DEMENZ IM ALLGEMEIN-KRANKENHAUS - ERGEBNISSE EINER EPIDEMIOLOGISCHEN FELDSTUDIE - GENERAL HOSPITAL STUDY (GHOST) HORST BICKEL, MARTINA SCHÄUFELE ...
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Demenz im Allgemein- krankenhaus – Ergebnisse einer epidemiologischen Feldstudie General Hospital Study (GHoSt) Horst Bickel, Martina Schäufele, Ingrid Hendlmeier und Johannes B. Heßler-Kaufmann
Demenz im Allgemein- krankenhaus – Ergebnisse einer epidemiologischen Feldstudie General Hospital Study (GHoSt) Horst Bickel, Martina Schäufele, Ingrid Hendlmeier und Johannes B. Heßler-Kaufmann
4 DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Vorwort Vorwort
DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Vorwort 5 Die Robert Bosch Stiftung fördert seit 2012 Vorhaben, die gezielt auf die Bedürfnisse von Patienten mit der Begleitdiagnose Demenz im Krankenhaus eingehen. Ungeach- tet der Bedeutung, die diese Patienten im Krankenhausalltag einnehmen, lagen zu ihrer Häufigkeit und Versorgung jedoch kaum generalisierbare Daten vor. Diese Lücke schließt die vorliegende Studie, die die Robert Bosch Stiftung in den Jahren 2013 bis 2015 gefördert hat. Sie ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer besseren Versorgung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus. Angesichts der Vulnerabilität von Menschen mit Demenz ist ihre angemessene Versorgung im Allgemeinkrankenhaus von hoher Relevanz und wird in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. Der Krankenhausbetrieb drängt mit seinen kurz getakteten Abläufen. Gerade das ist für die Demenzpatienten ein wesentliches Problem. Im Krankenhaus wissen sie häufig nicht, wo sie sind, was mit ihnen geschieht und verweigern ihre Mitwirkung an Untersuchungen und Therapie. Infolge drohen Komplikationen bin hin zur Verschlechterung der Demenz sowie eine erhöhte Mortalität. Auch können Patienten mit Demenz übergroße Anforderungen an die Kranken- hausmitarbeiter stellen. Ärzte und Pflegende finden sich häufig zwischen diesen Stühlen wieder: den engen Zeitplan erfüllen und gleichzeitig Geduld und Ruhe für den Patienten aufbringen – oft genug eine nahezu unerfüllbare Aufgabe. Herausforderndes Verhalten, das zum Teil Konsequenz einer nicht optimal ange- passten Betreuung ist, kann für anstrengende und überfordernde Situationen sorgen. Dies illustrieren ganz bodenständige Beispiele aus der Praxis: gezogene Katheter, andauerndes lautes Rufen nachts, Herumwandern in den Fluren usw. All das sind zusätzliche Belastungen für Mitarbeiter und andere Patienten. Viele dieser Punkte sind grundsätzlich bekannt, aber niemand hatte gesichertes Wissen in der Hand, wie viele Patienten im Krankenhaus betroffen sind, was wann wie und in welchem Ausmaß auftritt, was wichtig wäre, um Lösungsansätze zu priorisieren und zu fokussieren. Unzureichende Kenntnisse befördern leider keine verbesserte Betreuung. Um Konzepte zu einer angemessenen Akutversorgung entwickeln und umsetzen sowie die dafür erforderlichen Ressourcen einschätzen zu können, benötigen Krankenhäuser und deren Kostenträger genaue Daten. Diese Lücke schließen Prof. Dr. Martina Schäufele (Hochschule Mannheim) und Dr. Horst Bickel (TU München) mit ihrer Feldstudie zur Epidemiologie von kognitiven Störungen im Akutkrankenhaus. Bislang wurde die Studie nur als Kurzfassung oder in Auszügen als Fachartikel in nationalen und internationalen Fachmedien veröffentlicht. Mit dieser Publikation werden die auch aktuell noch hoch relevanten Ergebnisse erstmals vollumfänglich zugänglich gemacht.
6 DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Vorwort Mit der Studie wird nachgewiesen, wie dringlich die Herausforderung ist, die Krankenhausabläufe für Patienten, die an kognitiven Einschränkungen leiden, möglichst schonend zu gestalten. Neben den von uns seit 2012 bundesweit geförderten 17 Krankenhäusern machen sich erfreulicherweise zunehmend weitere Kliniken und Krankenhausverbünde auf dem Weg. Wir als Robert Bosch Stiftung hoffen, schon in einigen Jahren sagen zu können, dass ein spürbarer Unterschied in den Krankenhäusern Deutschlands zu verzeichnen ist. Robert Bosch Stiftung Stuttgart, im November 2019
DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Inhalt 7 Inhalt 09 1. Einleitung und Studienziele 11 1.1 Häufigkeit von Demenzen und kognitiven Störungen bei älteren Allgemeinkrankenhauspatienten 17 1.2 Informationsstand der Krankenhäuser zum kognitiven Status der Patienten 17 1.3 Kognitive Testung im Allgemeinkrankenhaus 18 1.4 Häufigkeit von nichtkognitiven Störungen bei älteren Allgemeinkrankenhauspatienten mit Demenz 19 1.5 Angebote und Maßnahmen der Krankenhäuser für Patienten mit kognitiven Störungen 20 2. Methodik 20 2.1 Stichprobenauswahl 22 2.2 Patientendaten 23 2.2.1 Untersuchung der Patienten 23 2.2.2 Akteneinsicht 23 2.2.3 Befragung der Pflegekräfte 23 2.2.4 Befragung der Angehörigen oder des gesetzlichen Vertreters 24 2.2.5 Beurteilung der kognitiven Leistungsfähigkeit 24 2.3 Angebote und Maßnahmen für Patienten mit Demenz auf den Stationen 25 2.4 Statistische Methoden 26 3. Ergebnisse 26 3.1 Stichprobenbeschreibung 27 3.2 Demenz, Delir und leichte kognitive Störungen 27 3.2.1 Punktprävalenz von Demenz, Delir und leichten kognitiven Störungen 28 3.2.2 Alters- und geschlechtsspezifische Prävalenz von Demenzerkrankungen 31 3.2.3 Standardisierter Prävalenzvergleich mit der Allgemeinbevölkerung 34 3.2.4 Assoziationen zwischen Demenzprävalenz und demografischen Variablen 37 3.2.5 Kognitive Beeinträchtigungen und Pflegebedürftigkeit 38 3.2.6 Fachbereich und kognitive Beeinträchtigung 40 3.2.7 Behandlungsanlass und kognitive Beeinträchtigung 43 3.2.8 Medikation und kognitive Beeinträchtigung 46 3.2.9 Prävalenzraten für Demenz im Vergleich der bisherigen Studien 49 3.3 Vorinformationen der Krankenhäuser zum kognitiven Status der Patienten
8 DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Inhalt 51 3.4 Die kognitive Testung 51 3.4.1 Durchführbarkeit und Ergebnisse der einzelnen Tests 52 3.4.2 Der 6CIT als Screening-Instrument für Demenz im Allgemeinkrankenhaus 54 3.5 Nichtkognitive Symptome und Probleme in Pflege und Behandlung 54 3.5.1 Nichtkognitive Symptome und daraus erwachsende Belastungen des Pflegepersonals 56 3.5.2 Häufigkeit von Problemen in der Pflege und Behandlung von Patienten mit Demenz 57 3.5.3 Anwendung von besonderen Maßnahmen bei Patienten mit Demenz 58 3.6 Maßnahmen und Angebote der Stationen und Krankenhäuser für Patienten mit kognitiver Beeinträchtigung 61 3.7 Interpretation und Generalisierbarkeit der Resultate 62 4. Zusammenfassung der Ergebnisse 66 5. Schlussfolgerungen und Nutzen der Ergebnisse für die Praxis 66 5.1 Planungsgrundlage und „Brennpunkte“ der Versorgung 66 5.2 Identifikation kognitiver Störungen 67 5.3 Charakteristika und spezielle Interventionsbedarfe von Menschen mit Demenz 69 5.4 Strukturelle Bedingungen und demenzsensible Versorgungsangebote 70 Literaturverzeichnis 81 Tabellenverzeichnis 83 Abbildungsverzeichnis 84 Erläuterung der Abkürzungen 87 Impressum
DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Prävalenz und Versorgungssituation 9 1. Einleitung und Studienziele Die absolute Zahl alter und hochbetagter Menschen und Patienten mit komorbider Demenz sind unter den älteren auch ihr Anteil an der Bevölkerung nehmen beständig zu. Patienten deutlich überrepräsentiert, denn sie scheinen weit- Im Zuge dieser Veränderungen werden altersassoziierte aus häufiger in Kliniken eingewiesen zu werden als Gleichaltrige, Erkrankungen immer häufiger. Vor allem das Demenzsyndrom die nicht an einer Demenz erkrankt sind (Bynum et al. 2004, darf als die Alterskrankheit schlechthin gelten. Unterhalb von Phelan et al. 2012, Tolppanen et al. 2015, Motzek et al. 2018a). 65 Jahren treten Demenzen vergleichsweise selten auf, in der Phelan et al. (2012) erklären sich die höheren Einweisungs- Altenbevölkerung ergreifen sie jedoch einen rasch anwach- raten damit, dass (a) einer Demenz oft behandlungsbedürftige senden Teil der Menschen, denn ihre Neuerkrankungsrate Erkrankungen wie z. B. Schlaganfälle zugrunde liegen oder (Inzidenz) und ihre Bestandsrate (Prävalenz) verdoppeln sich Demenzfolgen wie Schluckstörungen zu Pneumonien führen nach jeweils etwa fünf Altersjahren. Die Zahl der Erkrankten können, dass (b) einweisende Ärzte bei Patienten mit Demenz, wächst aufgrund dieser exponentiellen Zunahme nicht die ihre Beschwerden und Symptome nicht adäquat artikulieren im Gleichschritt mit der Alterung, sondern steigt in einem können, lieber sichergehen wollen und eine Einweisung überproportionalen Ausmaß an. Schreibt man die jetzigen veranlassen, dass (c) im Falle eines zeitweiligen Fehlens von Krankenzahlen fort, so ist anzunehmen, dass sich die Anzahl familiären Bezugspersonen eher eine Einweisung erwogen der älteren Menschen mit Demenz in Deutschland in den wird und dass (d) dieselbe Erkrankung bei einem Patienten nächsten vier Jahrzehnten Jahr für Jahr um durchschnittlich mit Demenz schwerer ausfallen kann, z. B. weil sich rascher 40.000 erhöhen wird. Bis zur Mitte des Jahrhunderts wird ein Delir entwickelt. die Krankenzahl voraussichtlich von derzeit rund 1,7 Millionen auf 3 Millionen oder mehr zugenommen haben (Deutsche Gleichwohl scheinen die Krankenhäuser noch nicht auf die Alzheimer Gesellschaft 2018). Frühestens ab dem Jahr 2050, steigende Zahl von Patienten mit komorbider Demenz ein- wenn es nicht mehr die geburtenstarken Jahrgänge der gestellt zu sein und viele der besonderen Versorgungsmaß- Babyboom-Generation, sondern die geburtenschwachen nahmen für Patienten mit der Begleiterkrankung Demenz Jahrgänge seit den späten 1960er Jahren sein werden, noch nicht umgesetzt zu haben (Isfort et al. 2014). Für prak- die dann die Altenbevölkerung stellen, wird es zu einem tisch alle Beteiligten ist diese Situation nachteilig. Familien Rückgang der Krankheitsfälle kommen können. sind in großer Sorge um das Wohlergehen ihrer Angehörigen im Krankenhaus und immer wieder werden alarmierende In den Krankenhäusern wird diese Entwicklung spürbar Erfahrungen berichtet, wie es Patienten mit Demenz im (Jackson et al. 2017). Laut Krankenhausstatistik (Statistisches Krankenhaus ergangen ist. Die Patienten selbst reagieren oft Bundesamt 2017) hatten im Jahr 2016 bereits 44,7 % der mit großer Angst und Unruhe auf die unbekannte Umgebung mehr als 19 Millionen vollstationären Krankenhauspatienten und auf die unbekannten Personen, die sie im Krankenhaus in Deutschland ihr 65. Lebensjahr vollendet. Berücksichtigt antreffen. Der gewohnte Tagesablauf ändert sich, was zu erheb- man, dass ältere Patienten mit durchschnittlich 8,1 Tagen lichen Problemen mit Essen, Trinken und Schlafen führen kann. eine wesentlich längere Aufenthaltsdauer pro Behandlungs- Da Krankheitseinsicht und Verständnis für die medizinischen episode hatten als die jüngeren Patienten mit durchschnittlich Maßnahmen eingeschränkt sind, widersetzen die Patienten 4,9 Tagen, so nahmen sie bereits 57,1 % der Behandlungstage sich häufig den Anweisungen von Ärzten und Pflegern. Sie in Anspruch. Im Jahresmittel sind somit vier von sieben entfernen Katheter, Kanülen und Verbände und versuchen Patienten, die man im Krankenhaus antrifft, im Alter von über nicht selten, aus der Klinik zu entkommen. Damit beschwören 65 Jahren. sie u. U. große sekundäre Gesundheitsrisiken herauf.
10 DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Prävalenz und Versorgungssituation Verlaufsstudien zeigen, dass sich der Verlust kognitiver und Die Problematik ist nicht unbekannt. Angehörigenorganisa- funktioneller Kompetenzen von Menschen mit Demenz durch tionen weisen seit Längerem auf die unzureichende Berück- einen Krankenhausaufenthalt beschleunigt (Hartley et al. 2017). sichtigung der besonderen Bedürfnisse von Patienten mit Unerwünschte Ereignisse und Komplikationen treten gehäuft Demenz hin. Auch die meisten nationalen Demenzpläne, die auf (Watkin et al. 2012, Bail et al. 2015). Sterberisiko und unter dem Eindruck der wachsenden Zahl von Betroffenen Wahrscheinlichkeit der Entlassung in ein Pflegeheim liegen in immer mehr Ländern verabschiedet werden, sehen in der rund doppelt so hoch wie bei kognitiv unbeeinträchtigten Verbesserung der Versorgung während stationärer Behand- Patienten (Briggs et al. 2017, Fogg et al. 2017, Power et al. 2017, lung eine der vordringlichen Aufgaben. In Deutschland wurde Sampson et al. 2009, Harrison et al. 2017a, 2017b, Burton zwar eine Reihe von Modellprojekten auf den Weg gebracht, et al. 2018, Hapca et al. 2018, Morandi et al. 2018, Lehmann die auf einen adäquaten Umgang mit Demenzkranken im et al. 2018). Die Wahrscheinlichkeit einer Wiederaufnahme Akutkrankenhaus abzielen. Um solche Konzepte auf breiter ins Krankenhaus ist erhöht, insbesondere bei Patienten mit Basis umzusetzen und sie den jeweiligen Gegebenheiten Demenz, die an den ursprünglichen Herkunftsort entlassen anzupassen, benötigen die Krankenhäuser jedoch genauere worden waren (Tropea et al. 2017a). Sie beläuft sich laut einer Eckdaten zur Größenordnung und zu den Schwerpunkten der Übersichtsarbeit in den ersten 30 Tagen nach Entlassung auf Problematik. Näherer Aufschluss über die Anlässe, die zur bis zu 35 % und übertrifft das Wiederaufnahmerisiko der Krankenhausbehandlung von Menschen mit Demenz führen, restlichen Patienten