Das Sixpack aus Petzenberg

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Das Sixpack aus Petzenberg
IM FOKUS

                                      Das Sixpack aus
                                          Petzenberg
         Gemeinsam stark: Sechs Milcherzeuger aus dem Bayerischen Wald haben sich
       zusammengeschlossen und die „Bayerwald Milch GbR“ gegründet. Gemeinsam
                            bauten sie einen neuen Stall und melken nun 250 Kühe.

W
           as tun mit 47 Kühen in     im Vordergrund und jeder hätte       gaben Entscheidungen zur Hof-
           Anbindehaltung mit-        von Anfang an seinen Mund auf-       nachfolge, Existenzsicherung,
           ten im Dorf? Matthias      gemacht. In den vielen Treffen zur   beengte Hoflagen oder der Frei-
Knödlseder (36) aus Pisling im        Gründung der GbR wurden hefti-       raum für außerlandwirtschaftli-
Bayerischen Wald war nach eini-       ge, aber auch „gesunde“ Diskussi-    che Standbeine.
gen Kalkulationen schnell klar,       onen über bestimmte Vertrags-           „Oft waren die Altenteiler in-
dass sich die Aussiedelung seines     punkte, vor allem zur Bewertung      novativer als die Betriebsleiter
Milchviehbetriebs nicht rentie-       der Faktorausstattung und der        und waren schneller vom Kon-
ren würde. Er suchte nach Alter-      daraus resultierenden Gewinnver-     zept der Kooperation überzeugt“,
nativen und fragte sich: „Warum       teilung geführt. Als Rechtsform      erinnert sich Knödlseder. „Ja,
nicht fusionieren? Schließlich        wählten sie die GbR, um den Sta-     man gibt Eigenständigkeit auf
machen es große Industrieunter-       tus Landwirt zu behalten und kein    und muss offen und risikofreudig
nehmen auch.“                         Gewerbe anzumelden. „Dabei           sein. Aber das Konzept rentiert
   Der Kooperations-Gedanke           zählte vorwiegend der Traditions-    sich! Wir gehen als Beispiel vor-
ließ den jungen Agraringenieur        gedanke“, so Knödlseder.             an!“, ist Knödlseder überzeugt.
nicht mehr los. Also mietete er          Die Kooperationspartner hat-
sich eines Abends 2002 in einem       ten vorher zwischen 23 und 45        Maximal 5 km zum Stall
Gasthof ein und lud Landwirte         Kühe pro Betrieb. Anstoß, sich
über die Tageszeitung zu einem        der Gemeinschaft anzuschließen,         Das zwei Hektar große Be-
Vortrag über die Zukunft der re-                                           triebsgelände liegt zwischen 0,5
gionalen Milchwirtschaft und                                               und 5 km von den Gesellschaf-
mögliche Milchkooperationen             1     Betriebsspiegel              tern entfernt. Nach langer Vorar-
ein. Der Saal war voll. Hinterher                                          beit, vielen Treffen und Besichti-
blieben 14 Milcherzeuger sitzen,                                           gungen erfolgte im September
die sich für das Konzept einer Ko-                                         2004 der erste Spatenstich der
operation näher interessierten.                                            neuen Milchviehanlage. Im De-
Es folgten weitere Treffen, die In-                                        zember 2005 zogen die 190 Kühe
teressenten wurden weniger,                                                der sechs Gesellschafter in die
schließlich blieben sechs Land-                                            neuen Stallgebäude ein.
wirte übrig. Die Sechs gründeten                                              Inzwischen ist der Stall mit
die „Bayerwald Milch GbR“ und                                              250 Kühen (Holstein und Fleck-
entschlossen sich, ihre Kühe an                                            vieh) voll belegt. Zweimal täglich
einem neuen Standort zusam-                                                werden sie in 1,5 Stunden im 22er
menzuführen.                                        Petzenberg             Swing-Over Melkstand gemol-
                                                                           ken. Nach jeder Kuh spülen die
„Die Rendite steht im                                                      Melker das Melkzeug mit klarem
Vordergrund“                                                               Wasser durch. So erreichen sie
                                       Kühe         250                    eine durchschnittliche Zellzahl
   „Die Kooperation sei nicht aus      Leistung     8 100 kg (MLP)         von 115 000 Zellen/ml. Auf eine
Freundschaft oder Blauäugigkeit        AK gesamt    6,0                    Milchmengenerfassung verzich-
heraus entstanden“, erzählt                                                teten die Landwirte, hier greifen
                                       LN           180 ha
Knödlseder. Die Rendite stünde                                             sie auf die Probemelkergebnisse

