Deckelstudie: Ausbaubremse Photovoltaik-Zubaudeckel - Geht der Photovoltaik aufgrund des atmenden Zubaudeckels die Puste aus? - HTW ...
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Deckelstudie: Ausbaubremse Photovoltaik-Zubaudeckel Geht der Photovoltaik aufgrund des atmenden Zubaudeckels die Puste aus? würgenden
Kurzfassung: Problematik und Hintergründe • Nach Abschaffung des 52-GW-Deckels bleibt mit dem atmenden Deckel eine weitere große Hürde für den Ausbau der Photovoltaik (PV) in Deutschland bestehen. • Der im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verankerte atmende Deckel für PV-Anlagen führt zu einer drastischen Vergütungssenkung bis Ende 2022, sofern das derzeit wenig ambitionierte PV-Ausbauziel der Bundesregierung bei 1,9 GW verbleibt. • In der Folge wird die Einspeisevergütung in Kürze die Stromgestehungskosten auch von ertragsstarken Dachanlagen unterschreiten, sodass rein netzeinspeisende PV-Anlagen bald nicht mehr realisiert werden können. • Die erforderliche Fokussierung auf die Eigenverbrauchsmaximierung verschenkt kostbare Dachflächen, die nicht vollständig mit PV-Anlagen belegt werden. • Die vor Jahren eingeführte zubauabhängige Degression der Einspeisevergütung ist nicht mehr zeitgemäß, da ein höherer PV-Zubau perspektivisch aufgrund des Fachkräftemangels in der Solarbranche zu steigenden Preisen führen wird. • Das Aussetzen der Degression der Einspeisevergütung ist für den weiteren PV-Ausbau, mindestens bis zum Erreichen eines PV-Zubaus der im Einklang mit den Pariser Klimaschutzzielen steht, zwingend erforderlich. • Darüber hinaus sollte eine Anhebung der Einspeisevergütung in Betracht gezogen werden, um einen Anreiz für einen schnellen PV-Ausbau zu schaffen, der den Herausforderungen des Klimawandels gerecht wird. 2
Status quo: Mechanismus des atmenden Deckels monatliche Absenkung der Einspeisevergütung Stichtag alle 3 Monate 3,0% 2,5% 2,0% 1,5% 1,0% 0,5% 0,0% >1,5 >1,7 >1,9 >2,9 >3,9 >4,9 >5,9 >6,9 annualisierter Brutto-Zubau in GW ∑ 6 Monate PV-Zubau 2x • Für die Bestimmung der künftigen Vergütungshöhe wird der Zubau annualisiert und alle drei Monate mit den Zielwerten in§49 des EEG verglichen. Daraus ergibt sich die monatliche Vergütungsabsenkung. • Für die Annualisierung wird der Zubau der vergangenen sechs Monate mit zwei multipliziert. 3
Szenariobetrachtung 250 40% Installierte PV-Leistung in Deutschland in GW Klimakollaps-Szenario PV am Bruttostrom Anteil PV am Bruttostromverbrauch Klimaschutz-Szenario 35% Klimakollaps 200 30% Klimaschutz 150 25% 20% 100 15% 10% 50 5% 0 0% • Zur Erreichung der Klimaschutzziele von Paris muss mittelfristig eine installierte PV-Leistung von über 20 GW/a realisiert werden (Klimaschutz) (1). Hierfür wird eine Steigerung des PV-Zubaus von 30%/a angenommen. • Demgegenüber steht ein konstanter PV-Zubau auf dem Niveau von 2019 in Höhe von 4 GW/a (Klimakollaps). • Bis zum Jahr 2030* lässt sich somit je nach Szenario ein PV-Anteil am Bruttostromverbrauch von 14% bzw. 4 35% erzielen. *Annahme: konstanter Energieverbrauch in Deutschland, jährlicher PV-Ertrag 960 kWh/kWp (Mittelwert der letzten 5 Jahre)
Methodik und Annahmen* 1.600 • Es werden zwei PV-Anlagen über 20 Jahre betrachtet: 01.01.2019 01.01.2020 01.01.2021 01.01.2022 Nettoinstallationspreis in €/kWp • eine 10-kW-PV-Anlage auf einem Einfamilienhaus und 1.400 • eine 60-kW-PV-Anlage auf einem Gebäude, welches für die 1.200 Eigenversorgung nicht geeignet ist. 1.000 • Wetterdaten am DWD Standort Lindenberg (2013). 800 • Der Lastgang des Einfamilienhauses wurde mit einem Jahresener- giebedarf von 4500 kWh/a aus 74 Lastprofilen ausgewählt (2). 600 • Kostenannahmen: 0 20 40 60 80 100 Leistung in kW • Kostenfunktion aus Angeboten des Photovoltaikforums (3). 2.000 • Ab 30 kW 3.000 € Zusatzkosten für die Netzintegration. Nettoinstallationspreis in €/kWp • Kostenreduktion gemäß EUPD mit leichter Glättung (4). 1.500 y = -55x + 112844 • Wartungskosten in Abhängigkeit der Leistung (5). 1.000 y = -71x + 144411 • Arbeitspreis 29 ct/kWh mit Strompreissteigerung 1%/a • Einspeisevergütung gemäß Bundesnetzagentur (6) und EEG 500 10...100 kW 3...10 kW Umlage nach AGORA Energiewende Basisszenario (7). Linear (10...100 kW) 0 2016 2017 2018 2019 2020 Jahre Daten: EUPD Research 5 *Detaillierte Darstellung im Anhang
