DAS LIEBHABERORCHESTER - 2| 2012 - AGAINST IMPROVISATION SCHWERPUNKTTHEMA: DER KONTRABASS - BDLO

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DAS LIEBHABERORCHESTER - 2| 2012 - AGAINST IMPROVISATION SCHWERPUNKTTHEMA: DER KONTRABASS - BDLO
Herausgeber: Bundesverband Deutscher Liebhaberorchester | 56. Jahrgang       ISSN 0460-0932

            2 2012                                 |

DAS LIEBHABERORCHESTER
   Zeitschrift für das Liebhabermusizieren

                                                                  AGAINST IMPROVISATION

                                                                   SCHWERPUNKTTHEMA:

                                                                   DER KONTRABASS

                                                                  TYPOLOGIE: DER VERSAGER
DAS LIEBHABERORCHESTER - 2| 2012 - AGAINST IMPROVISATION SCHWERPUNKTTHEMA: DER KONTRABASS - BDLO
Weltklassik:
                                                                                                                          EDITORIAL                                                                                             INHALT

                            Die Edition Eulenburg,
                                                                                                                                                                                                                                Christoph Bruckmann
                                                                                                                                                                                                                                Kontabassist/in müsste man sein… .  .  .  .  . 4

                      seit 1874                                                                                           Liebe Leserin, lieber Leser,                                                                          Interview mit Gottfried Engels
                                                                                                                                                                                                                                Wir Kontrabassisten sind das Fundament
                                                                                                                          haben Sie schon den Namen Christoph Bruck-        dann können Sie loslegen. Nächster Redakti-         jedes Orchesters .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 6
                                                                                                                          mann in den letzten LIEBHABERORCHE-               onsschluss: 20. April 2013.
                                                                                                                          STER-Heften wahrgenommen? Als Autor des                                                               Bassgeigengala & Bassgeigenweihnacht.  .  . 7
                                                                                                                          Marketing-Artikels (die Folge 2 finden Sie hier   Und noch ein wichtiger Hinweis an alle Nut-
                                                                                                                          auf S. 19–22), oder auch unter der einen oder     zer/innen der BDLO-Notenbibliotheken: Im            Joachim Landkammer
                                                                                                                          anderen Rezension? In diesem Heft ist er ei-      Juni werden beide Notenbibliotheken nach            Standing foundations – oder: Noch zwei
                                                                                                                          gentlich nicht mehr zu übersehen. Ich freue       Dresden umziehen. Sorgen Sie bitte dafür, dass      Bemerkungen zum Kontrabass. .  .  .  .  .  .  .  .  . 8
                                                                                                                          mich sehr, dass wir Christoph Bruckmann als       Sie die Bestellungen für alle Noten, die Sie in
                                                                                                                          neuen festen LIEBHABERORCHESTER-Redak-            Ihrem Orchester für die zweite Jahreshälfte be-     Der Contrabassist als Arbeiter.  .  .  .  .  .  .  .  . 10
                                                                                                               ts
                                                                                                          Berei idierte   teur gewinnen konnten. Als Flötist und Vor-       nötigen werden, rechtzeitig auf den Weg brin-
                                                                                                               v
                                                                                                          80 re ben
                                                                                                                          stand im „studio-orchester duisburg“ dürfte er    gen, denn vom 1.6. bis 15.7. wird es keine No-      Der Alte Text.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 12
                                                                                                  ü b e r
                                                                                                             usga
                                                                                                      Neua euen
                                                                                                                          vermutlich schon genug zu tun haben, ganz         ten-Ausleihen geben! Den aktuellen Stand des

                                                                                                           im n ormat!
                                                                                                                          abgesehen davon, dass er (von Hause aus Ger-      Umzugs können Sie dann auf der Internetseite        Joachim Landkammer

                                                                                                              ortf
                                                                                                                          manist) als Manager in der IT-Branche arbeitet    des BDLO (www.bdlo.de) – die demnächst üb-          Kleine Typologie der Laienmusiker (XXIX):
                                                                                                      Komf                und ehrenamtlich Mitglied des Stiftungsrats       rigens auch einer Rundumrenovierung unter-          Der Versager .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 13
                                                                                                                          der Diakonie-Stiftung Melanchthon ist. Trotz-     zogen wird – in Erfahrung bringen.

Die beliebtesten Standardwerke der
                                                                                                                          dem hat er – nachdem er den „Kontrabass“ als                                                          Joachim Landkammer
                                                                                                                          Schwerpunktthema für dieses Heft vorgeschla-      Last not least: Wir danken Hagen-Hubert Mö-         Against Improvisation. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 16
                                                                                                                          gen hatte – es sich nicht nehmen lassen, einen    ckel, dass wir sein gelungenes Werbefoto (Fo-

Musikliteratur jetzt im Komfortformat!
                                                                                                                          Großteil der Kontrabass-Artikel gleich selbst     tografin: Karin Böhme, freistil Fotostudio Halle)   Michael Knoch
                                                                                                                          zu verfassen! Er bekennt: „Obwohl (oder weil?)    für unsere Titelgestaltung benutzen durften.        Freikarten zu vergeben.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 18
                                                                                                                          ich beruflich etwas Anderes mache, bin ich        Wie unschwer zu erkennen ist, wirbt es für
                                                                                                                          begeisterter Musiker, mache Kammermusik,          Patrick Süskinds „Der Kontrabass“ – Ankündi-        Christoph Bruckmann
• Optimiertes Stichbild für eine bessere Lesbarkeit                                                                       spiele häufig in Projektorchestern mit und fie-   gungen für Aufführungen 2013 in Halle werden        Marketing für Liebhaberorchester (II) . .  .  . 19
• Größeres Format (15,5 x 22,5 cm) für mehr Lesekomfort                                                                   bere jedem neuen Projekt entgegen.“ Da bleibt     auf www.rezitation.com zu finden sein.
• Wissenschaftlich überarbeitetes Vorwort                                                                                 mir nur, mich im Namen aller herzlich bei ihm                                                         Malcom Arnold – Sinfonien-Zyklus. .  .  .  .  . 22
                                                                                                                          zu bedanken und Ihnen eine ersprießliche Lek-     Jetzt erst einmal aber: Gute Lektüre des neu-
                                                                                                                          türe zu wünschen mit der Thematik rund um         esten LIEBHABERORCHESTERs                           Mitteilungen des BDLO .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 24
                                     Kürzlich im neuen Format erschienen:                                                 den Kontrabass. Wie gefällt Ihnen solch ein       Ihr / euer Michael Knoch
                                     Peter Iljitsch Tschaikowsky   Wolfgang Amadeus Mozart    Edvard Grieg                Themenschwerpunktheft? Welche weiteren                                                                Service
                                     Symphonie Nr. 6               Konzert für Klarinette     Peer Gynt Suiten            Schwerpunktthemen fänden Sie interessant                                                                 Adressen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 28
                                     (Pathétique)                  und Orchester              Nr. 1 und 2                 oder wünschen Sie sich?                                                                                  Veranstaltungskalender .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 29
                                     op. 74, CW 27                 KV 622                     op. 46 und 55
                                     ISBN 978-3-7957-6683-2        ISBN 978-3-7957-6667-2     ISBN 978-3-7957-6109-7      Wir jedenfalls wünschen uns weitere Rezen-                                                            Neue Mitgliedsorchester .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 30
                                     ETP 479 · € 14,99             ETP 778 · € 10,99          ETP 1318 · € 10,99          sent/inn/en. In diesem Heft gibt’s nur einige
                                                                                                                          wenige Rezensionen. Haben Sie schon die                                                               Konzertdokumentation .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 32
                                     Felix Mendelssohn             Ludwig van Beethoven
                                                                                                                          Seite „Prima vista – prima Stücke?“ wahrge-
                                     Bartholdy                     Symphonie Nr. 9
                                                                                                                          nommen? Könnte es Sie reizen, sich einmal                                                             Prima vista – Prima Stücke? .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 40
                                     Konzert für Violine           op. 125
                                     und Orchester                 ISBN 978-3-7957-6779-2                                 als Noten- oder Buchrezensent/in zu ver-
                                     op. 64                        ETP 411 · € 15,99                                      suchen? Nur zu, wählen Sie sich jene Titel                                                            Besprechungen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 41
                                     ISBN 978-3-7957-6630-6                                                               aus, die Ihnen interessant erscheinen, die Sie
                                     ETP 702 · € 10,99                                                                    reizen – auf S. 40, aber durchaus auch aus                                                            Orchesterjubiläen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 45
                                                                                                                          anderen Prima-vista-Seiten älterer LIEBHA-
                                                                                                                          BERORCHESTER-Hefte, denn längst nicht alle                                                            Aus den Landesverbänden.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 48
Alle Eulenburg Ausgaben im neuen Komfortformat finden Sie unter: www.eulenburg.de/Komfortformat                           Rezensionsexemplare sind bereits vergeben.
                                                                                                                          Wir senden Ihnen die Noten / Bücher zu, und       Neu im Redaktionsteam: Christoph Bruckmann          Das Rätsel (Folge XXII) .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 55

Mit über 1.200 Titeln die weltweit umfassendste Partiturreihe
Opern · Orchesterwerke · Konzerte · Chor- und Vokalwerke · Kammermusikstücke                       Eulenburg                                                                                                             3
KONTABASSIST/IN MÜSSTE MAN SEIN…
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Vorgestellt: „Bassini“ –
                                                                                                                                                                                                                                                                                               ein Kontrabass-Seminar für Schüler und
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Laien aller Leistungsstufen