deutlich (Ma et al. 2019). könnte darüber hinaus Anhaltspunkte geben, wie nicht un- bedingt erforderliche Hospitalisierungen vermieden werden Zu krisenhaften Zuspitzungen tragen Delire bei, die sich häufig könnten. Empirische Untersuchungen waren bisher von auf dem Boden einer Demenz entwickeln (Timmons et al. 2015, begrenztem Nutzen. Zwar zeigten sie, dass ein substanzieller Bail et al. 2015). Die Behandlung von Deliren und von Ver- Anteil der älteren stationär behandelten Patienten kognitiv haltensproblemen mit Psychopharmaka kann unerwünschte beeinträchtigt ist. Die Generalisierbarkeit der Ergebnisse war Nebenwirkungen nach sich ziehen (Walsh et al. 2016). In der jedoch gering, da die Studien sehr unterschiedliche Methoden Summe ergibt sich daraus eine Destabilisierung des Patienten, verwendeten und überwiegend auf kleinen und unrepräsen- die mit weiteren Selbstständigkeitsverlusten einhergehen tativen Stichproben beruhten. Infolgedessen kamen sie auch kann und das Risiko einer Pflegeheimeinweisung erhöht zu stark voneinander abweichenden Schätzungen des (Mukadam & Sampson 2011). Vorkommens von Demenzen, was sie für die Versorgungs- planung wertlos machte (Mukadam & Sampson 2011, Für das Pflegepersonal ist die Versorgung der Patienten Pinkert & Holle 2012). mit Demenz zeitraubend und belastend. Wie eine Befragung ergab, schätzen auch die Krankenhausärzte die Arbeitsbe- Die vorliegende Studie hatte primär das Ziel, erstmals anhand lastung als hoch ein. Zwei Drittel der Ärzte fühlen sich über- einer repräsentativen Stichprobe die Häufigkeit und Verteilung dies im Umgang mit den Patienten nicht ausreichend sicher von Demenzerkrankungen bei älteren Patienten im All- (Helm et al. 2018). Den Krankenhäusern entstehen durch den gemeinkrankenhaus zu bestimmen. Damit sollten empirische personellen Mehraufwand und durch die oftmals längeren Eckdaten für die weitere Planung und Ausgestaltung von Verweilzeiten von Patienten mit Demenz beträchtlich höhere besonderen Betreuungsformen für Patienten mit Demenz Kosten (Lyketsos et al. 2000, Sampson et al. 2009, Draper ermittelt werden. et al. 2011, Tropea et al. 2017a).
DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Prävalenz und Versorgungssituation 11 1.1 Häufigkeit von Demenzen und kognitiven Störungen bei älteren Allgemeinkrankenhauspatienten Übersichtsarbeiten über die wenigen Studien, die in den • Unterschiedliche Fachbereiche. Oft wurden ausschließlich letzten drei Jahrzehnten weltweit durchgeführt worden sind, geriatrische oder internistische oder chirurgische Patienten berichten von einer großen Spannweite in den Resultaten zur einbezogen. In geriatrischen Einrichtungen trifft man einen Demenzprävalenz. Mukadam & Sampson (2011) fanden in weitaus höheren Anteil von Patienten mit Demenz an als 14 Studien Gesamtprävalenzen für ältere Krankenhauspatien- in Allgemeinkrankenhäusern (Laurila et al. 2004, Zekry ten zwischen 12,9 und 63 %, Pinkert & Holle (2012) teilten et al. 2008, Trauschke et al. 2009, von Renteln-Kruse et Prävalenzraten zwischen 3,4 und 43,3 % mit. Diese Diskre- al. 2015). Auch die restlichen Fachbereiche unterscheiden panzen sind größtenteils durch methodische Unterschiede sich voneinander im Anteil der Patienten mit Demenz. erklärbar, die einen Vergleich zwischen den Studien im Grunde Die höchsten Raten werden zumeist für die Innere Medizin von vornherein verbieten. Zu diesen Unterschieden zählen: berichtet (Travers et al. 2013, Timmons et al. 2015). Eine Begrenzung auf bestimmte Fachbereiche schränkt die • Stark voneinander abweichende Altersgrenzen für den Generalisierbarkeit der Ergebnisse ein. Einschluss von Patienten. Manche Studien bezogen sich • Manche Studien untersuchten ausschließlich Akutaufnah- auf die Gesamtheit der erwachsenen Patienten, andere men, andere bezogen auch elektive Behandlungen mit ein. bezogen sich auf die Patienten im Alter von über 55, über Es ist zu vermuten, dass sich unter den Akutaufnahmen 60, über 65 oder über 70 Jahren. Je höher das Alter gehäuft Patienten mit Demenz befinden. Ein Ausschluss der Patienten ist, desto höher fällt in der Regel der Anteil der elektiven Fälle führt dann zu überhöhten Prävalenz- der Patienten mit Demenz aus. Die Mehrheit der Studien schätzungen. berichtet lediglich die Gesamtprävalenzraten. Altersspezi- • Voneinander abweichende Stichtage für die Untersuchung. fische Raten, die für eine Rückrechnung und einen direkten In einigen Studien wurden die Untersuchungen am Tag Vergleich verwendet werden könnten, werden meistens der Aufnahme durchgeführt, in anderen an einem beliebigen nicht mitgeteilt. Tag während des Klinikaufenthalts oder nach einer • Geringe Stichprobenumfänge. Viele Studien wurden an Mindestverweildauer von mehreren Tagen. Falls sich kleinen Stichproben von weniger als 300 Patienten Patienten mit und ohne Demenz in der Verweildauer durchgeführt. Diese kleinen Stichproben bringen große unterscheiden, kann die Wahl des Stichtages einen starken Schätzfehler mit sich. Bei einem Stichprobenumfang von Einfluss auf die Prävalenzrate nehmen. beispielsweise 250 Patienten reicht das 95 %-Vertrauen- • Unterschiedliche Diagnosekriterien und Krankheitsschwere- sintervall für eine Prävalenzrate von 20 % von 15,2 bis grade. Die Kriterien für eine klinische Diagnose der Demenz 25,5 %, für einen Stichprobenumfang von 150 Personen unterlagen Veränderungen im Zeitverlauf. In älteren reicht es von 13,9 bis 27,3 %. Die Präzision der Schätzungen Studien wurden beispielsweise oft nur die mittelschweren auf der Basis kleiner Stichproben ist gering, Zufallseinflüsse und schweren Demenzen erfasst, während die neueren können eine beträchtliche Rolle spielen. Studien im Allgemeinen auch die leichteren Erkrankungs- • Die meisten Studien beschränkten sich auf eine einzige stadien einschließen. In manchen Studien wurde gänzlich Klinik oder auf eine sehr geringe Zahl von Kliniken. Zumeist auf die persönliche Untersuchung der Patienten verzichtet. handelte es sich dabei um die Krankenhäuser, an denen Stattdessen wurden zur Diagnosestellung administrative die Studienleiter ärztlich tätig waren, oder um nahe gelegene Daten verwendet, die mit einer nicht genau zu quantifizie- Kliniken, zu denen gute Kontakte bestanden. Durch ggfs. renden Unterschätzung und Verzerrung verknüpft sind. bestehende Besonderheiten dieser Kliniken können die Eine umfangreiche italienische Studie definierte z. B. nur Resultate stark verzerrt werden. Die Prävalenzschätzungen jene Patienten als dement, die entweder eine vorbekannte sind nicht verallgemeinerbar. Demenzdiagnose trugen oder denen ein Antidementivum verordnet worden war (Morandi et al. 2018).
