Das liebhaberorchester 22017 - Die schöne Stelle (III) - Die Pause - BDLO
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2 2017 ISSN 0460-0932 61. Jahrgang Das liebhaberorchester Zeitschrift für das Liebhabermusizieren Die schöne Stelle (III) – Die Pause Das Liebhaberorchester und die Politik Zur Tradition von Orchestergemeinschaften
Editorial Das klingt doch Liebe Leserin, lieber Leser, gleich viel besser! S pät erhalten Sie die neue Ausgabe unseres Lieb- haberorchesters, hoffentlich aber noch nicht zu spät, soll heißen: doch noch rechtzeitig vor Dass das »Instrumentale Laien- und Amateurmusizie- ren« im Dezember 2016 erfreulicherweise in das bun- desweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes Beginn Ihrer Ferienzeit?! Wir bitten um Entschuldi- aufgenommen worden ist, wird auf S. 33 berichtet. gung – die Layout-Erstellung war diesmal von unter- Dass am 29. Mai auch die feierliche Urkundenverlei- schiedlichen Widrigkeiten aufgehalten worden und hung über die Bühne gegangen ist, sei hiermit mitge- Die Arcus-Bögen sind die ersten Bögen, die zog sich über die Maßen in die Länge. Aber nun ist teilt (siehe auch: tinyurl.com/ydh7vp3v). Wir fragen für moderne, metall-umsponnene Saiten auch sie geschafft, und Sie halten ein wieder gut gefüll- uns allerdings, wieso im seinerzeit gestellten »Antrag entwickelt wurden. Seit 1999 am Markt, tes Heft in Händen für manche kurzweilig-informative zur Aufnahme des instrumentalen Laien- und Amateur- sind wir heute Weltmarktführer bei Profi- Lesestunde. Für unsere Buch- und Noten-Rezensionen musizierens in das bundesweite Verzeichnis des imma- Musikern. reichte der Platz nicht – Sie finden sie im Internet1. teriellen Kulturerbes« zwar von einer »Bandbreite« die Foto: Gregor Schneider Das Kräfte-Ungleichgewicht zwischen Rede war, die »von A wie Akkordeon bis hin zu Z wie weichen Holzbögen und steifen modernen Was wir nicht thematisiert haben: Die Landesmusik Zither, von Jazz-, Popular-, Kirchen- bis hin zur Volksmu- Saiten macht das Spiel unnötig schwierig. räte Berlin und Schleswig-Holstein haben auch dieses sik« reiche, die sinfonische Kammer- und Orchestermu- Die Arcus-Bögen haben eine viel höhere Jahr ein Instrument zum »Instrument des Jahres 2017« sik aber anscheinend komplett ignoriert worden ist? Spannkraft und Festigkeit und lassen ausgerufen: die Oboe. Seit 2010 wurde jedes Jahr ein, Wo gehören wir dazu – zur Volksmusik oder lieber zur sich deshalb viel einfacher spielen. Durch zumeist eher selten gespieltes und vielleicht etwas Popularmusik? ihre hohle Kohlefaserstange klingen sie zu wenig beachtetes, Instrument zum Instrument des außerdem schöner und größer. Tatsächlich Jahres erklärt, nämlich: 2010 der Kontrabass, 2011 die Von der BDLO-Präsidiumssitzung, die im Januar in hat der Bogen einen größeren Einfluss Posaune, 2012 das Fagott, 2013 die Bağlama, 2014 die Leipzig stattfand, gibt es keinen ausführlichen Bericht. auf den Klang, als die meisten Menschen Bratsche (siehe auch Das Liebhaberorchester 2014, Hier mögen Stichworte genügen – es ging neben der glauben. Nr. 1), 2015 das Waldhorn und 2016 die Harfe. Was Sie Vorbereitung auf die Mitgliederversammlung um die Bei vielen Geigenbauern in Deutschland schon immer über die Oboe wissen wollten, erfahren Weiterentwicklung von Datenbank und BDLO-Web- können Sie Arcus-Bögen probieren. Sie in diesem Heft also nicht – aber fragen Sie doch seite, um Fragen rund um die Noten-Bibliothek und Gerne schicken wir Ihnen aber auch völlig einfach mal die Oboist/inn/en oder auch Englisch- um den anstehenden Wechsel in der Geschäftsfüh- unverbindlich eine Auswahl an Bögen zu. hornspieler/inn/en in Ihrem Orchester … rung. Dazu siehe aber die ausführliche Vorstellung des (ab 1. Januar 2018) neuen Geschäftsführers Jasko Übrigens klingen nicht nur einzelne Dafür bieten wir Lektüre zur »Orchestertradition vor Dolezalek (der Name spricht sich so, wie geschrieben, Instrumente, sondern auch ein mit vielen 1800« (Joachim Conradi, ab S. 15), über zwei eher unbe- also Do-le-za-lek) auf S. 30. Arcus-Bögen ausgestattetes Orchester kannte und bislang wenig beachtete Jubilare (Michael deutlich klarer und schöner. Wenn Sie das Goldbach, »Zum 250. Geburtstag von Andreas und Von der Mitgliederversammlung im Mai in Magde- gerne mal ausprobieren würden, rufen Bernhard Romberg«, S. 11), oder – nach der Pause im letz- burg mit der Präsidiumsneuwahl gibt es einen kurzen Sie uns einfach an. Wir kommen gerne zu ten Heft in seiner Reihe »Die schöne Stelle« – Joachim Bericht auf S. 29. Was dort nicht erwähnt wird: Die Ihnen und statten das ganze Orchester Landkammers neueste, diesmal lang und üppig gera- Redaktion betrachtet Joachim Conradi, der auf eige- testweise aus. Sie werden Ohren machen! tene Folge »Die Pause«, siehe S. 18. Aber auch unsere nen Wunsch – nach mindestens 38-jähriger Verbands- Auseinandersetzung über die Frage, inwiefern das Lieb- arbeit, davon über 35 Jahre im Vorstand / Präsidium – habermusizieren bzw. die Amateurorchester-Verbands- nun nicht mehr Mitglied im BDLO-Präsidium ist, ab arbeit politisch sei / mit Politik zu tun habe / haben sofort als »Redaktionsmitglied ehrenhalber« und freut solle – oder auch nicht?, findet ihre Fortsetzung: Erneut sich auf viele weitere substanzielle redaktionelle Bei- meldet sich Joachim Conradi zu Wort, dem prompt Joa- träge »aus seiner Feder«! chim Landkammer eine Replik folgen lässt (S. 6 ff). Zum Abschluss: Kleiner Film gefällig? Von der Bundes- Konkret – von uns spielbare – Musik behandeln drei akademie Trossingen kam der Hinweis auf einen vier- Artikel: Michael Goldbachs Zusammenstellung eines einhalbminütigen Film über ehrenamtliches Engage- www.arcus-muesing.de »Musikalischen Luther-Pakets« (S. 10), Christoph Bruck- ment in der Musik, siehe: tinyurl.com/yblzas8v. manns Artikel über »Originalliteratur für 10 Holzbläser« (S. 26) und Thomas Schmid-Kapfenburgs Vorstellung Einen wunderbaren Sommer wünscht seines »West-östlichen Divans – Konzertsuite für Ud, Ihr / euer Arcus/Bernd Müsing KG 1 www.bdlo.org/zeitschrift/ Streichorchester und Pauken« (S. 25). Michael Knoch online-rezensionen Max-von-Laue-Str. 20 - 97080 Würzbug Tel. 0931-45211-0 DAS LIEBHABERORCHESTER 2|2017 3
