Der Weltbank-Ratgeber zu öffentlich-privaten Partnerschaften: Private über alles

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Der Weltbank-Ratgeber zu öffentlich-privaten Partnerschaften: Private über alles
Hintergrundpapier

Der Weltbank-Ratgeber zu öffentlich-
privaten Partnerschaften:
Private über alles
Markus Henn, April 2019

                                            Zusammenfassung
       Die Weltbank, 1944 als eine der „Bretton-Woods“-Institutionen unter dem Dach der UN
       gegründet, nimmt eine Doppelrolle wahr: Einerseits vergibt sie Kredite, Darlehen und
       Förderungen an die sogenannten Entwicklungsländer. Andererseits ist sie aber auch
       ein vom Westen dominierter politischer Akteur, der die internationale Entwicklungs-
       politik entscheidend beeinflusst. Ihre Kredite wurden in der Vergangenheit immer wie-
       der an sogenannte Strukturanpassungsmaßnahmen wie Privatisierungen, Senkung
       der öffentlichen Ausgaben oder Öffnung der Märkte geknüpft. Seit 20 Jahren fördert
       die Weltbank explizit öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) und hat seit 2015 dazu
       einen speziellen Ratgeber mit Musterbestimmungen für ÖPP-Verträge entwickelt, mit
       dem eigentlich die öffentliche Hand beraten werden soll. Der Ratgeber wurde im We-
       sentlichen von privaten Anwaltskanzleien verfasst. Dies ist ein Grund, warum er im Er-
       gebnis die Risiken aus ÖPP nicht angemessen darstellt und darauf abzielt, möglichst
       viele Risiken auf die öffentliche Hand abzuladen. Die Privaten sollen andererseits star-
       ke Ansprüche auf Entschädigungen haben und diese über ausländische Gerichte oder
       internationale Investor-Staat-Streitverfahren einklagen können. Als „Risiko“, das Ent-
       schädigungen der Privaten nach sich ziehen kann, gelten auch zahlreiche Maßnah-
       men der öffentlichen Hand wie Lizenzvergaben oder allgemein Rechtsänderungen. Ein
       Schutz legitimer Maßnahmen ist kaum erkennbar. Die Weltbank ergreift also – wie in
       der Vergangenheit – mit ihrem ÖPP-Ratgeber stark Partei für private Unternehmen.

Öffentlich-private Partnerschaften und                          durch Zahlungen der öffentlichen Hand an den pri-
die internationale Rolle Deutschlands                           vaten Partner oder durch Gebühren für die Nutzer,
                                                                die direkt an den privaten Partner gehen. Die Ver-
Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) sind lang-             träge sind sehr häufig geheim.
fristige Verträge zwischen dem Staat und privaten
Firmen, meist zum Bau, Erhalt und Betrieb einer
Infrastruktur. Dabei geht es vor allem um die Berei-
che Energie, Transport, Wasser und Telekommuni-
kation. Aber auch Schulen, Krankenhäuser oder
Gefängnisse gibt es als ÖPP.

Mit ÖPP sollen theoretisch für den Staat und die
Bürger/innen Kosten eingespart werden, bei min-
destens gleich guter Leistung. Risiken sollen auf
den privaten Partner und die öffentliche Hand ver-
teilt werden. Finanziert werden ÖPP entweder
                                                                ÖPP-Damm Bujagali in Uganda (c) Paul Grover / Alamy Stock Foto

WEED/GiB – Der Weltbank-Ratgeber zu öffentlich-privaten Partnerschaften – April 2019                                         1
Der Weltbank-Ratgeber zu öffentlich-privaten Partnerschaften: Private über alles
In der Realität hat sich herausgestellt, dass ÖPP                                 haben sich viele Nichtregierungsorganisationen,
viele Probleme mit sich bringen und keineswegs                                    darunter WEED und Gemeingut in BürgerInnen-
ihre Versprechen erfüllen.1 Besonders deutlich wird                               hand, 2018 in einem Manifest gegen ÖPP ausge-
dies in Großbritannien, einem Land mit sehr langer                                sprochen, das sich speziell an die Weltbank rich-
und großer ÖPP-Erfahrung. Dort ist das Parlament                                  tet.9
in den letzten Jahren immer wieder zu dem
Schluss gekommen, dass die Vorteile von ÖPP                                       Deutsche Entwicklungsbanken wie die KfW und Ihr
nicht belegt sind und damit nur Schulden verdeckt                                 Tochterunternehmen DEG sind mindestens in drei
werden.2 Forscher aus Großbritannien haben har-                                   großen Infrastruktur-ÖPP in Entwicklungsländern
sche Kritiken an ÖPP verfasst, so David Hall 3 von                                involviert. Die KfW ist beteiligt an der Finanzierung
der Universität Greenwich in London. Prof. Dexter                                 des Hafens Santos (Brasilien)10, die DEG an der
Whitfield hat ebenfalls viele problematische Folgen                               des Flughafens Tirana International Airport (Albani-
aufgezeigt, unter anderem, dass Anteile an briti-                                 en).11
schen ÖPP inzwischen zur Mehrheit bei Fonds in
Niedrigsteuerländern liegen.4 Der Europäische                                     Genauer betrachtet werden soll hier ein drittes Pro-
Rechnungshof hat 2018 in einer umfangreichen                                      jekt, nämlich der Staudamm Bujagali (Uganda).