                                                                                                                                                                                                                                                                                               Das Kontrabass-Seminar „Bassini“ richtet
                                                                 von Christoph Bruckmann                                                                                                                                                                                                       sich an Schüler und Laien aller Leistungs-
                                                                                                                                                                                                                                                                                               stufen. Im Vordergrund steht das Vermit-
Der Kontrabass ist ein sehr attraktives In-                      am Anfang steht. Entscheidend ist die Freu-         Abschlusskonzerts verzeichneten die Mess-                                                                                                                                 teln von Sachkenntnis, um mit gut entwi-
strument – nur wissen dies noch zu wenige                        de am Kontrabassspiel. Die gilt es zu fördern       stationen ein kleines Erdbeben“, schmunzelt                                                                                                                               ckelter Kontrabass-Technik weiter voran zu
                                                                 und zu stärken. Jeder, der hier ist, soll sich in   Jürgen Michel, „wer weiß, ob dies nicht durch                                                                                                                             kommen. Die Freude an der Musik und am
Wäre der Kontrabassist ein Tier oder eine                        sein Instrument neu verlieben und mit vielen        unsere geballte Basspower ausgelöst wurde“.                                                                                                                               gemeinsamen Spiel, sowie das Kennenler-
Pflanze, so stünde er vermutlich längst auf                      frischen Impulsen nach Hause zurückkehren.“                                                                                                                                                                                   nen Gleichgesinnter schafft Motivation und
der Liste schützenswerter und vom Ausster-                       Wer dem fröhlichen Treiben zuschaut, ge-            Dabei ist Power-Play beileibe nicht die einzige                                                                                                                           fördert die Begeisterungsfähigkeit. Der Un-
ben bedrohter Arten. Kaum ein Liebhaberor-                       winnt den Eindruck, dass dieses Konzept bei         Spielart, die der Kontrabass beherrscht, ganz                                                                                                                             terricht bei verschiedenen Lehrern und das
chester, das nicht händeringend nach guten                       den Teilnehmern gut ankommt. „Man fühlt             im Gegenteil. Das Klang- und Dynamikspek-                                                                                                                                 Zuhören beim Unterricht anderer Schüler
Bassist/inn/en Ausschau hielte. Und oft ge-                      sich hier wie das Mitglied einer großen Familie,    trum ist außerordentlich facettenreich. Und                                                                                                                               unterstützt die kritische Auseinanderset-
nug bleibt letzten Endes nichts anderes übrig,                   und es macht einfach riesig viel Spaß, mit so       vielfältig sind auch die musikalischen Betäti-                                                                                                                            zung mit dem eigenen Spiel.
als kurz vor dem Konzert noch ein paar Profis                    vielen Gleichgesinnten beisammen zu sein“,          gungsfelder. Wer dachte, dass der Kontrabass                                                                                                                                  Alle Teilnehmer erhalten mit einem vor-
einzukaufen. Düstere Aussichten also, und                        schwärmt Eva, eine der Teilnehmerinnen.             „nur“ im Orchester zu Geltung kommt, wird                                                                                                                                 bereiteten Stück ihrer Wahl Einzelunterricht
keine Besserung in Sicht. Oder etwa doch?                        Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl ist bei al-       hier in Heek schnell eines Besseren belehrt.                                                                                                                              bei verschiedenen Pädagogen. Auf diese
Ortstermin in Heek, einem kleinen Städtchen                      len Veranstaltungen zu spüren, doch nirgends        So gibt es beispielsweise reizvolle kammer-                                                                                                                               Weise kann sich jeder komprimiert fach-
im Westlichen Münsterland und Sitz der Lan-                      ist es gegenwärtiger als beim Bassorchester.        musikalische Aufgaben in Hülle und Fülle.                                                                                                                                 lichen Rat aus unterschiedlichsten Sichtwei-
desmusikakademie Nordrhein-Westfalen. An                         Hier musizieren wirklich alle 50 Teilnehmerin-      Und wem das noch nicht Herausforderung                                                                                                                                    sen einholen. Der Unterricht ist „öffentlich“.
                                                                                                                                                                       Bühne frei für den Kontrabass. Das gemeinsame Musizieren in kleinen und größeren Gruppen macht allen eine Menge Spaß.
drei Tagen im Mai findet hier das sogenannte                     nen und Teilnehmer einträchtig miteinander,         genug ist, versucht sich an einem der teil-                                                                                                                               Das bedeutet, dass für alle Teilnehmer die
Bass-Camp statt, veranstaltet von der Päda-                      jede/r auf ihrem bzw. seinem jeweiligen Lei-        weise hochvirtuosen Solowerke. Nicht zu           führen könne. Doch in letzter Zeit sei etwas                 stellen. „Schimpfen die sehr, wenn man falsch              Möglichkeit besteht, dem Unterricht der
gogischen Arbeitsgemeinschaft Kontrabass,                        stungsniveau. Möglich wird dies durch spe-          vergessen die faszinierende Welt des Jazz,        in Bewegung geraten. Von Veranstaltungen                     spielt?“, fragte eine Teilnehmerin. Doch sämt-             anderen beizuwohnen. Dies ist nicht nur
NRW, kurz PAK NRW genannt. 50 Bassi-                             zielle Kompositionen, die der Hamburger             aus der Bässe nicht wegzudenken sind.             wie zum Beispiel dem Bass-Camp profitierten                  liche Ängste erweisen sich als völlig unbe-                spannend, sondern fördert gleichzeitig den
stinnen und Bassisten sind dem Ruf der PAK                       Bassist und Komponist Stefan Schäfer sowie          Eigentlich unverständlich, warum nicht viel       Lehrende und Lernende gleichermaßen. Denn                    gründet, denn die Herren und Damen Profes-                 kritischen Blick auf sich selbst.
gefolgt, der jüngste sieben Jahre, der älteste                   Jürgen Michel geschrieben haben. Sogar Spie-        mehr Musiker Kontrabass spielen. Dies sei         sie böten die Gelegenheit, neue Unterrichts-                 soren sind nett und richtig locker drauf, wie                  Während des gesamten Seminars steht
75 Jahre alt. „Genau dies ist die Grundidee                      ler, die bislang nur leere Saiten streichen kön-    in der Tat kaum nachvollziehbar, meint auch       konzepte und Ensemblestücke direkt auszu-                    man überhaupt den Bassisten nachsagt, dass                 den Teilnehmern neben Übungsräumen zur
des Bass-Camps“, erläutert Jürgen Michel,                        nen, sind in diesen Stücken bereits bereits voll    Jürgen Michel, doch über viele Jahre und Jahr-    probieren. Auf diese Weise zeige sich sehr                   sie sehr verträgliche Musiker sind.                        individuellen Vorbereitung auch ein Pianist
Kontrabasslehrer an der Clara-Schumann-                          integriert. Und wer sich schon mehr zutraut,        zehnte hinweg habe bei der Kontrabassaus-         schnell, was auf Anhieb gut funktioniert und                                                                            zur Verfügung, mit dem jederzeit gemein-
Musikschule Düsseldorf und Vorsitzender der                      greift eben zu einer Stimme höheren Schwie-         bildung vieles im Argen gelegen und es habe       was vielleicht noch nicht so ganz ausgereift ist.            Wer noch auf der Suche nach einem geeig-                   sam geprobt werden kann. Ergänzt wird das
PAK NRW. „Hier spielt es keine Rolle, wie alt                    rigkeitsgrads. Ergebnis ist ein Sound, der die      einfach an guten Konzepten gefehlt, wie man       Ausprobieren kann man hier in Heek Vieles.                   neten Instrument für die Kinder oder die Enkel             Seminar durch das gemeinsamen Musizieren
jemand ist und ob man bereits ein Könner                         Wände vibrieren lässt. Oder sogar die Natur-        Jugendliche für das Instrument begeistern und     Neue Werke für Kontrabässe zum Beispiel.                     ist oder im Erwachsenenalter selbst noch ein               der Teilnehmer in einem Bass-Orchester,
auf seinem Instrument ist oder noch ziemlich                     gewalten herausfordert? „Während unseres            auch schon Kinder an den Kontrabass heran-        Oder auch, wie es sich anfühlt, Einzelunter-                 Instrument lernen möchte, sollte am Kontra-                das ein bis zwei Stücke für das Abschluss-
                                                                                                                                                                       richt bei einem echten Kontrabass-Professor                  bass nicht achtlos vorbeigehen. Bassist/inn/               konzert einstudiert. Selbstverständlich sind
                                                                                                                                                                       zu haben. Mit Gottfried Engels (Köln), Caro-                 en werden gesucht, soviel steht fest, und                  auch hier die einzelnen Schwierigkeitsgrade
                                                                                                                                                                       line Emery (London), Song Choi (Stuttgart)                   das Kontrabassspielen macht Spaß. Was also                 an jede Leistungsstufe angepasst.
                                                                                                                                                                       und Joachim Tirler (Düsseldorf) sind vier aus-               spricht dagegen, dieses Instrument einfach                     Das Abschlusskonzert ist öffentlich und
                                                                                                                                                                       gewiesene Bass-Promis vor Ort. So mancher                    mal auszuprobieren? Und wer weiß: Vielleicht               wird von allen Teilnehmern gleichermaßen
                                                                                                                                                                       Teilnehmer hatte dann kurzzeitig doch Hem-                   markiert schon die erste Begegnung den Be-                 gestaltet. Hierbei erhält jeder Teilnehmer
                                                                                                                                                                       mungen, sich der Kritik solcher Koryphäen zu                 ginn einer lebenslangen Freundschaft.                      die Gelegenheit, Neugelerntes anzuwenden
                                                                                                                                                                                                                                                                                               und mit dem Pianisten gemeinsam aufzutre-
                                                                                                                                                                       Der Kontrabass: Ausgewählte Internet-Links                                                                              ten.
                                                                                                                                                                       • Pädagogische Arbeitsgemeinschaft Kontrabass (PAK) im Verband Bayerischer Sing und                                         Im Rahmen der „Bassini“-Kurse finden
                                                                                                                                                                         Musikschulen: www.musikschulen-bayern.de/zz_ fachbereiche_ kontrabass.html                                            Vorträge zu unterschiedlichen Themen
                                                                                                                                                                       • Pädagogische Arbeitsgemeinschaft Kontrabass Baden-Württemberg (PAK-BW)                                                statt. Die geschichtliche Entwicklung des
                                                                                                                                                                         www.musikschulen-bw.de/landesverband-fach-ag-kontrabass.html                                                          Kontrabasses, seine Bauweise, Pflege und
                                                                                                                                                                       • Pädagogische Arbeitsgemeinschaft Kontrabass NRW (PAK)                                                                 Reparatur sowie Wissenswertes und Inte-
                                                                                                                                                                         www.lvdm-nrw.de/initiative/arbeitsgemeinschaft-kontrabass-pak                                                         ressantes zu seiner musikhistorischen Be-
                                                                                                                                                                       • Gesellschaft der Bassisten in Deutschland: www.geba-online.de                                                         deutung in vergangener und heutiger Zeit
                                                                                                                                                                       • Jonas´ Kontrabass-Blog: www.kontrabassblog.de                                                                         stehen dabei im Mittelpunkt.
                                                                                                                                                                       • Instrumente & Zubehör: www.bassico.de                                                                                 www.bassini.de
Bässe, soweit das Auge reicht. Im Kontrabass-Orchester kann jede/r mitspielen. Fotos: privat