Adressen Impressum Inhalt BDLO-Geschäftstelle BDLO-Präsidium Nord Herausgeber: 6 Das Liebhaberorchester und die Politik 36 Mitteilungen aus den Ländern Bundesverband Deutscher Bundesverband Deutscher Helge Lorenz (Präsident) Bernerstraße 7, 01217 Dresden, Wulf Hilbert (Vorsitzender des Landesverbandes Joachim Conradi 36 Baden-Württemberg Liebhaberorchester e.V. Liebhaberorchester e.V. lorenz@bdlo.de norddeutscher Liebhaberorchester e.V.) Berner Heerweg 183, (Präsident: Helge Lorenz) 36 Berlin-Brandenburg Glashütter Straße 101a Dr. Elisabeth Birckenstaedt (Vizepräsidentin) Habicht 22159 Hamburg, Fon (040) 60 31 57 85 (p) / 42 88 53-288 (d), Glashütter Straße 101a, 01277 9 Für eine politische »Musik-Politik« 39 Bayern 01277 Dresden straße 55, 45134 Essen, Fon (0201) 84 39 99 39, Fax (040) 42 88 53-284, nord@bdlo.de, www.bdlo-nord.de Dresden, www.bdlo.org, Eine kurze Gegenrede zum Beitrag von 40 Mecklenburg-Vorpommern bdlo@bdlo.de, (0351) 810 42 38 Fax (0351) 802 30 23 Fax (0201) 43 95 33 00, ebirck@bdlo.de UMD Dr. Susanne Gläß (stellv. Vorsitzende Bremen) Dr. Joachim Conradi 41 Hessen Redaktion: www.bdlo.org Frauke Peuker-Hollmann (Vizepräsidentin) Walberlastraße 1, Mathildenstraße 8, 28203 Bremen, Fon (0421) 758 97 (p), Dr. Michael Knoch (Leitung) Joachim Landkammer 41 Nordrhein-Westfalen 91077 Neunkirchen a.B., Fon/Fax (09134) 76 26, (0421) 21 86 01 09 (d), hb@bdlo.de (030) 824 01 08, Mitarbeiter/innen fraukepk@bdlo.de UMD Dr. Claudia Kayser-Kadereit (stellv. Vorsitzende redaktion@bdlo.de Christoph Bruckmann 10 Musikalisches Luther-Paket 44 Kammermusik / Besondere Konzerte Torsten Tannenberg Dr. Michael Goldbach, Talstraße 18, 96120 Bischberg Niedersachsen) Im Kamp 9, 49205 Hasbergen, Dr. Joachim Conradi – h. c. Michael Goldbach Projektleiter Fon (0951) 60 16 53, goldbach@bdlo.de Fon (05405) 80 89 47, Fax (05405) 80 89 48, nds@bdlo.de Dr. Michael Goldbach 46 Neue Mitgliedsorchester Fon (0351) 810 42 38 Wulf Hilbert, Berner Heerweg 183, 22159 Hamburg Wolf Tobias Müller (stellv. Vorsitzender Schleswig-Holstein) Dr. Joachim Landkammer 11 Zum 250. Geburtstag von Andreas und 46 Landesjugendorchester Sachsen Torsten Tannenberg tannenberg@bdlo.de Fon (040) 60 31 57 85, nord@bdlo.de Sonntagsmoor 4, 25436 Uetersen, sh@bdlo.de Bernhard Romberg 48 Das Orchester des Kreises Ahrweiler e.V. Anzeigenverkauf: Dr. Michael Knoch, Blücherstraße 53, 10961 Berlin Torsten Tannenberg Michael Goldbach Heike Heinz Fon (030) 824 01 08, redaktion@bdlo.de Nordrhein-Westfalen (0351) 810 42 38, 49 Orchesterjubiläen Mitgliederverwaltung/ Winfried Szameitat, Kleinreuther Weg 6, 13587 Berlin Dr. Elisabeth Birckenstaedt (Vorsitzende des Landesverban- tannenberg@bdlo.de Erscheinungsweise: 15 Zur Tradition von Orchestergemeinschaften 49 50 Jahre Kammerorchester ohne Buchhaltung Fon (030) 35 13 00 07, winfriedszameitat@gmail.com des der Liebhaberorchester NRW e.V.) Habichtstraße 55, halbjährlich (Juni/Dezember) Teil 1: Gründungen vor 1800 Dirigenten Dresden e.V. Fon (0351) 65 57 37 98 45134 Essen, Fon (0201) 84 39 99 39, Fax (0201) 43 95 33 00, Redaktionsschluss: Joachim Conradi 50 10 Jahre Kammerorchester Hockenheim heinz@bdlo.de info@nrw.bdlo.de, www.liebhaberorchester-nrw.de 15. April / 15. Oktober Landesverbände Layout & Satz: Matthias Pagenkopf 18 Die schöne Stelle (III) – Die Pause 52 Aus der Arbeit der Orchester Letizia Turini Baden-Württemberg Rheinland-Pfalz pagenkopf@bdlo.de Joachim Landkammer Konzertdokumentation 21. Oktober 2016 – Notenbibliothek Ulrich Perschmann (Präsident des Landesverbandes Baden- Erdmann Hollborn (Vorsitzender des Landesverbandes Rhein- Druck: Lößnitz-Druck GmbH 20. April 2017 Fon (0351) 65 57 37 58 Württembergischer Liebhaberorchester e.V.) land-Pfälzischer Liebhaberorchester e.V.) Jakobsgarten 8, Auflage: 6.500 Einzelheft: 5,– Euro 25 Ein West-östlicher Divan turini@bdlo.de Lämmleshalde 12, 70376 Stuttgart, Fon (0711) 54 30 28, 67069 Ludwigshafen, Fon (0621) 65 49 09, Jahresabonnement: 7,50 Euro Konzertsuite für Ud und Orchester 62 Neue Noten info@bw.bdlo.de, www.lbwl.de vorstand@rp.bdlo.de ISSN 0460-0932 Thorsten Schmid-Kapfenburg Prima vista – prima Stücke? Barbara Weidlich Notenbibliothek Bayern Saarland Die Redaktion geht davon aus, dass Autor/inn/en der Veröffent 26 Auch die Bläser können alleine: 63 Gut zu wissen Fon (0351) 65 57 37 58 Frauke Peuker-Hollmann (Präsidentin des Landesverbandes Thilo Wieske (1. Vorsitzender des Saarländischen Landesver- lichung ihrer eingesandten Originalliteratur für 10 Holzbläser Impressum und Disclaimer auf der weidlich@bdlo.de Bayerischer Liebhaberorchester e.V.) Walberlastraße 1, bandes der Liebhaberorchester e.V.) Schultze-Kathrin-Straße 9 Artikel und Bilder zustimmen, Christoph Bruckmann Orchester-Webseite und zwar im gedruckten Heft 91077 Neunkirchen a.B., Fon/Fax (09134) 76 26, 66119 Saarbrücken, Fon (0179) 121 04 50, Joachim Conradi Das Liebh aberorchester wie info@bayern.bdlo.de, www.liebhaberorchester-in-bayern.de info@saarland.bdlo.de auch auf der Webseite des BDLO. 29 Mitteilungen des BDLO A ndernfalls bittet sie um ent 29 Mitgliederversammlung des BDLO 2017 64 Das Notenrätsel – Folge V Berlin und Brandenburg Sachsen sprechende Mitteilung. Ferner 30 Generationswechsel in der Geschäfts Rainer Vogt (Vorsitzender des Landesverbandes Berlin- Helge Lorenz (Präsident des Landesverbandes Sächsischer geht sie d avon aus, dass die auf den zur Veröffentlichung ein führung des BDLO 65 Das Rätsel – Folge XXXI Brandenburgischer Liebhaberorchester e.V.) Calandrelli Liebhaberorchester e.V.) Bernerstraße 7, 01217 Dresden, gesandten Fotos abgebildeten 32 Überwältigende Resonanz bei den straße 18 f, 12247 Berlin, Fon/Fax (030) 771 97 01, Fon (0351) 403 48 17, Fax (0351) 40 43 69 60, Personen mit der Veröffent- Tagen der Chor- und Orchestermusik 2017 66 Terminkalender: Kurse, Seminare, lichung einverstanden sind. rainer-a-e-vogt@freenet.de, www.lbbl-ev.de info@sachsen.bdlo.de, www.lslo.de in Konstanz Workshops & Orchestertreffen Wir haben uns bemüht, die 33 Instrumentales Laien- und Amateur Hessen Thüringen Inhaber aller Urheberrechte der musizieren gehört zum immateriellen in dieser Zeitschrift enthaltenen Fanni Mülot (Vorsitzende des Landesverbandes Hessischer Dr. Wolfgang Müller (Präsident des Landesverbandes Thürin- Kulturerbe Texte, Noten und Bilder ausfindig Liebhaberorchester) Pfarrgasse 29, 63165 Mühlheim am Main, ger Laienorchester e.V.) Südring 15, 98693 Ilmenau-Oberpör- zu machen. Sollte dies im Einzel- 34 Neues aus der BDLO-Notenbibliothek Der BDLO hat eine Facebook-Seite, Fon (06108) 79 53 63, info@hessen.bdlo.de litz, Fon (03677) 87 75 70, info@thueringen.bdlo.de fall nicht ausreichend gelungen auf der wir Sie aktuell über die BDLO- oder es zu Fehlern gekommen Projekte (Bundesamateurorchester, sein, bitten wir die Rechteinhaber, Mecklenburg-Vorpommern Bundesmusikwoche 50plus, Dirigierkurs) sich bei uns zu melden, damit wir Volker Schubert (Vorsitzender des Landesverbandes der Lieb- berechtigten Forderungen unver- Anzeigenhinweis: Dieser Ausgabe liegt eine Beilage der und über Neuigkeiten aus der BDLO-Notenbibliothek haberorchester in Mecklenburg-Vorpommern e.V.) Willi-Zachow- züglich nachkommen können. Nordkolleg Rendsburg GmbH bei. informieren. www.facebook.com/liebhaberorchester Weg 9, 19370 Parchim, Fon (03871) 26 70 06, info@mv.bdlo.de Hinweis der Redaktion: Die Redaktion überlässt es den jeweiligen Autorinnen und A utoren, ob sie alte oder neue Rechtschreibregeln anwenden wollen, denn immerhin schreiben sie ja hier nicht für ein S chulbuch, sondern für eine Verbandszeitschrift, die viele A nsichten und Haltungen repräsentieren möchte. 4 DAS LIEBHABERORCHESTER 2|2017 DAS LIEBHABERORCHESTER 2|2017 5