Analyse von ÖPP-Projekten in vier EU-Staaten                                      Dieser wird von der KfW mit einem Kredit von 45
gravierende Defizite festgestellt.5 In den Jahren zu-                             Mio. US-Dollar und von der Weltbank mit 130 Mio.
vor hatten schon die deutschen Rechnungshöfe                                      US-Dollar mitfinanziert, bei einer Gesamtfi-
(Bund und Länder) wiederholt in Stellungnahmen                                    nanzierung von 902 Mio. US-Dollar.12 Der 2012 er-
geäußert, dass die Kostenvorteile von ÖPP nicht                                   öffnete Damm hat die Stromversorgung stark er-
belegt seien.6 Das europäische Netzwerk Eurodad                                   höht sowie stabiler und schadstoffärmer gemacht.
hat auf die Risiken von ÖPP hingewiesen 7 und ver-                                Der Damm wurde aber erst nach einer langen und
gangenes Jahr eine Studie zu Problemen mit Pro-                                   skandalösen Baugeschichte eröffnet.13 Ein erstes
jekten aus der ganzen Welt veröffentlicht, darunter                               Konsortium scheiterte an einer Korruptionsaffäre,
das Tata Mundra Ultra Mega Power Project (Indi-                                   mit Rücktritt eines Weltbankdirektors. Das zweite
en), das Queen Mamohato Memorial Hospital (Le-                                    Konsortium hatte neben KfW und Weltbank als
sotho), und der International Airport of Chinchero –                              Kreditgebern eine Tochter des US-Großfonds
Cuzco (Peru).8 Vor dem Hintergrund der Probleme                                   Blackstone als Eigenkapitalgeber. Vom Bau des
1
                                                                                  Damms und der Stromleitungen waren fast 14.000
  Für einen Überblick siehe Gemeingut in BürgerInnenhand: Vier Hauptpunkte
der Diskussion zu PPP Faktenblatt Nr. 12 zum Handbuch PPP. Dezember 2013.         Menschen betroffen und es kam zu acht Be-
https://www.gemeingut.org/wp-content/uploads/2011/12/FB-12-PPP-Vier-
Hauptpunkte-der-Diskussion_mit_Netzwerk_Selbsthilfe_Logo.pdf.
                                                                                  schwerden bei der Weltbank wegen Umsiedlun-
2
  Zum Beispiel: House of Commons Treasury Committee: Private Finance              gen, Arbeitsrechtsverletzungen und anderem.14
Initiative – Seventeenth Report of Session 2010–12.
https://publications.parliament.uk/pa/cm201012/cmselect/cmtreasy/1146/114         Diesen Beschwerden wurde zum Teil stattgege-
6.pdf.                                                                            ben, doch die Umsetzung der Weltbank-Entschei-
3
  David Hall: Why Public Private Partnerships don't work. The many advantages
of the public alternative. Public Services International Research Unit, Februar   dungen erfolgte bis heute nur bedingt. So stellte
2015. http://www.psiru.org/sites/default/files/2015-03-PPP-
WhyPPPsdontworkEng.pdf.