12 DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Prävalenz und Versorgungssituation • Unterschiedliche Methoden zur Identifikation von Patien- ten mit Demenz. In den meisten Studien wurden die Patienten zwar persönlich mittels eines standardisierten Instrumentariums untersucht. Einige Studien stützten sich hingegen auf sekundäre Datenquellen wie Kranken- akten und erfassten nur die vorbekannten Diagnosen. Da übereinstimmend berichtet wird, dass Demenzen unterdiagnostiziert sind (Ferretti et al. 2010, Timmons et al. 2015), kann mit dieser Methode eine starke Unter- schätzung ihrer Prävalenz verbunden sein. Autoren (Jahr), Land, Demenzschweregrad; medizinische Fachabteilungen Prävalenz Alters- Stichprobengröße und Altersgruppe der Patienten % gruppe Erkinjuntti et al. (1986) Demenz: mittelschwer und schwer; 11,9 (≥ 65) Finnland, N = 1.492 Innere Medizin; Alter ≥ 65 Jahre 3,4 (65 – 69) 9,0 (70 – 74) 12,6 (75 – 79) 13,7 (80 – 84) 31,2 (≥ 85) Erkinjuntti et al. (1988) Demenz: mittelschwer und schwer; 12,1 (≥ 65) Finnland, N = 282 Innere Medizin; Alter ≥ 65 Jahre 5,7 (65 – 69) 10,0 (70 – 79) 20,7 (≥ 80) Bickel et al. (1993) Hirnorganisches Psychosyndrom: mittelschwer und schwer; 9,1 (65 – 80) Deutschland, N = 626 Innere Medizin; Alter 65 – 80 Jahre Kolbeinsson et al. (1993) Demenz: alle Schweregrade; 18,4 (≥ 70) Island, N = 272 Innere Medizin; Alter ≥ 70 Jahre Wancata et al. (1996) Demenz: alle Schweregrade; 23,7 (≥ 65) Österreich, N = 228 Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie; Alter ≥ 65 Arolt et al. (1997) Demenz: alle Schweregrade; 18,0 (≥ 65) Deutschland, N = 211 Innere Medizin, Chirurgie; Alter ≥ 65 Jahre Sampson et al. (2009) Demenz, alle Schweregrade; 42,4 (≥ 70) UK, N = 617 Ausschluss der Delire ohne Demenz, 23,2 (70 – 79) nur Akutaufnahmen; Alter ≥ 70 Jahre 48,3 (80 – 89) 65,5 (≥ 90) Travers et al. (2013) Demenz: alle Schweregrade; 20,7 (≥ 70) Australien, N = 493 Innere Medizin, Allgemeinchirurgie, Orthopädie; 8,5 (70 – 79) Alter ≥ 70 Jahre 30,1 (80 – 89) 47,4 (≥ 90) Maia et al. (2015) Demenz: alle Schweregrade; 17,2 (≥ 60) Brasilien, N = 180 Alter ≥60 Jahre 8,8 (60 – 69) 21,4 (70 – 79) 33,3 (≥ 80) Timmons et al. (2015) Demenz: alle Schweregrade; 24,9 (≥ 70) Irland, N = 598 Allgemeinkrankenhaus; Alter ≥ 70 Jahre Reynish et al. (2017) Demenz: alle Schweregrade; 17,3 (≥ 65) Schottland, N = 10.014 Allgemeinkrankenhaus, Alter ≥ 65 Jahre Tabelle 1: Demenzprävalenz im Allgemeinkrankenhaus nach den Ergebnissen internationaler Primärstudien
DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Prävalenz und Versorgungssituation 13 In Tabelle 1 sind die Ergebnisse aus Primärstudien zur • Die Altersverteilung der über 65-jährigen Patienten im Prävalenz von Demenzen in Allgemeinkrankenhäusern und, Krankenhaus weicht von der Altersverteilung in der Bevöl- soweit verfügbar, die altersspezifischen Prävalenzraten kerung ab. Im Krankenhaus gibt es möglicherweise mehr dargestellt. Für mittelschwere und schwere Demenzen fand Hoch- und Höchstbetagte als in der Allgemeinbevölkerung man in den älteren Studien eine Rate von rund 12 % unter und damit auch mehr Patienten mit Demenz. Selbst den über 65-Jährigen. Mit Ausnahme der Studie von Sampson wenn Aufnahmewahrscheinlichkeit und Verweildauer von et al. (2009) bewegen sich die unter Einschluss der leichten Menschen mit Demenz nicht erhöht wären, würde sich in Demenzstadien vorgenommenen Schätzungen aus jüngerer diesem Fall eine höhere Gesamtprävalenz ergeben. Zeit um einen durchschnittlichen Wert von etwa 20 %. Die Sampson-Studie beziffert die Rate für über 70-Jährige mit Für die beiden erstgenannten Erklärungen gibt es zahlreiche 42,4 % auf mehr als das Doppelte. Möglicherweise sind empirische Belege. Mehrere Studien zeigten, dass Menschen Besonderheiten der untersuchten Klinik und der Patienten- mit Demenz häufiger stationär behandelt werden als gleich- stichprobe für diesen Ausreißerwert verantwortlich gewesen, altrige Menschen ohne Demenz (Bynum et al. 2004, Phelan denn diese Studie stützte sich ausnahmslos auf Akutauf- et al. 2012, Tolppanen et al. 2015, Motzek et al. 2017) und nahmen und es gab einen ungewöhnlich hohen Anteil von dass sie nach Entlassung ein höheres Wiederaufnahmerisiko Pflegeheimbewohnern unter den Patienten. Altersspezifische haben (Tropea et al. 2017a, Ma et al. 2019). Es ist allerdings Raten lagen nur für einen Teil der Studien vor. Sie zeigen unklar, wie stark das Risiko erhöht ist. Die internationalen den erwartet steilen Anstieg von Demenzen mit zunehmen- Resultate weisen eine große Streuung auf, die von nur ge- dem Alter. ringfügig höherer Aufnahmewahrscheinlichkeit bis zu einer Risikoerhöhung um mehr als 250 % reicht. Daten aus Eine jüngere deutsche Studie zur administrativen Prävalenz, Sachsen bezifferten die Erhöhung des Risikos einer mindestens die auf die Diagnosedaten von knapp einer Viertelmillion über einmaligen Hospitalisierung bei älteren AOK-Versicherten 65-jährigen Versicherten der AOK Sachsen zurückgreifen mit Demenz im Jahr 2014 auf das 1,49-Fache (Motzek et al. konnte, kam zu vergleichbaren Ergebnissen. Für die stationär 2018b). behandelten, älteren Versicherten ergab sich eine Punkt- prävalenz in Höhe von 16,7 %, die altersspezifischen Raten Von wenigen Studien abgesehen, die keine Unterschiede in stiegen von 6,2 % unter den 65- bis 69-Jährigen auf 35,4 % der Verweildauer zwischen Patienten mit und ohne Demenz unter den über 90-Jährigen an (Motzek et al. 2018a). fanden (Motzek et al. 2018a, Ahern et al. 2019), wurde weit- gehend übereinstimmend von längeren stationären Aufent- Für die ältere Allgemeinbevölkerung Deutschlands wird die halten der Patienten mit Demenz berichtet (Lyketsos et al. Demenzprävalenz nach epidemiologischen Daten auf Werte 2000, Sampson et al. 2009, Draper et al. 2011, Travers et al. von bis zu 10 % geschätzt (Deutsche Alzheimer Gesellschaft 2013, Zhu et al. 2015, Motzek et al. 2017, Tropea et al. 2017a, 2018). Unter den stationär behandelten Patienten scheint Fogg et al. 2019). In ihrer aktuellen Überblicksarbeit kamen demnach der Anteil von Menschen mit Demenz weitaus höher Möllers et al. (2019a) zum Ergebnis, dass in 52 von insgesamt zu sein. Falls das zutrifft, kann dafür einer der drei folgenden 60 Studien eine längere Verweildauer der Patienten mit Faktoren oder eine Kombination aus diesen Faktoren verant- Demenz beobachtet worden war. Die Differenzen waren in wortlich sein: einzelnen Studien beträchtlich und betrugen bis zu 22 Tage, die mittlere Verlängerung der Aufenthaltsdauer lag bei • Menschen mit Demenz sind körperlich kränker oder 2 bis 3 Tagen. Aus Deutschland ist nur wenig über Unterschiede werden aus sonstigen Gründen häufiger ins Krankenhaus in den Verweilzeiten bekannt. In einer kleinen Stichprobe eingewiesen als Gleichaltrige ohne Demenz. internistischer Patienten eines Akutkrankenhauses zeigte • Patienten mit Demenz haben eine längere Verweildauer sich unter den Patienten mit Demenz eine höhere Rate von im Krankenhaus. Da die Wahrscheinlichkeit, für eine Komplikationen und eine um 1,4 Tage längere Verweildauer Stichtagsuntersuchung ausgewählt zu werden, eine Funk- (Motzek et al. 2017). Eine umfangreiche Analyse administra- tion der Verweildauer ist, könnte die höhere Prävalenzrate tiver Daten durch dieselbe Forschungsgruppe konnte dieses durch eine längere Verweildauer erklärbar sein. Ergebnis jedoch nicht bestätigen. Die Verweilzeiten pro Episode akutstationärer Behandlung unterschieden sich kaum voneinander, sie lagen bei durchschnittlich 8,5 Tagen für die Patienten mit Demenz und bei 8,4 Tagen für die Patienten ohne Demenz (Motzek et al. 2018a, 2018b).