Musikpolitik Musikpolitik Das Liebhaberorchester und die Politik N Eigene Zuständigkeiten anderen Joachim Conradi ach der Kontroverse um den Aufruf der »Alli- tik« so konkretisiert, dass auch die Kritiker der Veröf- wenn es weder Reise scher Werke auf dem Fuß anz für Weltoffenheit« im Heft 2/2016 die- fentlichung des »Aufrufs« kaum etwas einzuwenden kosten noch zusätzlichen folgende »Bestrafung« zuzuschieben, ist eine beliebte ser Zeitschrift folgten im Heft 1/2017 einige haben dürften. Der Generalsekretär des Deutschen Zeitaufwand erforderte – durch die GEMA-Gebühr? Leserzuschriften und ein Interview mit dem General- Musikrates ist in dem erwähnten Interview auch nur durchaus unsere Prob- Methode, das Gewissen zu entlasten Oder anmaßendes Ver- sekretär des Deutschen Musikrates unter der Über- kurz auf den Aufruf zu Toleranz eingegangen, hat viel- leme nahebringen. Es gab und es sich bequem zu machen. halten der zuständigen schrift »Musikpolitik als Verbandsauftrag – wie poli- mehr konkret die Felder benannt, auf denen er poli- auch punktuelle Erfolge, GEMA-Bezirksdirektion? tisch Musikmachen sein darf und muss«. Vielleicht tischen Nachholbedarf und kulturkritisches Poten- wenn auch in ihren alltäglichen Auswirkungen eher Mangelhafte Auskünfte? Nehmen Sie es als selbst- sollte das schiefe Bild vom »politischen Musikmachen« tial sieht: Freihandelsabkommen, ausfallender bzw. marginal: kleine Stellschrauben, an denen zugunsten verständlich oder gottgegeben hin, dass Ihr Orches- der erneuten – und bewussten – Provokation der Leser- gekürzter Musikunterricht an den Schulen, Förderung der Liebhaberorchester ein wenig gedreht wurde. Mir ter keine Spendenbescheinigungen für die Mitglieds- schaft dienen. Immerhin scheint das Thema »Politik« des Ehrenamtes. Sie als Leser sind sicher der Auffas- haben die kleinen »Erfolgserlebnisse« immerhin gezeigt, beiträge ausstellen darf, aber anderen Orchestern mindestens vorüberge- sung, dass der Deut- dass der BDLO politisch etwas bewegen kann, obwohl das ausdrücklich erlaubt ist? Stört es Sie nicht, dass hend in der Zeitschrift Immerhin scheint das Thema »Politik« sche Musikrat sich nicht er ein ziemlich kleiner Verband ist. – Was folgt daraus? Ihr Orchester jährlich zur Künstlersozialabgabe veran- angekommen zu sein. mindestens vorübergehend in der nur mit diesen, sondern lagt wird, andere Ihnen bekannte Orchester aber völlig Das ist einerseits durch- Zeitschrift angekommen zu sein. auch mit den uns alltäg- Die Zeitschrift – Sprachrohr des BDLO und ungeschoren bleiben? Oder haben Sie Angst, dass Sie aus zu begrüßen, auch lich begegnenden Wid- als Vorstand mit einem Bein im Gefängnis stehen, weil seiner Mitglieder wenn »Musik machen« und »Musikmachen politisch rigkeiten – GEMA, zu hohe Saalmieten, Noten nur auf Sie das Orchester bei der Künstlersozialkasse nicht vertreten« deutlich unterschieden werden müssen. Pump etc. – befassen sollte. Wenn er das täte, könn- Das Liebhaberorchester wird nicht nur den Orches- anmelden? Was, wenn Ihnen gegen mehrere Hunder- Niemand wird auf die Idee kommen, mich als Alt- oder ten wir uns doch aufs Musikmachen konzentrieren und tern und Einzelbeziehern zugestellt, sondern auch vie- ter ein kaum leserliches, schlecht kopiertes Noten-Leih- Neo-Nazi einzustufen, wenn ich dem Orchester Griegs die Zeitschrift weiterhin aus jeglichem Parteiengezänk len öffentlichen Bibliotheken und politischen Instituti- material geschickt wird – mit der strickten Auflage, jeg- Huldigungsmarsch aus »Sigurd Jorsalfar« auf die Pulte heraushalten, oder? onen. Unsere Zeitschrift befindet sich, so können wir liches weiteres Kopieren zu unterlassen, auch wenn es stelle und/oder selbst mitmusiziere – auch nicht, wenn unterstellen, im Zugriff interessierter Politiker. Das Ihnen nur darum geht, den Spielern durch Retuschen das in Norwegen geschieht, wo diese Klänge bei kei- Das wäre zu kurz gedacht. Eigene Zuständigkeiten heißt natürlich nicht, dass sie von denen auch gele- das Lesen zu erleichtern? Warum gibt es in unserem ner nennenswerten politischen Feier unter den Augen anderen zuzuschieben, ist eine beliebte Methode, das sen wird. Aufschlussreich ist die Aussage des General- eigentlich nicht sehr großen Land, in dem – jedenfalls oder unter Mitwirkung der deutschen Besatzungs- Gewissen zu entlasten und es sich bequem zu machen. sekretärs Christian Höppner am Ende des Interviews verbal – großer Wert auf die flächendeckende Pflege macht in den Jahren 1940–1945 fehlen durften. Eben- Beispiel GEMA: Die GEMA ist nicht nur Mitglied, son- in Heft 1/2017: »Die Zeitschrift wird mir regelmäßig der Musikkultur gelegt wird, ein geradezu groteskes sowenig wird – heutzutage – ein Mendelssohn-Fan als dern auch einer der großen Förderer des Deutschen vorgelegt mit Hinweisen auf die für unsere Arbeit rele- Süd-Nord-Gefälle bei der finanziellen Förderung der potentieller Nazi-Widerständler zu betrachten sein. Musikrates. In der GEMA wie im Deutschen Musik- vanten Stellen …«. Versuchen wir uns in die Rolle eines Orchester und ihrer Landesverbände? Sicher ist die Tatsache, dass Liebhaberorchester sich rat sitzen die Musikverlage und die Komponistenver- uns wohlwollenden Kulturpolitikers hineinzuversetzen. auf Bach, Mozart, Brahms & Co. konzentrieren und bände, gewissermaßen als Nutznießer der die Liebha- Gab es in den letzten zehn oder 20 Heften des Lieb Meine Phantasie reicht nicht aus, um aufzuzählen, um neuere oder zeitgenössische Literatur lieber einen berorchester belastenden hohen und komplizierten haberorchesters irgendwelche für seine Arbeit rele- was unseren Orchestern im Laufe der Jahre oder Jahr- Bogen machen, auch kulturpolitisch zu hinterfragen, Lizenzgebühren, beieinander. Unsere spezifischen vanten Stellen? zehnte an Widrigkeiten begegnen mag. Wir sollten aber primär handelt es sich dabei eher um ein sozio- Anliegen – einfache, transparente und vor allem niedri- damit nicht hinterm Berg halten. Wenn Das Liebha- logisches