DAS LIEBHABERORCHESTER - 2| 2012 - AGAINST IMPROVISATION SCHWERPUNKTTHEMA: DER KONTRABASS - BDLO
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Herausgeber: Bundesverband Deutscher Liebhaberorchester | 56. Jahrgang ISSN 0460-0932 2 2012 | DAS LIEBHABERORCHESTER Zeitschrift für das Liebhabermusizieren AGAINST IMPROVISATION SCHWERPUNKTTHEMA: DER KONTRABASS TYPOLOGIE: DER VERSAGER
Weltklassik: EDITORIAL INHALT Die Edition Eulenburg, Christoph Bruckmann Kontabassist/in müsste man sein… . . . . . 4 seit 1874 Liebe Leserin, lieber Leser, Interview mit Gottfried Engels Wir Kontrabassisten sind das Fundament haben Sie schon den Namen Christoph Bruck- dann können Sie loslegen. Nächster Redakti- jedes Orchesters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 mann in den letzten LIEBHABERORCHE- onsschluss: 20. April 2013. STER-Heften wahrgenommen? Als Autor des Bassgeigengala & Bassgeigenweihnacht. . . 7 Marketing-Artikels (die Folge 2 finden Sie hier Und noch ein wichtiger Hinweis an alle Nut- auf S. 19–22), oder auch unter der einen oder zer/innen der BDLO-Notenbibliotheken: Im Joachim Landkammer anderen Rezension? In diesem Heft ist er ei- Juni werden beide Notenbibliotheken nach Standing foundations – oder: Noch zwei gentlich nicht mehr zu übersehen. Ich freue Dresden umziehen. Sorgen Sie bitte dafür, dass Bemerkungen zum Kontrabass. . . . . . . . . . 8 mich sehr, dass wir Christoph Bruckmann als Sie die Bestellungen für alle Noten, die Sie in neuen festen LIEBHABERORCHESTER-Redak- Ihrem Orchester für die zweite Jahreshälfte be- Der Contrabassist als Arbeiter. . . . . . . . . 10 ts Berei idierte teur gewinnen konnten. Als Flötist und Vor- nötigen werden, rechtzeitig auf den Weg brin- v 80 re ben stand im „studio-orchester duisburg“ dürfte er gen, denn vom 1.6. bis 15.7. wird es keine No- Der Alte Text. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 ü b e r usga Neua euen vermutlich schon genug zu tun haben, ganz ten-Ausleihen geben! Den aktuellen Stand des im n ormat! abgesehen davon, dass er (von Hause aus Ger- Umzugs können Sie dann auf der Internetseite Joachim Landkammer ortf manist) als Manager in der IT-Branche arbeitet des BDLO (www.bdlo.de) – die demnächst üb- Kleine Typologie der Laienmusiker (XXIX): Komf und ehrenamtlich Mitglied des Stiftungsrats rigens auch einer Rundumrenovierung unter- Der Versager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 der Diakonie-Stiftung Melanchthon ist. Trotz- zogen wird – in Erfahrung bringen. Die beliebtesten Standardwerke der dem hat er – nachdem er den „Kontrabass“ als Joachim Landkammer Schwerpunktthema für dieses Heft vorgeschla- Last not least: Wir danken Hagen-Hubert Mö- Against Improvisation. . . . . . . . . . . . . . . 16 gen hatte – es sich nicht nehmen lassen, einen ckel, dass wir sein gelungenes Werbefoto (Fo- Musikliteratur jetzt im Komfortformat! Großteil der Kontrabass-Artikel gleich selbst tografin: Karin Böhme, freistil Fotostudio Halle) Michael Knoch zu verfassen! Er bekennt: „Obwohl (oder weil?) für unsere Titelgestaltung benutzen durften. Freikarten zu vergeben. . . . . . . . . . . . . . . 18 ich beruflich etwas Anderes mache, bin ich Wie unschwer zu erkennen ist, wirbt es für begeisterter Musiker, mache Kammermusik, Patrick Süskinds „Der Kontrabass“ – Ankündi- Christoph Bruckmann • Optimiertes Stichbild für eine bessere Lesbarkeit spiele häufig in Projektorchestern mit und fie- gungen für Aufführungen 2013 in Halle werden Marketing für Liebhaberorchester (II) . . . . 19 • Größeres Format (15,5 x 22,5 cm) für mehr Lesekomfort bere jedem neuen Projekt entgegen.“ Da bleibt auf www.rezitation.com zu finden sein. • Wissenschaftlich überarbeitetes Vorwort mir nur, mich im Namen aller herzlich bei ihm Malcom Arnold – Sinfonien-Zyklus. . . . . . 22 zu bedanken und Ihnen eine ersprießliche Lek- Jetzt erst einmal aber: Gute Lektüre des neu- türe zu wünschen mit der Thematik rund um esten LIEBHABERORCHESTERs Mitteilungen des BDLO . . . . . . . . . . . . . . 24 Kürzlich im neuen Format erschienen: den Kontrabass. Wie gefällt Ihnen solch ein Ihr / euer Michael Knoch Peter Iljitsch Tschaikowsky Wolfgang Amadeus Mozart Edvard Grieg Themenschwerpunktheft? Welche weiteren Service Symphonie Nr. 6 Konzert für Klarinette Peer Gynt Suiten Schwerpunktthemen fänden Sie interessant Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 (Pathétique) und Orchester Nr. 1 und 2 oder wünschen Sie sich? Veranstaltungskalender . . . . . . . . . . 29 op. 74, CW 27 KV 622 op. 46 und 55 ISBN 978-3-7957-6683-2 ISBN 978-3-7957-6667-2 ISBN 978-3-7957-6109-7 Wir jedenfalls wünschen uns weitere Rezen- Neue Mitgliedsorchester . . . . . . . . . . . . . 30 ETP 479 · € 14,99 ETP 778 · € 10,99 ETP 1318 · € 10,99 sent/inn/en. In diesem Heft gibt’s nur einige wenige Rezensionen. Haben Sie schon die Konzertdokumentation . . . . . . . . . . . . . . 32 Felix Mendelssohn Ludwig van Beethoven Seite „Prima vista – prima Stücke?“ wahrge- Bartholdy Symphonie Nr. 9 nommen? Könnte es Sie reizen, sich einmal Prima vista – Prima Stücke? . . . . . . . . . . . 40 Konzert für Violine op. 125 und Orchester ISBN 978-3-7957-6779-2 als Noten- oder Buchrezensent/in zu ver- op. 64 ETP 411 · € 15,99 suchen? Nur zu, wählen Sie sich jene Titel Besprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 ISBN 978-3-7957-6630-6 aus, die Ihnen interessant erscheinen, die Sie ETP 702 · € 10,99 reizen – auf S. 40, aber durchaus auch aus Orchesterjubiläen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 anderen Prima-vista-Seiten älterer LIEBHA- BERORCHESTER-Hefte, denn längst nicht alle Aus den Landesverbänden. . . . . . . . . . . . 48 Alle Eulenburg Ausgaben im neuen Komfortformat finden Sie unter: www.eulenburg.de/Komfortformat Rezensionsexemplare sind bereits vergeben. Wir senden Ihnen die Noten / Bücher zu, und Neu im Redaktionsteam: Christoph Bruckmann Das Rätsel (Folge XXII) . . . . . . . . . . . . . 55 Mit über 1.200 Titeln die weltweit umfassendste Partiturreihe Opern · Orchesterwerke · Konzerte · Chor- und Vokalwerke · Kammermusikstücke Eulenburg 3
KONTABASSIST/IN MÜSSTE MAN SEIN… Vorgestellt: „Bassini“ – ein Kontrabass-Seminar für Schüler und Laien aller Leistungsstufen Das Kontrabass-Seminar „Bassini“ richtet von Christoph Bruckmann sich an Schüler und Laien aller Leistungs- stufen. Im Vordergrund steht das Vermit- Der Kontrabass ist ein sehr attraktives In- am Anfang steht. Entscheidend ist die Freu- Abschlusskonzerts verzeichneten die Mess- teln von Sachkenntnis, um mit gut entwi- strument – nur wissen dies noch zu wenige de am Kontrabassspiel. Die gilt es zu fördern stationen ein kleines Erdbeben“, schmunzelt ckelter Kontrabass-Technik weiter voran zu und zu stärken. Jeder, der hier ist, soll sich in Jürgen Michel, „wer weiß, ob dies nicht durch kommen. Die Freude an der Musik und am Wäre der Kontrabassist ein Tier oder eine sein Instrument neu verlieben und mit vielen unsere geballte Basspower ausgelöst wurde“. gemeinsamen Spiel, sowie das Kennenler- Pflanze, so stünde er vermutlich längst auf frischen Impulsen nach Hause zurückkehren.