                                                                                  der Weltbank-Ombudsmann 2018 fest, die Welt-
4
  Dexter Whitfield: The financial commodification of public infrastructure: The   banktochter IFC habe “nicht sichergestellt […],
growth of offshore PFI/PPP secondary market infrastructure fund. ESSU
Research Report No. 8, Oktober 2016. https://www.european-services-               dass Landbesitzer und Arbeiter so wie von den
strategy.org.uk/wp-content/uploads/2017/01/financial-commodification-             Leistungsstandards der IFC vorgesehen entschä-
public-infrastructure.pdf.
5
  European Court of Auditors: Public Private Partnerships in the EU: Widespread   digt wurden.“15 Wie üblich ist der ÖPP-Vertrag ge-
shortcomings and limited benefits. Special report 09/2018.
https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/SR18_09/SR_PPP_EN.pdf.               9
6                                                                                   https://eurodad.org/files/pdf/5c619c37bda7e.pdf.
  Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der             10
                                                                                     https://www.kfw-ipex-bank.de/International-financing/KfW-IPEX-
Länder (Hg.): Gemeinsamer Erfahrungsbericht zur Wirtschaftlichkeit von ÖPP-
                                                                                  Bank/Business-sectors/Transport-and-Social-Infrastructure-(PPP)/Harbours.
Projekten. Wiesbaden 14.09.2011. http://www.landesrechnungshof-                   11
sh.de/file/erfahrungsbericht_oepp.pdf. Weitere Beispiele: Gemeingut in               https://ppi.worldbank.org/snapshots/project/tirana-international-airport-
BürgerInnenhand: PPP im Visier der Rechnungshöfe. Faktenblatt Nr. 2 zum           concession-3605
                                                                                  12
Handbuch PPP, Kurzfassung. Oktober 2011. https://www.gemeingut.org/wp-               https://www.internationalrivers.org/sites/default/files/attached-
content/uploads/2013/08/FB-02-PPP-Rechnungsh%C3%B6fe-                             files/bujagali_unsettlingbusiness_1.pdf.
                                                                                  13
Kurzfassung_BS_Logo.pdf.                                                             Markus Henn: Der Bujagali-Damm in Uganda: Was bringt das KfW/DEG-
7
  María José Romero. What lies beneath? A critical assessment of PPPs and         kofinanzierte ÖPP-Projekt. Präsentation, 19.03.2018. https://www2.weed-
their impact on sustainable development. Eurodad, 2015.                           online.org/uploads/vortrag_19032018_ppp_bujagali_dam.pdf.
                                                                                  14
https://eurodad.org/files/pdf/55cb59060d9d4.pdf.                                     http://www.cao-ombudsman.org/cases/case_detail.aspx?id=230 und
8
  History RePPPeated: How Public Private Partnerships are failing. A report       http://www.cao-ombudsman.org/cases/case_detail.aspx?id=172.
                                                                                  15
coordinated by Eurodad, October 2018.                                                Sophie Edwards: World Bank refinancing of Uganda's Bujagali hydropower
https://eurodad.org/files/pdf/1546956-history-repppeated-how-public-private-      scheme under the spotligh. Devex, 21.02.2018.
partnerships-are-failing-.pdf.                                                    https://www.devex.com/news/world-bank-refinancing-of-uganda-s-bujagali-

WEED/GiB – Der Weltbank-Ratgeber zu öffentlich-privaten Partnerschaften – April 2019                                                                             2
Der Weltbank-Ratgeber zu öffentlich-privaten Partnerschaften: Private über alles
heim, aber es ist bekannt, dass                          Tabelle: Internationale ÖPP deutscher Firmen (Quelle: Weltbank)
sich die Regierung zu einer 30-jäh-                           Firma             Land                                Projekt
rigen Stromabnahme zu fixen Prei-                          Fraport           China           Xi’an Yianyang International Airport
                                                                             Senegal         Dakar Blaise Digne International Airport (gekündigt)
sen verpflichtet hat. Der hohe Ga-                                           Peru            Lima Jorge Chavez Airport
rantiepreis hat dazu geführt, dass                                           Philippinen     Manila Ninoy Aquino International Airport
                                                                             Indien          Indira Ghandi International Airport
entgegen aller Ankündigungen                               Hochtief          Albanien        Tirana International Airport
Strom seit der Inbetriebnahme des                                            Argentinien     Rosario – Victoria Bridge