Titelthema: Der Kontrabass
                                                                 4                                                                                                                                                                                                                       5     Titelthema: Der Kontrabass
WIR KONTRABASSISTEN SIND DAS FUNDAMENT                                                                                                                                                             BASSGEIGENGALA &
JEDES ORCHESTERS                                                                                                                                                                                   BASSGEIGENWEIHNACHT
                                                                                                                                                Jahr einen Kurs mit dem Titel „Kontrabass
                                               Christoph Bruckmann im Gespräch mit Gottfried Engels                                             intensiv“ an, wobei „intensiv“ keineswegs
                                                                                                                                                heißt, dass dies eine geschlossene Veranstal-
                                               Und vorher hatten Sie keinen Kontakt zur        lässt sich das Instrument transportieren, und    tung ausschließlich für Profis wäre. Ganz im
                                               Musik?                                          auch mit der Deutschen Bundesbahn sind           Gegenteil: Jede/r wird dort abgeholt, wo sie
                                               Doch, das schon. Ich lernte Klavier und war     wir Bassisten problemlos unterwegs. Entge-       oder er steht, und nach den individuellen Be-
                                               auf diesem Gebiet auch schon recht weit         gen landläufiger Vorurteile passt ein Kontra-    dürfnissen und Wünschen gefördert.
                                               gekommen, spielte Beethoven-Sonaten und         bass übrigens auch in fast jedes Auto rein.
                                               dergleichen. Aber der Kontrabass eröffnete      Doch sollte es wirklich mal ein Transportpro-    Und wie finden Liebhaberorchester geeig-
                                               mir noch mal eine ganz neue Dimension des       blem geben, so muss man wissen, dass wir         nete Bassisten?
                                               Musizierens. In einem großen Sinfonieorches-    Kontrabässe bei Dirigenten und Orchester-        (lacht) Die wirklich schwierigen Fragen haben
                                               ter spielen zu können, ist einfach ein unver-   kollegen fast die gleiche Wertschätzung er-      Sie sich für den Schluss aufbewahrt, nicht wahr?
                                               gleichliches Erlebnis. Der Kontrabass wurde     fahren wie Tenöre: falls nötig, holt man uns     Es bleibt nichts anderes übrig, als die Augen
                                               „mein“ Instrument, und das ist bis auf den      persönlich ab und rollt einen roten Teppich      offen zu halten und mögliche Kandidaten
                                               heutigen Tag so geblieben.                      aus.                                             ganz gezielt zu umwerben. Eine andere Mög-
                                                                                                                                                lichkeit ist es, Musikschullehrer anzusprechen
                                               Was macht denn die Faszination des Kon-         Kann man auch als Erwachsener noch Kon-          und zu fragen, ob einer ihrer fortgeschrittenen
                                               trabass-Spiels aus?                             trabass lernen?                                  Schüler vielleicht Interesse hat mitzuspielen.     Unter dem Motto „Die zauberhafte Welt der         Leistungsvermögen der einzelnen Teilnehmer
                                               Wir Kontrabassisten sind das Fundament          Ja, das geht sogar sehr gut. Ein wenig Ta-       Hochschul-Studenten werden sich in den mei-        Bassgeigen“ fand im Juni dieses Jahres bereits    angepasst. So besteht auch für Anfänger die
                                               des Orchesters. Unsere Klänge bilden den        lent kann natürlich nicht schaden. Aber es       sten Fällen nur als bezahlte Aushilfen gewin-      zum 20. Mal die bereits ledendäre Bassgeigen-     Möglichkeit, das gemeinsame Erlebnis „Bass-
                                               Beginn der Oberton-Reihe, und das eröff-        ist durchaus realistisch, dass man es auch       nen lassen, was natürlich für den Probenalltag     gala mit einem Workshop in der Bernburger         orchester“ zu erfahren.
                                               net uns ein völlig anderes, umfassenderes       als Spätberufener noch schafft, in einem ni-     keine befriedigende Lösung ist. Patentrezepte      Jugendherberge und zwei Konzerten in der
                                               und intensiveres Erlebnis von Harmonie als      veauvollen Liebhaberorchester mitmischen zu      kenne ich leider auch nicht. Mag sein, dass        Schoßkirche St. Aegidien (Bernburg) und im        Das Pendent zur Bassgeigengala ist alljähr-
                                               dies anderen Instrumentalisten vergönnt ist.    können. Wenn´s gut läuft, ist dieses Ziel so-    sich die Situation in einigen Jahren entspannt.    Schloss Mosigkau statt. Initiator und künst-      lich das wohl ungewöhnlichste Weihnachts-
Gottfried Engels, Kontrabassist
                                               Hinzu kommt, dass der Kontrabass erstaun-       gar in vergleichsweise kurzer Zeit erreichbar.   Denn die Anstrengungen zur Ausbildung des          lerischer Leiter dieses Kontrabassistentreffens   konzert: die Bassgeigenweihnacht, die im
                                               lich wandlungsfähig ist. Aus dem Jazz ist er                                                     Nachwuchses wurden deutlich verstärkt, und         ist Ingo Burghausen, Solokontrabassist der        vergangenen Jahr mehr als 300 Zuhörer
Gottfried Engels zeichnet sich durch große
                                               nicht wegzudenken. Es gibt eine Fülle reiz-     Und wenn man von einem anderen Streich-          erste Erfolge werden bereits sichtbar: der-        Anhaltischen Philharmonie Dessau. Die Bass-       anlockte – mehr als beachtlich für ein Kon-
Vielseitigkeit aus. Als Kontrabassist ist er
                                               voller Kammermusik, u.a. auch für reine Kon-    instrument umsteigen möchte?                     zeit entscheiden sich wieder deutlich mehr         geigengala, die immer im Juni (Termin 2013        zert, in dem „nur“ auf Kontrabässen musi-
seit 1980 Mitglied der Düsseldorfer Sym-
                                               trabass-Ensembles. Und nicht zuletzt macht      Das macht die Sache natürlich noch leichter,     Kinder und Jugendliche für den Kontrabass.         siehe Kasten) eines jedem Jahres stattfindet,     ziert wird. Neben etlichen solistischen und
phoniker, ist aber darüber hinaus im In-
                                               der Kontrabass allen Vorurteilen zum Trotz      denn es gibt Grundlagen, die für alle Streich-                                                      bietet einen Workshop mit Schwerpunkt auf         kammermusikalischen Beiträgen sowie einer
und Ausland immer wieder als Solist zu
                                               auch als Soloinstrument eine gute Figur.        instrumente erst mal gleich sind. Und es gibt                                                       gemeinsamem Musizieren im Bassorchester.          selbstgestalteten musikalischen Geschichte
hören und als Mitglied diverser Kammer-                                                                                                         Termine für Kontrabassist/inn/en
                                                                                               Möglichkeiten, wie man sich das Leben bei                                                           Zusammen mit internationalen Dozenten             steht das gemeinsame Spielen und Singen
musikformationen und Kammerorchester.
                                               Warum entscheiden sich so vergleichswei-        einem Wechsel besonders einfach macht. Ein       21. Bassgeigenweihnacht                            – in diesem Jahr waren dies Mette Hanskov         der Weihnachtslieder am Ende des Kon-
Eine Herzensangelegenheit ist ihm die pä-
                                               se wenig Spieler für den Kontrabass?            wechselwilliger Cellist z.B. kann sich für die   18.12.2012 | Marienkirche Dessau                   (Kopenhagen), Miloslav Gajdos (Kromeriz)          zertes.
dagogische Arbeit. Gottfried Engels un-
                                               Offen gesagt ist mir das ein Rätsel. Denn wer   französische Bogenhaltung entscheiden und        www.bassgeigengala.de                              und Song Choi (Leutkirch im Allgäu) werden
terrichtet als Honorarprofessor an der
                                               Kontrabass spielt, wird gesucht, ja geradezu    braucht dann nur sehr wenig umzustellen.                                                            mit den zahlreichen Teilnehmern zwei Kon-         Übrigens wird zur Bassgeigengala auch immer
Musikhochschule Köln, gibt immer wieder                                                                                                         Workshop: Kontrabass intensiv
                                               hofiert. Ganz besonders die Liebhaberorches-    Ich halte das zwar nicht für optimal, aber                                                          zertprogramme erarbeitet. Die unterschied-        ein passender Wein, die „Oberbergener Bass-
Meisterkurse im In- und Ausland, fördert                                                                                                        Dozent: Prof. Gottfried Engels
                                               ter haben oft riesige Probleme, geeignete       machbar ist das.                                                                                    lichen Stimmen im Bassorchester sind dem          geige“ ausgeschenkt...
aber ganz bewusst auch Kinder und Ju-                                                                                                           19.–24.2.2013 | Landesmusikakademie Heek
                                               Kontrabassisten zu finden. Wenn Sie als
gendliche, die noch Kontrabassanfänger                                                                                                          www.landesmusikakademie-nrw.de
                                               Bassist halbwegs passabel spielen, können       Wie findet man als Kontrabass-Anfänger
sind oder ggf. sogar zum ersten Mal mit
                                               Sie sich Ihr Orchester quasi frei auswählen.    einen geeigneten Lehrer?                         Kontrabass-Seminar „Bassini“
klassischer Musik in Berührung kommen.
                                               Da können andere Instrumentalisten nur von      Keine leichte Frage. Zunächst sollte man sich    4.–7.4.2013 | Schloss Trebnitz
                                               träumen. Als Flötist z.B. müssen Sie schon      umhören, wer als Lehrer ggf. infrage kommt.      www.bassini.de
Wie sind eigentlich Sie zum Kontrabass ge-     riesiges Glück haben, einen Platz zu ergat-     Im Idealfall hat man dann mehrere Alterna-
kommen, Herr Engels?                           tern.                                           tiven und vereinbart jeweils eine Probestun-     Bass-Camp 2013
Das verdanke ich meinem Musiklehrer. Der                                                       de. So findet man am sichersten heraus, wel-     9.–12.5.2013 | Landesmusikakademie Heek
brauchte dringend einen Kontrabass für sein    Ist vielleicht der Transport ein Hinderungs-    cher Lehrer geeignet ist und zu einem passt.     www.landesmusikakademie-nrw.de
Schulorchester. Und deshalb stiftete er mich   grund?                                          Wer bereits Kontrabass spielt, kann sein
                                                                                                                                                21. Bassgeigengala
– nicht ganz uneigennützig – dazu an, dieses   Psychologisch vielleicht ja, faktisch nein.     Spektrum jederzeit erweitern, indem er spe-
                                                                                                                                                28.–30.6.2013| Bernburg
Instrument zu lernen. Ich habe das nie be-     Meine Schüler beispielsweise wissen sich        zielle Workshops für Bassisten besucht. Z.B.
                                                                                                                                                www.bassgeigengala.de
reut, ganz im Gegenteil.                       da gut zu helfen. In Bus und Straßenbahn        biete ich in der Landesakademie in Heek jedes                                                       Fotos: Sebastian Frank