“ nen Gleichgesinnter schafft Motivation und der Liste schützenswerter und vom Ausster- Wer dem fröhlichen Treiben zuschaut, ge- Dabei ist Power-Play beileibe nicht die einzige fördert die Begeisterungsfähigkeit. Der Un- ben bedrohter Arten. Kaum ein Liebhaberor- winnt den Eindruck, dass dieses Konzept bei Spielart, die der Kontrabass beherrscht, ganz terricht bei verschiedenen Lehrern und das chester, das nicht händeringend nach guten den Teilnehmern gut ankommt. „Man fühlt im Gegenteil. Das Klang- und Dynamikspek- Zuhören beim Unterricht anderer Schüler Bassist/inn/en Ausschau hielte. Und oft ge- sich hier wie das Mitglied einer großen Familie, trum ist außerordentlich facettenreich. Und unterstützt die kritische Auseinanderset- nug bleibt letzten Endes nichts anderes übrig, und es macht einfach riesig viel Spaß, mit so vielfältig sind auch die musikalischen Betäti- zung mit dem eigenen Spiel. als kurz vor dem Konzert noch ein paar Profis vielen Gleichgesinnten beisammen zu sein“, gungsfelder. Wer dachte, dass der Kontrabass Alle Teilnehmer erhalten mit einem vor- einzukaufen. Düstere Aussichten also, und schwärmt Eva, eine der Teilnehmerinnen. „nur“ im Orchester zu Geltung kommt, wird bereiteten Stück ihrer Wahl Einzelunterricht keine Besserung in Sicht. Oder etwa doch? Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl ist bei al- hier in Heek schnell eines Besseren belehrt. bei verschiedenen Pädagogen. Auf diese Ortstermin in Heek, einem kleinen Städtchen len Veranstaltungen zu spüren, doch nirgends So gibt es beispielsweise reizvolle kammer- Weise kann sich jeder komprimiert fach- im Westlichen Münsterland und Sitz der Lan- ist es gegenwärtiger als beim Bassorchester. musikalische Aufgaben in Hülle und Fülle. lichen Rat aus unterschiedlichsten Sichtwei- desmusikakademie Nordrhein-Westfalen. An Hier musizieren wirklich alle 50 Teilnehmerin- Und wem das noch nicht Herausforderung sen einholen. Der Unterricht ist „öffentlich“. Bühne frei für den Kontrabass. Das gemeinsame Musizieren in kleinen und größeren Gruppen macht allen eine Menge Spaß. drei Tagen im Mai findet hier das sogenannte nen und Teilnehmer einträchtig miteinander, genug ist, versucht sich an einem der teil- Das bedeutet, dass für alle Teilnehmer die Bass-Camp statt, veranstaltet von der Päda- jede/r auf ihrem bzw. seinem jeweiligen Lei- weise hochvirtuosen Solowerke. Nicht zu führen könne. Doch in letzter Zeit sei etwas stellen. „Schimpfen die sehr, wenn man falsch Möglichkeit besteht, dem Unterricht der gogischen Arbeitsgemeinschaft Kontrabass, stungsniveau. Möglich wird dies durch spe- vergessen die faszinierende Welt des Jazz, in Bewegung geraten. Von Veranstaltungen spielt?“, fragte eine Teilnehmerin. Doch sämt- anderen beizuwohnen. Dies ist nicht nur NRW, kurz PAK NRW genannt. 50 Bassi- zielle Kompositionen, die der Hamburger aus der Bässe nicht wegzudenken sind. wie zum Beispiel dem Bass-Camp profitierten liche Ängste erweisen sich als völlig unbe- spannend, sondern fördert gleichzeitig den stinnen und Bassisten sind dem Ruf der PAK Bassist und Komponist Stefan Schäfer sowie Eigentlich unverständlich, warum nicht viel Lehrende und Lernende gleichermaßen. Denn gründet, denn die Herren und Damen Profes- kritischen Blick auf sich selbst. gefolgt, der jüngste sieben Jahre, der älteste Jürgen Michel geschrieben haben. Sogar Spie- mehr Musiker Kontrabass spielen. Dies sei sie böten die Gelegenheit, neue Unterrichts- soren sind nett und richtig locker drauf, wie Während des gesamten Seminars steht 75 Jahre alt. „Genau dies ist die Grundidee ler, die bislang nur leere Saiten streichen kön- in der Tat kaum nachvollziehbar, meint auch konzepte und Ensemblestücke direkt auszu- man überhaupt den Bassisten nachsagt, dass den Teilnehmern neben Übungsräumen zur des Bass-Camps“, erläutert Jürgen Michel, nen, sind in diesen Stücken bereits bereits voll Jürgen Michel, doch über viele Jahre und Jahr- probieren. Auf diese Weise zeige sich sehr sie sehr verträgliche Musiker sind. individuellen Vorbereitung auch ein Pianist Kontrabasslehrer an der Clara-Schumann- integriert. Und wer sich schon mehr zutraut, zehnte hinweg habe bei der Kontrabassaus- schnell, was auf Anhieb gut funktioniert und zur Verfügung, mit dem jederzeit gemein- Musikschule Düsseldorf und Vorsitzender der greift eben zu einer Stimme höheren Schwie- bildung vieles im Argen gelegen und es habe was vielleicht noch nicht so ganz ausgereift ist. Wer noch auf der Suche nach einem geeig- sam geprobt werden kann. Ergänzt wird das PAK NRW. „Hier spielt es keine Rolle, wie alt rigkeitsgrads. Ergebnis ist ein Sound, der die einfach an guten Konzepten gefehlt, wie man Ausprobieren kann man hier in Heek Vieles. neten Instrument für die Kinder oder die Enkel Seminar durch das gemeinsamen Musizieren jemand ist und ob man bereits ein Könner Wände vibrieren lässt. Oder sogar die Natur- Jugendliche für das Instrument begeistern und Neue Werke für Kontrabässe zum Beispiel. ist oder im Erwachsenenalter selbst noch ein der Teilnehmer in einem Bass-Orchester, auf seinem Instrument ist oder noch ziemlich gewalten herausfordert? „Während unseres auch schon Kinder an den Kontrabass heran- Oder auch, wie es sich anfühlt, Einzelunter- Instrument lernen möchte, sollte am Kontra- das ein bis zwei Stücke für das Abschluss- richt bei einem echten Kontrabass-Professor bass nicht achtlos vorbeigehen. Bassist/inn/ konzert einstudiert. Selbstverständlich sind zu haben. Mit Gottfried Engels (Köln), Caro- en werden gesucht, soviel steht fest, und auch hier die einzelnen Schwierigkeitsgrade line Emery (London), Song Choi (Stuttgart) das Kontrabassspielen macht Spaß. Was also an jede Leistungsstufe angepasst. und Joachim Tirler (Düsseldorf) sind vier aus- spricht dagegen, dieses Instrument einfach Das Abschlusskonzert ist öffentlich und gewiesene Bass-Promis vor Ort. So mancher mal auszuprobieren? Und wer weiß: Vielleicht wird von allen Teilnehmern gleichermaßen Teilnehmer hatte dann kurzzeitig doch Hem- markiert schon die erste Begegnung den Be- gestaltet. Hierbei erhält jeder Teilnehmer mungen, sich der Kritik solcher Koryphäen zu ginn einer lebenslangen Freundschaft. die Gelegenheit, Neugelerntes anzuwenden und mit dem Pianisten gemeinsam aufzutre- Der Kontrabass: Ausgewählte Internet-Links ten. • Pädagogische Arbeitsgemeinschaft Kontrabass (PAK) im Verband Bayerischer Sing und Im Rahmen der „Bassini“-Kurse finden Musikschulen: www.musikschulen-bayern.de/zz_ fachbereiche_ kontrabass.html Vorträge zu unterschiedlichen Themen • Pädagogische Arbeitsgemeinschaft Kontrabass Baden-Württemberg (PAK-BW) statt. Die geschichtliche Entwicklung des www.musikschulen-bw.de/landesverband-fach-ag-kontrabass.html Kontrabasses, seine Bauweise, Pflege und • Pädagogische Arbeitsgemeinschaft Kontrabass NRW (PAK) Reparatur sowie Wissenswertes und Inte- www.lvdm-nrw.de/initiative/arbeitsgemeinschaft-kontrabass-pak ressantes zu seiner musikhistorischen Be- • Gesellschaft der Bassisten in Deutschland: www.geba-online.de deutung in vergangener und heutiger Zeit • Jonas´ Kontrabass-Blog: www.kontrabassblog.de stehen dabei im Mittelpunkt. • Instrumente & Zubehör: www.bassico.de www.bassini.de Bässe, soweit das Auge reicht. Im Kontrabass-Orchester kann jede/r mitspielen. Fotos: privat Titelthema: Der Kontrabass 4 5 Titelthema: Der Kontrabass