                                                           Siemens           Argentinien     Empresa de Energia de Catamarca (annulliert)
Damms im Schnitt teurer geworden                                             China           Hanfeng Power Plant
ist. Der ugandische Präsident Mu-                                            China           Hainan Island – Yangpu Power Project
                                                                             India           Bangalore International Airport
seveni kritisiert deshalb öffentlich                                         Indonesien      PT Jawa Power
den ÖPP-Vertrag: 2018 sagte er,                                              Mexiko          Cuernavaca Wastewater Project
                                                                             Marokko         Tahaddart Power Station
„ÖPPs sind verantwortlich für die                                            Mosambik        Energia de Mocambique
teure Energie im Land“16. Wegen                                              Pakistan        Rousch Independent
                                                                             Usbekistan      Udinet
Zahlungsschwierigkeiten Ugandas                            RWE               China           Yiao Shin Jiang Water Project
                                                                             China           Zaija Water Supply Project
musste der Kredit im März 2018
                                                                             China           Changchun Wastewater Project
gestreckt werden. Im Juli 2018                                               China           Qitaihe Water Project
                                                                             China           Da Chang Water Treatment Plant
stieg dann Blackstone aus und ver-                                           China           Duzhou CWC Water Company
kaufte seinen Anteil mit einem sat-                                          Malaysia        Kelantan Water Supply
                                                           E.on              Brasilien       Distribuidora de Gas Buenos Aires Norte (in Nöten)
ten Gewinn an ein norwegisches                                               Brasilien       Porto do Pecem I Power Plant
Staatsunternehmen namens SN                                                  Brasilien       Porto do Pecem I Power Plant
                                                                             Brasilien       Itaqui Power Plant
Power: Der Verkaufspreis lag bei                                             Brasilien       MPX Taua Energia Solar
277 Mio. US-Dollar, was bei ur-                                              Brasilien       Parnaiba Geracao de Energia (Parnaiba I)
                                                                             Brasilien       Maranhao II Thermal Power Plant (Parnaiba II)
sprünglichen 110 Mio. US-Dollar                                              Südafrika       PN Energy
Eigenkapital von Blackstone einer                          Volkswagen        Brasilien       Anhanguera Small Power Plant
                                                           Lufthansa         China           Shaihang-Pudong Airport Cargo Terminal
Rendite von 252 % entspricht.                              Deutsche          Indonesien      PT Satelindo Palapa Indonesia (annulliert)
                                                           Telekom           Malaysia        Celcom (annulliert)
                                                                             Mosambik        Telcomunicacoes Moveis de Mocambique (TMV)
Deutsche Konzerne sind in zahlrei-
che internationale ÖPP involviert,
insbesondere Fraport, RWE, E.on und Siemens                                      Die Weltbank und ÖPP
(siehe Tabelle). Wie problematisch so ein Projekt
sein kann, zeigt der neue Hauptstadtflughafen in                                 Privatisierungen sind schon lange ein Element der
Dakar (Senegal)17, den ursprünglich Fraport betrei-                              Weltbank-Arbeit. Sie waren eine der Säulen des
ben sollte, bevor die Firma 2016 vor Fertigstellung                              „Washington Consensus“ der 1980er und 90er
des Flughafens aus dem Projekt ausstieg. Zuvor                                   Jahre, welcher die mit Krediten verbundenen
hatte es starke Verzögerungen und Probleme beim                                  Strukturanpassungsmaßnahmen bestimmte. Ne-
Bau des Flughafens gegeben. Der bei Entschei-                                    ben vollen Privatisierungen gab es auch damals
dung über das Projekt zuständige Transportminis-                                 schon zahlreiche ÖPP, zum Beispiel in Form von
ter Karim Wade, Sohn des damaligen Präsidenten,                                  langfristigen Konzessionen für die Wasserversor-
wurde 2015 wegen Bestechlichkeit zu sechs Jah-                                   gung.
