Demenz und Neurodegeneration - WS 2020/21 Vorlesung Neuropathologie - PD Dr. Astrid Jeibmann

 
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Demenz und Neurodegeneration - WS 2020/21 Vorlesung Neuropathologie - PD Dr. Astrid Jeibmann
WS 2020/21 Vorlesung Neuropathologie

       Demenz und Neurodegeneration

                PD Dr. Astrid Jeibmann
              Institut für Neuropathologie
Demenz und Neurodegeneration - WS 2020/21 Vorlesung Neuropathologie - PD Dr. Astrid Jeibmann
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Warum ist das wichtig?

  • Wieviel % der Menschen mit 70Lj. sind betroffen?

                           5%
  • Wieviel % der Menschen mit 85Lj. sind betroffen?

                          35%
Demenz und Neurodegeneration - WS 2020/21 Vorlesung Neuropathologie - PD Dr. Astrid Jeibmann
Warum ist das wichtig?
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Warum ist das wichtig?
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Werde ich dement?

                    Namsolleck et al. 2014

                                             BMFSFJ 2015
Demenz und Neurodegeneration - WS 2020/21 Vorlesung Neuropathologie - PD Dr. Astrid Jeibmann
Wie fällt Demenz auf?
Demenz und Neurodegeneration - WS 2020/21 Vorlesung Neuropathologie - PD Dr. Astrid Jeibmann
Wie fällt Demenz auf?

  • Beeinträchtigung intellektueller Fähigkeiten
  • Erworben
  • Persistierend
  • Keine Bewusstseinsstörung
  • Beeinträchtigung des Alltagslebens
  • Mehrere kognitive Bereiche betroffen
Demenz und Neurodegeneration - WS 2020/21 Vorlesung Neuropathologie - PD Dr. Astrid Jeibmann
Welche Rolle spielt die Neuropathologie?

  Die definitive Artdiagnose einer Demenz ist nur durch die
  histopathologisch- autoptische Untersuchung möglich.

  Die Autopsie dementer Patienten ist notwendig:
  •Zur Sicherung oder Abweisung klinischer Diagnosen,
  •zur Validierung diagnostischer Kriterien,
  •für epidemiologische und therapeutische Studien und
  •für die genetische Beratung.

  Bei jedem verstorbenen dementen Patienten sollte eine autoptische
  Untersuchung des Gehirns unter Anwendung optimaler Methoden und
  standardisierter Diagnosekriterien erfolgen.
Demenz und Neurodegeneration - WS 2020/21 Vorlesung Neuropathologie - PD Dr. Astrid Jeibmann
Ursachen der Demenz

 Alzheimer-Krankheit   Vaskuläre
                       Demenz

                            Frontotemporale
                            Demenz

                            Lewy-Körper-Demenz/
                            M. Parkinson

                             Andere
                       Neurodegenerationen
Ursachen der Demenz

 Alzheimer-Krankheit   Vaskuläre
                       Demenz

                            Frontotemporale
                            Demenz

                            Lewy-Körper-Demenz/
                            M. Parkinson

                             Andere
                       Neurodegenerationen
Geschichte

 Alois Alzheimer   Auguste Detert
Geschichte
                                  "Wie heißen Sie?"
                                      "Auguste."
                                   "Familienname?"
                                      "Auguste."
       "Wie heißt ihr Mann?" - Auguste Deter zögert, antwortet schließlich:
                               "Ich glaube... Auguste."
                                     "Ihr Mann?"
                                       "Ach so."
                                  "Wie alt sind Sie?"
                                         "51."
                                  "Wo wohnen Sie?"
                      "Ach, Sie waren doch schon bei uns."
                               "Sind Sie verheiratet?"
                          "Ach, ich bin doch so verwirrt."
                                 "Wo sind Sie hier?"
       "Hier und überall, hier und jetzt, Sie dürfen mir nichts übel nehmen."
                                 "Wo sind Sie hier?"
                          "Da werden wir noch wohnen."
                                   "Wo ist Ihr Bett?"
                                  "Wo soll es sein?"
Geschichte