Phänomen ohne Aussagekraft in Richtung gere Tarife und nach Möglichkeit arbeitssparende Pau- Andersherum und bewusst blauäugig-übertrieben: berorchester regelmäßig Anliegen, Anregungen oder Politik. schalregelungen – kann uns niemand abnehmen, die Wäre es nicht toll, wenn sich »die« Kulturpolitiker Klagen der Orchester publiziert, wird sich nicht gleich müssen wir schon selbst vertreten, auch und gerade gegenseitig auf Das Liebhaberorchester aufmerksam alles zum Besseren wenden. Sicher ist nur: Es ändert Es kann andererseits keinen Zweifel daran geben, dass im Deutschen Musikrat. machen würden mit Hinweisen wie: »Da gibt es häu- sich gar nichts, wenn wir kritische Themen unerwähnt der BDLO als Interessenverband der Liebhaberorches- figer Dinge zu lesen, um die wir uns kümmern könn- lassen, verschweigen und in uns hineinfressen. ter in die Politik hineinwirken und sie nach Möglich- ten/müssten«. Aufgabe der Funktionäre ? keit aktiv mitgestalten sollte. In diesem Sinne denke Teilnahme an der Gestaltung ich, dass es in der Verbandszeitschrift bisher eher zu Das machen doch die Funktionäre im BDLO, die haben Eine Profilierung in dieser Richtung wäre zunächst wenig – bzw. gar keine – Auseinandersetzung mit poli- wir schließlich dafür gewählt, werden Sie vielleicht Sache der Redaktion und des BDLO-Präsidiums. Aber Der gutwilligste Kulturpolitiker wird des bloßen tischen Themen gegeben hat. War also das kürzliche sagen. Sind Sie auch bereit, einen fünf- bis zehnmal so auch jedes unserer Mitglieder kann dazu beitragen – »Meckerns« irgendwann überdrüssig werden. Politik »politische« Rauschen im Blätterwald ein hoffnungs- hohen Mitgliedsbeitrag dafür zu entrichten, dass sich ohne sich schriftstellerisch nennenswert betätigen zu ist auch Gestalten und Vordenken des künftigen Mit- voller Anfang? Ja und nein. ein paar professionelle Lobbyisten um Ihre Anliegen müssen. einanders. Was können Sie dazu beitragen? Ein Bei- in Berlin und in den Landeshauptstädten kümmern? spiel enthält das folgende Kästchen. Wenn Sie als Die ehrenamtlich tätigen Mitglieder des BDLO-Präsidi- grenznahes Orchester das Thema »grenzübergreifen- Stichwort Musikpolitik Wo Ihr Orchester der Schuh drückt ums machen im Hauptberuf etwas anderes als Musik. des Vereinsrecht« interessiert, könnten Sie ohne sich Es fällt auf, dass das Interview im Heft 1/2017 mit Als früherer Vorsitzender des BDLO konnte ich seiner- Was stört Sie bei der Arbeit für Ihr Orchester? Viel- schlau machen zu müssen, dem / den für Sie zustän- »Musikpolitik« betitelt ist. Damit wird das Thema »Poli- zeit einflussreichen Politikern bei Gelegenheit – also leicht die der Aufführung neuerer oder zeitgenössi- digen Europa-Abgeordneten etwa schreiben: »In unse- 6 DAS LIEBHABERORCHESTER 2|2017 DAS LIEBHABERORCHESTER 2|2017 7
Musikpolitik Musikpolitik Für eine politische »Musik-Politik« Eine kurze Gegenrede zum Beitrag von Dr. Joachim Conradi D rem Orchester betreiben Spieler aus Deutschland und wird zwar der boshafte Juristen-Stabreim »Formlos – r. Conradi greift in begrüßenswerter Klarheit In diesem ganz banalen Sinn dürfen und sollten auch Joachim Landkammer aus … gemeinsam die Musikpflege in beiden Ländern. fristlos – fruchtlos« gelten – aber anders als bei formal- die Frage nach dem Stellenwert und dem Sinn wir Liebhabermusiker uns eine politische Minimal- Gibt es die Möglichkeit, dafür einen rechtlichen Rah- juristischen Rechtsbehelfen sind im politischen Leben von »Politik« in der Verbandszeitschrift und imSensibilität bewahren und sie auch zur Geltung brin- men zu schaffen, der Aktionen auf Vereinsebene in bei- die Abläufe, Verfahren und Anschauungen fast nie an BDLO auf – nicht ohne freilich, so scheint es mir, die gen, bevor wir allzu schnell Verhältnisse für »normal« den Ländern ermöglicht, ebenso die gleichberechtigte einem unwiderruflichen Ende angelangt. Stoßrichtung dieser Frage allzu schnell dorthin zu dre-und »tolerierbar« halten, die von Personen geschaf- Mitbestimmung bei internen Wahlen? Wenn nein: sind hen, wo sie wieder einfach, unproblematisch, konsens- fen werden, die ja selbst anderswo gern recht naß- solche Regelungen in Vorbereitung?« In diesem Sinne wünsche ich mir, dass unsere Orches- fähig und damit im eigentlichen Sinn »unpolitisch« forsch gegen Normalität und Toleranz wettern. Denn ter ihren Verband unterstützen, sei es durch kurze wird. Natürlich kann man auf diese Weise die Debatte die scharfe Trennung der Sphären – hier nur Musik, Wenn Sie ein solches Schreiben und die zugehörigen Statements per Mail oder auch durch Anrufe bei dort nur Politik – kommt ja immer nur denen zugute, beenden (und das ist sichtlich das Ziel seiner Interven- Antworten dann der Redaktion zur Veröffentlichung der Redaktion oder der Geschäftsstelle. Wenn jedes die eine radikale Politik im harmlos-unverfänglichen tion), aber vielleicht sollte man ihr nicht allzu schnell übermitteln, kann das zusätzlich helfen, in das Thema der BDLO-Orchester sich alle 10 Jahre einmal »poli- die Spitze abbrechen, sondern sie, vor der Rückkehr Kleid des ehrbar-bürgerlichen Alltagshandelns (»aber Bewegung zu bringen, insbesondere, wenn das Anlie- tisch« äußern würde, ergäbe das in der Summe mehr zum offenbar herbeigesehnten business as usual, noch wir machen doch hier nur Musik«) vertreten und ver- gen nicht nur von einem, sondern von mehreren Orches- als Redaktion und Geschäftsstelle verkraften bzw. in einmal in ihrer ganzen Brisanz ernstnehmen. kaufen wollen. Wer sich politisch jenseits eines gewis- tern vorgetragen wird. Ähnlich könnten z.B. Orches- der Zeitschrift behandeln könnten – selbst wenn man sen, wenn auch sicherlich schwierig zu begrenzenden ter in Norddeutschland bei ihrem Kultusministerium dafür nur die Hälfte der 800 Mitgliedsorchester in Der umstrittene Aufruf, mit dem »alles begann« (vgl. Meinungsspektrums bewegt, sollte das auch in soge- – oder auch bei der Kultusministerkonferenz – nach Betracht zieht. Heft 2/2016, S. 6), war ja seinerzeit nur deswegen nannten nicht-politischen Zusammenhängen deutlich Fördermöglichkeiten in ihrem Bundesland unter Hin- ins Blickfeld der Redak- zu spüren bekommen; so weis auf Beispiele aus Süddeutschland fragen. Fragen Wenn nun der Leser meint, erst mal zehn Jahre war- tion geraten, weil das Auch MusikerInnen dürfen wie Kneipenfreundschaf- kostet nichts. Für das, was im Einzelfall herauskommt, ten zu können, dann war es nichts mit diesem Appell … Erstarken einer fremden- intolerant zu Intoleranten sein ten, Freizeitfußballgrup- feindlichen Partei am und die exkludieren, die andere pen, Kollegenzirkel sich rechten Rand der bürger- von politisch