Titelthema: Der Kontrabass
                                               6                                                                                                                                                                                              7      Titelthema: Der Kontrabass
STANDING FOUNDATIONS – ODER:
NOCH ZWEI BEMERKUNGEN ZUM KONTRABASS
                                                                                                                                                                              Aufmerksamkeit. Nicht so der Kontrabas-                        Für diese stehende Präsenz bedankt man sich                      dament gelegt für alles andere. Wenn beim
                                                             von Joachim Landkammer                                                                                           sist: er steht zu seiner scheinbar unschein-                   im Orchester mit langen Pausen, in denen er                      Schlußapplaus des Konzerts, auf Kommando
                                                                                                                                                                              baren Arbeit, ganz wörtlich, er kennt noch                     ausruhen darf (natürlich strammstehend, wie                      des Dirigenten, alle Orchestermusiker aufste-
Was ist denn bitteschön zu diesem Instru-                    trägt – weil praktisch nicht hörbar – nichts     die optimale positive Korrelation zwischen                      den guten alten Anstand einer mit ehrlicher                    es sich für einen Mann „im Einsatz“ gehört;                      hen, können die Kontrabassisten nur müde
ment noch nicht gesagt worden? Und vor                       Entscheidendes zum Gesamtklang bei, steht        Volumen und „meins“, denn nur was ich                           Hingabe und beherrschter Konzentration                         in den Pausen, wie etwa die Blechbläser, die                     lächeln über so viel kurz noch hingeheu-
allem: welche Bosheiten sind über dieses In-                 dauernd nur unnütz im Wege herum und ist         selber tragen kann (omnia mea mecum por-                        vollführten Darbietung, er vollbringt eine                     „AutoBild“ zu lesen, würde ihm nie einfallen)                    chelte Ehrenbezeigung. Und hat man schon
strument noch nicht geäußert worden? Sehr                    zwar – als Baßgeige – weiblich, aber sexuell     to), gehört wirklich mir – wie der Schnecke                     elementare Bas(s)is-Arbeit im Rahmen kol-                      und mit dem wichtigen Privileg, als einzige                      mal einen Dirigenten, bei der Einzel-Revue
wenige offenbar. Neben den in diesem Heft                    auf hochfragwürdige Weise ödipal konno-          ihr Haus. Wenn man nun darauf reflektiert,                      lektiver Musikerzeugung, er steht auf sei-                     Instrumentengruppe ganz alleine und separat                      der Sonderapplaus-Forderung für „beson-
(wieder) abgedruckten Einsichten wird man ja                 tiert: „als Kontrabassist [...] vergewaltige     daß – gerade im Laienmusikerbereich – die                       nem Posten, er ist „im Dienst“, und da rä-                     einstimmen zu dürfen: man weiß ja auch, wie                      ders herauszuhebende“ Instrumentalisten
vor allem auf Patrick Süskinds gleichnamigen                 ich täglich in der Gestalt des Kontrabasses,     Größe des Instruments auch ein Maß der                          kelt man sich eben nicht bequem auf dem                        wichtig es bei den heiklen Intonationsproble-                    auch die Kontrabässe auffordern sehen, da-
Ein-Akt-Ein-Mann-Theater-Dauerbrenner                        des größten der weiblichen Instrumente –         Sicherheitsmauer, der Verteidigungswaffen-                      Stuhl und lehnt sich nicht gemütlich zurück                    men im Sub-Oktav-Bereich ist3, daß (wenig-                       für jetzt kurz bitte doch einmal „aufzuste-
von 1981 zu verweisen haben; sein sensa-                     formmäßig jetzt –, meine eigene Mutter“…         Gewalt, des materiellen Schutzwalls ist,                        – wie etwa die notorisch faulen Bratschen2.                    stens) die leeren Saiten stimmen…                                hen“? Lächerlich. „Wer spricht vom Siegen?
tioneller Erfolg (in der Spielsaison 1984/85                                                                  den man zwischen sich und der Musik, bzw.                                                                                                                                                       – überstehn ist alles“, sagte schon Rilke. Der
war es das meistgespielte Stück an deutsch-                  Vor allem dies Letzere wird jeder einzelne       zwischen sich und dem Dirigenten oder                                                                                          Gute Dirigenten wissen es noch: Hauptsa-                         Kontrabassist ist der postheroische Held des
                                                                                                                                                                              2    Das erklärt auch, warum der Kontrabaß als fast einziges
sprachigen Bühnen – mit mehr als fünfhun-                    Kontrabassist mit sich selbst (und seiner        dem Publikum aufbaut, dann überblickt man                                                                                      che, der Bass „steht“(!), dann ist das Fun-                      Orchesters. Seine Mutter darf – trotz allem –
                                                                                                                                                                              Instrument des klassischen Bereichs ab und zu eine Pause
dert Aufführungen!) dauert immer noch an:                    Mutter) ausmachen müssen; und auch alles         das defensiv hocheffiziente psychomusika-                                                                                                                                                       stolz auf ihn sein.
                                                                                                                                                                              von diesem rigiden quasi-soldatischen Drill des Klassikbe-
derzeit ist das Stück etwa in Hamburg, Kiel,                 andere mag man vorerst mal so stehen las-        lische Potential, das in dieser Dicken Berta
                                                                                                                                                                              triebs braucht und gern zwischendurch seine Stellung ver-      3    An dieser Stelle darf vielleicht auch ein letztes Mal die
Augsburg, Frankfurt, Leipzig, Bern und an-                   sen und sich immer wieder gern im Theater        der Streicherbatterie steckt. Kann man sich
                                                                                                                                                                              läßt, um zum Jazz hinüberzuwechseln; freilich wird er auch     vom Vater von Johannes Brahms überlieferte bekannte Fest-
derswo zu sehen. Auf Youtube findet man                      anhören. Gleichwohl mögen trotzdem eini-         vielleicht hinter einer Flöte oder hinter einer
                                                                                                                                                                              dort, im „Gehen“ (als walking bass) harmonisch-fundamen-       stellung kolportiert werden: “Ein reiner Ton auf dem Kontra-
mindestens ein Dutzend Ausschnitte aus                       ge, vielleicht zumindest noch zwei etwas         Oboe verstecken? Wie exponiert und hände-
                                                                                                                                                                              tal „seinen Mann stehen“...                                    bass ist ein reiner Zufall”.
verschiedenen Inszenierungen. Die ausführ-                   positivere Bemerkungen zum Kontrabaß ge-         gebunden ist man denn mit einem völlig un-
liche Instrumentenselbstbeschimpfung des                     stattet sein. Zum einen wird man die Größe       natürlich unters Kinn(!) gepreßten, armlan-                      RZLiebhaberorch_Ravel2012_Layout 1 06.11.12 17:20 Seite 1
Süskindschen Staatstheater-Kontrabassisten                   des Instrumentes auf der Skala zwischen,         gen, ständig festzuhaltenden Kleinholz-Teil?                                                                                                                                                                                                Anzeige