Merkwürdige Veränderungen der Neurofibrillen

                                               Miliare Herdchen durch Einlagerung
                                               eines eigenartigen Stoffes
Alzheimer Krankheit - Klinik

 • >65 Jahre
 • Merkleistungs- und
   Wortfindungsstörungen
 • Zeitliche und räumliche
   Desorientierung
 • Persönlichkeits-
   veränderungen
 • Innerhalb von 5-8 Jahre
                                 J Neural Transm (2006) 113: 1603-1623
   Pflegebedürftigkeit und Tod
Makro- und mikroskopische Befunde
                                   gesund                     AD
 • Hirnatrophie
   – Verkleinerung des
      Kortex
   – Vergrößerung der
      Ventrikel
                          verändert nach American Health Assistance Foundation

 • Beta-Amyloid-
   (Aβ)Plaques
 • Tangles

                             verändert nach Acta Neuropathol (2009) 118: 5-36
Makroskopie

   Morbus Alzheimer   Normal
Histologie

Kernplaque
(cored Plaque)

                                               Diffuser
                                               Plaque

                 Plaques: Aß, ßA4, ß-Amyloid
Genetik I
- Familiäre Form
       - vor dem 65. Lebensjahr (häufig 40-65)
       - 0,5% der Patienten haben autosomal-dominant vererbte
         Alzheimer-Krankheit
       - in der Regel (40%) durch Mutationen in APP, Präsenilin-1 oder
         Präsenilin-2 verursacht  „early-onset Alzheimer‘s disease“

                   Chromosom    Gen      Genprodukt
                           21   APP      Amyloid-Vorläufer-Protein
                           14   PSEN1    Präsenilin-1
                            1   PSEN2    Präsenilin-2

- Trisomie 21! Morphol. Veränderungen ab 20.LJ, Demenz ab 35. LJ
Genetik II
- Sporadische Formen
       - nach dem 65. Lebensjahr, über 90% der Fälle
       - eine eindeutige Zuordnung zu einer Mutation ist bei dieser Form
         nicht möglich – das Apolipoprotein-E-e4 Allel ist derzeit der einzige
         gesicherte genetische Risikofaktor
       - ein e4-Allel (heterozygot): 4-fach höheres Risiko für AD
       - zwei e4-Allele (homozygot): 18-fach höheres Risiko für AD

- Bei sporadischen Fällen keine vermehrte Produktion von Aß,
  möglicherweise Problem beim Abbau von Aß
Pathomechanismus I
Pathomechanismus II
Physiologische Funktion von Tau-Protein                                          Pathologische Umverteilung von
                                                                                 abnorm phosphoryliertem tau-Protein
                                                                                 in das Soma und die Dendriten

          τ   P     τ   P   τ    P
                                     τ   P           τ   P
                                                                                                                             τP
                                                                                                                              τ Pτ P τ      P
                                                                                     τ   P   τ   P   τ   P
                                                                                                             τ   P   τ   P
                                                                                                                             τP
                                                                                                                                   τ τP P
                                                                                                                               τ P
                                                                                                                                     τP

                                                                                 Ausbildung von
  τ   bindet an Neurofilamente           τ   Pbindet nicht an Neurofilamente     Neurofibrillenveränderungen
                                                                                                                                    τP
                                             τ   P       τ   P   τ   P   τ   P                                               τ Pτ Pτ Pτ P
                                                                                                                              τ P τ PP
  τττττ                                                                              τ       τ       τ       τ       τ                τ
                                                                                         P       P       P       P       P
                                                                                                                                    τP
                                                                                                                                 τ τP
                                                                                                                                       P

                                             τ   P
                                                         τ   P   τ   P   τ   P

  Stop des axonalen                  Axonaler Transport möglich
  Transportes
Histologie und Elektronenmikroskopie

              τ   P     Phosphoryliertes tau:
                        Tangles, neuritische Plaques,
  τ     τ P τP τ P
        P       P   P
                        Neuropilfäden
      τ         τ P
                τ P
              τ
           τ τP
                  P

      Neuropilfäden       Neurofibrillärer
                                                            EM: Paired helical filaments
                          tangle