Erläuterung zu Geschäftsmodellen mit PV Eigenversorgung Volleinspeisung • Solarstrom wird primär direkt vor Ort genutzt und • Der Strom aus der PV-Anlage wird vollständig in Überschüsse werden eingespeist. das Stromnetz eingespeist. • Die Eigenversorgung von Privathaushalten und die • Die Volleinspeisung ist dort relevant, wo keine Netzeinspeisung der PV-Energieüberschüsse ist ein Eigenversorgung aufgrund fehlender Verbraucher gängiges Geschäftsmodell für PV-Anlagen. oder rechtlicher Hürden möglich ist. • Die Wirtschaftlichkeit ergibt sich aus der Kosten- • Die Wirtschaftlichkeit ist gegeben, solange die PV- einsparung durch den vermiedenen Netzbezug und Stromgestehungskosten unterhalb der Einspeise- den Erlösen aus der Einspeisevergütung. vergütung liegen. Der Einfluss der Degression der Einspeisevergütung auf die Wirtschaftlichkeit beider Geschäftsmodelle wird im folgenden dargestellt. 6
Degression von Einspeisevergütung und Stromgestehungskosten 12 12 10 10 8 8 Cent pro kWh Cent pro kWh 6 6 4 4 Einspeisevergütung (Klimakollaps) Einspeisevergütung (Klimakollaps) 2 Einspeisevergütung (Klimaschutz) 2 Einspeisevergütung (Klimaschutz) Einspeisevergütung 10 kW Einspeisevergütung 60 kW Stromgestehungskosten Stromgestehungskosten 0 0 • Es ist zu erwarten, dass die Einspeisevergütungssätze in den kommenden Jahren stärker als die PV- Stromgestehungskosten sinken. Dies führt zu Stromgestehungskosten oberhalb der Einspeisevergütung. • Für kleine PV-Anlagen gilt dies kurzfristig unabhängig vom Szenario ab Frühjahr 2020. • Größere volleinspeisende PV-Anlagen können sich je nach Szenario ab Herbst 2021 bzw. Frühjahr 2022 nicht mehr durch die Einnahmen aus der Netzeinspeisung refinanzieren. 7
Photovoltaik als lohnende Investition - Renditeaussichten 8% 8% 7% 7% 6% 6% 5% Projektrendite 5% Projektrendite 4% 4% 3% 3% 2% Klimakollaps 2% Klimakollaps 1% Klimaschutz Klimaschutz 1% Rendite 10 kW Rendite 60 kW 0% 0% • PV-Anlagen zur Eigenversorgung refinanzieren sich nur anteilig über den vermiedenen Netzbezug. Die Einspeisevergütung hat weiterhin einen nennenswerten Einfluss auf die Projektrendite. • Die Projektrendite von kleinen PV-Anlagen auf Einfamilienhäusern unterschreitet nach 2022 oder 2023 den Wert von 2% (kalkulatorischer Zins). • Größere volleinspeisende PV-Anlagen erreichen diesen Wert bereits im Jahr 2021. 8
Änderung der Auslegung7%über die Jahre (Szenario Klimaschutz) 7% 7% 6% 6% 6% 5% 5% Projektrendite 5% 4% Projektrendite Projektrendite 4% 4% 3% 3% 3% 2% 2% 2% 1% 1% 1% 0% 0% 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 110% 12 13 14 15 16 17 18 19 20 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 0 PV-Leistung in kW 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 PV-Leistung in kW 04/2020 2021 2022 2023 PV-Leistung in kW 04/2020 2021 2022 2023 02/2020 +1 a +2 a +3 a • Bei den PV-Anlagen zur Eigenversorgung kann man erkennen, dass sowohl die maximale Rendite als auch die kostenoptimale PV-Anlagenleistung deutlich sinken. • Bei volleinspeisenden PV-Anlagen verändert sich lediglich die Höhe der Rendite, da diese vollständig von der Einspeisevergütung abhängig ist. • Die deutlich sinkenden Projektrenditen werden voraussichtlich dazu führen, dass sowohl PV-Anlagen zur 9 Eigenversorgung als auch Anlagen zur Volleinspeisung deutlich seltener realisiert werden.