vom dritten Pult läßt praktisch keinen Vor-                  sagen wir, Piccolo-Flöte und Orgel als die       Nur das Susaphon, das einen umschlingt
wurf aus, den man dem sperrigen und schon                    bestimmen müssen, die durch „das größte          wie den armen Laokoon die Schlangen, ist
in seiner Form völlig mißlungenen „Wald-                     selbst mitzubringende Instrument“ definiert      da noch gefährlicher bewegungseinschrän-
                                                             wird; denn die Orgel ist sowieso festinstal-     kend.1 Nur wer – wie weiland der edle Ritter
                                                                                                                                                                                               Bienvenu, Maurice !
schrat von einem Instrument“ noch machen
könnte: „das scheußlichste, plumpeste,                       liert, das Klavier wird immer vom Veran-         mit Schild und Panzer – hinter dem mas-                                                                                                                                                    MEHR FRANKREICH
uneleganteste Instrument, das je erfun-                      stalter gestellt und der Harfenistin trägt ihr   siven, eindrucksvoll mannshohen Ungetüm
den wurde“ läßt überhaupt keine sauberen,                    Vater/Ehemann/Liebhaber das Instrument           eines ausgewachsenen Kontrabasses steht,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         IM „BREITKOPF URTEXT“ *
                                                                                                                                                                                                                               Maurice Ravel
schönen, solistisch tolerierbaren Töne zu, es                auf die Bühne. Der Kontrabaß realisiert also     darf sagen: „Hier stehe ich und kann nicht                                                     NEU               Rapsodie espagnole                                                        Debussy: La Mer
                                                                                                              anders“.                                                                                                         hrsg. von Jean-François Monnard                                           hrsg. von Peter Jost
                                                                                                                                                                                                                               PB 5530 Partitur               € 52,–                                     PB 5399 Partitur                 € 85,–
                                                                                                                                                                                                                               OB 5530 Streicher            à € 5,–
                                                                                                              Und das ist bereits der zweite wichtige                                                                                     Harmoniestimmen € 108,–
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Lalo: Symphonie espagnole op. 21
                                                                                                              Punkt: der Kontrabassist steht, muß als ein-                                                                                                                                               hrsg. von Christian Rudolf Riedel
                                                                                                                                                                                                                               Ein drittes viel gespieltes Orchesterwerk Ravels ist                      PB 5520 Partitur                  € 48,–
                                                                                                              ziger Instrumentalist wirklich stehen. (Daß
                                                                                                                                                                                                                               im Breitkopf-Programm angekommen – und dies                               Lalo: Violoncellokonzert d-moll **
                                                                                                              mittlerweile viele verweichlichte Bassisten                                                                      natürlich im „Breitkopf Urtext“, den wieder der                           hrsg. von Peter Jost
                                                                                                              auf völlig deplatzierten Barhockern dandy-                                                                       Ravel-Experte Jean-Francois Monnard als Heraus-                           PB 15100 Partitur                € 58,–
                                                                                                              haft hinter ihrem Instrument herumlüm-                                                                           geber betreut. Spanien lag als kompositorisches
                                                                                                                                                                                                                               Ausflugsziel nach 1900 quasi in der Luft, wie z. B.                       Ravel: Boléro
                                                                                                              meln, muß hier einmal deutlich als Musikkul-                                                                     Debussys „Iberia“ belegt, und das pointierte                              hrsg. von Jean-François Monnard
                                                                                                              turverfall gebrandmarkt werden). Stehende                                                                        Vorwort Monnards zieht virtuos Verbindungslinien                          PB 5299 Partitur               € 48,–
                                                                                                              Instrumentalisten signalisieren sonst nur                                                                        zwischen den damals in Paris wirkenden Kompo-                             Ravel: La Valse
                                                                                                                                                                                                                               nisten, zu denen auch Igor Strawinsky gehörte.                            hrsg. von Jean-François Monnard
                                                                                                              solistische Wichtigtuerei und persönliche                                                                        Die „Rapsodie espagnole“ gilt insbesondere als                            PB 5374 Partitur               € 52,–
                                                                                                              Nachholbedürfnisse in puncto öffentliche                                                                         Meisterwerk, was den Instrumentationszauber
                                                                                                                                                                                                                               Ravels angeht. Dieses Feuerwerk der Orchestrierung                        * Aufführungsmateriale alle käuflich lieferbar
                                                                                                                                                                                                                               verdient ein verlässliches und käuflich lieferbares                       ** Kooperation mit dem G. Henle Verlag
                                                                                                              1    Und am schutzlosesten ist man der Hör-Umwelt als
                                                                                                                                                                                                                               Aufführungsmaterial, das dauerhaft im Besitz jedes
                                                                                                              performer natürlich völlig ohne Instrument ausgeliefert, also                                                    Orchesters verbleiben kann.
                                                                                                              als SängerIn. Wenn man da nicht zumindest einen Pavarotti-
                                                                                                              Schal, eine gut gefüllte Thermoskanne mit Tee und eine gehö-
                                                                                                              rige Portion Einbildung, Anmaßung und Diventum mitbringt,
                                                                                                                                                                                                                              www.breitkopf.de                                                                Breitkopf
tacet = flacet? Auch Pausen muß ein Kontrabaß überstehen | Zeichnung: Christian Goldbach                      hat man keine Chance.

Titelthema: Der Kontrabass
                                                             8                                                                                                                                                                                                                                       9         Titelthema: Der Kontrabass
DER CONTRABASSIST ALS ARBEITER

In diesem Heft haben wir ja weder Kosten         der Contrabaß; bei dieser Behauptung ist        natürlich und wahr, daß sich die Kraft des
noch Mühen gescheut, die gewichtige Bedeu-       aber eine gewandte, leichte und freie Be-       den Contrabaß behandelnden Musikers, d. h.
tung des Kontrabasses im Orchester und für       handlung des Instrumentes gleichwohl im         wenn er überhaupt die nöthige Körperstärke
unser aller musikalisches Wohlbefinden ins       Auge zu behalten. Man hat hunderte von          in sich trägt und fleißig ist, sehr bedeutend
rechte Licht zu rücken und dieses grandiose      Contrabassisten, welche aus zwei Gründen        steigert, daß seine Armmuskeln sich, wie
Instrument potenziellen Kontrabasseleven         nicht genügen, weil sie entweder aller Tech-    bei einem Handarbeiter merkbar ausdehnen
schmackhaft zu machen. Wie richtig und           nik entbehren und nur mit roher, vierschrö-     und derber werden, und daß es ihm dadurch
wichtig dieses Ansinnen dankbarer Wert-          tiger Gewalt ihre Saiten anzureißen vermö-      allerdings nach und nach weniger schwer
schätzung der sechzehnfüßigen Großgeige          gen, oder weil sie, obgleich zuhause auf        wird, die Arbeit bei der Behandlung seines
war, ist und immer bleiben wird, zeigt auch      ihrem Instrumente, aller Kraft bar sind und     Instrumentes zu bewältigen; indessen wird
der Fund eines kleinen, bereits vor 150 Jahren   mit säuselnder Gewandtheit den Charak-          dennoch zeitweise diese Behandlung zur
verfassten Textes, der bis heute nichts, aber    ter der Großgeige völlig verleugnen. Es ist     förmlichen körperlichen Strapaze, wovon ein
auch gar nichts von seiner Gültigkeit verlo-     schwer, sehr schwer, allen Anforderungen        reichlich durchnäßtes Taschentuch gar oft
ren hat und deshalb – der Ehrlichkeit halber     zu genügen, und es gehört unbestritten          das glänzendste Zeugnis ablegt. Sollte nun
– hier auch nicht verschwiegen werden darf.      eine extraordinäre Naturbegabung dazu,          irgend Jemand bezüglich der Doppeleigen-
Jeder Großbassspieler, jede Großbassspielerin    ein wirklich guter Contrabassist zu werden      schaft eines wirklich guten Contrabassisten     Zeichnung: Christian Goldbach