WIR KONTRABASSISTEN SIND DAS FUNDAMENT BASSGEIGENGALA & JEDES ORCHESTERS BASSGEIGENWEIHNACHT Jahr einen Kurs mit dem Titel „Kontrabass Christoph Bruckmann im Gespräch mit Gottfried Engels intensiv“ an, wobei „intensiv“ keineswegs heißt, dass dies eine geschlossene Veranstal- Und vorher hatten Sie keinen Kontakt zur lässt sich das Instrument transportieren, und tung ausschließlich für Profis wäre. Ganz im Musik? auch mit der Deutschen Bundesbahn sind Gegenteil: Jede/r wird dort abgeholt, wo sie Doch, das schon. Ich lernte Klavier und war wir Bassisten problemlos unterwegs. Entge- oder er steht, und nach den individuellen Be- auf diesem Gebiet auch schon recht weit gen landläufiger Vorurteile passt ein Kontra- dürfnissen und Wünschen gefördert. gekommen, spielte Beethoven-Sonaten und bass übrigens auch in fast jedes Auto rein. dergleichen. Aber der Kontrabass eröffnete Doch sollte es wirklich mal ein Transportpro- Und wie finden Liebhaberorchester geeig- mir noch mal eine ganz neue Dimension des blem geben, so muss man wissen, dass wir nete Bassisten? Musizierens. In einem großen Sinfonieorches- Kontrabässe bei Dirigenten und Orchester- (lacht) Die wirklich schwierigen Fragen haben ter spielen zu können, ist einfach ein unver- kollegen fast die gleiche Wertschätzung er- Sie sich für den Schluss aufbewahrt, nicht wahr? gleichliches Erlebnis. Der Kontrabass wurde fahren wie Tenöre: falls nötig, holt man uns Es bleibt nichts anderes übrig, als die Augen „mein“ Instrument, und das ist bis auf den persönlich ab und rollt einen roten Teppich offen zu halten und mögliche Kandidaten heutigen Tag so geblieben. aus. ganz gezielt zu umwerben. Eine andere Mög- lichkeit ist es, Musikschullehrer anzusprechen Was macht denn die Faszination des Kon- Kann man auch als Erwachsener noch Kon- und zu fragen, ob einer ihrer fortgeschrittenen trabass-Spiels aus? trabass lernen? Schüler vielleicht Interesse hat mitzuspielen. Unter dem Motto „Die zauberhafte Welt der Leistungsvermögen der einzelnen Teilnehmer Wir Kontrabassisten sind das Fundament Ja, das geht sogar sehr gut. Ein wenig Ta- Hochschul-Studenten werden sich in den mei- Bassgeigen“ fand im Juni dieses Jahres bereits angepasst. So besteht auch für Anfänger die des Orchesters. Unsere Klänge bilden den lent kann natürlich nicht schaden. Aber es sten Fällen nur als bezahlte Aushilfen gewin- zum 20. Mal die bereits ledendäre Bassgeigen- Möglichkeit, das gemeinsame Erlebnis „Bass- Beginn der Oberton-Reihe, und das eröff- ist durchaus realistisch, dass man es auch nen lassen, was natürlich für den Probenalltag gala mit einem Workshop in der Bernburger orchester“ zu erfahren. net uns ein völlig anderes, umfassenderes als Spätberufener noch schafft, in einem ni- keine befriedigende Lösung ist. Patentrezepte Jugendherberge und zwei Konzerten in der und intensiveres Erlebnis von Harmonie als veauvollen Liebhaberorchester mitmischen zu kenne ich leider auch nicht. Mag sein, dass Schoßkirche St. Aegidien (Bernburg) und im Das Pendent zur Bassgeigengala ist alljähr- dies anderen Instrumentalisten vergönnt ist. können. Wenn´s gut läuft, ist dieses Ziel so- sich die Situation in einigen Jahren entspannt. Schloss Mosigkau statt. Initiator und künst- lich das wohl ungewöhnlichste Weihnachts- Gottfried Engels, Kontrabassist Hinzu kommt, dass der Kontrabass erstaun- gar in vergleichsweise kurzer Zeit erreichbar. Denn die Anstrengungen zur Ausbildung des lerischer Leiter dieses Kontrabassistentreffens konzert: die Bassgeigenweihnacht, die im lich wandlungsfähig ist. Aus dem Jazz ist er Nachwuchses wurden deutlich verstärkt, und ist Ingo Burghausen, Solokontrabassist der vergangenen Jahr mehr als 300 Zuhörer Gottfried Engels zeichnet sich durch große nicht wegzudenken. Es gibt eine Fülle reiz- Und wenn man von einem anderen Streich- erste Erfolge werden bereits sichtbar: der- Anhaltischen Philharmonie Dessau. Die Bass- anlockte – mehr als beachtlich für ein Kon- Vielseitigkeit aus. Als Kontrabassist ist er voller Kammermusik, u.a. auch für reine Kon- instrument umsteigen möchte? zeit entscheiden sich wieder deutlich mehr geigengala, die immer im Juni (Termin 2013 zert, in dem „nur“ auf Kontrabässen musi- seit 1980 Mitglied der Düsseldorfer Sym- trabass-Ensembles. Und nicht zuletzt macht Das macht die Sache natürlich noch leichter, Kinder und Jugendliche für den Kontrabass. siehe Kasten) eines jedem Jahres stattfindet, ziert wird. Neben etlichen solistischen und phoniker, ist aber darüber hinaus im In- der Kontrabass allen Vorurteilen zum Trotz denn es gibt Grundlagen, die für alle Streich- bietet einen Workshop mit Schwerpunkt auf kammermusikalischen Beiträgen sowie einer und Ausland immer wieder als Solist zu auch als Soloinstrument eine gute Figur. instrumente erst mal gleich sind. Und es gibt gemeinsamem Musizieren im Bassorchester. selbstgestalteten musikalischen Geschichte hören und als Mitglied diverser Kammer- Termine für Kontrabassist/inn/en Möglichkeiten, wie man sich das Leben bei Zusammen mit internationalen Dozenten steht das gemeinsame Spielen und Singen musikformationen und Kammerorchester. Warum entscheiden sich so vergleichswei- einem Wechsel besonders einfach macht. Ein 21. Bassgeigenweihnacht – in diesem Jahr waren dies Mette Hanskov der Weihnachtslieder am Ende des Kon- Eine Herzensangelegenheit ist ihm die pä- se wenig Spieler für den Kontrabass? wechselwilliger Cellist z.B. kann sich für die 18.12.2012 | Marienkirche Dessau (Kopenhagen), Miloslav Gajdos (Kromeriz) zertes. dagogische Arbeit. Gottfried Engels un- Offen gesagt ist mir das ein Rätsel. Denn wer französische Bogenhaltung entscheiden und www.bassgeigengala.de und Song Choi (Leutkirch im Allgäu) werden terrichtet als Honorarprofessor an der Kontrabass spielt, wird gesucht, ja geradezu braucht dann nur sehr wenig umzustellen. mit den zahlreichen Teilnehmern zwei Kon- Übrigens wird zur Bassgeigengala auch immer Musikhochschule Köln, gibt immer wieder Workshop: Kontrabass intensiv hofiert. Ganz besonders die Liebhaberorches- Ich halte das zwar nicht für optimal, aber zertprogramme erarbeitet. Die unterschied- ein passender Wein, die „Oberbergener Bass- Meisterkurse im In- und Ausland, fördert Dozent: Prof. Gottfried Engels ter haben oft riesige Probleme, geeignete machbar ist das. lichen Stimmen im Bassorchester sind dem geige“ ausgeschenkt... aber ganz bewusst auch Kinder und Ju- 19.–24.2.2013 | Landesmusikakademie Heek Kontrabassisten zu finden. Wenn Sie als gendliche, die noch Kontrabassanfänger www.landesmusikakademie-nrw.de Bassist halbwegs passabel spielen, können Wie findet man als Kontrabass-Anfänger sind oder ggf. sogar zum ersten Mal mit Sie sich Ihr Orchester quasi frei auswählen. einen geeigneten Lehrer? Kontrabass-Seminar „Bassini“ klassischer Musik in Berührung kommen. Da können andere Instrumentalisten nur von Keine leichte Frage. Zunächst sollte man sich 4.