14 DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Prävalenz und Versorgungssituation Die Unterschiede in Aufnahmerisiko und Verweildauer könnten Tabelle 2 stellt einige der Studien dar, die auf weniger stark eine Überrepräsentation von Menschen mit Demenz im selektierten Stichproben beruhen und deshalb am ehesten Krankenhaus erklären. Bisher wurde aber unseres Wissens einen Eindruck vom allgemeinen Vorkommen von Deliren noch gar nicht geprüft, ob es überhaupt zutrifft, dass im geben können. Diesen Ergebnissen zufolge können die Krankenhaus mehr Menschen mit Demenz behandelt werden, Periodenprävalenzen für den gesamten Aufenthaltszeitraum als unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht zu er- im Krankenhaus zwischen 7,6 und 24,6 % betragen. Der warten wären. Die Studienergebnisse wurden üblicherweise Median liegt bei etwa 17 %. In bis zu drei Vierteln aller Fälle in Form von Gesamtprävalenzraten für die älteren Patienten entwickelt sich das Delir auf dem Boden einer Demenz ausgedrückt, ohne dass die Altersstruktur der Patientenschaft (Timmons et al. 2015). Dies spiegelt sich auch in den admi- in Rechnung gestellt worden wäre. Wir beabsichtigten nistrativen Daten aus Deutschland wider. Delire bei Demenz deshalb, die alters- und geschlechtsspezifischen Raten in hatten im Jahr 2014 laut Krankenhausstatistik den höchsten Krankenhaus und Bevölkerung miteinander zu vergleichen, Anteil (71,6 %) an den rund 42.000 in Krankenhäusern ver- um herauszufinden, ob es in den Kliniken eine Überrepräsen- gebenen Hauptdiagnosen eines nicht substanzinduzierten tation von Menschen mit Demenz gibt. Falls ja, soll unter- Delirs; weniger als 30 % der Delire traten somit bei Patienten sucht werden, ob diese Überrepräsentation für alle oder nur ohne Demenz auf (Statistisches Bundesamt 2015). Ein Ziel für bestimmte Altersstufen gilt und ob beide Geschlechter unserer Studie war es deshalb, nicht nur die Punktprävalenz in gleicher Weise betroffen sind. von Deliren zu ermitteln, sondern durch Befragung von Angehörigen und Pflegepersonal festzustellen, in welchen Ähnlich hohe Prävalenzraten wie für Demenzen werden auch Fällen sich das Delir bei kognitiv unbeeinträchtigten Patienten für Delire (Inouye et al. 2014) berichtet. Siddiqi et al. (2006) entwickelt hatte und in welchen Fällen dem Delir eine fanden in einer Übersicht über 42 Studien, dass zwischen Demenz zugrunde lag. Durch die Anlage unserer Studie als 10 und 31 % der Patienten bereits bei Klinikaufnahme an Stichtagserhebung bedingt, lassen sich allerdings weder einem Delir litten und sich bei weiteren 3 bis 29 % ein Delir Aussagen über die Delirprävalenz bei Klinikaufnahme noch während des Aufenthaltes entwickelte. Die Ergebnisse sind über die Periodenprävalenz für den gesamten Zeitraum des indessen noch weniger miteinander vergleichbar als die Krankenhausaufenthaltes noch über das Auftreten nächtlicher Ergebnisse zur Demenz, da sie zumeist eine Mischung aus Delirepisoden treffen. Punkt- und Periodenprävalenz darstellen und oft in sehr spezifischen Settings oder an spezifischen Patientengruppen Ein weiteres Hauptziel bestand in der Identifikation von (z. B. nach Hüftoperationen oder nach Operationen am sozialen, demografischen und gesundheitlichen Merkmalen, offenen Herzen) gewonnen wurden. nach denen sich die Patienten mit Demenz von den kognitiv unbeeinträchtigten Patienten unterscheiden lassen. Bis- herige Befunde deuten darauf hin, dass Patienten mit Demenz überwiegend hochbetagt sind, einen geringeren Bildungs- abschluss haben und vor der Klinikaufnahme in einem Pflege- oder Altenheim lebten (Sampson et al. 2009).
DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Prävalenz und Versorgungssituation 15 Autoren (Jahr), Ort, Diagnosekriterien, Fachbereiche, Prävalenzrate % Stichprobenumfang Altersgruppe der Patienten Erkinjuntti et al. (1986) Short Portable Mental Status Questionnaire (SPMSQ) 15,1 bei Aufnahme Finnland, N = 2.000 als Screening, neurologische Untersuchung; Innere Medizin (zu > 90 % Notaufnahmen); Alter ≥ 55 Kolbeinsson et al. (1993) Mental Status Questionnaire (MSQ) und 13,6 Island, N = 272 Mini-Mental Status Examination (MMSE), DSM-III-R; Innere Medizin; Alter ≥ 70 Margiotta et al. (2006) Confusion Assessment Method (CAM); 19,1 Italien, N = 330 Alter ≥65 Travers et al. (2013) Review von Kurve und geriatrischen Assessments 16,6 insgesamt Australien, N = 493 (u. a. MMSE, CAM, IQCODE), täglicher Kontakt; • 9,7 bei Aufnahme Innere Medizin, Allgemeinchirurgie, Orthopädie Alter ≥ 70 • 6,9 im Verlauf Erden et al. (2014) CAM und MMSE täglich; 16,7 Türkei, N = 108 konsekutive Patienten aus Innerer Medizin und Chirurgie; Alter ≥ 65 Fortini et al. (2014) SPMSQ als kognitives Screening, Diagnose nach CAM, 11,2 insgesamt Italien, N = 560 tägliche Evaluation mit CAM; • 3,4 bei Aufnahme Innere Medizin; Alter ≥65 • 7,9 im Verlauf Meagher et al. (2014) Irland, CAM, Delirium Rating Scale-R98 (DRS), DSM-IV; 16,7 nach CAM N = 311 sämtliche Patienten eines Krankenhauses am Wochenende 18,6 nach DRS innerhalb 36 Stunden untersucht; 17,7 nach DSM-IV Alter 17– 95, im Mittel 69 Jahre alt 7,7– 13,2 „subsyndromal“ Singler et al. (2014) CAM; 14,3 Deutschland, N = 133 konsekutive Notaufnahmen; Alter ≥ 75 Whittamore et al. (2014) UK, Screening mit AMT, GDS, CAGE, MMSE, 9,0 mit Delir N = 1.004 Barthel-Index, Diagnose nach DRS-R-98; 19,0 mit Delir konsekutive Patienten eines Akutkrankenhauses; Alter ≥ 70 bei Demenz Timmons et al. (2015) Zweistufige Prozedur mit MMSE, CAM, DRS; 19,4 Irland, N = 598 Alter ≥ 70 Renteln-Kruse et al. (2015) ICD-Diagnose; 22,0 Deutschland, N = 2.084 Geriatrische Klinik (Station für „Kognitive Geriatrie“); Alter 56 – 102, im Mittel 81,6 Jahre alt Bellelli et al. (2016) Assessment test for delirium and cognitive impairment (4AT); 22,9 Italien, N = 1.867 Patienten von 120 Stationen in Akut- und Rehabilitations • Neurologie 28,5 kliniken, vorwiegend Geriatrie (61,8 %); Alter ≥ 65 • Geriatrie 24,7 • Innere 21,4 • Orthopädie 20,6 • Rehabilitation 14,0 Reynish et al. (2017) Abbreviated Mental Test (AMT), CAM; alle Akutaufnahmen 7,6 Vollsyndrom Schottland, N = 10.014 eines Allgemeinkrankenhauses über einen Zeitraum nach CAM von 18 Monaten; Alter ≥ 65 24,6 bei Diagnose durch Pflegekraft Tabelle 2: Delirprävalenz im Allgemeinkrankenhaus nach den Ergebnissen ausgewählter internationaler Primärstudien Welche Fachbereiche die höchsten Anteile von Patienten mit während Timmons et al. (2015) eine Reihenfolge mit Geriatrie / Demenz haben, ist nicht ganz eindeutig. Arolt et al. (1997b) Orthopädie an der Spitze, gefolgt von Innerer Medizin und fanden gleich hohe Anteile in Chirurgie und Innerer Medizin, Chirurgie, beobachteten. Unter den Akutaufnahmen scheinen Travers et al. (2013) hingegen berichten, dass die meisten sich häufiger Patienten mit Demenz zu befinden als unter Patienten mit Demenz in der Inneren Medizin angetroffen Patienten, die sich elektiven Eingriffen unterziehen (Timmons werden, gefolgt von Allgemeinchirurgie und Orthopädie, et al. 2015).