wird uns das bestätigen, ja, würde vermut-       und zu sein.                                    noch Zweifel hegen und bestreiten, daß man
lich sogar heiße Tränen der Rührung über                                                         ihn, neben seiner künstlerischen Ausbildung     daß sie, wenn sie im Besitze eines in jeder       leichterer Gattung den in der Regel vorhan-    benskraft verbraucht und daher weit früher
die folgende Schilderung nicht zurückhalten      Daß der Contrabassist nun, neben seiner         und Gewandtheit, zugleich als einen, frei-      Hinsicht trefflichen Contrabassisten sind,        denen liliputartigen Baßspielern überlassen.   invalid wird, wenn er so zu sagen immer im
wollen, wäre da nicht das Handicap eines         Eigenschaft als Musiker im Allgemeinen, zu-     lich nicht beneidenswerthen Repräsentan-        denselben nicht allein anständig honoriren,       Die Befolgung dieses Rathes wird eine rein     Feuer liegen und seiner schweren, die Ner-
quasi von Berufs wegen schon durchnässten        gleich Arbeiter und manchmal Vertreter sehr     ten schwerer Handarbeit betrachten muß,         sondern ihn auch auf alle mögliche Weise          speculative Maßregel sein, weil der Contra-    ven aber auch dabei in hohem Grade angrei-
Taschentuchs, was der Hervorbringung und         schwerer Arbeit ist, davon wird man schon       den möchte ich, um ihn zu widerlegen, ei-       schonen; daß sie ihm nach schwerer Arbeit         bassist par excellence bei der Behandlung      fenden Beschäftigung unausgesetzt obliegen
dem freien Laufenlassen weiterer Tränenfluten    vollkommen überzeugt, wenn man bei einer        nige Male in das Stadium der völligen kör-      die nöthige Ruhe gönnen und alle Musik            seines Instrumentes stets eine Quantität Le-   muß.
empfindlich entgegenstehen dürfte. Wie das?      rationell montirten Baßgeige (bei welcher,      perlichen Ermüdung und Zerschlagenheit
– Aber lesen Sie doch bitte selbst:              neben ihrer nothwendigen Größe, die Sai-        versetzt sehen, in welchem ein eifriger und
                                                 ten die gehörige Stärke haben und völlig so     dabei seiner Aufgabe genügend gewachsener
                                                 weit vom Griffbrete entfernt liegen, daß sie    Contrabassist nach einem großen Concert,
Der Contrabassist als Arbeiter                   auch bei den kräftigsten Bogenstrichen nicht    einer großen Opernaufführung oder gar nach
von August Müller (1808-1867, Darmstadt,         aufschlagen) den Versuch macht, die Sai-        einem großen Ballet neueren Genres sich be-     Antonio Mingotti, Der hoffnungsvolle              zu wetteifern ist, verlegen sie sich gerne     von ihren dicken Saiten. Ihnen winkt nicht
Fagottist und Kontrabass-Virtuose)               ten auf das Griffbret niederzudrücken. Man      findet.                                         Musikus – Kleiner Ratgeber für Musikbe-           aufs Pizzikato. Und damit können sie auch      der Ruhm des Solovirtuosen. Sie stehen als
(aus: Neue Zeitschrift für Musik, hg. von Ro-    wird hier eine Spannung finden, namentlich                                                      flissene, Hermeran-Verlag 1953, S. 25:            Ehre einlegen. So ein gezupfter Kontrabas-     Häuflein Aufrechter zu viert, sechst oder
bert Schumann, Leipzig 1862, Bd. 57, S. 225)     bei der höchstgestimmten Saite, die aufs        Was sollen aber diese Zeilen, und welcher                                                         ston, sauber und auf den Schlag gebracht,      acht zusammen am Werk. Nennt sie ruhig
                                                 evidenteste beweist, daß der Contrabassist      Nutzen kann aus den gebotenen Auseinan-         ... Der letzte Schritt in die Tiefe [es ist die   ist wie ein Grundstein, auf dem Harmonie       Knechte. Sie sind Knechte Polyhymnias und
Die Musikinstrumente spielt man, d.h. man        außergewöhnliche Kraft anwenden muß, um         dersetzungen für das Allgemeine entsprin-       Rede vom Orchester, speziell den Strei-           und Rhythmus stehen.                           darum immer noch Herren gegen Knechte
behandelt sie leicht und spielend. Kann man      die verschiedensten Töne stundenlang mit        gen? Diese Frage wird vielleicht Mancher        chern] führt uns zu den Kellermeistern, den                                                      irdischer Herren.
sie aber alle spielen, d.h. sie immer leicht     den einzelnen Fingern der linken Hand so        aufwerfen. Meine Worte sollen erstens für       Kontrabassisten. Sie sind mit ihren Instru-       Die Bassknechte, wie sie boshafterweise
und spielend behandeln? – Ich glaube, daß        vollkommen fest und sicher auf den Saiten       alle Diejenigen ein Abschreckungsmittel         menten, die bereits eine Art musikalischer        von den Kollegen genannt werden, sind die
man diese Frage nicht ganz zu bejahen im         abzuschneiden, wie dies bei der leeren Saite    sein, welche die große Baßgeige als Instru-     Kleinwohnungen sind, ins Orchester ver-           richtigen Landsknechte des Orchesters. Ihr     Da lacht der Kontrabassist...
Stande ist, und daß namentlich der Contra-       durch den Sattel geschieht. Wenn wir nun        ment wählen wollen, wenn sie zu einem           bannt, und nur Schubert mit dem Forel-            „Schrumm“ ist wie ein Schlachtruf. Sie ste-
bassist darauf oft mit „Nein!“ antworten         weiter den Bogen betrachten, der die gehö-      zwerghaften Körperbau hinneigen; denn nur       lenquintett und noch der eine oder andere         hen im dichten Gewühl wie Felsen, säbeln       Bassist zum Schlagzeuger: „Hast du jetzt
wird. – Es giebt nämlich ohne allen Zwei-        rige, verhältnißmäßige Schwere haben muß,       der lang und kräftig gebaute Mensch ist im      Komponist haben ihnen den Eintritt in die         wie die Berserker und halten die Fliehenden    verstanden, wie man den 7/8 Groove zählt?“
fel kein Musikinstrument (selbst die Orgel       wenn wir bedenken, daß der Contrabassist        Stande, den Contrabaß von normaler Größe        private Kammermusik ermöglicht, wobei             zusammen. Aber sie können auch andere          Schlagzeuger: „Klar: eins, zwei, drei, vier,
nicht ausgenommen, obgleich sie bisweilen        mit demselben zuweilen sehr anhaltend und       zu beherrschen und unter sich zu beugen,        immer eine ganze Zimmerecke für sie aus-          Dinge. So erdrosseln sie auf Straussens und    fünf, sechs, sie-ben.“
auch eine ungewöhnliche Kraftanstrengung         mit einer Wucht, welche die vollste Man-        und so die Strapazen zu bewältigen, welche      geräumt werden muss. Ihr Spiel hat etwas          Herodes‘ Befehl mit einem entsetzlichen
erfordert), das, wenn es charaktervoll und       neskraft erfordert, die Saiten in die nöthige   ihm als Arbeiter gar nicht selten zugedacht     Ingrimmiges, und dies kommt vielleicht da-        Flageolett-h Jochanaan in der Zisterne,        Bassist zum Schlagzeuger: „Sag mal, was
mit der Wucht behandelt wird, zu welcher         Bewegung setzen muß, so wird man ohne           werden. Zweitens sollen diese Zeilen aber       her, weil alle Töne, ob hoch oder tief, gleich    dass einem vor Beklemmung selbst die Luft      iss’n eigentlich eine Synkope?“
seine Größe, Besaitung usw. auffordert, so       Weiteres die Arbeitereigenschaft des guten      auch alle Directionen und Vorstände von         brummig sind. Da nun mit der Süße der             wegbleibt, oder klauben in Brucknerschen       Schlagzeuger: „Deine Eins.“
viel wirkliche Körperkraft beansprucht, als      Contrabassisten anerkennen müssen. Es ist       Musikinstituten darauf aufmerksam machen,       Töne ihrer höher gearteten Kollegen nicht         Ländlern die Pizzikati wie reife Pflaumen

Titelthema: Der Kontrabass
                                                 10                                                                                                                                                                                    11         Titelthema: Der Kontrabass
KLEINE TYPOLOGIE DER LAIENMUSIKER (XXIX):
                                                                                                                                                            DER VERSAGER
                                                                                                         Zu guter Letzt – Warum Kontrabass?
                                                                                                         • Der Kontrabass ist das wichtigste Instru-                                                          von Joachim Landkammer
                                                                                                         ment! „Hör´ ich keinen Bass, scheiß ich auf
                                                                                                         die Melodie.“ (Hanns Eisler)                       In dieser Fortsetzungsreihe soll eine Reihe von   dem musikalischen Aspekt der Sache eben          Vorbild des fröhlich-fromm-freien Wowereit-
                                                                                                         • Der Kontrabass ist ausgesprochen beein-          Charakterzeichnungen von Vertretern verschie-     nur so viel abgewinnen kann, wie daß die Da-     schen Mottos: ich bin nur Laie – und das ist
                                                                                                         druckend – beim Transport und auch als Mö-         dener Spezies der „zoologia musicalis”, Unter-    men und Herren des Liebhaberorchesters XYZ       gut so…) noch ein aus schlichter intellektu-
                                                                                                         belstück.                                          gruppe „dilettantis domesticaque” versucht        „sehr munter“ und mit „viel Schwung“ und         eller Beschränktheit völlig aus dem Bewußt-
                                                                                                         • Der Kontrabass bietet Zukunftschancen,           werden; durch die bis zur Wiedererkenntlich-      „großer Spielfreude“ musiziert haben, bedeu-     sein gefallenes Geistes-Defizit darstellt (wie
                                                                                                         denn nahezu jedes Orchester sucht eher ei-         keit übertreibenden Idealtypisierungen ver-       tet nicht (nur), daß der Schreiberling in mu-    eben beim genannten „Stümper“, musicastrus
                                                                                                         nen Kontrabassist/in als die dreizehnte Flöte...   schiedener Einstellungen und Zugangsweisen        sicis vollkommen unbeleckt ist, sondern daß      schwachmaticus intelligentiae debilis), son-
                                                                                                         • Der Kontrabass ist sozial, denn es ist ein       zur Laienmusik soll auf ironische Weise ein       das rein Musikalische an der kulturellen Ver-    dern ein tragisches, tief er- und durchlittenes
                                                                                                         Genuss, die mitleidvollen Bemerkungen der          Beitrag zur hoffentlich nie endenwollenden        anstaltung so weit unterhalb jeder sachlichen    Schicksal repräsentiert, als ein „Fluch“ und
                                                                                                         Mitmenschen zu hören, wenn man mit die-            Diskussion über die unbeantwortbare Frage         Beschreibungskategorie anzusiedeln war, daß      ein „Bannspruch“ erlebt wird, gegen den man
                                                                                                         sem liebenswerten Ungetüm unterwegs ist.           geleistet werden: „Warum machen wir Freizeit-     auch eine lokaljournalistische Minimalethik es   sich zwar mit fast übermenschlichen Kräften,
                                                                                                         Quelle: www.bassini.de                             musiker eigentlich Musik?”                        aus Pietätsgründen erfordert, ersatzweise auf    aber dennoch vollkommen umsonst zur Wehr
Keep it rolling: Drum´n Bass in früher Öko-Version
                                                                                                                                                                                                              extramusikalische (z.B.: rein visuelle) Sekun-   setzt. Den hier zu schildernden eigentlichen
                                                                                                                                                                                                              däreffekte abzuheben.                            Versager (musicus laizans forzatus disperatus