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Das Sixpack aus Petzenberg
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                                     4                                         5                                       6

                                                                                                                           Die sechs Land-
                                                                                                                           wirte der Bay-
zurück. Fällt eine Kuh unter 26 kg       füttern,                                  formationen weitergegeben und           erwald Milch
Milch pro Tag, wird sie von der          ■ acht Tage frei.                         Absprachen getroffen.                   GbR: Matthias
Hochleistungs- in die Niedrigleis-          Diese Arbeitseinteilung ist fest                                               Knödlseder (1),
                                                                                                                           Josef Wipplin-
tungsgruppe umgestallt. Die              und wird nicht verändert. Wird            Detaillierte                            ger (2), Johann
200 Stück Jungvieh zieht über-           ein Kooperationspartner krank             Protokollmappe                          Waldbauer (3),
wiegend Josef Wipplinger gegen           und kann seinen Dienst nicht                                                      Josef Angerer
eine Pauschale auf seinem Hei-           einhalten, engagiert er einen Be-             Außerdem     benutzen     die       (4), Karl Jung-
matbetrieb auf.                          triebshelfer. Bei Urlaub oder sons-       Milchviehhalter eine Protokoll-         wirth (5) und
                                         tigen Ausfällen muss er sich selbst       mappe, in die jeder Diensthaben-        Armin Knödlse-
Arbeit streng nach                       um Ersatz kümmern bzw. mit sei-           de sämtliche Vorgänge einträgt,         der (6).
Plan                                     nen Partnern die Schicht tau-             z. B. wann und wie lange eine Eu-
                                         schen. Im wöchentlichen Wech-             tertube zur Mastitis-Behandlung         Fotos: Knödlse-
   Jeder      Kooperationspartner        sel arbeiten zusätzlich zwei Azu-         verabreicht werden muss. Damit          der (5), Schröp-
muss bzw. darf eine Arbeitskraft         bis am Betrieb mit. Somit sind zu         weiß der Nächste, was zu tun ist.       fer (4)
einbringen; Hofnachfolger dür-           den Melkzeiten immer drei, au-            In der Mappe werden außerdem
fen ausgebildet, aber nur eine AK        ßerhalb der Melkzeiten zwei Per-          auch der Wochenplan und der
abgerechnet werden. Damit im             sonen im Stall anwesend. Die Ar-          Tagesplan als Ausdruck des Her-
Gemeinschaftsstall alles rund            beitszeiten werden über eine              denmanagement-Accesspro-
läuft, regelt ein Dienstplan im 12       Stempeluhr erfasst.                       gramms abgeheftet. Damit ist der
Tage Zyklus den Arbeitsablauf. Je-          Sechs Landwirte, die 250 Kühe          Terminplan für die nächsten acht
der Gesellschafter hat                   betreuen, von denen aber jeder            Tage vorgegeben. Zudem ist der
■ zwei Tage Hauptdienst: Gan-            nur zwei Tage voll arbeitet - wie         Betrieb in sechs Abteilungen un-
zer Tag plus Nachtbereitschaft,          funktioniert das? Durch die zeit-         tergliedert:
■ zwei Tage „A-Dienst“: Zwei-            liche Überlappung von Haupt-              ■ Zucht/Gesundheit
mal täglich Melken bzw. Kälber-          dienst und A-Dienst werden In-            ■ Jungviehaufzucht

                                                                                                    Elite 4/2010   3
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                                                                                               gebnis: 2: 4 zugunsten des 8 000 l
                                                                                               Tanks, der dann auch eingebaut
                                                                                               wurde. Auch der Fall einer Patt-
                                                                                               situation ist genau geregelt, denn
                                                                                               dann spielt das Stimmgewicht der
                                                                                               einzelnen Kooperationspartner
                                                                                               eine Rolle. Für eine Entscheidung
                                                                                               müssen 51 % erreicht werden. Das
                                                                                               Stimmgewicht richtet sich nach
                                                                                               den Kooperationsanteilen. Diese
                                                                                               berechnen sich nach der Größe
                                                                                               des eingebrachten Familienbe-
                                                                                               triebs (Herdenwert, investiertes
                                                                                               Kapital, Quote) und die in den Be-
                                                                                               trieb investierte Arbeit.

