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Motorflug Reisereportage
Der Adler von Athen
Text Martin Gräf, Patrick Holland-Moritz
Airshows in Ungarn und Griechenland, tolle Tage in Athen und etliche Stunden mit der Christen
Eagle am europäischen Himmel: Das ist das Rezept für Dr. Martin Gräfs ungewöhnliche Reise.
N
ach einer erfolgreichen Wettbewerbssaison kam mir im erdenkliche Art des Trudelns. Wir erarbeiteten ein Programm, das
November 2017 der Gedanke, an der Athens Flying Week die Zuschauer und andere Piloten für unseren Doppeldecker
teilzunehmen, einer international besetzten Top-Airshow. begeistern sollte. Wir gestalteten es „wetterfest“, also so, dass
Wie oft hatte ich mir diese Show ansehen wollen! Wobei: Wie wir es auch unter Hot-and-High-Bedingungen, Seitenwind und
wäre es eigentlich mit einem Platz auf der Pilotenbank? Geprägt an bewölkten Tagen gleichermaßen fliegen konnten. Herausge-
durch acht Jahre in Athen spreche ich die Sprache, mag Land kommen ist eine Kombination aus Flachtrudeln, Rollen, Turns und
und Leute und pflege bis heute gute Kontakte dorthin. Kubanischen Achten im Höhenband von 100 bis 600 Metern über
Zur Vorbereitung traf ich mich zu Jahresbeginn in Florida mit Grund. Jon, ebenso flugverrückt wie ich, war begeistert, als die
Steve Wolf, einem renommierten Kunstflugtrainer aus dem Zusage aus Athen eintraf. Als ich ihm einen Platz in der Eagle
Umfeld von Sean Tucker. Zusammen mit meinem langjährigen anbot, war ein Team geboren.
Studienfreund und Fluglehrer Jon Grazer, mittlerweile plastischer Als Reiseflieger für zwei gehört die Christen Eagle II zur Kate-
Chirurg in Los Angeles, übten wir Freestyle-Figuren und jede gorie „spartanisch“. Zahnbürste und Fliegerkombi lautet unsere
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Flug ins Blaue: Die Reise nach Athen
führt Martin Gräf auch am idyllischen
Küstenstädtchen Chalkida vorbei.
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Foto: Aviation Photo Crew
Minimalistisches Reisen:
In der Christen Eagle reicht
der Platz nur für das Nötigste.
Tiefe Bewunderung:
Martin Gräf (r.) trifft sein
Idol Péter Besenyei.
Einmalige Impressionen:
In Passau mischen sich Donau
und Inn, was zu einem tollen
Farbenspiel führt.
Die Reiseroute
Kartenmaterial Hinweg
ICAO-Karten für Deutschland, Österreich und Ungarn. Air-Million-Karten für Frankfurt – Egelsbach (EDFE) – Straubing
Griechenland/Balkan-Nord. GPS-Navigation mit SkyDemon und Jeppesen (EDMS) – Wiener Neustadt (LOAN) – Szeged
Besonderheiten (LHUD) – Belgrad (LYBE) – Skopje (LWSK) –
Kontakt mit Belgrad, Skopje und Niš über E-Mail. Nach Nennung der Daten Ioannina (LGIO) – Agrinion – Thiva – Tanagra
(Eintragungsschein, Versicherungsnachweis) erfolgt die Vergabe des Slots. (LTGT)
Statistik Rückweg
Die Reise über 2300 NM (4260 km) dauerte 21 Flugstunden mit 28 Landungen. alternative Route über Niš (LYNI) und Paraćin
Die Christen Eagle konsumierte dabei zwölf Liter Motoröl und 960 Liter Avgas. (LYPN), dann weiter über Belgrad (LYBE)
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Agiler Allrounder: Die Christen
Eagle bewährt sich als Reise-
und als Kunstflugzeug.
Devise. Zum Glück passte dann doch etwas mehr Gepäck an Bord. enorm. Kaum dass ich mich versehe, gebe ich mein erstes TV-Interview.
Auch bei der Reichweite müssen wir kalkulieren. Bei 550 Kilometern Die kommenden Tage vergehen wie im Flug: Training am Donnerstag,
ist die Reserve aufgebraucht. Bei 350 Kilometern setzen wir uns Vorführungen von Freitag bis Sonntag. Zwischen Airshow-Größen wie
eine Grenze. Zu unbekannt ist die Region, zu wenige Flugplätze liegen Péter Besenyei, mehrfacher Unlimited-Weltmeister und Mitbegründer
auf der Route. des Red Bull Air Race, den Baltic Bees mit ihren L-39-Jets und den
Flying Bulls tummelt sich unsere Aerobatic Eagle.