ultra-rechts Ein europäisches Vereinsstatut – Schriftwechsel exkludieren wollen. lichen Mitte uns auch in agierenden Militanten zu Deutschland mit möglichen kultur- und musikpoliti- Recht trennen, so dürfen auch MusikerInnen intolerant Wohl wissend, dass das Thema seit Jahrzehnten in fene Frage in den Tätigkeitsbereich der Europäischen schen Konsequenzen konfrontierte, die wir »als Musike- zu Intoleranten sein und die exkludieren, die andere der Europäischen Union behandelt wird, aber offen- Union fällt. rInnen« – und eben nicht nur als normale »Bürgerinnen exkludieren wollen. bar irgendwo zwischen Straßburg und Brüssel vor und Bürger« – fürchten und daher bekämpfen müs- sich hindümpelt, schrieb ich kurz nach der Brexit- Der Ausschuss hat Ihre Bemerkungen zur Kenntnis sen. Musik machen und nationalistisch-fremdenfeind- Die Diskussion um den AfD-nahen Cellisten des Leip- Abstimmung in Großbritannien an den damaligen genommen, ist allerdings nicht in der Lage, Ihre Peti- lich denken – das paßt doch »irgendwie« nicht zusam- ziger Streichquartetts, Matthias Moosdorf, die nmz- Präsidenten des EU-Parlamentes, Martin Schulz, dass tion inhaltlich zu prüfen. Ihre Bemerkungen werden men, auch wenn dieses »Irgendwie« zunächst nicht Blogs zum Thema »Rechtspopulismus und klassische eine Möglichkeit für die Bürger, sich über die eige- an den zuständigen Ausschuss des Parlaments wei- mehr kennzeichnet als ein diffuses, ungutes Gefühl des Musik« von Arno Lücker und viele andere Vorfälle nen Staatsgrenzen hinweg rechtlich zu organisieren, tergeleitet, und zwar an den Ausschuss für Binnen- Unmuts und Widerwillens. Gerade wir Laien, die wir ja zeigen, daß es hier nicht nur um eine Frage der per- die Bürgernähe der Europäischen Union erheblich markt und Verbraucherschutz, der sie im Rahmen sei- Musik aus sog. »Leidenschaft« und »Hingabe« machen sönlichen Lebens- und Freizeitgestaltung geht. Auch fördern könne. Ich gab der Hoffnung Ausdruck, dass ner Tätigkeit berücksichtigen wird. Außerdem werden (was ja heißt: wir müs- der BDLO wird sich fra- in dieses Thema nun zielorientierte Bewegung kom- Ihre Bedenken der Europäischen Kommission sowie sen sie nicht machen), Auch der BDLO wird sich fragen gen müssen, wie er mit men werde und fügte ironisch hinzu: »Meine Musik- der Sozialen Ökonomischen Arbeitsgruppe zur Infor- können und sollten es müssen, wie er mit Anhängern Anhängern rechtspopu- freunde und ich wären dafür nicht nur den Briten mation übermittelt. dankbar«. uns doch leisten, unsere rechtspopulistischer Parteien listischer Parteien, vom Gesinnung, unsere Werte gewöhnlichen Orches- Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass das Europäi- umgehen will. genauso wie auch unsere termitglied bis hinauf Nach einem Zwischenbescheid, dass mein Anliegen sche Parlament die Prüfung Ihrer Petition abgeschlos- Anforderungen an Gesinnung und Werte unserer zu seinen Funktionären in den Landesverbänden und dem Petitionsausschuss des Europäischen Parlamen- sen hat und die Akte damit geschlossen wurde.« musikmachenden Gemeinschaft nicht beim Auspacken seinem Präsidium, umgehen will. Dem Verdacht, daß tes zugeleitet worden sei, erhielt ich mit Datum vom der Instrumente abzulegen, sondern uns zu fragen, mit auch der BDLO gerade rechtspopulistisch unterwan- 22.2.2017 von der Vorsitzenden des Petitionsausschus- Immerhin eine klare Rückmeldung, und das – von mir wem wir da jeweils Musik machen. Das muß und darf dert wird, sollte man sich gar nicht erst aussetzen. All ses, Cecilia Wikström, folgendes Schreiben zu meiner nicht so schnell erwartet – innerhalb eines halben Jah- nun nicht auf einen Political-Correctness-Test jedes die anderen »politischen« Fragen, die Herrn Dr. Con- Petition Nr. 0850/2016: res. Was mich vor allem überrascht hat, ist die Regis- Orchestermitglieds hinauslaufen, aber daß es mich radi bewegen, wird man dann auch (und: sicher viel ternummer 850/2016, vergeben im Frühherbst vori- massiv stören und (auch musikalisch) beeinträchtigen beruhigter) angehen können. »Ich möchte Ihnen mitteilen, dass der Petitionsaus- gen Jahres. Hat es 2016 wirklich kaum oder kaum kann, wenn ich das Pult mit einem bekennenden AfD- schuss Ihre Petition geprüft und nach den Bestim- mehr als 1.000 Petitionen an das Europäische Parla- Mitglied teilen muß, das wird man mir eben auch nach- mungen der Geschäftsordnung des Europäischen ment gegeben, bei 200 Millionen von ihm vertretenen sehen müssen – und auch, daß ich mir dann eben ein Parlaments für zulässig erklärt hat, da die aufgewor- Bürgern? Mindestens das ließe sich doch ändern … anderes Pult, ja ein anderes Orchester suchen werde. 8 DAS LIEBHABERORCHESTER 2|2017 DAS LIEBHABERORCHESTER 2|2017 9
Luther Romberg Musikalisches Luther-Paket Zum 250. Geburtstag von Andreas und Bernhard Romberg H D Michael Goldbach ier soll kein weiterer Artikel zum Thema »Luther dig. Durch sein Wirken erhielt diese Stelle ihre hohe ie beiden fast gleichaltrigen Vettern1 Andreas Michael Goldbach und die Musik« oder »Musik der Reformations- Bedeutung. Er hat zu allen maßgeblichen Gattungen Jacob Romberg (1767 Vechta – 1821 Gotha) und zeit« stehen – statt dessen hat die Redaktion seiner Zeit gewichtige Beiträge geliefert. Seine Fanta- Bernhard Heinrich Romberg (1767 Dinklage – ein kleines Notenpaket geschnürt und der BDLO-Noten- sia ist ein polyphones Werk, das durchgehend, stre- 1841 Hamburg) entstammen einer Musikerfamilie, die bibliothek zur Verfügung gestellt, so dass die einzelnen ckenweise kanonartig, mit Imitationen arbeitet. fast 40 Jahre lang das Musikleben in der Stadt Müns- Partituren und Stimmen im BDLO-Notenkatalog unter 4Andrea Gabrieli (1532/33–1585): Ricercare. Der ter geprägt hat. Sie erhielten zunächst von ihren Vätern dem jeweiligen Komponistennamen aufgesucht und langjährige Organist an San Marco in Venedig (und Unterricht – Andreas wurde Geiger, Bernhard Cellist – 1 siehe: www.bdlo.org4Noten- katalog von dort als pdf heruntergeladen werden können1. Onkel von Giovanni Gabrieli) war ein äußerst produk- und traten schon mit sieben Jahren als Wunderkinder tiver Komponist. Ähnlich wie Willaert hat auch er für auf. Um der besseren Medienwirksamkeit willen gaben Es handelt sich dabei um sieben vierstimmige Stücke: alle Gattungen und in allen Stilrichtungen kompo- ihre Väter sie als Brüder aus. Ihr Kompositionslehrer von Luther selbst und von sechs seiner Zeitgenossen. niert. Sein Ricercare (die Gattung könnte man als Vor- war Christian Gottlob Neefe in Bonn, zu dessen Schü- Sie geben einen Einblick in die herbe Schönheit der läufer der Fuge bezeichnen) lässt verschiedene aufein- lern