ren Gefängnis verurteilt, zusammen mit einigen
Geschäftsleuten, die auch im Kontakt mit Fraport                                 Die Entwicklung von ÖPP in den letzten Jahrzehn-
waren. 2018 wurde bekannt, dass – wohl deshalb                                   ten folgt keinem klaren Trend, jedoch haben ÖPP
– in Frankfurt gegen Fraport wegen Bestechung er-                                ein erhebliches Volumen. 2017 waren es laut Welt-
mittelt wird.                                                                    bank-Daten 90 Mrd. US-Dollar, der Spitzenwert
                                                                                 wurde 2012 mit gut 140 Mrd. US-Dollar erreicht.18

                                                                                 In jüngster Zeit berät die Weltbank die G20 bei ih-
hydropower-scheme-under-the-spotlight-92132. Übersetzung d. Verf.                rer Arbeit zu Infrastruktur, bei der es auch stark um
16
   Alon Mwesigwa: Museveni: ‘Bujagali deal was hidden from me’ . The
Observer, 23.02.2018. https://observer.ug/news/headlines/57016-museveni-
bujagali-deal-was-hidden-from-me. Übersetzung d. Verf.                           18
                                                                                   Siehe Grafik S. 6 in History RePPPeated: How Public Private Partnerships are
17
   Vgl. zum Folgenden: ÖPP-Flughafen in Dakar: Korruption durch Fraport? -       failing. A report coordinated by Eurodad, October 2018.
WEED Infoblatt, April 2018. https://www2.weed-                                   https://eurodad.org/files/pdf/1546956-history-repppeated-how-public-private-
online.org/uploads/infoblatt_dakar_flughafen.pdf.                                partnerships-are-failing-.pdf.

WEED/GiB – Der Weltbank-Ratgeber zu öffentlich-privaten Partnerschaften – April 2019                                                                        3
ÖPP geht. 2014 haben die G20 den Global Infra-                                bei A10/A2430, A9431 und A132 sowie die Tank und
structure Hub19 gegründet, der mindestens bis                                 Rast.33
2022 aktiv sein soll. Argentinien legte während sei-
ner G20-Präsidentschaft 2018 einen Schwerpunkt                                Entsprechend liest sich der Ratgeber: Häufig wird
auf die Schaffung eines „neuen Markts für Infra-                              das Interesse der privaten Firmen betont und dar-
struktur“. Eine Arbeitsgruppe zu dem Thema ver-                               auf Bezug genommen, was ein ÖPP-Vertrag „typi-
fasste unter anderem „Prinzipien für die Vorberei-                            scherweise“ beinhalte und was die „Marktpraxis“
tungsphase von Infrastrukturprojekten“20 und einen                            sei.34 Von Abweichungen davon wird regelmäßig
„Fahrplan für Infrastruktur als Anlageklasse“ 21. Be-                         mit dem Verweis darauf abgeraten, das Projekt sei
raten wurden die G20 dabei von einer von Argenti-                             dann nicht mehr finanzierbar (wörtlich heißt es
nien eingerichteten „Private Sector Advisory                                  meist „bankable“). Dies ist insofern ein Problem,
Group“. Diese war so bankenlastig, dass sogar die                             als dass sich der Ratgeber erklärtermaßen an die
anderen G20-Staaten protestiert haben sollen.                                 Behörden der öffentlichen Hand richtet. Eigentlich
                                                                              sollte er also diese Behörden dabei beraten, ihre
Aber die Beratungsarbeit der Weltbank zu ÖPP                                  Interessen in ÖPP-Projekten und -Verträgen best-
geht viel weiter zurück: Schon 1999 kam es zur                                möglich zu vertreten. Durch den Bezug zur Markt-
Gründung der Private Infrastructure Advisory Faci-                            praxis wird aber von vorneherein das Interesse der
lity (PPIAF)22. Später kamen unter anderem dazu:                              privaten Partner in das Kalkül der öffentlichen Seite
ein ÖPP-Rechtszentrum23, ein ÖPP-Wissensspei-                                 hineingedacht. Selbst wenn die öffentliche Hand
cher24, eine Übersicht zu Infrastruktur-Regulie-                              die Interessen der privaten Seite verstehen und am
rung25 sowie eine ÖPP-Datenbank.26 2015 veröf-                                Ende eine Einigung erzielen muss, ist ihr sicherlich
fentlichte die Weltbank erstmals einen Ratgeber zu                            nicht damit gedient, das private Interesse zu ihrem
ÖPP-Vertragsbestimmungen („Guidance on PPP                                    eigenen zu machen. Doch genau diese Tendenz
Contractual Provisions“). Dieser wurde 2017 über-                             zieht sich durch den gesamten Ratgeber.