DER ALTE TEXT                                                                                                                                               DER VERSAGER
                                                                                                                                                                                                              Wenn das Laienmusikwesen also praktisch
                                                                                                                                                                                                                                                               et insufficiens sub specie eternitatis) charak-
                                                                                                                                                                                                                                                               terisiert die fatale Gleichzeitigkeit des perma-
                                                                                                                                                            Wenig Sinn scheint es zu haben, das „Ver-         mit dem musikalischen Versagertum dek-           nenten und unzähmbaren aktiven Aufbegeh-
                                                                                                                                                            sagen“ einem speziellen Typus von Laien-          kungsgleich ist, welche seiner typologischen     rens gegen die eigene Unzulänglichkeit und
                                                                                                                                                            musikerInnen zurechnen zu wollen, wenn            Ausprägungen und Untergruppen kann man           die ständig wiederkehrende niederschmet-
                                                     ausgewählt von Michael Goldbach                                                                        doch das Allererste und Allerklarste, was         dann noch als „Versager“ identifizieren, v.a.    ternde Einsicht in die Vergeblichkeit dieses
                                                                                                                                                            man vom Liebhabermusikanten in jeder sei-         wenn ja eine extreme Erscheinungsform der        Aufbegehrens. Und diese Einsicht ist um so
Oft liegt ein besonderer Reiz darin, wenn Kol-       letzten Stufe der Vollendung und Schönheit          mußte? Ist Haydn nicht deswegen unfähig, tief      ner vielfältigen Erscheinungsformen sagen         laienmusikantischen Inkompetenz, Igno-           erschütternder, als sie heute so schwer ge-
legen sich übereinander äußern – zumal dann,         führten. Haydns Werke sind ein notwendiges          zu erschüttern, Tränen der Begeisterung her-       wird, von vornherein immer eben das ist: er       ranz und Untauglichkeit bereits sehr früh        macht, ja ständig verleugnet wird: von über-
wenn ein bedeutender über einen anderen              und starkes Glied in der Kette der sinfonischen     vorzurufen, durch Kraft und Pathos die Stim-       ist musikalisch inkompetent, unfähig, un-         im „Stümper“ (Folge 5, Heft 2/2000) ausge-       all werden wir bombardiert mit der fatalen
bedeutenden spricht. Im vorliegenden Falle           Kompositionen. Ohne ihn wären weder Mo-             mung niederzuwerfen, weil er noch nicht bis        zuverlässig, einfach „zu schlecht“ – eben         macht worden war? Die Antwort: hier und          Kombination von Optimierungsversprechen
nimmt Tschaikowski ein Konzert, das mit einer        zart noch Beethoven gewesen, zumindest hät-         zur Epoche der heranbrechenden, von Zweifeln       „ein Versager“. Wäre er´s nicht, wäre er ja       heute soll eine Spezies in den Vordergrund       und -zwängen, sei es, daß es unsere Bildung
Haydn-Sinfonie schloss, zum Anlass, sich all-        ten diese beiden Großen der Musik eine andere       zerrissenen, von trostloser Wehmut gequälten       kein Laie, sondern eben ein wirklicher Kön-       treten, für die das Scheitern an den von der     („lebenslang lernen“), unsere Finanzsituation
gemein zu Haydns Musik zu äußern. Tschai-            Entwicklung genommen. Sie wären auf einen           Romantik der auf ihn folgenden Generation          ner, ein Profi. Der Liebhaber definiert sich      Musik eigentlich gestellten Ansprüchen weder     („täglich sparen“), unsere physische Präsenz
kowsky arbeitete als junger Mann einige Jahre        weniger bearbeiteten Boden gelangt und im           lebte? All dies sind tiefe, interessante Fragen,   schlechthin durch sein konstantes (und fol-       ein gern übersehenes Manko (etwa nach dem        (von der Schönheits-OP bis zum 24-Stunden-
als Musikkritiker, eine Arbeit, die ihm wichtig      Wachstum ihres ungeheuren Genies auf große          die ich den Liebhabern ästhetischen Philoso-       genloses!) Unterschreiten fast aller denkbaren                                                     Deo) oder unsere Körperfigur („BMI“ und
war und der er mit Begeisterung nachging.            Hindernisse gestoßen. Aber wenn man die un-         phierens stelle.                                   Mindest-Untergrenzen erwartbarer „Quali-                                                           „Bauch-Beine-Po-Fitness“) betrifft, an der
                                                     schätzbaren historischen Verdienste Haydns              Ich sagte oben, daß Haydn völlig dem Ge-       tät“. Noch die kümmerlichste performance                                                           wir unbedingt „arbeiten“ sollen. Überall wird
Peter I. Tschaikowsky Erinnerungen und               erwähnt, darf man nicht verkennen, daß er kei-      biet des „Niedlichen" angehörte. In jeder seiner   wird legitimiert (d.h.: schöngeredet) durch                                                        uns suggeriert: ihr seid noch nicht wirklich
Musikkritiken, hg. von Prof. Dr. Richard             ne Begabung hohen Fluges war, daß er nicht          Sinfonien findet man spielerische Episoden, ein    den Verweis auf angebliche außermusika-                                                            perfekt, aber es braucht nur ein klitzeklein
Petzoldt, Reclam Leipzig, 1945, S. 115               weiter ging als bis zu „klein" und „niedlich" und   buntflimmerndes, kaleidoskopisches Spiel der       lische sekundäre Ersatzgewinne (die „Freude                                                        bißchen Zeit, Geld, Geduld, Aufwand und
                                                     kein einziges Mal jene geheimnisvollen Saiten       Töne, das ein musikalisches Ohr unfreiwillig       am gemeinsamen Musizieren“, die „Lust“ des                                                         „alles wird gut“. Übersetzt ins Musikalische
EINE SINFONIE VON HAYDN                              der menschlichen Seele streifte, aus denen spä-     bezaubert. Man darf jedoch auf keinen Fall sa-     „Selber-Machens“, der Stolz des Tatsächlich-                                                       heißt die verführerische Forderung dann: ihr
                                                     tere Komponisten so viel erschütternde, tief-       gen, daß Haydn unwiederbringlich aus unseren       Vor-Echtem-Publikum-Auftretens, und natür-                                                         müßtet doch einfach nur ein bißchen mehr
Das Konzert wurde durch eine der zahlreichen         pathetische Töne zogen ... Dem bescheidenen         Konzertprogrammen ausgeschlossen werden            lich immer wieder: der riiiiiiiesengroße „Spaß“                                                    „üben“! Schon eine halbe Stunde am Tag:
Sinfonien Haydns beendet. Ich schätze die be-        musikalischen Chronisten ist es nicht ange-         müßte. Besonders bei uns in Rußland stellt         dabei…). Wer meint, daß damit nur die                                                              wirkt wahre Wunder! Die Resultate sind so-
trächtlichen, sogar großen Dienste, die von          messen, sich in die Geschichts- und Lebens-         Haydns Musik eine Etappe dar, die von der          selbsttherapeutischen elterlichen Kommen-                                                          fort hörbar! Ihre laienmusikalischen Mit- und
diesem gutmütigen Alten der Sinfonie und der         bedingungen zu vertiefen, unter deren Einfluß       Masse unseres Publikums durchlaufen werden         tare zum nervtötenden Kindermusizieren bei                                                         vor allem Gegenspieler werden staunen über
Kammermusik erwiesen wurden, sehr hoch               sich das Schaffen Haydns entwickelte. Wäre          muß, damit es später dem vollen Verständnis        unsäglichen Musikschulvorspieltagen getrof-                                                        den sagenhaften Vorher/Nachher-Effekt! So
ein. Haydn machte sich unsterblich, wenn             wohl Haydn tragischer, tiefer, leidenschaft-        Beethovens gewachsen ist. Es ist nur zu wün-       fen wären, kennt die Musikberichterstattung                                                        oder so ähnlich lauten die schmierenkomö-
nicht durch die Erfindung, so doch durch die         licher geworden, wenn er in einer anderen Zeit      schen, daß die großen Werke späterer Kom-          in den deutschen Lokalzeitungen nicht, die                                                         diantische Verheißungen, die seit jeher die
Vervollkommnung jener vorzüglichen, ideal            gelebt hätte? Erklärt sich nicht die Formgebun-     ponisten als Gegengewicht zu seinen leichten,      nach demselben Muster gestrickt sind: daß                                                          komplette Musikpädagogik-Branche (die sich
logischen Form der Sonate und der Sinfonie,          denheit und die elegante Kühle seiner Musik         oberflächlichen Ideen und Formen dargeboten        der feuerwehrfest- und kaninchenzüchter-                                                           ja bekanntlich selbst aus Versagern rekrutiert,
die in der Folge Mozart und Beethoven bis zur        durch das Milieu, in dem er sich entwickeln         werden. (1873)                                     wettbewerbserprobte Pressemensch vor Ort          Zeichnungen: Christian Goldbach                  bei denen es nicht zum Konzertexamen ge-