Zwischen Airshow-Größen: Wenn Träume wahr werden Als Rookie gebe ich wohl eine ganz passable Figur ab. Zuschauer
Anfang September geht es los. Zwischenzeitlich ist die Einladung für und Veranstalter sind gleichermaßen begeistert, Kinder und Erwach-
eine weitere Flugshow dazugekommen, die Szeged Airshow in Ungarn. sene fragen nach Autogrammkarten. Ist das alles ein Traum? Der
Wir fliegen von Egelsbach über Straubing und Wiener Neustadt bei Kardiologe Martin Gräf aus Bad Homburg als Airshow-Star? Ganz so
bestem Wetter ins ungarische Flachland nach Szeged. Der Empfang war das nicht geplant, und doch genieße ich den Rummel. Es ist mir
ist herzlich, die Organisation professionell und der Medienrummel eine Ehre, mich mit Péter Besenyei unterhalten zu dürfen, den ich seit
Beginn meiner fliegerischen Laufbahn bewundere.
Mit unendlich vielen Impressionen im Kopf fliegen wir über den
Roter Exot: In Skopje parkt Balkan weiter in den Süden. Beim Blick nach draußen können wir
der kleine Doppeldecker neben kaum glauben, dass wir in Europa sind. Nördlich von Skopje überflie-
der großen Boeing 737. gen wir die ersten Gebirge. Wir sehen teilweise eine Viertelstunde lang
keine einzige Straße – nur Berge so weit das Auge reicht. Orte gibt es
nur wenige. Je weiter uns unsere Reise führt, umso wilder zeigt sich
die Landschaft. Der Ausblick ist stellenweise atemberaubend. Am
Dreiländereck Griechenland, Albanien und Mazedonien erblicken wir
den Ohridsee. Auf griechischer Seite erhebt sich das bis zu 2600
Meter hohe Pindosgebirge, das wir in Flugfläche 100 überqueren. In
die Verlegenheit einer Außenlandung möchten wir jetzt besser nicht
kommen.
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Fotos: Aviation Photo Crew (1), Martin Gräf, Jon Grazer (1)
Schillernde Erscheinung: Das
Publikum in Athen war begeistert
von dem roten Doppeldecker.
Andere Länder, andere Sitten: Die Bürokratie im Balkan Wir nähern uns der Athens Flying Week, die auf dem sonst aus-
Es bleibt ohnehin wenig Zeit, um über solche Fragen zu grübeln. Wer schließlich militärisch genutzten Flugplatz Tanagra circa 60 Kilometer
glaubt, das Fliegen in Deutschland sei reglementiert, dem werden über nördlich der griechischen Hauptstadt stattfindet. Vier Tage werden wir
dem Balkan die Augen geöffnet: Kein Flug ohne Flugplan. Es gibt die griechische Gastfreundschaft genießen.
Wegpunkte und Korridore zu beachten. Oft fragen die Lotsen nach
der aktuellen Position und den geplanten Ankunftszeiten an den kom- Für Ruhm und Ehre: Display auf der Athens Flying Week
menden Meldepunkten. Anstrengend, aber wir werden sehr gut betreut. Bereits im Vorfeld ist mir die perfekte Organisation aufgefallen. Über
Mit Jon habe ich zudem einen kompetenten Partner an Bord. ein Onlineportal haben die Veranstalter alle Daten der Teilnehmer ab-
Auch die Öffnungszeiten der Flugplätze sind nach anderen Mustern gefragt. Unseren 15-Minuten-Slot zur Landung halten wir perfekt ein.
als zu Hause gestrickt. Einige Zoll-Flugplätze sind nur von 9:30 bis 12 Diese Disziplin setzt sich während der Flugshow fort. Nichts wird dem
Uhr und dann wieder von 19 bis 20 Uhr geöffnet. Das ergibt Sinn in Zufall überlassen. Freitag Generalprobe, Samstag und Sonntag stehen
einer Region, in der es praktisch keine General Aviation gibt. Warum die Vorführungen an. Zehn Minuten vor dem Start werden die Motoren
sollte ein Flugplatz für zwei 737-Landungen am Tag über zwölf Stun- angelassen. Mit Kontakt zu Tangar Ground rollen die Teilnehmer zum
den geöffnet haben? Haltepunkt, drei Minuten vor dem Start melden sie sich dann auf der
Derartige Spezialitäten, verbunden mit der geringen Reichweite Towerfrequenz zur Startfreigabe. Alles geschieht auf die Minute
unserer Christen Eagle und der begrenzten Avgas-Verfügbarkeit, ma- genau. Niemand tanzt aus der Reihe.