                            Neuritischer
                            Plaque
  Gallyas – Färbung (Versilberungstechnik)    Immunhistochemie für phosphoryliertes tau
Ursachen der Demenz

 Alzheimer-Krankheit   Vaskuläre
                       Demenz

                            Frontotemporale
                            Demenz

                            Lewy-Körper-Demenz/
                            M. Parkinson

                             Andere
                       Neurodegenerationen
Formen der vaskulären Demenz

  - Multi-Infarkt-Demenz (Gesamtvolumen mindestens 50 bis 100 ml)

  - „Strategische“ Infarkte: Infarkte in funktionell wichtigen Arealen:
          - basales Vorderhirn
          - Gyrus angularis
          - medialer Thalamus
          - Hippokampus

  - Mikroangiopathische Demenz:
          - Status lacunaris
          - subkortikale Leukenzephalopathie (Binswanger-Krankheit)
          - granuläre Rindenatrophie
Frischer Hirninfarkt - Makroskopie

− Hirngefäße sind
  funktionelle Endgefäße

− Nach Gefäßverschluss
  Minderversorgung des
  Hirngewebes mit
  Sauerstoff und Glukose
Alter Hirninfarkt - Makroskopie
Hirninfarkt: Mechanismen

Verschluss GROSSER Gefäße: Arteriosklerose
Hirninfarkt: Mechanismen

Verschluss kleiner Gefäße: Arteriolosklerose
Risikofaktoren: arterieller Hypertonus, Diabetes mellitus

                                                   Status lacunaris

                                                       Granuläre Rindenatrophie
Ursachen der Demenz

 Alzheimer-Krankheit   Vaskuläre
                       Demenz

                            Frontotemporale
                            Demenz

                            Lewy-Körper-Demenz/
                            M. Parkinson

                             Andere
                       Neurodegenerationen
Fronto-temporale Lobärdegeneration (FTLD)

Klinik
   Veränderungen der Persönlichkeit, des Sozialverhaltens und der
   Sprachproduktion
                                           FTD (Frontotemporale Demenz)
                                           PAX (progressive Apraxie)
                                           SD (Semantische Demenz)
                                           PNFA (Progressive nicht-fluente
                                                 Aphasie)
                                           FTD-MND (Frontotemporale
                                           Demenz mit Motoneuron-
                                           Krankheit = ALS)

Epidemiologie
  5-15% der Demenzen, bei
Fronto-temporale Lobärdegeneration (FTLD)

                        -   Erstbeschreiber Arnold Pick = Morbus Pick
                        -   frühe Krankheitsmanifestation im Vergleich
                            zum M. Alzheimer (40.-50. Lj.)
                        -   familiäre Häufung in 50%
                        -   Klinik:       - Interessenlosigkeit
                                  - sexuelle Enthemmung
                                        - Distanzlosigkeit
                                        - eingeschränkte Urteilsfähigkeit
                                        - später Gedächtnisstörungen

                                                    Silber-Färbung
Ursachen der Demenz

 Alzheimer-Krankheit   Vaskuläre
                       Demenz

                            Frontotemporale
                            Demenz

                            Lewy-Körper-Demenz/
                            M. Parkinson

                             Andere
                       Neurodegenerationen
Morbus Parkinson I

 Definition: Parkinsonismus mit Neuronenverlust (> 50%)
             und Lewy-Körpern in pigmentierten Hirnstammkernen

 • Prävalenz 1/1000. 1-2% der >65-Jährigen. 2-4% der >85-Jährigen
 • zweithäufigste neurodegenerative Krankheit
 • mittleres Alter bei Beginn der Krankheit: 61 Jahre
 • Dauer der Krankheit: 10-15 Jahre
 • in 5% monogenetisch (dominant oder rezessiv)
 • in 30% Demenz, in 20% Depression
 • zumindest in den ersten Jahren gut mit L-Dopa beeinflussbar
Morbus Parkinson II

                      Rigor
    Tremor

                          Hypokinese
Pathomechanismus

                   Pathogenetische
                   Grundlage:
                   Reduktion der
                   dopaminergen
                   Übertragung von
                   Substantia nigra zum
                   Striatum
Makroskopie