arbeitet27 und wird im Folgenden ausführlich vorge-
stellt.                                                                       Mehrmals wird im Einleitungsteil auf die große
                                                                              Komplexität von ÖPP hingewiesen, weshalb man
Der Weltbank-Ratgeber von 2017                                                „umfangreiche Sorgfaltsmaßnahmen“ ergreifen
                                                                              müsse – natürlich beraten von Experten wie eben
Der Ratgeber leitet damit ein, dass er weitgehend                             Allen & Overy. Es stellt sich auch deshalb die Fra-
von der internationalen Anwaltsfirma Allen & Overy                            ge, wie unabhängig die Expertise dieser Firma sein
LLP28 erstellt wurde, aufbauend auf Vorarbeiten ei-                           kann, wenn sie diesen Ratgeber verfasst.
ner anderen internationalen Anwaltsfirma, Gide
Loyrette Nouel.29 Allen & Overy ist kein unabhängi-                           Trotz des Eingeständnisses der hohen Komplexität
ger Berater, denn die Firma war alleine in Deutsch-                           werden ÖPP in einer kurzen einleitenden Bewer-
land mehrmals Berater von Banken bei großen                                   tung unkritisch dargestellt: Mit ÖPP ließen sich die
ÖPP-Projekten. Dazu gehören Autobahnabschnitte                                Kosten ohne Qualitätsverlust reduzieren, der Bau
                                                                              beschleunigen und private Expertise nutzbar ma-
                                                                              chen. Dass dies in der Realität nicht oder jedenfalls
19

20
     https://www.gihub.org.                                                   nur teilweise stimmt, wurde eingangs verdeutlicht.
http://www.g20.utoronto.ca/2018/principles_for_infrastructure_project_prepa   Wie dennoch die Qualität bestmöglich gewährleis-
ration.pdf. Übersetzung des Verfassers.                                       tet oder gar Umwelt- und Sozialbelange rechtssi-
21

http://www.oecd.org/g20/roadmap_to_infrastructure_as_an_asset_class_arge
ntina_presidency_1_0.pdf. Übersetzung des Verfassers.                         30
22                                                                               http://www.allenovery.com/news/de-de/articles/Pages/Allen--Overy-ber
   https://ppiaf.org.
23
                                                                              %C3%A4t-Banken-und-Investoren-bei-Finanzierung-des-%C3%96PP-Projekts-A-
   https://ppp.worldbank.org/public-private-partnership. Übersetzung des      10A-24-zwischen-AS-Neuruppin-und-AD-Pankow.asp.
Verfassers.                                                                   31
                                                                                 http://www.allenovery.com/news/de-de/articles/Pages/Allen—Overy-ber
24
   https://pppknowledgelab.org. Übersetzung des Verfassers.                   %C3%A4t-Banken-bei-der-Finanzierung-des-%C3%96PP-Projekts-A-94-
25
   http://regulationbodyofknowledge.org. Übersetzung des Verfassers.          zwischen-Forstinning-und-Marktl.aspx.
26
   https://ppp.worldbank.org/public-private-partnership und                   32
                                                                                 http://www.allenovery.com/news/de-de/articles/Pages/Advising-syndicate-
http://ppi.worldbank.org.                                                     of-banks-on-financing-of-biggest-A-model-PPP-in-Germany-.aspx.
27
   https://ppp.worldbank.org/public-private-                                  33
                                                                                 http://www.allenovery.com/news/de-de/articles/Pages/Allen--Overy-ber
partnership/sites/ppp.worldbank.org/files/documents/Guidance_                 %C3%A4t-finanzierende-Banken-bei-Refinanzierung-der-Autobahn-Tank--Rast-
%20PPP_Contractual_Provisions_EN_2017.pdf.                                    Gruppe-in-H%C3%B6he-von-1,7-Milliarden-Euro.aspx.
28
   http://www.allenovery.com.                                                 34
                                                                                 Alle Zitate im Folgenden sind vom Verfasser aus dem englischen Original
29
   https://www.gide.com/en.                                                   übersetzt.