auch Beethoven zählte. Er beschreibt das Auftre- Klangwelt zu Luthers Zeit, einer Zeit, in der es noch anderfolgende Themen durch die Stimmen wandern. ten der Familie am Hof: »Sonntags war kleine Musik kein Dur und Moll gab, sondern die Kirchentonarten 4Heinrich Isaak (um 1450–1517): Canzone. Isaak war bei Hofe, welche aus sechs Rombergen, [… hier wer- verwendet wurden, und in der die Komponisten noch seit 1496 Hofkapellmeister bei Kaiser Maximilian. Er den einige weitere Ausführende genannt] und mir nicht in Dreiklängen dachten, sondern jede Stimme galt schon zu Lebzeiten als berühmter, äußerst frucht- bestand. Die Rombergsche Familie ist eine liebenswür- mit einem melodischen Eigenleben versahen. Rhyth- barer und bewunderter Komponist. Seine Canzone ist dige Künstlerfamilie, die ganz ineinander gewebt ist. misch komplex, entstanden so vor allem stark poly- wie die Fantasia von Willaert ein polyphon gearbeite- Die Eltern, zwei Brüder, bewohnen ein Haus, welches phon ausgerichtete Partituren, deren Zusammenhalt tes Werk, bei dem die einzelnen Themen imitatorisch im Mittel eine Scheidemauer hat. Jeder hat drei musi- Differenziert geht er auch auf eine Symphonie Bern- durch die Technik der Imitation gewährleistet wird. Die durch alle Stimmen geführt werden. kalische Kinder, eine Tochter und zwei Söhne. Die Väter hard Rombergs ein, die in demselben Konzert aufge- Stücke sind jeweils für Streichorchester bzw. Streich- 4Claudin de Sermisy (um 1490–1562). Sermisy war tragen einerlei Kleidung, so auch die Kinder.«2 Vor die- führt wurde und zu der es heißt: »Beiden, seinem Spiel quartett eingerichtet. Im Einzelnen handelt es sich um Kleriker, königlicher Kapellsänger in Paris und später sem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Lebens- und seinen Kompositionen ist eine ganz besondere folgende Werke: möglicherweise dort auch Chormeister. Sein in einer wege der beiden Vettern während der ersten 30 Jahre Klarheit, Anmut und Zierlichkeit (Eleganz) eigen, und 4Martin Luther (1483–1546): Non moriar sed vitam Mischung aus polyphonen und homophonen Teilen fast parallel verliefen. Auch ihre Ehe mit einem Schwes- so war auch wieder die Symphonie, sich in manchen (Ich werde nicht sterben, sondern leben). Von Luther gearbeiteter Satz über »Qui se pourroit plus desoler ternpaar verweist auf diesen Gleichklang, oder die Tat- melodiösen Sätzen und geschmeidigen Modulationen aus: Johann Walter, Das geist- liche Gesangbüchlein „Chor- hat sich neben seinen Liedern auch ein kurzer vierstim- et plaindre que moi?« (Wer könnte sich mehr betrüben sache, dass sie in Paris »gemeinschaftlich die Oper bewegend, von der angenehmsten Wirkung. Freilich gesangbuch“, Faksimile- miger Satz über diese gregorianische Melodie erhalten. und klagen als ich?) ist eine Musik über die unglückli- Don Mendoza fürs Theater Feydeau«3 schrieben, von war von jenen tieferen, recht das Innerste ergreifen- Nachdruck des Zweitdruckes Worms 1525 , hrsg. von Walter 4Adrian Willaert (um 1490–1562): Fantasia. Willaert che Liebe. der sich nur die Ouvertüre erhalten hat. Auch gibt es den Anregungen, wie sie Mozartsche oder Beethoven- 1 Den Hinweis auf dieses Dop- Blankenburg, Kassel u.a. 1979 war 35 Jahre lang Kapellmeister an San Marco in Vene- 4Ludwig Senfl (um 1490–1543): Tandernac. Senfl war eine Reihe von Duos und Quintetten sowie ein Kon- sche Symphonien bewirken, nicht die Rede, und mich peljubiläum der beiden Vettern Schüler Isaaks und gehörte lange Jahre als Mitglied zert für Violine und Violoncello, die im Lexikon MGG ließ vorzüglich der Schlußsatz recht kalt und nüchtern; gab Erdmann Hollborn, der Vorsitzende des Landesverban- der Hofkapelle Kaiser Maximilians an. Martin Luther, unter der Rubrik »Gemeinsame Werke von Andreas und indessen gibt es ja wohl gar viele, die eben nicht gern des Rheinland-Pfälzischer Lieb- der Senfl vermutlich persönlich kannte, schätzte Bernhard Romberg« aufgeführt werden.4 Konzertreisen in schauerliche Tiefen hinabsteigen, sondern lieber haberorchester e.V., dem ich dafür herzlich danke. ihn sehr und stand brieflich mit ihm in Kontakt. In führten sie durch ganz Europa, beide wurden zu gefei- auf lichter Fläche bleiben, und diese hören in solcher 2 MGGneu, Personenteil Bd. Tandernac steuern über einem Quintkanon in den erten Solisten und Komponisten. Musik, wie die Symphonie war, doch noch immer viel 14, Kassel 2005, Sp. 331ff 3 Encyclopädie der gesamm- Unterstimmen, der allerdings nicht immer ganz kon- Besseres als das, was sie für gut halten.«7 ten musikalischen Wissenschaf- ten, oder Universal-Lexicon sequent als Kanon durchgeführt ist, die Oberstimmen Insbesondere der Cellist Bernhard Romberg wurde Damit ist ein Punkt berührt, der die Kompositionen bei- der Tonkunst, hrsg. von Gus- in vielfachen Imitationen eigene kontrapunktische gerühmt für seine herausragende Spieltechnik, die der Brüder betrifft. Finden sich ihre Werke in der ers- tav Schilling, Stuttgart 1835. S. 39 Nebenbei: Das Mate- Linien bei. »auf dem konsequenten Einsatz der Daumenlage und ten Hälfte des 19. Jahrhunderts vielfach auf den Kon- rial zu dieser Ouvertüre (Par- 4Johann Walt(h)er (1496–1570): Komm, heiliger des vierten Fingers beruhte.«5 Sein Zeitgenosse E.T.A. zertprogrammen, gerät ihr Werk danach allmählich in titur und Stimmen) hat Erd- mann Hollborn (siehe Fußnote Geist. Walter war Mitglied der Hofkapelle Friedrichs Hoffmann beschreibt sein Spiel nach dem Besuch Vergessenheit. Zwischen Beethoven und Schubert auf 1) für sein Orchester aus einem des Weisen und später Kantor in Torgau. Er bekannte eines Konzertes in einem seiner »Briefe über Tonkunst der einen und Mendelssohn Bartholdy und Schumann alten Stimmenmaterial abge- schrieben und es dankenswer- sich musikalisch und theologisch zu Luthers Reforma- in Berlin« folgendermaßen: »Die völlige Freiheit des auf der anderen Seite erweisen sich ihre Kompositio- terweise auch der BDLO-Biblio- thek zur Verfügung gestellt. tion und legte mit seinem »Geystliche gesangk Buch- Spiels, die unbedingte Herrschaft über das Instrument, nen doch als zu zeitgebunden, um ohne die Promo- 4 MGGneu, Personenteil Bd. leyn« das erste Chorgesangbuch mit Bearbeitungen so daß es keinen Kampf mit dem mechanischen Mittel tion ihrer Schöpfer – beide Rombergs spielten überwie- 14, Kassel 2005, Sp. 334 5 Ebd., Sp. 336 reformatorischer Kirchenlieder vor. Sein Satz zu Komm, des Ausdrucks mehr gibt, sondern das Instrument zum gend eigene Werke in ihren Konzerten – überleben zu 6 E.T.A. Hoffmann, Briefe über heiliger Geist greift eine Melodie Martin Luthers auf. unmittelbaren, zwanglosen Organ des Geistes wird: können. Tonkunst in Berlin, Erster Brief, in: Schriften zur Musik – Sing- das ist ja doch wohl das höchste Ziel, wornach (sic!) Auch mag, wie Ernst Bücken in seiner »Musik des 19. spiele, hrsg. von Viktor Lieb- Also: warum nicht mal eine Probe mit einem dieser der ausübende Künstler strebt: und wer hat dies Ziel Jahrhunderts« anführt, die Beobachtung E.T.A. Hoff- renz, Berlin und Weimar 1988, S. 290f Stücke beginnen oder beenden? mehr erreicht als Romberg!« 6 manns von Bedeutung sein, der den Rombergs und 7 Ebd., S. 291f 10 DAS LIEBHABERORCHESTER 2|2017 DAS LIEBHABERORCHESTER 2|2017 11