Zusammenfassung • Um den Anteil der PV-Energie an der Stromversorgung in absehbarer Zeit auf über 30% zu steigern und somit dem Klimakollaps zu entgehen, müssen die Rahmenbedingungen zur Refinanzierung von PV-Anlagen neu gestaltet werden. • Der Mechanismus des „atmenden Deckels“ wird zu einer starken Degression der Einspeisevergütung führen. Es ist absehbar, dass in der Folge die Einspeisevergütung unter die Stromgestehungskosten fallen wird. • Dies ist überall dort problematisch, wo geeignete Dächer vorhanden sind, jedoch keine oder nur eine geringfügige Nutzung des Solarstroms vor Ort erfolgen kann. • Die Beibehaltung des „atmenden Deckels“ wird innerhalb der nächsten zwei Jahre ein schleichendes Vergütungsende zur Folge haben, das den weiteren PV-Zubau stark gefährden wird. • Das Aussetzen der Degression der Einspeisevergütung ist für den weiteren PV-Ausbau, mindestens bis zum Erreichen eines PV-Zubaus, der im Einklang mit den Pariser Klimaschutzzielen steht, zwingend erforderlich. • Darüber hinaus sollte eine Anhebung der Einspeisevergütung in Betracht gezogen werden, um einen Anreiz für einen schnellen PV-Ausbau zu schaffen, der den Herausforderungen des Klimawandels gerecht wird. 10
Kurzstudie Deckelstudie: Ausbaubremse Photovoltaik-Zubaudeckel Geht der Photovoltaik aufgrund des atmenden Zubaudeckels die Puste aus? Autoren Joseph Bergner, Johannes Weniger, Bernhard Siegel & Volker Quaschning Fachbereich 1 – Ingenieurwissenschaften Energie und Information Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin Version Version 1.0 (März 2020) Webseite https://pvspeicher.htw-berlin.de/ Förderung Die Kurzstudie entstand im Forschungsprojekt PV2City im Rahmen des Berliner Programms für Nachhaltige Entwicklung (BENE). Gefördert aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und des Landes Berlin (Förderkennzeichen 1048-B5-0). 11
Methodik und Annahmen I 1.600 01.01.2019 01.01.2020 01.01.2021 01.01.2022 • Es werden zwei PV-Anlagen über 20 Jahre betrachtet: Nettoinstallationspreis in €/kWp 1.400 • eine 10-kW-PV-Anlage auf einem Einfamilienhaus und 1.200 • eine 60-kW-PV-Anlage auf einem Gebäude, welches für die Eigenversorgung nicht geeignet ist. 1.000 • Wetterdaten am Standort Lindenberg 2013. 800 • Nettokostenfunktion aus Angeboten des Photovoltaikforums (3): € 600 −0,16 0 = 1 923 ⋅ pv 0 20 40 60 80 100 kW Leistung in kW Datengrundlage: photovoltaikforum.com • Ab 30 kW 3.000 € Zusatzkosten für die Netzintegration. 2.000 • Kostenreduktion gemäß EUPD mit leichter Glättung (4): Nettoinstallationspreis in €/kWp € 1.500 55 bei ≤ 10 kW y = -55x + 112844 kW⋅ € € −10 kW red = ⋅ 55 + 16 ⋅ bei 10 kW < ≤ 30 kW 1.000 kW⋅ 20 kW y = -71x + 144411 € 71 bei > 30 kW kW⋅ 500 10...100 kW 3...10 kW • Wartungskosten (5): Linear (10...100 kW) 0 € 0 bei < 7 kW = ⋅5 + 148 € + ቊ 2016 2017 2018 2019 2020 kW 21€ bei ≥ 7 kW Jahre Daten: EUPD Research 12