Der alte Text
                                                     12                                                                                                                                                                                             13         Beiträge
reicht hat) alimentiert und die den marktschrei-                 gekettet an dem einen Höllenkreis, auf den                                                                           schaft in unserer so optimistisch zukunfts-                                                       Sie den schönphilosophierten Sisyphos à la
erischen Marketing-Strategien der Verkäufer                      einen die göttliche Vorsehung verbannt hat:                                                                          orientierten Gesellschaft: deswegen bleibt                                                        Camus: wir müssen uns den Laienmusiker als
von Schlankheitspillen, Intelligenztabletten                     das ist das (wörtlich!) gottverdammte miese                                                                          sie so ungesagt und wird vermutlich auch an                                                       einen unglücklichen Menschen vorstellen.
und Penisvergrößerern in nichts nachsteht.                       Niveau, auf dem man immer und ewig kreisen                                                                           dieser Stelle nur mit energischem Kopfschüt-
                                                                 wird. Und das Höllische daran („die Hölle, das                                                                       teln quittiert. Richtig ist an dieser trotzigen
Und das Schlimme ist: immer wieder fallen                        sind die andern“, wußte schon Sartre) ist: so-                                                                       Realitätsverweigerung nur, daß es in der Tat                                                      3    Und an dem selbst ein Peter Sloterdijk noch festzuhal-
wir darauf herein. Zumindest der hier ge-                        lange man allein ist, kann man sich mitunter                                                                         keinerlei Ausweg aus der Tragödie der real-                                                       ten scheint, nachdem er in seinem schönen Buch „Du mußt
meinte „Versager“, der so gerne keiner mehr                      dieser existentiellen Ranking-Falle entronnen                                                                        musikantischen Niveau-Kastengesellschaft                                                          dein Leben ändern“ (Frankfurt 2009) die vielen sonderbaren
sein wollen würde, und trotzdem immer                            fühlen: ja, tatsächlich, denkt man (daheim),                                                                         gibt. Jedenfalls ist es nicht das Üben und                                                        Auswüchse der modernen „Du-mußt-üben-Ideologie“ de-
wieder mit dem Kopf (bzw. mit den zu be-                         das klingt ja schon viel besser, das flutscht,                                                                       Trainieren, wie die brav-bürgerliche Ideologie                                                    tailliert beschrieben und kommentiert hat.
häbigen Händen und zu langsamen Fingern)                         das fließt, das klingt ja fast schon wie auf der                                                                     es will (die ja heute schon im Kindergarten
auf jene bitterste Wahrheit gestoßen wird,                       CD, so brillant, so flüssig, so „professionell“:                                                                     „Leistungs- und Anstrengungsbereitschaft“                                                         Bisher erschienen: Der Perfektionist, Heft 2/98; Der Nörgler,
die da lautet: es gibt keine Verbesserung des                    aber nur solange, bis man genau das exakt                                                                            einfordert3), sondern: nur ein Teufel könnte      ein Versager ist) denn als Pfand anzubieten?    Heft 1/99; Der Mitläufer, Heft 2/99; Der alte Hase, Heft 1/00; Der
miserablen eigenen musikalischen Talents.                        gleiche Stück nicht mehr alleine und für sich                                                                        uns retten (um auch hier einmal Heidegger         Was sollte das gute Beelzebüblein denn bloß     Stümper, Heft 2/00; Der Erotiker, Heft 1/01; Der Klangästhet, Heft
Auch wenn man schuftet und rackert wie ein                       spielt, sondern in der Gegenwart von anderen                                                                         zu korrigieren). Nur ein diabolisch-faustischer   mit unserer durch tausend ermüdend-zer-         2/01; Die Bratscherin, Heft 1/02; Der Schlamper, Heft 2/02; Die
Verrückter (also: wie ein Profi), nicht nur die                  Ohren; sobald der performanz-fixierte Musik-                                                                         Teufelspakt könnte uns wenigstens einmal im       mürbende, masochistische Trainingstorturen      Aushilfe, Heft 1/03; Der Dirigent, Heft 2/03; Die LOKBUB, Heft
angeblich ausreichende tägliche halbe Stunde,                    betrieb uns sein hämisches „hic-Rhodus-hic-                       nur halboffenen Augen durch die (nicht nur         Leben über die unüberwindbaren Schranken          ausgebrannten, ungläubigen „Seele“ noch an-     1/04; Das Gründungsmitglied, Heft 2/04; Der Blechbläser, Heft
sondern sich drei-vier-stundenlang (und auf                      salta!“ entgegengrinst, schlägt unerbittlich                      musikalische!) Welt laufende Zeitgenosse die       unserer angeborenen Leistungsbeschränkt-          fangen wollen? Nein, er wird müde ablächeln,    1/05, Die Liebhabermusikergattin, Heft 2/05; Der Instrumental-
Kosten der wenigen sozialen Kontakte und                         der allseits bekannte Vorführ-Effekt zu, das                      völlig überraschungsresistente Erfahrung, daß      heit erheben und endlich zum „Fliegen“            wenn wir ihm einen teuflischen „Anti-Di-        lehrer des Liebhabermusikers, Heft 1/06; Der etwas seltsame Typ,
der abnehmend-wohlwollenden Mit- und Ne-                         verschärfte Murphy-Gesetz des Laienmusi-                          manche „es einfach drauf haben“, andere eben       bringen, genauso wie das die an sich selbst       lettantismus-Pakt“ abringen wollen; in einer    Heft 2/06; Der Orchesterkasper, Heft 1/07; Die Laiensängerinnen
benmenschen) durch Etüden1, Läufe, schwie-                       kers („alles was beim Proben noch nie schief-                     „einfach nicht“ und vor allem: es „nie haben“      verzweifelnden Versager Johann Faust und          entgötterten Welt werden auch Satane kaum       und -sänger, Heft 2/07; Der Jazzer, Heft 1/08; Der Schwätzer, Heft
rige Passagen quält: am Ende steht man da                        gegangen ist, wird bei der Aufführung schief-                     werden. Diese Selbstverständlichkeiten darf        Adrian Leverkühn ja auch erhofft hatten. Nur:     satt, auch der höllische Ofen ist längst aus.   2/08; Der Organisator, Heft 1/09; Der Vom-Blatt-Spieler, Heft
wie Goethes „Tor“: genauso schlecht „als wie                     gehen“) kommt kategorisch zu seiner Geltung,                      man freilich nur hinter vorgehaltener Hand         was hätten wir, im Vergleich zu den beiden li-    Und so, von allen guten wie von allen bösen     2/09; Der Liebhabermusiker und sein Instrument, Heft 1/10; Der
zuvor“. Wie in Dantes Inferno ist man fest-                      die grausame Wirklichkeit des hoffnungslo-                        äußern, oder besser noch: man behält sie           teratisierten Herren, dem potentiellen Partner    Geistern verlassen, peinigen, plagen und bla-   Konzertverweigerer, Heft 2/10; Der Aufnehmer, Heft 1/11; Der
                                                                 sen Dilettanten holt den ewigen Versager                          für sich. Aber die implizite, realistische, von    mit dem Pferdefuß (der übrigens ja auch nur       mieren wir uns weiter vor uns hin. Vergessen    Stimmführer, Heft 2/11; Der Eiler, Heft 1/12.
                                                                 wieder ein – und zwar mit einer unbarmher-                        jeder Lobduselei befreite Einschätzung der
1    Etüden sind die präferierten Selbstfolterungsmittel aller
                                                                 zigen Gnadenlosigkeit, für die „Lampenfieber“                     anderen, wie leider auch die unvoreingenom-                                                                                                                                                                   Anzeige
an Mangel von Selbstbewußtsein leidenden Musiker, also be-
                                                                 oder ähnliche küchenpsychologische Pseudo-                        mene Selbsteinschätzung, ist untrügerisch:
sonders der „Versager“: „richtige“ Werke sind ja viel zu scha-
                                                                 rationalisierungen nur hilflose Ausflüchte und                    wer über Jahre mit den gleichen Leuten mu-
de, um durch die erbärmlichen Fehlleistungen ihrer Übe-Prak-
                                                                 schicksalsblinde Notlügen darstellen.2                            siziert, weiß ganz genau, welcher laienmu-
tiken „ruiniert“ zu werden, also toben sie sich an musikalisch
                                                                                                                                   sikalischen Gewichtsklasse sie angehören
minderwertigem Trainings-Material aus, nur um am Ende dann
                                                                 Auch hier also darf an ein paar liebgewordenen                    und immer angehören werden, ganz gleich,
eben nur ein paar blöde Etüden zu beherrschen – und nicht
                                                                 Mythen und Tabus gekratzt werden. Anders                          wieviel sie zwischendurch vielleicht gespielt
einmal die.
                                                                 als die gängige liberal-demokratisierende und                     oder gar „geübt“ haben sollten. Wer nur eine
                                                                 pädagogik-besessene Meliorisierungsideolo-                        zweite Geige ist, ist und bleibt einfach eine,
                                                                 gie es will: die Gemeinschaft der Musikaus-                       lebenslänglich – und wen man einmal (natür-
                                                                 übenden ist und bleibt eine ungerechte und                        lich nur insgeheim, für sich) als „mittelmäßige
                                                                 ungleiche Klassengesellschaft. Keine mensch-                      erste Geige“ kennengelernt und klassifiziert
                                                                 liche Selbstkasteiung und Plackerei ändert die                    hat, wird auch Jahrzehnte später exakt diese
                                                                 naturgegebenen, wahrscheinlich genetischen                        Klassifikation rechtfertigen. Wer einmal auf-
                                                                 Ausgangsbedingungen. Denn natürlich fallen                        gefallen ist, weil er partout nicht zählen kann,
                                                                 die meisten Meister vom Himmel, und nie-                          wird es auch später nie mehr gelernt haben,
                                                                 mand ist je wirklich seines Glückes Schmied                       bei wem es für das zweite Cello im Sextett
                                                                 gewesen, und Übung hat noch keinen ein-                           oder Oktett langt, wird nie das erste spielen
                                                                 zigen Meister gemacht. Konträr zu derartigen                      dürfen, bei jedem „Eiler“ (vgl. Folge XXVIII)
                                                                 Volksmund-Trivialitäten macht jeder mit auch                      weiß man schon vorher, daß er wieder „trei-
                                                                                                                                   ben wird wie Sau“ und kieksende Bläser blei-
                                                                 2    Selbst solch ein großartiger Versager wie der „Untergeher“   ben halt auf ewig kieksende Bläser.
                                                                 (Th. Bernhard) Glenn Gould hat sich bekanntlich eines Tages
                                                                 dieser Tyrannei des Vorführen-Müssens nicht mehr unterwerfen      Natürlich wissen alle um das gefährlich de-
                                                                 wollen und sich geweigert, noch öffentlich aufzutreten.           struktiv-defätistische Potential dieser Bot-

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