16 DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Prävalenz und Versorgungssituation Autor (Jahr) Seltenere Diagnosen1 Häufigere Diagnosen Natalwala et al. (2008) – Synkope, Kollaps, Pneumonie, Harnwegsinfektion, Dehydratation Sampson et al. (2009) Akute Herzsyndrome Pneumonie, Harnwegsinfektion Rudolph et al. (2010) – Synkope, Sturz, Ischämische Herzerkrankung, Pneumonie, Gastrointestinale Erkrankungen, Delir Draper et al. (2011) Neubildungen, Kreislauferkrankungen, Hüftbrüche, Kopfverletzungen, Erkrankungen der Verdauungswege Harnwegsinfektion, Infektion der unteren Atemwege Phelan et al. (2012) Muskel- und Skeletterkrankungen Pneumonie, Dehydratation, Herzinsuffizienz, Zwölffingerdarm geschwür, Harnwegsinfektion Tolppanen et al. (2014) Neubildungen, Psychische Erkrankungen, Muskel- und Skeletterkrankungen, Nervensystemerkrankungen, Erkrankungen von Auge und Ohr Verletzungen, Atemwegserkrankungen, Erkrankungen des Urogenitalsystems, Endokrine Erkrankungen Timmons et al. (2015) – Atemwegsinfektion, Harnwegsinfektion Maia et al. (2016) – Pneumonie, Schlaganfall, Harnwegsinfektion, Delir Bernardes et al. (2018) – Pneumonie, Harnwegsinfektion 1 Seltener auftretende Diagnosen wurden in einigen Studien nicht mitgeteilt Tabelle 3: Seltenere und häufigere Anlässe einer stationären Behandlung von Patienten mit Demenz im Vergleich mit Patienten ohne Demenz Da einigen Erkrankungen erfolgreich vorgebeugt werden kann und andere u. U. ebenso gut ambulant wie stationär behan- delt werden können, ist die Frage, welche Krankheiten gehäuft zur Einweisung führen, für eine Reduktion der stationären Aufenthalte von Patienten mit Demenz von großer Bedeutung (Pimouguet et al. 2016, Wolf et al. 2019). Tabelle 3, die einen Überblick über einschlägige Studien gibt, zeigt eine bemerkenswert hohe Übereinstimmung der Resultate (Toot et al. 2013). Demnach kommen Patienten mit Demenz wesentlich häufiger wegen Harnwegsinfektionen und wegen Infektionen der unteren Atemwege in stationäre Behandlung. Aus mehreren Studien werden zudem höhere Raten von Stürzen und Verletzungen, von Synkopen, von gastrointesti- nalen Erkrankungen, von Dehydratationen und Deliren sowie von Schlaganfällen berichtet. Weitaus seltener als bei den restlichen Patienten scheinen hingegen Krebserkrankungen sowie Muskel- und Skeletterkrankungen der Behandlungs- anlass zu sein.
DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Prävalenz und Versorgungssituation 17 1.2 Informationsstand der Krankenhäuser zum kognitiven 1.3 Kognitive Testung im Status der Patienten Allgemeinkrankenhaus Patienten mit Demenzerkrankungen können nur dann von Eine naheliegende und in geriatrischen Kliniken vielerorts besonderen Maßnahmen in Pflege und Behandlung profitieren, bereits praktizierte Methode, um kognitive Störungen schon wenn die Krankenhäuser wissen, welche ihrer Patienten einer bei Aufnahme verlässlich zu erfassen, ist der Einsatz von besonderen Versorgung bedürfen. Einige Studien berichten kognitiven Kurztests, sogenannten Screenings, an die sich allerdings, dass in zwei Dritteln und mehr der Fälle von abhängig vom Resultat dieses Screenings eine ausführlichere komorbider Demenz bei Krankenhausaufnahme keine Vor- Untersuchung anschließen kann (Shenkin et al. 2014). Ein- diagnose bekannt gewesen sei (Ferretti et al. 2010, Timmons gedenk der großen Anzahl von Patienten und der Limitationen, et al. 2015) und dass während des Krankenhausaufenthaltes die durch die Akuterkrankung und durch häufig bestehende eine nähere diagnostische Abklärung zumeist unterbleibe sensorische und motorische Einschränkungen sowie nicht (Kleina & Wingenfeld 2007). Es war deswegen ein Ziel der zuletzt durch die bisweilen ablehnende Haltung der Patienten Studie, zum einen zu beschreiben, wie häufig Hinweise auf gegeben sind, muss ein kognitives Testverfahren eine Reihe kognitive Beeinträchtigungen waren und aus welcher Quelle von Anforderungen erfüllen, wenn es für die Verwendung in sie stammten, und zum anderen festzustellen, wie zutref- der Klinik geeignet sein soll. Dazu zählen neben ausreichender fend diese Hinweise waren und in welchem Umfang sie bei Reliabilität und Validität beispielsweise ein geringer Zeitbedarf, Bündelung und vollständiger Ausschöpfung die frühzeitige die Durchführbarkeit am Krankenbett, die Anwendbarkeit Erkennung von demenziellen Erkrankungen hätten ermög- durch medizinische Hilfspersonen, der Verzicht auf Test- lichen können. materialien und Hilfsmittel und eine hohe Akzeptanz der Testung seitens der Patienten bei zugleich geringer Belastung. Die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Testunter- suchung sollten in der vorliegenden Studie geprüft werden. Wir beabsichtigten, ein sehr kurzes Screeningverfahren auf seine Eignung für das Krankenhaus zu untersuchen, und ent- schieden uns dabei für den nur sechs Fragen umfassenden und im Durchschnitt weniger als fünf Minuten beanspruchen- den 6-Item Cognitive Impairment Test (6CIT), der ursprünglich für die Verwendung in der ärztlichen Allgemeinpraxis konzi- piert worden war (Katzman et al. 1983, Brooke & Bullock 1999, Hessler et al. 2014). Es sollte Aufschluss darüber gewonnen werden, bei welchem Anteil von älteren Patienten das Test- verfahren überhaupt vollständig durchführbar sein würde und welche Validität erreicht werden würde. Die weiteren bewährten Subtests aus neuropsychologischen Testbatterien, die in der Studie zum Einsatz kamen, sollten u. a. als Vergleichs- maßstab für die Durchführbarkeit dienen.