Methodik und Annahmen II 2,5% • Energieverbrauch: Haushalt 2,0% • Für das Einfamilienhaus wurde ein durchschnittliches Anteil an Jahresenergie Lastprofil mit einem Bedarf von 4500 kWh/a ausgewählt. 1,5% • Auf dem zweiten Gebäude ist keine Eigenversorgung möglich, 1,0% da es sich beispielsweise um mietendes Gewerbe oder um ein Gebäude ohne Verbrauch handelt (Lager, landwirtschaftliche 0,5% Nutzung, etc.). 0,0% • Arbeitspreis 29 ct/kWh mit Strompreissteigerung 1%/a. 00:00 03:00 06:00 09:00 12:00 15:00 18:00 21:00 Uhrzeit • Einspeisevergütung entsprechend Bundesnetzagentur Stand 40 9 02/2020 (6). 35 8 EEG-Umlage in Cent pro kWh Strompreis in Cent pro kWh 7 • EEG-Umlage entsprechend AGORA Energiewende AGORA-EEG- 30 6 Rechner Basisszenario (7). 25 5 20 • Kalkulatorischer Zins 2%. 15 4 3 • Berechnung Stromgestehungskosten (8): 10 2 5 1 0 0 0 + σ20 =1 BK, 1 + − 0 5 10 15 20 LCOE = Betriebsjahr σ20 =1 pv, 1 + − Haushalt EEG-Umlage (nach Agora) 13
Literaturverzeichnis (1) V. Quaschning, „Sektorkopplung durch die Energiewende - Anforderungen an den Ausbau erneuerbarer Energien zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele unter Berücksichtigung der Sektorkopplung“, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin), Berlin, Studie, Juni 2016. (2) T. Tjaden, J. Bergner, J. Weniger, und V. Quaschning, „Repräsentative elektrische Lastprofile für Wohngebäude in Deutschland auf 1-sekündiger Datenbasis“, Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin, 2015. [Online]. Verfügbar unter: https://pvspeicher.htw-berlin.de/daten/. (3) Photovoltaikforum GmbH, „Photovoltaikforum“, Photovoltaikforum. [Online]. Verfügbar unter: https://www.photovoltaikforum.com/angebote-f41/. [Zugegriffen: 20-Nov-2018]. (4) EuPD Research, „Photovoltaik-Preismonitor Deutschland - Q3 / 2019“, EuPD Research, Bonn, 2019. (5) T. Rüther, J. Reifschneider, A. Gelhorn, und U. Blieske, „Betriebskosten von Photovoltaikanlagen nach Ablauf der Förderung durch das EEG zur Verifizierung einer empirischen Studie“, in PV-Symposium 2018, Bad Staffelstein, 2018, S. 492–493. (6) Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA), „Veröffentlichung von EEG- Registerdaten und Vergütungssätzen“, 2019. [Online]. Verfügbar unter: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/ErneuerbareEnergie n/ZahlenDatenInformationen/EEG_Registerdaten/EEG_Registerdaten_node.html [Zugegriffen: 23-Feb-2020]. (7) Dr. M. Haller, C. Loreck, und V. Graichen, „Die Entwicklung der EEG-Kosten bis 2035: Wie der Erneuerbaren-Ausbau entlang der langfristigen Ziele der Energiewende wirkt“, Agora Energiewende, Mai 2015. (8) C. Kost, S. Shammungam, V. Jülch, H.-T. Nguyen, und T. Schlegl, „Stromgestehungskosten Erneuerbare Energien“, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), Freiburg, März 2018. 14
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