Romberg Romberg ihnen anverwandten Komponisten aus der sogenann- von Andreas und 25 von Bernhard sind derzeit im Han- Mit einer Solopassage leiten die ersten Violinen von ten norddeutschen Schule attestiert, »daß all diesen del erhältlich. Auch die Notenbibliothek des BDLO in der Durchführung in die Reprise über. Musikern die Kraft fehlt, ihre Einfälle als symphoni- Dresden (www.bdlo.org) hat einige Werke im Bestand sche in die Welt zu senden, als schon im Grundplane und bei imslp.org finden sich weitere Materialien. Zum Das Menuetto, das auf den ersten Satz folgt, ist tra- empfundene notwendige Zusammenballung eines anderen haben sich etliche Sinfonien, Ouvertüren und ditionell gearbeitet; das Trio gibt über einer Streicher- symphonischen Entwicklungsprozesses. Sie alle schrie- Konzerte erhalten, von denen hier zwei Werke kurz vor- begleitung dem Bläsertrio aus Flöte, Oboe und Fagott ben – wie E. T. A. Hoffmann schon von Spohr gesagt gestellt werden sollen. Gelegenheit zum Gedankenaustausch. Im ersten Teil hat – statt der symphonischen Gedanken ›angenehme des Andante affettuoso wetteifern Violinen und Celli Andreas Romberg, 2. Symphonie D-Dur, op. 22 Melodien‹ «.8 miteinander in wechselnder Auszierung und Variie- Verlag Florian Noetzel Dennoch halte ich es nicht nur für musikgeschichtlich rung des folgenden Themas: interessant, sondern auch für höchst gewinnbringend, Ich habe dieses Werk in Heft II/1992 schon einmal sich mit den Werken dieser beiden Komponisten (und vorgestellt und erlaube mir aufgrund der langen Zeit- anderer zeitgenössischer Meister), die insbesondere in spanne, die inzwischen vergangen ist, erneut darauf den Schatten Beethovens geraten sind, zu beschäfti- hinzuweisen. Die Sinfonie ist handwerklich ausge- gen. Ihre Stücke zeichnen sich durch hohe Erfindungs- zeichnet gearbeitet, von guter melodischer und har- Überraschend dann ein plötzlicher Moll-Einbruch, bei kraft und handwerkliches Können aus und machen monischer Erfindung und voll überraschender Einfälle; dem die Bläser die Melodie über bedrohlichen Stör- außerdem großen Spaß beim Spielen. Gerade für uns auch die Bläserbehandlung ist äußerst differenziert akzenten des Streichersatzes unbeschadet über die Laienmusiker gibt es bei diesen in der »zweiten Reihe« und überlegt vorgenommen. In einer zeitgenössischen Runde zu retten versuchen. stehenden Komponisten noch viele interessante Ent- Und als Fußnote fügt Spohr an: »Auch Bernhard Rom- Rezension aus dem Jahr 1808 heißt es: »Sinfonieen von deckungen zu machen. berg rauchte beständig beim Musiciren und ich hörte dem großen Charakter, von der kunstreichen Anlage Das Finale Allegro beginnt mit einem heiteren Thema, ihn einst bei sich in Gotha [sic!] sein schwerstes Con- und Ausführung, von dem Reichthum an origineller das zunächst von den Streichern vorgetragen wird: 1801 trennten sich die Lebenswege der beiden Vettern. cert in Fis-moll vortragen, ohne daß ihm dabei die romantischer Dichtung, und von der schönen Zusam- Bernhard blieb nach einer letzten gemeinsamen Kon- Pfeife ausging.«10 Was für ein Gleichklang der Seelen! menstimmung aller ihrer Theile zu einem interessan- zertreise in Paris und wurde dort für kurze Zeit als Leh- Nach dem frühen Tod Andreas Rombergs, der seine ten, Geist und Herz erhebenden Ganzen, wie die von rer am Konservatorium ansässig. Ab 1802 lebte er in große Familie in Armut hinterließ, unterstützte Bern- Haydn, Mozart, Beethoven, Romberg, Eberl, sind ohne Berlin, wo er in die königliche Kapelle eintrat und zum hard durch Benefizkonzerte und Veröffentlichungen Zweifel die ersten Zierden unserer Konzerte.«12 preußischen Hofkapellmeister ernannt wurde. Die Pra- früherer Werke seines Vetters dessen Witwe und Kin- xis der Konzertreisen behielt er bei. Ab 1820 lebte er der tatkräftig. Die Satzbezeichnungen lauten: Adagio / Allegro Nachdem das Tutti den Gedanken aufgenommen hat, bis zu seinem Tod in Hamburg mit Ausnahme eines assai – Menuetto / Allegretto – Andante affettuoso – folgt die Überleitung zum markanten zweiten Thema, erneuten Aufenthalts 1826–1831 in Berlin. Als gutem Insbesondere bekannt wurde Andreas Romberg durch Finale Allegro. Nach einer kurzen Adagio-Einleitung in das fugiert verarbeitet wird: Geschäftsmann gelang es ihm, fast alle seine Kom- »Das Lied von der Glocke«, eine Vertonung des Gedich- d-Moll, die das fallende chromatische Motiv des »pas- positionen zu Lebzeiten in Verlagen herauszubringen, tes von Friedrich Schiller für Soli, Chor und Orchester. sus duriusculus« kanonartig zwischen Bässen und ers- aufgrund der großen Popularität seiner Musik oftmals In Kretzschmars 1890 erschienenem »Führer durch den ter Violine exponiert in mehreren Auflagen. Concertsaal« ist dazu zu lesen: »Das Werk, welches sich noch bis in die Neuzeit hinein in kleineren Orten Andreas Romberg kehrte von der Parisreise nach Ham- gehalten hat, verdankte seine grosse Verbreitung in Bernhard Romberg, Trauer-Symphonie, c-moll, burg zurück, wo beide Vettern seit 1793 gewohnt hat- erster Linie dem Umstand, dass es die erste Musik zu beginnt das Allegro assai gegenläufig mit einer auf- op. 23, dem Andenken der Königin Luise von ten, und erlangte dort Ruhm als Komponist, Solist und dem berühmten und von Hoch und Niedrig gelieb- wärtsgerichteten Melodielinie. Preußen gewidmet, Verlag Ries & Erler, Berlin 2007 Konzertmeister. 1815 trat er die Nachfolge Spohrs als ten Gedichte war. Der Styl ist durchweg leicht.