18 DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Prävalenz und Versorgungssituation 1.4 Häufigkeit von nichtkognitiven Störungen bei älteren Allgemein- krankenhauspatienten mit Demenz In der Regel ist es für Familienmitglieder und Pflegende Hinter den abstrakten Symptombezeichnungen verbergen schwieriger, mit nichtkognitiven Symptomen, die eine Demenz- sich oftmals sehr konkrete Verhaltensauffälligkeiten bzw. erkrankung begleiten können, wie beispielsweise Aggressivität, sogenanntes herausforderndes Verhalten, die bei einem Teil Wahnvorstellungen oder Angst, umzugehen als mit den der Patienten mit Demenz auftreten und die Versorgung kognitiven Kernsymptomen wie etwa einem nachlassenden erheblich erschweren können. Zur Häufigkeit dieses heraus- Gedächtnis (Black & Almeida 2004, Toot et al. 2017). Es sind fordernden Verhaltens, zu dem im Krankenhaus beispiels- vor allem Symptome wie Wahnvorstellungen, Aggressivität, weise tätliche Angriffe oder Beschimpfungen, extreme Erregbarkeit, motorische Unruhe und Enthemmung, die die motorische Unruhe oder wahnhafte Verkennungen von Belastung für die Pflegenden ganz erheblich steigern Personen und Handlungen zählen können, gibt es bisher so (Matsumoto et al. 2007, Huang et al. 2012). Dies scheint auf gut wie keine empirischen Daten. Ebenso wenig ist der Ver- pflegende Angehörige und auf professionelles Pflegepersonal such unternommen worden, die Herausforderungen in gleichermaßen zuzutreffen (Ballard et al. 2000). Pflege und Behandlung zu quantifizieren (z. B. Nichtverstehen und Nichtbefolgen von ärztlichen und pflegerischen Anwei- Über die Situation für Allgemeinkrankenhauspatienten mit sungen, Selbstgefährdung). Demenz und deren Pflegekräfte ist jedoch nur wenig bekannt. Unseres Wissens gibt es nur zwei Studien, in denen die In Bezug auf diesen Themenkomplex sollte die Studie Antwort Häufigkeit von nichtkognitiven Symptomen bei Patienten mit auf folgende Fragen geben: Demenz untersucht wurde (Wancata et al. 2004, Sampson et al. 2014). Trotz sehr unterschiedlicher Methoden der Erfas- • Wie häufig treten nichtkognitive Störungen bei Patienten sung kommen sie zu dem ähnlichen Resultat, dass während mit Demenz auf? des Krankenhausaufenthaltes bei mehr als drei Vierteln der • Sind Patienten mit Demenz häufiger als nicht demenz- Patienten mit Demenz nichtkognitive Störungen auftreten. kranke (oder kognitiv unbeeinträchtigte) Patienten von Am häufigsten scheinen expansive Störungen wie Aggressivität, diesen Störungen betroffen? motorische Unruhe und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus • Von welchen Störungen sind Patienten mit Demenz zu sein. In der Studie von Sampson et al. (2014), in der eine besonders häufig betroffen? globale Einschätzung des Grades der Belastung erfragt wurde, • Lassen sich Cluster von Symptomen beschreiben, fühlten sich die Pflegekräfte in 43 % aller Fälle von Demenz die überzufällig häufig gemeinsam auftreten, oder sind durch nichtkognitive Störungen deutlich mehr belastet. Welche die Symptome voneinander unabhängig? Einzelsymptome im Krankenhaussetting als besonders große • Welche Störungen verursachen die größte Belastung Herausforderung empfunden werden – und für welche folglich für das Pflegepersonal? der größte Bedarf an Schulung besteht, wie am besten damit • Mit welchen pflegerischen und ärztlichen Problemen umzugehen ist –, wurde bisher nicht untersucht. stehen die nichtkognitiven Störungen im Zusammenhang? • Mit welchen besonderen Maßnahmen, Vorkehrungen und Gefährdungen sind nichtkognitive Störungen assoziiert?
DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Prävalenz und Versorgungssituation 19 1.5 Angebote und Maßnahmen der Krankenhäuser für Patienten mit kognitiven Störungen Es gibt viele Empfehlungen, wie Krankenhäuser „demenz- Diese Befunde, die, wenn sie auf postalischen Befragungen sensibler“ werden können, und es gibt in Deutschland bereits beruhen, unvermeidlich unter geringen Rücksendequoten beispielhafte Modelle und Konzepte, die auf eine verbesserte und einer damit verbundenen Ergebnisverzerrung unbekann- Versorgung von Patienten mit komorbider Demenz abzielen. ten Ausmaßes leiden, wollten wir mit dem Ziel, Informationen Im Allgemeinen scheint die Umsetzung von geeigneten Ver- über eine repräsentative Auswahl von Kliniken zu sammeln, sorgungskomponenten jedoch noch nicht sehr weit voran- ergänzen. Wir strebten deshalb eine Bestandsaufnahme der geschritten zu sein. So stellten Isfort et al. (2014) in einer besonderen Angebote und Maßnahmen für Patienten mit Befragung von Stationsleitern fest, dass zwar einige eher Demenz auf ausnahmslos allen per Zufall ausgewählten unspezifische und unaufwendige Maßnahmen schon in sicht- Krankenhausstationen an, auf denen wir die Patienten für barem Umfang realisiert wurden – wenn auch nach wie vor unsere Studie untersuchen würden. nur bei einer Minorität der Stationen –, dass aber spezifische Verbesserungen wie der Einsatz von Demenzbeauftragten, tagesstrukturierende Maßnahmen, schriftlich fixierte Versorgungskonzepte oder besondere Therapieangebote von einer breiten Umsetzung noch weit entfernt sind (Dewing & Dijk 2016).
