euro Endenergieeinsparung: 1.530 GWh/a Halbierung Energieverbrauch Barwert der Heizkosteneinsparung über 30 Jahre: 3,1 Mrd. Euro Reduktion der Treibhausgasemissionen um 546.000 t CO2 -58 % Programm „Energieeffizient Sanieren“ 2010: 108.000 Förderzusagen für Maßnahmen an 340.000 Wohnungen mit Investitionskosten in Höhe von 5,3 Mrd. Euro Endenergieeinsparung: 2.450 GWh/a Minderung um ein Drittel Barwert der Heizkosteneinsparung über 30 Jahre: 5,3 Mrd. Euro Reduktion der Treibhausgasemissionen 2010: 847.000 t CO2äqu. (durch die seit 2005 bis einschl. 2010 geförderten Modernisierungsvorhaben: 3,7 Mio. tCO2äqu.) 9
Energetische Qualität des Gebäudebestandes (Quelle: KfW) • Etwa zwei Drittel aller Wohngebäude und Wohneinheiten wurden vor Inkrafttreten der 1. Wärmeschutzverordnung Ende 1977 errichtet. • Der überwiegende Teil des Wohnungsbestandes hat keine oder nur eine unzureichende Wärmedämmung. Im bis 1978 errichteten Altbaubestand sind nur 27,8 % der Außenwandflächen, 61,9 % der Flächen an Dächern/ obersten Geschossdecken sowie 19,9 % der Flächen an Fußböden unterster Geschosse/Kellerdecken mit einer Wärmedämmung versehen. • Von 2005 bis 2009 wurden im Altbaubestand pro Jahr durchschnittlich 0,58 % an Putz und Fassadenverkleidungen erneuert und 2,06 % der Außenfassaden neu angestrichen, ohne gleichzeitig eine Wärme- dämmung anzubringen. Heute begnügt sich ein großer Teil der Gebäude- eigentümer damit, die Außenfassaden bei Bedarf nur neu zu streichen. Bei diesen „verpassten Chancen“ wird in vielen Fällen über Jahrzehnte hinaus keine nachträgliche Wärmedämmung angebracht werden. 10
Notwendige Erhöhung von Sanierungsrate und Sanierungsintensität • Von 2005 bis 2008 wurde pro Jahr ein Äquivalent von nur 1,1 % des Altbaubestandes vollständig energetisch saniert (ohne Heizung). • Die zur Ausschöpfung der Energieeinspar- und CO2-Minderungs- potentiale notwendige Verdoppelung der energetischen Sanierungs- rate ist nur erreichbar, wenn bei Sanierungen an der Gebäudehülle grundsätzlich auch der Wärmeschutz auf modernste Standards nachgerüstet wird. • Neben der Sanierungsrate muss aber auch die Sanierungsintensität entsprechend dem Ziel der Klimaneutralität des Gebäudebestandes deutlich erhöht werden. • Die angestrebte Verdoppelung der Sanierungsrate wie die höhere Sanierungsintensität sind ohne gesetzliche Regelungen und flankierende finanzielle Anreize nicht erreichbar. Angesichts der langlebigen Investitionen ist unverzügliches Handeln zwingend. 11
Statt einer Schlussfolgerung: Zur „wirtschaftlichen Vertretbarkeit“: • Eckpunktepapier der Bundesregierung vom Juni 2011: Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz haben sich im „Rahmen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit“ zu bewegen, wobei deren Bewertung „insbesondere unter Berücksichtigung von Energiepreis- und Zinserwartungen, von Annahmen zur Baupreisentwicklung sowie der wirtschaftlichen Lebensdauer der Gebäude/Gebäudeteile“ vorzunehmen ist. • So weit so gut – aber: Trägt das so definierte Kriterium der wirtschaftlichen Vertretbarkeit dem Ziel der Energiewende Rechnung? • Kaum: Vielmehr sollte sich die „wirtschaftliche Vertretbarkeit von Maßnahmen“ eher an ihrer Fähigkeit zur Problemlösung und damit zur Zielerfüllung orientieren? Dann müssten andere Kriterien zugrunde gelegt werden (z. B. Schattenpreise für ein um 80–95 % reduziertes Emissionsniveau). • Folge: Solange an den konventionellen Wirtschaftlichkeitskriterien festgehalten wird, dürften es viele der Maßnahmen zur notwendigen Steigerung der Energieeffizienz schwer haben, ihren Zielerfüllungsbeitrag zu leisten. • Unabhängig davon sind Lösungen für die (wahrscheinlichen) Verteilungs- probleme zu finden, die sich aus den Mehrkosten der Maßnahmen für einen klimaneutralen Gebäudebestand ergeben dürften. 12
Eine Schlussbemerkung Die Diskussion über die Energiewende und den Beitrag, den der Gebäudebestand dazu leisten muss, darf sich nicht nur auf die Kosten beschränken, sondern muss sich mit mindestens gleichem Impetus der Nutzenseite widmen. In jedem Fall ist richtig: Für eine erfolgreiche Politik muss die Akzeptanz in Gesellschaft und Wirtschaft und ein gemeinsames Verständnis in Bezug auf die verfolgte Energiewende wie auf die Notwendigkeit der dazu politischen Maßnahmen gefunden werden. D.h.: Der Konsens, der in unserer Gesellschaft im Hinblick auf die Ziele der Energiewende besteht, muss auch zu einem Konsens über die zu ihrer Umsetzung erforderlichen Maßnahmen werden. Dazu brauchen wir alle Beteiligten, und zwar von Anfang an. Das gilt ebenso für Mieter und Vermieter. Frühzeitige und gleichberechtigte gesellschaftliche Beteiligung muss Realität werden. 13
Vielen Dank für Ihr Interesse Dr. Hans-Joachim Ziesing hziesing@t-online.de http://www.ag-energiebilanzen.de 14
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