        Kontrolle   Parkinson-Krankheit
Histologie

         Ausfall der pigmentierten Nervenzellen und
                Gliose in der Substantia nigra
Genetik
Ursachen der Demenz

 Alzheimer-Krankheit   Vaskuläre
                       Demenz

                            Frontotemporale
                            Demenz

                            Lewy-Körper-Demenz/
                            M. Parkinson

                             Andere
                       Neurodegenerationen
Demenz mit Lewy-Körpern

  Lewy-Körperchen – eosinophile zytoplasmatische Einschlüsse

   (Friedrich Lewy:
   Zur Pathologischen Anatomie
   der Paralysis agitans.
   Deutsche Zeitschrift für Nerven-
   heilkunde 50: 50-55, 1913)

   Zweithäufigste Ursache einer dementiellen Erkrankung im
   höheren Lebensalter (>65 Jahre)
Demenz mit Lewy-Körpern - Klinik

  • Progredienter kognitiver Abbau
  • Fluktuationen der kognitiven Fähigkeiten
  • Visuelle Halluzinationen und Parkinson-Symptome
Demenz mit Lewy-Körpern - Histologie

      http://de.wikipedia.org/wiki/Lewy-K%C3%B6rper-Demenz

     HE-Färbung                                              Immunhistochemie für a-Synuclein
Ursachen der Demenz

 Alzheimer-Krankheit   Vaskuläre
                       Demenz

                            Frontotemporale
                            Demenz

                            Lewy-Körper-Demenz/
                            M. Parkinson

                             Andere
                       Neurodegenerationen
Spongiforme Enzephalopathien (Prion-Krankheiten)

Infektiöse neurodegenerative Krankheiten:
     1. Sporadisch-infektiös:
        Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (90%)
        Kuru (ritueller Kannibalismus in Neuguinea)
        Scrapie (bei Schafen, Nerzen, Elchen, Maultieren)
        Bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE)

     2. Hereditär (Mutationen im PRNP-Gen):
        Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (10%)
        Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Krankheit (v.a. Kleinhirn)
        fatale familiäre Insomnie (v.a. Thalamus)
Makroskopie
Histologie
Übertragung bei spongiformen Enzephalopathien

 •   Keine viralen Partikel nachweisbar
 •   Keine entzündlichen oder immunologischen Veränderungen
 •   Ablagerungen eines abnormen Proteins, oft in Form von Plaques

     Jakob-Creutzfeldt-Krankheit (Neokortex)   Gerstmann-Sträussler-Scheinker (Kleinhirn)

 •   Infektiosität ist mit Plaques assoziiert
 •   Inaktivierung von Nukleinsäuren reduziert Infektiosität nicht
 •   Extraktion der Proteinfraktion zerstört Infektiosität
Die Prion-Hypothese (Prusiner 1982)

 •   Das Plaque-Protein ist infektiös
 •   Das normale (nicht-infektiöse) Prion-Protein (PrPc) wird im Wirts
     organismus kodiert und auf Nervenzellen und Lymphozyten exprimiert
 •   Das infektiöse Prion-Protein (PrPSc) hat die selbe Aminosäuresequenz,
     ist jedoch proteinase-resistent und polymerisiert leicht

                   prn-p Gen                       prn-p Gen

                    m-RNA                          m-RNA

 PrPC                                                                PrPSc
                 normales Protein                              infektiöses Protein
                                                 Plaque

            normale Zelle                  infizierte Zelle
Spongiforme Enzephalopathien / Creutzfeldt-Jakob-Krankheit:
Neue Variante (vCJD)

                  Kleinhirn                      Neocortex

 HE

 PrP
 IHC
Spongiforme Enzephalopathien / Creutzfeldt-Jakob-Krankheit:
Neue Variante (vCJD)

     Süddeutsche Zeitung Nr. 194 vom 24. August 2001
Spekulationen über vCJD während der größten Hysterie 2001

 weltweit: 229 vCJD Fälle
(Stand: März 2015)
 kein Fall in Deutschland
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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