–7.4.2013 | Schloss Trebnitz träumen. Als Flötist z.B. müssen Sie schon umhören, wer als Lehrer ggf. infrage kommt. www.bassini.de Wie sind eigentlich Sie zum Kontrabass ge- riesiges Glück haben, einen Platz zu ergat- Im Idealfall hat man dann mehrere Alterna- kommen, Herr Engels? tern. tiven und vereinbart jeweils eine Probestun- Bass-Camp 2013 Das verdanke ich meinem Musiklehrer. Der de. So findet man am sichersten heraus, wel- 9.–12.5.2013 | Landesmusikakademie Heek brauchte dringend einen Kontrabass für sein Ist vielleicht der Transport ein Hinderungs- cher Lehrer geeignet ist und zu einem passt. www.landesmusikakademie-nrw.de Schulorchester. Und deshalb stiftete er mich grund? Wer bereits Kontrabass spielt, kann sein 21. Bassgeigengala – nicht ganz uneigennützig – dazu an, dieses Psychologisch vielleicht ja, faktisch nein. Spektrum jederzeit erweitern, indem er spe- 28.–30.6.2013| Bernburg Instrument zu lernen. Ich habe das nie be- Meine Schüler beispielsweise wissen sich zielle Workshops für Bassisten besucht. Z.B. www.bassgeigengala.de reut, ganz im Gegenteil. da gut zu helfen. In Bus und Straßenbahn biete ich in der Landesakademie in Heek jedes Fotos: Sebastian Frank Titelthema: Der Kontrabass 6 7 Titelthema: Der Kontrabass
STANDING FOUNDATIONS – ODER: NOCH ZWEI BEMERKUNGEN ZUM KONTRABASS Aufmerksamkeit. Nicht so der Kontrabas- Für diese stehende Präsenz bedankt man sich dament gelegt für alles andere. Wenn beim von Joachim Landkammer sist: er steht zu seiner scheinbar unschein- im Orchester mit langen Pausen, in denen er Schlußapplaus des Konzerts, auf Kommando baren Arbeit, ganz wörtlich, er kennt noch ausruhen darf (natürlich strammstehend, wie des Dirigenten, alle Orchestermusiker aufste- Was ist denn bitteschön zu diesem Instru- trägt – weil praktisch nicht hörbar – nichts die optimale positive Korrelation zwischen den guten alten Anstand einer mit ehrlicher es sich für einen Mann „im Einsatz“ gehört; hen, können die Kontrabassisten nur müde ment noch nicht gesagt worden? Und vor Entscheidendes zum Gesamtklang bei, steht Volumen und „meins“, denn nur was ich Hingabe und beherrschter Konzentration in den Pausen, wie etwa die Blechbläser, die lächeln über so viel kurz noch hingeheu- allem: welche Bosheiten sind über dieses In- dauernd nur unnütz im Wege herum und ist selber tragen kann (omnia mea mecum por- vollführten Darbietung, er vollbringt eine „AutoBild“ zu lesen, würde ihm nie einfallen) chelte Ehrenbezeigung. Und hat man schon strument noch nicht geäußert worden? Sehr zwar – als Baßgeige – weiblich, aber sexuell to), gehört wirklich mir – wie der Schnecke elementare Bas(s)is-Arbeit im Rahmen kol- und mit dem wichtigen Privileg, als einzige mal einen Dirigenten, bei der Einzel-Revue wenige offenbar. Neben den in diesem Heft auf hochfragwürdige Weise ödipal konno- ihr Haus. Wenn man nun darauf reflektiert, lektiver Musikerzeugung, er steht auf sei- Instrumentengruppe ganz alleine und separat der Sonderapplaus-Forderung für „beson- (wieder) abgedruckten Einsichten wird man ja tiert: „als Kontrabassist [...] vergewaltige daß – gerade im Laienmusikerbereich – die nem Posten, er ist „im Dienst“, und da rä- einstimmen zu dürfen: man weiß ja auch, wie ders herauszuhebende“ Instrumentalisten vor allem auf Patrick Süskinds gleichnamigen ich täglich in der Gestalt des Kontrabasses, Größe des Instruments auch ein Maß der kelt man sich eben nicht bequem auf dem wichtig es bei den heiklen Intonationsproble- auch die Kontrabässe auffordern sehen, da- Ein-Akt-Ein-Mann-Theater-Dauerbrenner des größten der weiblichen Instrumente – Sicherheitsmauer, der Verteidigungswaffen- Stuhl und lehnt sich nicht gemütlich zurück men im Sub-Oktav-Bereich ist3, daß (wenig- für jetzt kurz bitte doch einmal „aufzuste- von 1981 zu verweisen haben; sein sensa- formmäßig jetzt –, meine eigene Mutter“… Gewalt, des materiellen Schutzwalls ist, – wie etwa die notorisch faulen Bratschen2. stens) die leeren Saiten stimmen… hen“? Lächerlich. „Wer spricht vom Siegen? tioneller Erfolg (in der Spielsaison 1984/85 den man zwischen sich und der Musik, bzw. – überstehn ist alles“, sagte schon Rilke. Der war es das meistgespielte Stück an deutsch- Vor allem dies Letzere wird jeder einzelne zwischen sich und dem Dirigenten oder Gute Dirigenten wissen es noch: Hauptsa- Kontrabassist ist der postheroische Held des 2 Das erklärt auch, warum der Kontrabaß als fast einziges sprachigen Bühnen – mit mehr als fünfhun- Kontrabassist mit sich selbst (und seiner dem Publikum aufbaut, dann überblickt man che, der Bass „steht“(!), dann ist das Fun- Orchesters. Seine Mutter darf – trotz allem – Instrument des klassischen Bereichs ab und zu eine Pause dert Aufführungen!) dauert immer noch an: Mutter) ausmachen müssen; und auch alles das defensiv hocheffiziente psychomusika- stolz auf ihn sein. von diesem rigiden quasi-soldatischen Drill des Klassikbe- derzeit ist das Stück etwa in Hamburg, Kiel, andere mag man vorerst mal so stehen las- lische Potential, das in dieser Dicken Berta triebs braucht und gern zwischendurch seine Stellung ver- 3 An dieser Stelle darf vielleicht auch ein letztes Mal die Augsburg, Frankfurt, Leipzig, Bern und an- sen und sich immer wieder gern im Theater der Streicherbatterie steckt. Kann man sich läßt, um zum Jazz hinüberzuwechseln; freilich wird er auch vom Vater von Johannes Brahms überlieferte bekannte Fest- derswo zu sehen. Auf Youtube findet man anhören. Gleichwohl mögen trotzdem eini- vielleicht hinter einer Flöte oder hinter einer dort, im „Gehen“ (als walking bass) harmonisch-fundamen- stellung kolportiert werden: “Ein reiner Ton auf dem Kontra- mindestens ein Dutzend Ausschnitte aus ge, vielleicht zumindest noch zwei etwas Oboe verstecken? Wie exponiert und hände- tal „seinen Mann stehen“... bass ist ein reiner Zufall”. verschiedenen Inszenierungen. Die ausführ- positivere Bemerkungen zum Kontrabaß ge- gebunden ist man denn mit einem völlig un- liche Instrumentenselbstbeschimpfung des stattet sein. Zum einen wird man die Größe natürlich unters Kinn(!) gepreßten, armlan- RZLiebhaberorch_Ravel2012_Layout 1 06.11.12 17:20 Seite 1 Süskindschen Staatstheater-Kontrabassisten des Instrumentes auf der Skala zwischen, gen, ständig festzuhaltenden Kleinholz-Teil? Anzeige vom dritten Pult läßt praktisch keinen Vor- sagen wir, Piccolo-Flöte und Orgel als die Nur das Susaphon, das einen umschlingt wurf aus, den man dem sperrigen und schon bestimmen müssen, die durch „das größte wie den armen Laokoon die Schlangen, ist in seiner Form völlig mißlungenen „Wald- selbst mitzubringende Instrument“ definiert da noch gefährlicher bewegungseinschrän- wird; denn die Orgel ist sowieso festinstal- kend.1 Nur wer – wie weiland der edle Ritter Bienvenu, Maurice ! schrat von einem Instrument“ noch machen könnte: „das scheußlichste, plumpeste, liert, das Klavier wird immer vom Veran- mit Schild und Panzer – hinter dem mas- MEHR FRANKREICH uneleganteste Instrument, das je erfun- stalter gestellt und der Harfenistin trägt ihr siven, eindrucksvoll mannshohen Ungetüm den wurde“ läßt überhaupt keine sauberen, Vater/Ehemann/Liebhaber das Instrument eines ausgewachsenen Kontrabasses steht, IM „BREITKOPF URTEXT“ * Maurice Ravel schönen, solistisch tolerierbaren Töne zu, es auf die Bühne. Der Kontrabaß realisiert also darf sagen: „Hier stehe ich