                                                                                               Zweistufige Gewinn-
                                                                                               verteilung
                                                                                                  Diese Kooperationsanteile ei-
                                                                                               nes jeden Gesellschafters wer-
                                                                                               den auch zur Lohnauszahlung
                                                                                               herangezogen. Das Betriebsein-
                                                                                               kommen wird nach einem zwei-
Die Kooperationspartner entschieden sich für einen Gemeinschaftsstall, der als Leimbin-        stufigen Konzept der Gewinnver-
der-, Holz- und Betonständerkonstruktion ausgeführt ist. In zwei Liege- und Fressplatzge-      teilung an die Gesellschafter ver-
bäuden ist die Milchkuhherde getrennt nach Leistung (Hoch- bzw. Niedrigleistung) unter-        teilt. Im ersten Schritt wird der
gebracht. Im rechten Winkel dazu befindet sich ein Gebäude für Melken mit Vorwartehof,          Gewinn (Milch, Kälber, Altkühe)
Selektion, Kälberiglus, Milchtank und Sozialräume. In einem dritten Stall sind Abkalbe-        auf acht Auszahlungsposten bud-
und Kälbergruppenbuchten untergebracht.                                   Grafik: Thiemeyer
                                                                                               getiert:
                                                                                               ■ 24,2% Quotenpacht
                                                                                               ■ 23,8% Arbeit
                    ■ Herdenmanagement                    Können sich die Gesellschafter       ■ 17,7% Kapital für Neubau
                    ■ Außenwirtschaft                     aber einmal nicht einigen, bedarf    ■ 13,3% Pachtfläche
                    ■ EDV/Lohn-Buchhaltung/               es einer Abstimmung. Bisher kam      ■ 12,1% Vermietete Gebäude
                    Schriftverkehr                        es aber nur einmal soweit, als die   ■ 5,5% Viehzins
                    ■ Technik/Elektrik/Wartung            Entscheidung zwischen einem          ■ 2,7% Neumaschinen
                       Jeder Abteilung steht ein Ge-      6 000 oder 8 000 Liter Milchtank     ■ 0,8% Grundstück
                    sellschafter als Leiter (Ansprech-
                    partner) vor. Knödelseder sieht
                    darin auch einen weiteren Vorteil:
                    „Durch die Verantwortung und
                    die klare Aufgabenstellung wird
                    jeder Abteilungsleiter in seinem
                    Gebiet zum Spezialisten.“ Bis zu
                    einem bestimmten Budget darf je-
                    der Abteilungsleiter eigenverant-
                    wortlich über Geldausgaben ent-
                    scheiden.
                       Größere Ausgaben bedürfen ei-
                    ner Abstimmung in der Vollver-
                    sammlung der Kooperationspart-
                    ner. Diese Vollversammlung, an
                    der neben den sechs Kooperati-
                    onspartnern auch die Azubis teil-
                    nehmen, findet jeden ersten Mitt-
                    woch im Monat statt. Dort wer-
                    den alle wichtigen Absprachen         Die Kühe fühlen sich im Kaltstall wohl. Aus den einzelnen Herden kamen
                    und Entscheidungen getroffen.         Fleckvieh und Holstein zusammen. Beide Rassen sollen erhalten bleiben.

                    4   Elite 4/2010
Das Sixpack aus Petzenberg
Die sechs Landwirte haben
                                                                         sich für einen 22er Swing-Over
                                                                         entschieden. Zweimal täglich
                                                                         melken die diensthabenden
                                                                         Gesellschafter hier alle Kühe.

                                                                           Partyscheune, bei der Jungvieh-
                                                                           Aufzucht, als Betriebshelfer, etc.
                                                                           „Früher brauchte man Altentei-
                                                                           ler und die Ehefrau und musste
                                                                           noch Kinder nachziehen. Jetzt
                                                                           habe ich mehr Zeit und verdiene
                                                                           73% mehr Geld!“, ist Matthias
                                                                           Knödlseder zufrieden.