«11 Es Hofkapellmeister in Gotha an, wo er 1821 starb. folgt dann ein ziemlicher Verriss – und wenn man sich »Ohne Choräle, Begräbnissgesänge und äusserliche 8 Ernst Bücken, Die Musik das Werk anschaut, dann ist dieser in Teilen durchaus Hülfsmittel wird hier eine erhebende Todtenfeier voll- des 19. Jahrhunderts bis zur Von Louis Spohr gibt es in seinen Lebenserinnerungen berechtigt. Anschließend wird die chromatische Linie aus dem Ein- zogen, der leidenschaftliche Schmerz und die sanfte Moderne, Wildpark-Potsdam 1929, S. 81f eine kleine, so hübsche wie verwunderliche Anekdote, leitungsadagio aufgegriffen, die zum zweiten Thema Klage haben denselben natürlichen schlichten Aus- 9 Louis Spohr, Selbstbiogra- die hier berichtet sei: »[Andreas] Romberg spielte nur Interessanter für uns Liebhabermusiker sind zum einen überleitet: druck gefunden; wahres, echtes Gefühl und edle Hal- phie, hrsg. von M. Spohr und G.H. Wiegand, Kassel und Göt- eigene Quartetten und trug sie, obwohl kein großer die kammermusikalischen Werke, von denen es von tung machen diese Sinfonie zu einem hervorragenden tingen 1860/61, Bd. 1, S. 146 Virtuos, auf seinem Instrumente, doch fertig und mit beiden Vettern eine große Anzahl von Kompositionen Kunstwerk.«13 12 Zeitung für die elegante 10 Ebd., S. 146 Welt 8 (1808), Sp. 1646 11 Hermann Kretzschmar, Füh- Geschmack vor. Nur wurde er nie recht warm dabei, gibt: Violinsonaten, Duos, Trios, Quartette und Quin- 13 Hermann Kretzschmar, rer durch den Concertsaal, II. Führer durch den Concertsaal, Abtheilung, zweiter Theil, Leip- was schon daraus hervorging, daß er während des tette bis hin zu einem (allerdings unvollendeten) Dop- Diese Sinfonie besteht aus nur zwei Sätzen (Andante I. Abtheilung: Sinfonie und zig 1890, S. 330f Quartettspieles in Ruhe seine Pfeife rauchen konnte.«9 pelquartett von Andreas Romberg. Etwa zehn Werke lento maestoso / Allegro – Adagio non troppo / Alle- Suite, Leipzig 1890, S. 136 12 DAS LIEBHABERORCHESTER 2|2017 DAS LIEBHABERORCHESTER 2|2017 13
Romberg Geschichte Zur Tradition von Orchestergemeinschaften Teil 1: Gründungen vor 1800 gro non troppo / Andante lento / Andante grazioso), um anschließend die Seufzer der langsamen Einlei- Zur Quellenlage schaften, wobei unklar ist, ob und mit welcher Bestän- Joachim Conradi auf einen jeweils ausgedehnten langsamen Beginn tung wieder aufzunehmen (T. 50–54): digkeit diese Konzertveranstalter selbst Ensembles W folgt ein schnellerer Teil; der zweite Satz greift am er sich mit der Frage der Existenz und des unterhielten, und in welchem Maße es sich bei den Ende wieder den Trauermarsch auf, mit dem die Sin- Funktionierens von Orchestergemeinschaf- Ausführenden um Musiker handelte, die kein Honorar fonie beginnt: ten in früheren Jahrhunderten befassen erwarteten. Die überkommenen gedruckten Konzert- will, stößt in ein ziemliches Vakuum. Die Musikwissen- programme enthalten recht genaue Angaben über die Ich will hier abbrechen in der Hoffnung, Interesse schaft scheint das Thema der – von ihr nicht vertre- gespielten Werke, aber oft keine Benennung der aus- für die Musik dieser beiden Komponisten geweckt zu tenen – Gesellschaftswissenschaft zuzuordnen. Diese übenden Personen oder Ensembles. Es schließt sich eine fallende Seufzerkette an, die in haben. Zum Schluss sei noch auf zweierlei hingewie- wiederum ist viel zu ausgreifend, um die Organisati- das spannungsvolle Intervall der verminderten Sexte sen: onsformen von Musik-Akteuren auch nur als kleine Beispiele städtischen Musiklebens (des''– fis') eingebettet ist: Unterdisziplin wahrzunehmen. Die spärlichen Veröf- Der Verlag Florian Noetzel in Wilhelmshaven arbei- fentlichungen sind fast ausschließlich in der Musik Mehr indirekt lässt eine gründliche Auswertung auf tet an einer Edition ausgewählter Werke von Andreas literatur zu finden. Sie reichen keinesfalls aus, um eine mindestens nennenswerte Laienmusikszene Romberg. auch nur annähernd repräsentative Fakten zusammen- in Lübeck schließen: bereits vor 1700 organisierten Auch das erste Thema im Allegro verwendet in seiner tragen zu können. In kommunalen Archiven und im sich die Berufs- bzw. Erwerbsmusiker dort genossen- zweiten Hälfte ein dissonantes Intervall (hier die ver- Zur Förderung und Pflege des Werks von Andreas Rom- Bereich privater Druckschriften, vor allem Festschrif- schaftlich – ähnlich den Zünften – und versuchten, minderte Quinte h'– f'') zur Illustrierung der Trauer (T. berg und ihm eng verbundener Zeitgenossen gibt es ten der Orchester, lassen sich mit Sicherheit Fakten die Musikausübung monopolartig zu dominieren. Das 45–47), seit 1995 in seiner Geburtsstadt die Andreas-Romberg- in Hülle und Fülle finden, die in der Gesamtschau ein lief insbesondere darauf hinaus, dass öffentliche Kon- Gesellschaft Vechta e.V. Informationen dazu finden durchaus repräsentatives Bild vermitteln können. Aber zerte von der Erlaubnis der Ordnungsbehörden und/ sich unter: www.andreas-romberg.de die Erschließung muss wesentlich erst noch geleistet oder von Abgaben in beträchtlicher Höhe abhän- werden. gig gemacht wurden. Die ungeliebten Konkurrenten der organisierten Musiker kamen aus dem Umland Liebhaberorchester sind heute eine klar abgegrenzte oder von weiter her, aber eben auch aus den Reihen Anzeige Kategorie im Musikleben. In früheren Jahrhunder- musikausübender Mitbürger, die nicht um des Erwerbs ten waren sie das meines Erachtens auch – nur inte- willen spielten.1 Breitkopf & Härtel im ressierte das niemanden. Wie sollte auch ein Tradi- neuen Gewand tionverständnis entstehen, wenn schon die Musik In Nürnberg gab es bereits in der frühen Neuzeit zahl- eines gerade verstorbenen Komponisten in der Regel reiche private Zirkel, die sich der Musikausübung wid- als altmodisch und überholt galt, und wie sollte ein meten, so die von 1568 bis 1585 bestehende Musica- Ensemble, das unter dem Druck stand, nur »neue« lische Krenzleins-Gesellschaft, das um 1571 errichtete Musik anbieten zu können, seine eigene Vergangen- Sodalicium musicum, die 1576 ins Leben gerufene heit wahrnehmen? Die bürgerliche Gesellschaft war im Erbare Musicalische Gesellschaft und die 1588 gebil- 18. Jahrhundert durchaus an Konzerten interessiert. Es dete und bis 1629 tätige Musikgesellschaft. In ihnen 1 Vgl. Eberhard Preussner, gab häufig »Liebhaberkonzerte«, die allerdings weni- »durften« gelegentlich Stadtpfeifer und andere haupt- Die bürgerliche Musikkultur, 1935/54, S. 143ff ger als Konzerte von Liebhabern, sondern mehr als amtliche Musiker mitwirken.2 Wenn auch in der dama- 2 Vgl. Pfeiffer (Hrg.), Nürn- Konzerte für (Musik-)Liebhaber zu verstehen waren. ligen Renaissance-Zeit von einer Pflege des Orchester- berg – Geschichte einer europä- ischen Stadt, München 1971, Dahinter steckten oft Gesellschaften oder Genossen- spiels im heutigen Sinne noch kaum die Rede sein kann, S. 287 Breitkopf & Härtel setzt neue Akzente. Das Ergebnis können Sie ab sofort selbst erleben. Auch künftig möchten wir die erste Wahl für Ihre musikalische Praxis sein. Begleiten Sie uns in eine spannende Zukunft! Der Orchesterverein Wil im Jahr 1920 … 14 DAS LIEBHABERORCHESTER 2|2017 DAS LIEBHABERORCHESTER 2|2017 15
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