und kann nicht NEU Rapsodie espagnole Debussy: La Mer anders“. hrsg. von Jean-François Monnard hrsg. von Peter Jost PB 5530 Partitur € 52,– PB 5399 Partitur € 85,– OB 5530 Streicher à € 5,– Und das ist bereits der zweite wichtige Harmoniestimmen € 108,– Lalo: Symphonie espagnole op. 21 Punkt: der Kontrabassist steht, muß als ein- hrsg. von Christian Rudolf Riedel Ein drittes viel gespieltes Orchesterwerk Ravels ist PB 5520 Partitur € 48,– ziger Instrumentalist wirklich stehen. (Daß im Breitkopf-Programm angekommen – und dies Lalo: Violoncellokonzert d-moll ** mittlerweile viele verweichlichte Bassisten natürlich im „Breitkopf Urtext“, den wieder der hrsg. von Peter Jost auf völlig deplatzierten Barhockern dandy- Ravel-Experte Jean-Francois Monnard als Heraus- PB 15100 Partitur € 58,– haft hinter ihrem Instrument herumlüm- geber betreut. Spanien lag als kompositorisches Ausflugsziel nach 1900 quasi in der Luft, wie z. B. Ravel: Boléro meln, muß hier einmal deutlich als Musikkul- Debussys „Iberia“ belegt, und das pointierte hrsg. von Jean-François Monnard turverfall gebrandmarkt werden). Stehende Vorwort Monnards zieht virtuos Verbindungslinien PB 5299 Partitur € 48,– Instrumentalisten signalisieren sonst nur zwischen den damals in Paris wirkenden Kompo- Ravel: La Valse nisten, zu denen auch Igor Strawinsky gehörte. hrsg. von Jean-François Monnard solistische Wichtigtuerei und persönliche Die „Rapsodie espagnole“ gilt insbesondere als PB 5374 Partitur € 52,– Nachholbedürfnisse in puncto öffentliche Meisterwerk, was den Instrumentationszauber Ravels angeht. Dieses Feuerwerk der Orchestrierung * Aufführungsmateriale alle käuflich lieferbar verdient ein verlässliches und käuflich lieferbares ** Kooperation mit dem G. Henle Verlag 1 Und am schutzlosesten ist man der Hör-Umwelt als Aufführungsmaterial, das dauerhaft im Besitz jedes performer natürlich völlig ohne Instrument ausgeliefert, also Orchesters verbleiben kann. als SängerIn. Wenn man da nicht zumindest einen Pavarotti- Schal, eine gut gefüllte Thermoskanne mit Tee und eine gehö- rige Portion Einbildung, Anmaßung und Diventum mitbringt, www.breitkopf.de Breitkopf tacet = flacet? Auch Pausen muß ein Kontrabaß überstehen | Zeichnung: Christian Goldbach hat man keine Chance. Titelthema: Der Kontrabass 8 9 Titelthema: Der Kontrabass
DER CONTRABASSIST ALS ARBEITER In diesem Heft haben wir ja weder Kosten der Contrabaß; bei dieser Behauptung ist natürlich und wahr, daß sich die Kraft des noch Mühen gescheut, die gewichtige Bedeu- aber eine gewandte, leichte und freie Be- den Contrabaß behandelnden Musikers, d. h. tung des Kontrabasses im Orchester und für handlung des Instrumentes gleichwohl im wenn er überhaupt die nöthige Körperstärke unser aller musikalisches Wohlbefinden ins Auge zu behalten. Man hat hunderte von in sich trägt und fleißig ist, sehr bedeutend rechte Licht zu rücken und dieses grandiose Contrabassisten, welche aus zwei Gründen steigert, daß seine Armmuskeln sich, wie Instrument potenziellen Kontrabasseleven nicht genügen, weil sie entweder aller Tech- bei einem Handarbeiter merkbar ausdehnen schmackhaft zu machen. Wie richtig und nik entbehren und nur mit roher, vierschrö- und derber werden, und daß es ihm dadurch wichtig dieses Ansinnen dankbarer Wert- tiger Gewalt ihre Saiten anzureißen vermö- allerdings nach und nach weniger schwer schätzung der sechzehnfüßigen Großgeige gen, oder weil sie, obgleich zuhause auf wird, die Arbeit bei der Behandlung seines war, ist und immer bleiben wird, zeigt auch ihrem Instrumente, aller Kraft bar sind und Instrumentes zu bewältigen; indessen wird der Fund eines kleinen, bereits vor 150 Jahren mit säuselnder Gewandtheit den Charak- dennoch zeitweise diese Behandlung zur verfassten Textes, der bis heute nichts, aber ter der Großgeige völlig verleugnen. Es ist förmlichen körperlichen Strapaze, wovon ein auch gar nichts von seiner Gültigkeit verlo- schwer, sehr schwer, allen Anforderungen reichlich durchnäßtes Taschentuch gar oft ren hat und deshalb – der Ehrlichkeit halber zu genügen, und es gehört unbestritten das glänzendste Zeugnis ablegt. Sollte nun – hier auch nicht verschwiegen werden darf. eine extraordinäre Naturbegabung dazu, irgend Jemand bezüglich der Doppeleigen- Jeder Großbassspieler, jede Großbassspielerin ein wirklich guter Contrabassist zu werden schaft eines wirklich guten Contrabassisten Zeichnung: Christian Goldbach wird uns das bestätigen, ja, würde vermut- und zu sein. noch Zweifel hegen und bestreiten, daß man lich sogar heiße Tränen der Rührung über ihn, neben seiner künstlerischen Ausbildung daß sie, wenn sie im Besitze eines in jeder leichterer Gattung den in der Regel vorhan- benskraft verbraucht und daher weit früher die folgende Schilderung nicht zurückhalten Daß der Contrabassist nun, neben seiner und Gewandtheit, zugleich als einen, frei- Hinsicht trefflichen Contrabassisten sind, denen liliputartigen Baßspielern überlassen. invalid wird, wenn er so zu sagen immer im wollen, wäre da nicht das Handicap eines Eigenschaft als Musiker im Allgemeinen, zu- lich nicht beneidenswerthen Repräsentan- denselben nicht allein anständig honoriren, Die Befolgung dieses Rathes wird eine rein Feuer liegen und seiner schweren, die Ner- quasi von Berufs wegen schon durchnässten gleich Arbeiter und manchmal Vertreter sehr ten schwerer Handarbeit betrachten muß, sondern ihn auch auf alle mögliche Weise speculative Maßregel sein, weil der Contra- ven aber auch dabei in hohem Grade angrei- Taschentuchs, was der Hervorbringung und schwerer Arbeit ist, davon wird man schon den möchte ich, um ihn zu widerlegen, ei- schonen; daß sie ihm nach schwerer Arbeit bassist par excellence bei der Behandlung fenden Beschäftigung unausgesetzt obliegen dem freien Laufenlassen weiterer Tränenfluten vollkommen überzeugt, wenn man bei einer nige Male in das Stadium der völligen kör- die nöthige Ruhe gönnen und alle Musik seines Instrumentes stets eine Quantität Le- muß. empfindlich entgegenstehen dürfte. Wie das? rationell montirten Baßgeige (bei welcher, perlichen Ermüdung und Zerschlagenheit – Aber lesen Sie doch bitte selbst: neben ihrer nothwendigen Größe, die Sai- versetzt sehen, in welchem ein eifriger und ten die gehörige Stärke haben und völlig so dabei seiner Aufgabe genügend gewachsener weit vom Griffbrete entfernt liegen, daß sie Contrabassist nach einem großen Concert, Der Contrabassist als Arbeiter auch bei den kräftigsten Bogenstrichen nicht einer großen Opernaufführung oder gar nach von August Müller (1808-1867, Darmstadt, aufschlagen) den Versuch macht, die Sai- einem großen Ballet neueren Genres sich be- Antonio Mingotti, Der hoffnungsvolle zu wetteifern ist, verlegen sie sich gerne von ihren dicken Saiten. Ihnen winkt nicht Fagottist und Kontrabass-Virtuose) ten auf das Griffbret niederzudrücken. Man findet. Musikus – Kleiner Ratgeber für Musikbe- aufs Pizzikato. Und damit können sie auch der Ruhm des Solovirtuosen. Sie stehen als (aus: Neue Zeitschrift für Musik, hg. von Ro- wird hier eine Spannung finden, namentlich flissene, Hermeran-Verlag 1953, S. 25: Ehre einlegen. So ein gezupfter Kontrabas- Häuflein Aufrechter zu viert, sechst