                                                                           Ausstieg alle 5 Jahre
                                                                               Möchte ein Kooperationspart-
                                                                           ner aussteigen, so muss er dies auf
                                                                           einer Vollversammlung beantra-
                                                                           gen. Nach einem Jahr Frist wird
                                                                           der Gesellschafter entlassen.
                                                                           Während dieser Zeit muss sich
   Die Gewichtung dieser Posten     einsatz. Matthias Knödlseder ver-      die Kooperation Liquidität zur
wurde bei der Kooperationsgrün-     dient ca. 2 300 € pro Monat ab-        Auszahlung beschaffen. Dabei                    Weitere
dung abgeklärt und musste von       züglich der Krankenversicherung.       müssen folgende Posten entlohnt                 Infor-
jedem Gesellschafter unterschrie-   Dafür arbeitet er rund 80 Stunden      werden:                               mationen zur
ben werden. Jeder der Auszah-       pro Monat im Stallinnendienst          ■ Herdenwert (wurde nicht ge-         Betriebs- und
lungsposten wird nun entspre-       plus sieben Stunden in der Au-         tilgt, sondern nur verzinst),         Arbeitsorganisati-
                                                                                                                 on der GbR sowie
chend der Kooperationsantei-        ßenwirtschaft. Davon kann er gut       ■ Kapital zum Stallbau (Annuitä-
                                                                                                                 eine Bildergalerie
le, die jeder Gesellschafter ein-   leben, denn wie seine fünf Mitge-      ten-Darlehen auf 12 Jahre mit
                                                                                                                 finden Sie bei Elite
gebracht hat, verteilt.             sellschafter verfügt er über einen     5 %, vorhandener Rest wird aus-       online unter www.
   Damit schwankt das Einkom-       Nebenjob (Computerfirma). Die           bezahlt).                             elite-magazin.de
men jedes Gesellschafters je nach   anderen verdienen ihren Lohn               Statt einer Ausbezahlung ist es   (Elite Plus)
Betriebseinkommen und Faktor-       zusätzlich in einem Gasthof mit        auch möglich, die Faktoren wei-

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Das Sixpack aus Petzenberg
IM FOKUS

terhin zu festen Preisen an die Ko-    ger aus dem nahe gelegenen Dorf        heit ein zweites Mal daneben zu
operation zu verpachten. Sämt-         mit 30 Kühen neu dazu. Mehr            setzen.
liche Faktoren (Arbeit, Fläche,        Kühe kann der Stall auch nicht            In eine völlig andere Richtung
Gebäude, Maschinen, Milchquo-          mehr aufnehmen.                        denkt Matthias Knödlseder. Er
te, etc.) die der Kooperation zur         Einige Kooperationspartner          würde am liebsten die Rindergül-
Nutzung überlassen wurden, wer-        überlegen bereits, wie sie den Stall   le mit einer 150 kW Biogasanlage
den bei einem Ausstieg wie-            weiter nutzen könnten, um wei-         veredeln. Dazu würde aber auch
der dem Gesellschafter zugeführt.      tere Milchviehbauern in die Ko-        mehr Fläche benötigt. Die Inter-
Nach einem Ausstieg gilt eine          operation aufzunehmen.                 essen gehen auseinander: „Er ist
fünfjährige Ausstiegssperre für           Josef Wipplinger könnte sich        der Kuhmensch und ich habe
jeden.                                 vorstellen, die trockenstehenden       die Rentabilität im Kopf“, lacht
   In diesem Jahr 2010 wird ein        Kühe auszulagern, die Zwischen-        Knödlseder. Aber zum Glück ha-
Gesellschafter die Kooperation         räume zwischen den Stallgebäu-         ben die vier anderen Gesellschaf-
rentenbedingt verlassen. Dafür         den mit Liegeboxen zu erwei-           ter auch noch ein Wörtchen mit-
kommt ein anderer Milcherzeu-          tern oder die komplette Stallein-      zureden.              F. Schröpfer

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6   Elite 4/2010
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