chen die Etappen anspruchsvoll. Als uns der Lotse zwischen Belgrad Am Boden leistet Jon beste Unterstützung. Er kommentiert die
und Skopje 15 Minuten vom Kurs abweichen lässt und anfliegender Flüge im „Oshkosh-Style“. Für mich als Pilot ist der Höhepunkt der
Verkehr in Skopje weitere 15 Minuten Reserve kostet, beschließen wir, Saison erreicht. Ungarn war anspruchsvoll und lehrreich, doch die
auf dem Rückweg über das serbische Niš und Paraćin zu fliegen, denn Athens Flying Week ist es, worauf ich fast ein Jahr lang hingearbeitet
zumindest in Paraćin gibt es Avgas. habe: 40 000 Zuschauer und ein Doppeldecker. Der Support aus allen
Dafür ist der Empfang auf allen Flugplätzen herzlich und das Hand- Richtungen motiviert mich und erhöht zugleich meine Anspannung.
ling professionell. Mit einem Schulterzucken nehmen wir in Kauf, dass Ich fühle mich an die Deutsche Kunstflugmeisterschaft 2017 in Gera
wir in Niš per Passkontrolle nach Serbien einreisen, in Paraćin Avgas erinnert und konzentriere mich voll aufs Fliegen.
tanken und in Belgrad per Passkontrolle wieder ausreisen. Im griechi- Bei 10 bis 15 Knoten Seitenwind ist es gar nicht so einfach, die
schen Ioannina wird unser Gepäck auf Waffen durchleuchtet. Linie zum Publikum einzuhalten, außerdem soll der Flug ja schön
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Der Pilot
Dr. Martin Gräf – Segelflieger, Sportler,
Kardiologe und Flugmediziner aller Klassen
der EASA und FAA – widmet sich seit rund
drei Jahren dem motorisierten Kunstflug mit
einer Christen Eagle II. 2017 gewann er auf
Anhieb den Titel des Deutschen Meisters in
der Sportsman-Kategorie. In diesem Sommer
belegte er bei den Bayerischen Meister-
schaften den dritten Platz in der Intermediate-
Kategorie.
Homepage: www.aerobatic-eagle.de
Instagramm: aerobatic_eagle
The global
Unendliche Weiten: Bei einer Reich-
weite von nur 550 Kilometern kann
einem beim Anblick des Dinarischen
Gebirges schon mal unwohl werden.
show
FOR GENERAL
anzuschauen sein. Die drei jeweils drei Kilometer langen Bahnen
sind eine gute Orientierungshilfe. Am Ende bin ich hochzufrieden
AVIATION
und habe jeden Meter Luftraum genau so ausgenutzt, wie ich es
April 10 – 13, 2019
mir vorgenommen hatte. Der Applaus ist der Lohn mit Gänse-
hauteffekt. Wieder einmal gibt die Christen Eagle, ein 1986
gebautes Kitflugzeug, eine erstklassige Figur ab.
In der Rolle des Zuschauers genieße ich die Highlights der
Show: das PC-7-Team aus der Schweiz, das griechische Zeus
Friedrichshafen | Germany
Demo Team mit ihren F-16-Jets ebenso wie die Vorführungen der
Italiener Luca Bertossio und Luca Salvadori, die Show von Dimit-
ris Ververelis mit dem Helikopter sowie Frank van Houten mit
seiner Su-26 – Vielfalt und Qualität sind vom Feinsten. www.aero-expo.com
Pünktlich zum Rückflug am Mittwoch schlägt das Wetter um. #aerofriedrichshafen
Sturmtief Sorbas, eine Art Hurrikan des Mittelmehrraumes, auch
Medicane genannt, droht mit Windstärken acht bis zehn. Acht
Meter hohe Wellen sind vorhergesagt! Nichts wie weg, so lange
das Schlechtwettergebiet auf der Ostseite des griechischen Haupt-
kamms verharrt. Auflockernde Bewölkung im Norden bestärkt
uns in der Entscheidung, schleunigst Kurs auf das 1750 Kilome-
ter entfernte Egelsbach zu nehmen.
Dort angekommen, stehen 21 weitere Flugstunden im Flugbuch.
Hätte mir im November jemand eine solch intensive Saison mit
acht tollen Flugtagen, einer Tour durch Europa und fantastischen
persönlichen Kontakten vorhergesagt – ich hätte es nicht geglaubt.
Für 2019 stehen schon die ersten spannenden Airshowtermine
im Kalender. ae
EDNY: N 47 40.3 E 009 30.7
Supported by
Fotos: Aviation Photo Crew, Martin Gräf, Zschaler
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