oder bert Schumann, Leipzig 1862, Bd. 57, S. 225) bei der höchstgestimmten Saite, die aufs Was sollen aber diese Zeilen, und welcher ston, sauber und auf den Schlag gebracht, acht zusammen am Werk. Nennt sie ruhig evidenteste beweist, daß der Contrabassist Nutzen kann aus den gebotenen Auseinan- ... Der letzte Schritt in die Tiefe [es ist die ist wie ein Grundstein, auf dem Harmonie Knechte. Sie sind Knechte Polyhymnias und Die Musikinstrumente spielt man, d.h. man außergewöhnliche Kraft anwenden muß, um dersetzungen für das Allgemeine entsprin- Rede vom Orchester, speziell den Strei- und Rhythmus stehen. darum immer noch Herren gegen Knechte behandelt sie leicht und spielend. Kann man die verschiedensten Töne stundenlang mit gen? Diese Frage wird vielleicht Mancher chern] führt uns zu den Kellermeistern, den irdischer Herren. sie aber alle spielen, d.h. sie immer leicht den einzelnen Fingern der linken Hand so aufwerfen. Meine Worte sollen erstens für Kontrabassisten. Sie sind mit ihren Instru- Die Bassknechte, wie sie boshafterweise und spielend behandeln? – Ich glaube, daß vollkommen fest und sicher auf den Saiten alle Diejenigen ein Abschreckungsmittel menten, die bereits eine Art musikalischer von den Kollegen genannt werden, sind die man diese Frage nicht ganz zu bejahen im abzuschneiden, wie dies bei der leeren Saite sein, welche die große Baßgeige als Instru- Kleinwohnungen sind, ins Orchester ver- richtigen Landsknechte des Orchesters. Ihr Da lacht der Kontrabassist... Stande ist, und daß namentlich der Contra- durch den Sattel geschieht. Wenn wir nun ment wählen wollen, wenn sie zu einem bannt, und nur Schubert mit dem Forel- „Schrumm“ ist wie ein Schlachtruf. Sie ste- bassist darauf oft mit „Nein!“ antworten weiter den Bogen betrachten, der die gehö- zwerghaften Körperbau hinneigen; denn nur lenquintett und noch der eine oder andere hen im dichten Gewühl wie Felsen, säbeln Bassist zum Schlagzeuger: „Hast du jetzt wird. – Es giebt nämlich ohne allen Zwei- rige, verhältnißmäßige Schwere haben muß, der lang und kräftig gebaute Mensch ist im Komponist haben ihnen den Eintritt in die wie die Berserker und halten die Fliehenden verstanden, wie man den 7/8 Groove zählt?“ fel kein Musikinstrument (selbst die Orgel wenn wir bedenken, daß der Contrabassist Stande, den Contrabaß von normaler Größe private Kammermusik ermöglicht, wobei zusammen. Aber sie können auch andere Schlagzeuger: „Klar: eins, zwei, drei, vier, nicht ausgenommen, obgleich sie bisweilen mit demselben zuweilen sehr anhaltend und zu beherrschen und unter sich zu beugen, immer eine ganze Zimmerecke für sie aus- Dinge. So erdrosseln sie auf Straussens und fünf, sechs, sie-ben.“ auch eine ungewöhnliche Kraftanstrengung mit einer Wucht, welche die vollste Man- und so die Strapazen zu bewältigen, welche geräumt werden muss. Ihr Spiel hat etwas Herodes‘ Befehl mit einem entsetzlichen erfordert), das, wenn es charaktervoll und neskraft erfordert, die Saiten in die nöthige ihm als Arbeiter gar nicht selten zugedacht Ingrimmiges, und dies kommt vielleicht da- Flageolett-h Jochanaan in der Zisterne, Bassist zum Schlagzeuger: „Sag mal, was mit der Wucht behandelt wird, zu welcher Bewegung setzen muß, so wird man ohne werden. Zweitens sollen diese Zeilen aber her, weil alle Töne, ob hoch oder tief, gleich dass einem vor Beklemmung selbst die Luft iss’n eigentlich eine Synkope?“ seine Größe, Besaitung usw. auffordert, so Weiteres die Arbeitereigenschaft des guten auch alle Directionen und Vorstände von brummig sind. Da nun mit der Süße der wegbleibt, oder klauben in Brucknerschen Schlagzeuger: „Deine Eins.“ viel wirkliche Körperkraft beansprucht, als Contrabassisten anerkennen müssen. Es ist Musikinstituten darauf aufmerksam machen, Töne ihrer höher gearteten Kollegen nicht Ländlern die Pizzikati wie reife Pflaumen Titelthema: Der Kontrabass 10 11 Titelthema: Der Kontrabass
KLEINE TYPOLOGIE DER LAIENMUSIKER (XXIX): DER VERSAGER Zu guter Letzt – Warum Kontrabass? • Der Kontrabass ist das wichtigste Instru- von Joachim Landkammer ment! „Hör´ ich keinen Bass, scheiß ich auf die Melodie.“ (Hanns Eisler) In dieser Fortsetzungsreihe soll eine Reihe von dem musikalischen Aspekt der Sache eben Vorbild des fröhlich-fromm-freien Wowereit- • Der Kontrabass ist ausgesprochen beein- Charakterzeichnungen von Vertretern verschie- nur so viel abgewinnen kann, wie daß die Da- schen Mottos: ich bin nur Laie – und das ist druckend – beim Transport und auch als Mö- dener Spezies der „zoologia musicalis”, Unter- men und Herren des Liebhaberorchesters XYZ gut so…) noch ein aus schlichter intellektu- belstück. gruppe „dilettantis domesticaque” versucht „sehr munter“ und mit „viel Schwung“ und eller Beschränktheit völlig aus dem Bewußt- • Der Kontrabass bietet Zukunftschancen, werden; durch die bis zur Wiedererkenntlich- „großer Spielfreude“ musiziert haben, bedeu- sein gefallenes Geistes-Defizit darstellt (wie denn nahezu jedes Orchester sucht eher ei- keit übertreibenden Idealtypisierungen ver- tet nicht (nur), daß der Schreiberling in mu- eben beim genannten „Stümper“, musicastrus nen Kontrabassist/in als die dreizehnte Flöte... schiedener Einstellungen und Zugangsweisen sicis vollkommen unbeleckt ist, sondern daß schwachmaticus intelligentiae debilis), son- • Der Kontrabass ist sozial, denn es ist ein zur Laienmusik soll auf ironische Weise ein das rein Musikalische an der kulturellen Ver- dern ein tragisches, tief er- und durchlittenes Genuss, die mitleidvollen Bemerkungen der Beitrag zur hoffentlich nie endenwollenden anstaltung so weit unterhalb jeder sachlichen Schicksal repräsentiert, als ein „Fluch“ und Mitmenschen zu hören, wenn man mit die- Diskussion über die unbeantwortbare Frage Beschreibungskategorie anzusiedeln war, daß ein „Bannspruch“ erlebt wird, gegen den man sem liebenswerten Ungetüm unterwegs ist. geleistet werden: „Warum machen wir Freizeit- auch eine lokaljournalistische Minimalethik es sich zwar mit fast übermenschlichen Kräften, Quelle: www.bassini.de musiker eigentlich Musik?” aus Pietätsgründen erfordert, ersatzweise auf aber dennoch vollkommen umsonst zur Wehr Keep it rolling: Drum´n Bass in früher Öko-Version extramusikalische (z.B.: rein visuelle) Sekun- setzt. Den hier zu schildernden eigentlichen däreffekte abzuheben. Versager (musicus laizans forzatus disperatus DER ALTE TEXT DER VERSAGER Wenn das Laienmusikwesen also praktisch et insufficiens sub specie eternitatis) charak- terisiert die fatale Gleichzeitigkeit des perma- Wenig Sinn scheint es zu haben, das „Ver- mit dem musikalischen Versagertum dek- nenten und unzähmbaren aktiven Aufbegeh- sagen“ einem speziellen Typus von Laien- kungsgleich ist, welche seiner typologischen rens gegen die eigene Unzulänglichkeit und musikerInnen zurechnen zu wollen, wenn Ausprägungen und Untergruppen kann man die ständig wiederkehrende niederschmet- ausgewählt von Michael Goldbach doch das Allererste und Allerklarste, was dann noch als „Versager“ identifizieren, v.a. ternde Einsicht in die Vergeblichkeit dieses man vom Liebhabermusikanten in jeder sei- wenn ja eine extreme Erscheinungsform der Aufbegehrens. Und diese Einsicht