20 DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Prävalenz und Versorgungssituation 2. Methodik Das Studienprotokoll wurde der Ethikkommission der In einem ersten Schritt wurden in jedem der beiden Bundes- Fakultät für Medizin der Technischen Universität München länder alle infrage kommenden Allgemeinkrankenhäuser vorgelegt und am 21.03.2014 ohne Einschränkungen geneh- in eine Zufallsreihenfolge gebracht. Diese Kliniken wurden migt. Im Deutschen Register Klinischer Studien wurde das sukzessive kontaktiert, über Ziele und Methoden der Studie Vorhaben am 15.05.2014 unter der Nummer DRKS00006028 informiert und um ihre Zusammenarbeit gebeten. In einem registriert. Das Akronym der Studie lautet „GHoSt“ (General zweiten Schritt wurden in jedem Krankenhaus, das zur Zu- Hospital Study). sammenarbeit bereit war, per Zufallsverfahren fünf Kranken- stationen ausgewählt. Wir rechneten damit, dass auf diesen fünf Stationen durchschnittlich mehr als 40 ältere Patienten 2.1 Stichprobenauswahl würden untersucht werden können. Für den Fall, dass diese Zahl nicht erreicht werden könnte, wurde zusätzlich in jeder Bei der Stichprobenziehung wurde Repräsentativität für Klinik eine sechste Station als Ergänzung gezogen. In einem die älteren Patienten von Allgemeinkrankenhäusern in den dritten Schritt wurden schließlich alle Patienten im Alter von beiden Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg 65 und mehr Jahren, die sich am Untersuchungstag auf den angestrebt. Dazu wurde ein mehrstufiges Verfahren an- ausgewählten fünf Stationen befanden und den vordefinierten gewandt, das nach demselben Muster in Bayern und Kriterien entsprachen, um ihre Beteiligung an der Studie Baden-Württemberg durchgeführt wurde (Abbildung 1). gebeten. Wenn die Teilnehmerzahl in einem Krankenhaus unterhalb von 40 blieb, wurden auch die Patienten der sechsten Station einbezogen. Auswahl der Kontakt mit Stationsebene Datenerhebung Krankenhäuser Krankenhäuser • L andeskrankenhaus- • Kontakt mit ärztlicher • Pro Tag eine Station • Patientenuntersuchung pläne Bayern und und betrieblicher Leitung • A usschluss aller • Soziodemografie Baden-Württemberg • Bei Zusage ungeeigneten Patienten: • K ognitive Tests • A usschluss von • Kooperationsvertrag • u nter 65 Jahre • Medizinische Akten Fachkrankenhäusern, • Auswahl von fünf • Keine ausreichenden • Befragung einer Rehabilitationskliniken Stationen unter Deutschkenntnisse Pflegekraft reinen Tages- oder Ausschluss von Neu- • Isolation • Fallweise Befragung Nachtkliniken und reinen rologie, Psychiatrie, • Präfinales Stadium von Angehörigen Belegkrankenhäusern Geriatrie • Medizinische Gründe • Befragung von ärztli- • M indestens 150 Betten • Kontaktperson vor • Identifikation von chem oder pflegerischem • Zufallsauswahl Ort für Mitarbeiter Patienten mit gesetz Personal zu speziellen licher Betreuung Maßnahmen und Ange- boten für Patienten mit Demenz Abbildung 1: Ablauf der Studie von der Auswahl der Krankenhäuser bis zur Datenerhebung auf Stationsebene
DEMENZ IM ALLGEMEINKRANKENHAUS Prävalenz und Versorgungssituation 21 Unter der Annahme, dass die Prävalenzrate von Demenzen Wir gingen davon aus, dass pro Krankenhaus mehr als 40 ältere im Krankenhaus bei etwa 15 % liegen würde, ergab eine Patienten untersucht werden können. Für den geplanten Fallzahlschätzung, dass bei einfacher Zufallsauswahl für eine Stichprobenumfang von 1.440 Patienten wurde eine Gesamt- Schätzgenauigkeit von ± 2,0 % (95 %-Konfidenzintervall) zahl von 32 Krankenhäusern angestrebt (16 pro Bundesland). ein Stichprobenumfang von 1.200 teilnehmenden Patienten Bei einer Kooperationszusage durch die Krankenhäuser nötig sein würde. Diese Zahl von Teilnehmern wurde als baten wir um Auflistung sämtlicher Stationen des jeweiligen Stichprobenuntergrenze festgelegt. Da die Auswahl zwei- Krankenhauses und wählten daraus per Zufallsverfahren stufig erfolgte, wurde zum Ausgleich für mögliche Cluster- fünf Stationen aus plus eine Station als Ergänzung für den effekte, die zu einer Verbreiterung der Vertrauensintervalle Fall einer zu geringen Teilnehmerzahl. Nicht alle Stationen führen können, eine Sicherheitsmarge in Höhe von 20 % der Krankenhäuser gingen in diese Auswahl ein. Ausgeschlossen addiert, woraus sich ein angestrebter Stichprobenumfang blieben Intensivstationen, Isolierstationen sowie Tages- und von insgesamt 1.440 Patienten ergab. Eine nennenswert Nachtkliniken. Außerdem wurden die Fachbereiche Geriatrie, höhere Präzision der Schätzung ist nur durch eine unverhält- Neurologie und Psychiatrie, in denen eine Demenz die Haupt- nismäßig starke Ausweitung des Stichprobenumfangs zu diagnose und Grund der Aufnahme sein kann und wo man erreichen, da lineare Verbesserungen der Präzision exponen- große Erfahrung im Umgang mit Demenzerkrankungen hat, tiell ansteigende Stichprobengrößen verlangen. Beispielsweise sowie die Kinder- und Jugendmedizin von der Zufallsziehung müsste für eine Verbesserung der Schätzgenauigkeit von ausgeschlossen. ± 2,0 % auf ± 1,0 % bei einfacher Zufallsauswahl der Stichpro- benumfang nicht auf 2.400 Patienten verdoppelt, sondern Einschlusskriterien auf Patientenseite waren ein Mindestalter auf 5.000 Patienten vervierfacht werden. von 65 Jahren und die schriftliche Einwilligung von Patient oder gesetzlichem Vertreter in die Teilnahme nach ausführlicher Die Ein- und Ausschlusskriterien für Krankenhäuser, Stationen Information über Studienziele und Methoden. Patienten mit und Patienten waren folgendermaßen definiert: unzureichenden Deutschkenntnissen und Patienten, die in Studienziel war primär die Ermittlung der Prävalenz komor- einem präfinalen Krankheitsstadium waren, sich in einem bider Demenzen in Allgemeinkrankenhäusern. Aus diesem kritischen Gesundheitszustand befanden oder aufgrund von Grund wurden auf der Basis der Landeskrankenhauspläne Ansteckungsgefahr isoliert worden waren, wurden ausge- (Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit schlossen. 2013, Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg 2014) zunächst Alle Patienten einer Station wurden nach Möglichkeit an ein alle Fachkrankenhäuser und Rehabilitationskliniken sowie und demselben Stichtag untersucht. Die Ergebnisse der reine Belegkrankenhäuser und reine Tages- oder Nachtkliniken Patientenuntersuchung reflektieren somit die Punktprävalenz, ausgeschlossen. Übrig blieben in Bayern die Krankenhäuser d. h. es handelt sich bei den Angaben zum Vorkommen von der ersten, zweiten und dritten Versorgungsstufe und in kognitiven Störungen um eine Schätzung der an einem durch- Baden-Württemberg die zugelassenen Krankenhäuser mit schnittlichen Tag in den Krankenhäusern tagsüber anzu- mindestens zwei Fachabteilungen an einem Klinikstandort. treffenden kognitiven Beeinträchtigungen und Erkrankungen. Aus erhebungsökonomischen Gründen wurden dann die Diese Methode ergibt für chronische Erkrankungen wie die Krankenhäuser mit geringer Bettenzahl ausgeschlossen, Demenzen ein maßstabsgetreues Bild. Remittierend und sodass die Grundgesamtheit nun aus Allgemeinkranken- rezidivierend verlaufende Störungen wie die Delire werden häusern und Universitätskliniken mit einer Mindestzahl von hingegen nur partiell erfasst, nämlich nur dann, wenn sie zum 150 Betten bestand. In Bayern verblieben nach diesen Aus- Zeitpunkt der Untersuchung bestanden haben. Sind sie hin- schlüssen 116 Krankenhäuser, in Baden-Württemberg 93. gegen bis zum Untersuchungstag abgeklungen oder entwickeln sie sich erst nach dem Stichtag oder treten sie bevorzugt am Im März 2014 wurde eine Zufallsziehung vorgenommen, bei Abend oder in der Nacht auf, so können sie von diesem metho- der die Krankenhäuser mithilfe des Zufallszahlenprogramms dischen Vorgehen nicht erfasst werden. Eine in ihrem Ausmaß von OpenEpi (Dean et al. 2015) in eine zufällige Reihenfolge unbekannte Unterschätzung des Vorkommens von transito- gebracht wurden. Wie von der Zufallsreihenfolge vorgegeben, rischen kognitiven Beeinträchtigungen wie Deliren oder post- erfolgte sukzessive die Kontaktaufnahme mit den Kliniken, bis operativen kognitiven Dysfunktionen ist somit der Methode die vorgesehene Anzahl von kooperierenden Krankenhäusern der Punktprävalenzbestimmung immanent und muss bei der erreicht war. Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden.
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