ist um so Oft liegt ein besonderer Reiz darin, wenn Kol- letzten Stufe der Vollendung und Schönheit mußte? Ist Haydn nicht deswegen unfähig, tief ner vielfältigen Erscheinungsformen sagen laienmusikantischen Inkompetenz, Igno- erschütternder, als sie heute so schwer ge- legen sich übereinander äußern – zumal dann, führten. Haydns Werke sind ein notwendiges zu erschüttern, Tränen der Begeisterung her- wird, von vornherein immer eben das ist: er ranz und Untauglichkeit bereits sehr früh macht, ja ständig verleugnet wird: von über- wenn ein bedeutender über einen anderen und starkes Glied in der Kette der sinfonischen vorzurufen, durch Kraft und Pathos die Stim- ist musikalisch inkompetent, unfähig, un- im „Stümper“ (Folge 5, Heft 2/2000) ausge- all werden wir bombardiert mit der fatalen bedeutenden spricht. Im vorliegenden Falle Kompositionen. Ohne ihn wären weder Mo- mung niederzuwerfen, weil er noch nicht bis zuverlässig, einfach „zu schlecht“ – eben macht worden war? Die Antwort: hier und Kombination von Optimierungsversprechen nimmt Tschaikowski ein Konzert, das mit einer zart noch Beethoven gewesen, zumindest hät- zur Epoche der heranbrechenden, von Zweifeln „ein Versager“. Wäre er´s nicht, wäre er ja heute soll eine Spezies in den Vordergrund und -zwängen, sei es, daß es unsere Bildung Haydn-Sinfonie schloss, zum Anlass, sich all- ten diese beiden Großen der Musik eine andere zerrissenen, von trostloser Wehmut gequälten kein Laie, sondern eben ein wirklicher Kön- treten, für die das Scheitern an den von der („lebenslang lernen“), unsere Finanzsituation gemein zu Haydns Musik zu äußern. Tschai- Entwicklung genommen. Sie wären auf einen Romantik der auf ihn folgenden Generation ner, ein Profi. Der Liebhaber definiert sich Musik eigentlich gestellten Ansprüchen weder („täglich sparen“), unsere physische Präsenz kowsky arbeitete als junger Mann einige Jahre weniger bearbeiteten Boden gelangt und im lebte? All dies sind tiefe, interessante Fragen, schlechthin durch sein konstantes (und fol- ein gern übersehenes Manko (etwa nach dem (von der Schönheits-OP bis zum 24-Stunden- als Musikkritiker, eine Arbeit, die ihm wichtig Wachstum ihres ungeheuren Genies auf große die ich den Liebhabern ästhetischen Philoso- genloses!) Unterschreiten fast aller denkbaren Deo) oder unsere Körperfigur („BMI“ und war und der er mit Begeisterung nachging. Hindernisse gestoßen. Aber wenn man die un- phierens stelle. Mindest-Untergrenzen erwartbarer „Quali- „Bauch-Beine-Po-Fitness“) betrifft, an der schätzbaren historischen Verdienste Haydns Ich sagte oben, daß Haydn völlig dem Ge- tät“. Noch die kümmerlichste performance wir unbedingt „arbeiten“ sollen. Überall wird Peter I. Tschaikowsky Erinnerungen und erwähnt, darf man nicht verkennen, daß er kei- biet des „Niedlichen" angehörte. In jeder seiner wird legitimiert (d.h.: schöngeredet) durch uns suggeriert: ihr seid noch nicht wirklich Musikkritiken, hg. von Prof. Dr. Richard ne Begabung hohen Fluges war, daß er nicht Sinfonien findet man spielerische Episoden, ein den Verweis auf angebliche außermusika- perfekt, aber es braucht nur ein klitzeklein Petzoldt, Reclam Leipzig, 1945, S. 115 weiter ging als bis zu „klein" und „niedlich" und buntflimmerndes, kaleidoskopisches Spiel der lische sekundäre Ersatzgewinne (die „Freude bißchen Zeit, Geld, Geduld, Aufwand und kein einziges Mal jene geheimnisvollen Saiten Töne, das ein musikalisches Ohr unfreiwillig am gemeinsamen Musizieren“, die „Lust“ des „alles wird gut“. Übersetzt ins Musikalische EINE SINFONIE VON HAYDN der menschlichen Seele streifte, aus denen spä- bezaubert. Man darf jedoch auf keinen Fall sa- „Selber-Machens“, der Stolz des Tatsächlich- heißt die verführerische Forderung dann: ihr tere Komponisten so viel erschütternde, tief- gen, daß Haydn unwiederbringlich aus unseren Vor-Echtem-Publikum-Auftretens, und natür- müßtet doch einfach nur ein bißchen mehr Das Konzert wurde durch eine der zahlreichen pathetische Töne zogen ... Dem bescheidenen Konzertprogrammen ausgeschlossen werden lich immer wieder: der riiiiiiiesengroße „Spaß“ „üben“! Schon eine halbe Stunde am Tag: Sinfonien Haydns beendet. Ich schätze die be- musikalischen Chronisten ist es nicht ange- müßte. Besonders bei uns in Rußland stellt dabei…). Wer meint, daß damit nur die wirkt wahre Wunder! Die Resultate sind so- trächtlichen, sogar großen Dienste, die von messen, sich in die Geschichts- und Lebens- Haydns Musik eine Etappe dar, die von der selbsttherapeutischen elterlichen Kommen- fort hörbar! Ihre laienmusikalischen Mit- und diesem gutmütigen Alten der Sinfonie und der bedingungen zu vertiefen, unter deren Einfluß Masse unseres Publikums durchlaufen werden tare zum nervtötenden Kindermusizieren bei vor allem Gegenspieler werden staunen über Kammermusik erwiesen wurden, sehr hoch sich das Schaffen Haydns entwickelte. Wäre muß, damit es später dem vollen Verständnis unsäglichen Musikschulvorspieltagen getrof- den sagenhaften Vorher/Nachher-Effekt! So ein. Haydn machte sich unsterblich, wenn wohl Haydn tragischer, tiefer, leidenschaft- Beethovens gewachsen ist. Es ist nur zu wün- fen wären, kennt die Musikberichterstattung oder so ähnlich lauten die schmierenkomö- nicht durch die Erfindung, so doch durch die licher geworden, wenn er in einer anderen Zeit schen, daß die großen Werke späterer Kom- in den deutschen Lokalzeitungen nicht, die diantische Verheißungen, die seit jeher die Vervollkommnung jener vorzüglichen, ideal gelebt hätte? Erklärt sich nicht die Formgebun- ponisten als Gegengewicht zu seinen leichten, nach demselben Muster gestrickt sind: daß komplette Musikpädagogik-Branche (die sich logischen Form der Sonate und der Sinfonie, denheit und die elegante Kühle seiner Musik oberflächlichen Ideen und Formen dargeboten der feuerwehrfest- und kaninchenzüchter- ja bekanntlich selbst aus Versagern rekrutiert, die in der Folge Mozart und Beethoven bis zur durch das Milieu, in dem er sich entwickeln werden. (1873) wettbewerbserprobte Pressemensch vor Ort Zeichnungen: Christian Goldbach bei denen es nicht zum Konzertexamen ge- Der alte Text 12 13 Beiträge
reicht hat) alimentiert und die den marktschrei- gekettet an dem einen Höllenkreis, auf den schaft in unserer so optimistisch zukunfts- Sie den schönphilosophierten Sisyphos à la erischen Marketing-Strategien der Verkäufer einen die göttliche Vorsehung verbannt hat: orientierten Gesellschaft: deswegen bleibt Camus: wir müssen uns den Laienmusiker als von Schlankheitspillen, Intelligenztabletten das ist das (wörtlich!) gottverdammte miese sie so ungesagt und wird vermutlich auch an einen unglücklichen Menschen vorstellen. und Penisvergrößerern in nichts nachsteht. Niveau, auf dem man immer und ewig kreisen dieser Stelle nur mit energischem Kopfschüt- wird. Und das Höllische daran („die Hölle, das teln quittiert. Richtig ist an dieser trotzigen Und das Schlimme ist: immer wieder fallen sind die andern“, wußte schon Sartre) ist: so- Realitätsverweigerung nur, daß es in der Tat 3 Und an dem selbst ein Peter Sloterdijk noch festzuhal- wir darauf herein. Zumindest der hier ge- lange man allein ist, kann man sich mitunter keinerlei Ausweg aus der Tragödie der real- ten scheint, nachdem er in seinem schönen Buch „Du mußt meinte „Versager“, der so gerne keiner mehr dieser existentiellen Ranking-Falle entronnen musikantischen Niveau-Kastengesellschaft dein Leben ändern“ (Frankfurt 2009) die vielen sonderbaren sein wollen würde, und trotzdem immer fühlen: ja, tatsächlich, denkt man (daheim), gibt. Jedenfalls ist es nicht das Üben und Auswüchse der modernen „Du-mußt-üben-Ideologie“ de- wieder mit dem Kopf (bzw. mit den zu be- das klingt ja schon viel besser, das flutscht, Trainieren, wie die brav-bürgerliche Ideologie tailliert beschrieben und kommentiert hat. häbigen Händen und zu langsamen Fingern) das fließt, das klingt ja fast schon wie auf der es will (die ja heute schon im Kindergarten auf jene bitterste Wahrheit gestoßen wird, CD, so brillant, so flüssig, so „professionell“: „Leistungs- und Anstrengungsbereitschaft“ Bisher erschienen: Der Perfektionist, Heft 2/98; Der Nörgler, die da lautet: es gibt keine Verbesserung des aber nur solange, bis man genau das exakt einfordert3), sondern: nur ein Teufel könnte ein Versager ist) denn als Pfand anzubieten? Heft 1/99; Der Mitläufer, Heft 2/99; Der alte Hase, Heft 1/00; Der miserablen eigenen musikalischen Talents. gleiche Stück nicht mehr alleine und für sich uns retten (um auch hier einmal Heidegger Was sollte das gute Beelzebüblein denn bloß Stümper, Heft 2/00; Der Erotiker, Heft 1/01; Der Klangästhet, Heft Auch wenn man schuftet und rackert wie ein spielt, sondern in der Gegenwart von anderen zu korrigieren). Nur ein diabolisch-faustischer mit unserer durch tausend ermüdend-zer- 2/01; Die Bratscherin, Heft 1/02; Der Schlamper, Heft 2/02; Die Verrückter (also: wie ein Profi), nicht nur die Ohren; sobald der performanz-fixierte Musik- Teufelspakt könnte uns wenigstens einmal im mürbende, masochistische Trainingstorturen Aushilfe, Heft 1/03; Der Dirigent, Heft 2/03; Die LOKBUB, Heft angeblich ausreichende tägliche halbe Stunde, betrieb uns sein hämisches „hic-Rhodus-hic- nur halboffenen Augen durch die (nicht nur Leben über die unüberwindbaren Schranken ausgebrannten, ungläubigen „Seele“ noch an- 1/04; Das Gründungsmitglied, Heft 2/04; Der Blechbläser, Heft sondern sich drei-vier-stundenlang (und auf salta!“ entgegengrinst, schlägt unerbittlich musikalische!) Welt laufende Zeitgenosse die unserer angeborenen Leistungsbeschränkt- fangen wollen? Nein, er wird müde ablächeln, 1/05, Die Liebhabermusikergattin, Heft 2/05; Der Instrumental- Kosten der wenigen sozialen Kontakte und der allseits bekannte Vorführ-Effekt zu, das völlig überraschungsresistente Erfahrung, daß heit erheben und endlich zum „Fliegen“ wenn wir ihm einen teuflischen „Anti-Di- lehrer des Liebhabermusikers, Heft 1/06; Der etwas seltsame Typ, der abnehmend-wohlwollenden Mit- und Ne- verschärfte Murphy-Gesetz des Laienmusi- manche „es einfach drauf haben“, andere eben bringen, genauso wie das die an sich selbst lettantismus-Pakt“ abringen wollen; in einer Heft 2/06; Der Orchesterkasper, Heft 1/07; Die Laiensängerinnen benmenschen) durch Etüden1, Läufe, schwie- kers („alles was beim Proben noch nie schief- „einfach nicht“ und vor allem: es „nie haben“ verzweifelnden Versager Johann Faust und entgötterten Welt werden auch Satane kaum und -sänger, Heft 2/07; Der Jazzer, Heft 1/08; Der Schwätzer, Heft rige Passagen quält: am Ende steht man da gegangen ist, wird bei der Aufführung schief- werden. Diese Selbstverständlichkeiten darf Adrian Leverkühn ja auch erhofft hatten. Nur: satt, auch der höllische Ofen ist längst aus. 2/08; Der Organisator, Heft 1/09; Der Vom-Blatt-Spieler, Heft wie Goethes „Tor“: genauso schlecht „als wie gehen“) kommt kategorisch zu seiner Geltung, man freilich nur hinter vorgehaltener Hand was hätten wir, im Vergleich zu den beiden li- Und so, von allen guten wie von allen bösen 2/09; Der Liebhabermusiker und sein Instrument, Heft 1/10; Der zuvor“. Wie in Dantes Inferno ist man fest- die grausame Wirklichkeit des hoffnungslo- äußern, oder besser noch: man behält sie teratisierten Herren, dem potentiellen Partner Geistern verlassen, peinigen, plagen und bla- Konzertverweigerer, Heft 2/10; Der Aufnehmer, Heft 1/11; Der sen Dilettanten holt den ewigen Versager für sich. Aber die implizite, realistische, von mit dem Pferdefuß (der übrigens ja auch nur mieren wir uns weiter vor uns hin. Vergessen Stimmführer, Heft 2/11; Der Eiler, Heft 1/12. wieder ein – und zwar mit einer unbarmher- jeder Lobduselei befreite Einschätzung der 1 Etüden sind die präferierten Selbstfolterungsmittel aller zigen Gnadenlosigkeit, für die „Lampenfieber“ anderen, wie leider auch die unvoreingenom- Anzeige an Mangel von Selbstbewußtsein leidenden Musiker, also be- oder ähnliche küchenpsychologische Pseudo- mene Selbsteinschätzung, ist untrügerisch: sonders der „Versager“: „richtige“ Werke sind ja viel zu scha- rationalisierungen nur hilflose Ausflüchte und wer über Jahre mit den gleichen Leuten mu- de, um durch die erbärmlichen Fehlleistungen ihrer Übe-Prak- schicksalsblinde Notlügen darstellen.2 siziert, weiß ganz genau, welcher laienmu- tiken „ruiniert“ zu werden, also toben sie sich an musikalisch sikalischen Gewichtsklasse sie angehören minderwertigem Trainings-Material aus, nur um am Ende dann Auch hier also darf an ein paar liebgewordenen und immer angehören werden, ganz gleich, eben nur ein paar blöde Etüden zu beherrschen – und nicht Mythen und Tabus gekratzt werden. Anders wieviel sie zwischendurch vielleicht gespielt einmal die. als die gängige liberal-demokratisierende und oder gar „geübt“ haben sollten. Wer nur eine pädagogik-besessene Meliorisierungsideolo- zweite Geige ist, ist und bleibt einfach eine, gie es will: die Gemeinschaft der Musikaus- lebenslänglich – und wen man einmal (natür- übenden ist und bleibt eine ungerechte und lich nur insgeheim, für sich) als „mittelmäßige ungleiche Klassengesellschaft. Keine mensch- erste Geige“ kennengelernt und klassifiziert liche Selbstkasteiung und Plackerei ändert die hat, wird auch Jahrzehnte später exakt diese naturgegebenen, wahrscheinlich genetischen Klassifikation rechtfertigen. Wer einmal auf- Ausgangsbedingungen. Denn natürlich fallen gefallen ist, weil er partout nicht zählen kann, die meisten Meister vom Himmel, und nie- wird es auch später nie mehr gelernt haben, mand ist je wirklich seines Glückes Schmied bei wem es für das zweite Cello im Sextett gewesen, und Übung hat noch keinen ein- oder Oktett langt, wird nie das erste spielen zigen Meister gemacht. Konträr zu derartigen dürfen, bei jedem „Eiler“ (vgl. Folge XXVIII) Volksmund-Trivialitäten macht jeder mit auch weiß man schon vorher, daß er wieder „trei- ben wird wie Sau“ und kieksende Bläser blei- 2 Selbst solch ein großartiger Versager wie der „Untergeher“ ben halt auf ewig kieksende Bläser. (Th. Bernhard) Glenn Gould hat sich bekanntlich eines Tages dieser Tyrannei des Vorführen-Müssens nicht mehr unterwerfen Natürlich wissen alle um das gefährlich de- wollen und sich geweigert, noch öffentlich aufzutreten. struktiv-defätistische Potential dieser Bot- Beiträge 14 Liebhaberorchester Herbst.indd 1 15.10.2012 10:51:02
Sie können auch lesen