WEED/GiB – Der Weltbank-Ratgeber zu öffentlich-privaten Partnerschaften – April 2019                                                                  4
cher berücksichtigt werden könnten, dazu äußert                 Es drängt sich deshalb der Eindruck auf, dass es
sich der Ratgeber fast nicht.                                   im Wesentlichen darum geht, die private Seite in
                                                                solchen Fällen möglichst von ihrer Verantwortung
Wichtig ist dem Ratgeber das Thema Risiko: Der                  zu befreien und sie schadlos zu halten, während
private Partner trage einen signifikanten Teil der              die öffentliche Seite das Risiko und die Kosten
Risiken. Zugleich wird aber eingestanden, dass es               trägt. Denn wenn die private Seite am Ende von ih-
aus Sicht der öffentlichen Hand ein „schwieriger                ren Verpflichtungen befreit wird, so wie es der kon-
Balanceakt“ sei, zu gewährleisten, dass ein Projekt             krete Mustertext vorsieht, wird die öffentliche Hand
noch finanzierbar bleibt, und zugleich dem Druck                die Leistungen auf eigene Kosten erbringen müs-
zu widerstehen, mehr Risiken als nötig zu überneh-              sen. Eine Analyse der US-Anwaltskanzlei Foley
men. Bemerkenswert ist dabei, dass der Ratgeber                 Hoag im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung kommt
immer davon ausgeht, dass die Eigen- und Fremd-                 insgesamt zu dem Schluss, dass der Ratgeber hier
kapitalgeber rein privat sind. Dass statt dessen an             der öffentlichen Seite mehr Risikoübernahme emp-
diesen Positionen auch (teil-)öffentliche Unterneh-             fiehlt als nach internationalem Recht üblich.35
men stehen könnten, wird nicht angesprochen oder
gar empfohlen.                                                  Der Ratgeber stellt zwei Mustervarianten einer Ver-
                                                                tragsbestimmung „Höhere Gewalt“ vor: Eine Vari-
Der Ratgeber stellt nach den einleitenen Bemer-                 ante hat eine allgemeine Definition mit einer bei-
kungen eine Reihe Vertragsbestimmungen mit Er-                  spielhaften, offenen Liste an Ereignissen, die ande-
läuterungen und konkreten Mustertexten vor. Diese               re mit einer abschließenden. Bei der offenen Liste
werden im folgenden dargestellt und kommentiert.                stehen viele Ereignisse, die geschlossene Liste ist
                                                                dagegen viel kürzer. Dafür ist bei der langen Liste
Höhere Gewalt                                                   zusätzlich unter anderem die „Vorhersehbarkeit“
                                                                des Ereignisses zu prüfen.
Unter „höherer Gewalt“ („force majeur“) versteht
der Ratgeber Ereignisse, die „jenseits der Kontrolle            Die lange Liste der Ereignisse „höherer Gewalt“
der Vertragspartner“ sind und es „für eine Vertrags-            enthält zunächst nahe liegende Ereignisse wie Na-
partei unmöglich machen, alle oder wesentliche                  turkatastrophen, Epidemien, Kontaminierungen,
Teile der vertraglichen Verpflichtungen einzuhal-               (Bürger-)Krieg, Terrorismus, Sabotage, Rebellio-
ten“ (1.1.1). Auch wenn die entsprechenden Be-                  nen, Revolutionen oder Aufstände. In anderen Fäl-
stimmungen typischerweise beidseitig gelten wür-                len ist aber schon unklar, ob das Ereignis wirklich
den, sei die betroffene Seite „sehr wahrscheinlich“             jenseits der Kontrolle und Vohersehung des priva-
die private (1.1.2). Diese Aussage ist bemerkens-               ten Partners liegt, z.B. „Feuer“ und „Explosionen“.
wert, weil die öffentliche Hand genauso in diese Si-            Im Einzelfall wird die private Seite wohl versuchen,
tuationen jenseits ihrer Kontrolle gerät, die ihr die           auch klar selbst verschuldete Unfälle als nicht vor-
Einhaltung bestimmter Verpflichtungen unmöglich                 hersehbar und konrollierbar einzustufen. Bedenk-
machen. Zum Beispiel könnte es ihr unmöglich                    lich in der Liste ist in diesem Zusammenhang ins-
sein, die Zahlungen an den privaten Partner im Fall             besondere das Ereignis „allgemeine Arbeitsstörung
einer schweren Wirtschaftskrise zu leisten, wie                 wie Boykotte, Streiks und Ausschließungen, Lang-
2001 in Argentinien. Jedenfalls hält der Ratgeber               samarbeit, Besetzung von Fabriken und Anlagen“,
fest, es gebe „keinen absolut richtigen oder                    wobei Ereignisse ausgenommen sind, die nur das
falschen Ansatz“ dabei, mit höherer Gewalt umzu-                ÖPP-Projekt selbst betreffen. Trotz dieser Ein-
gehen, es komme weiterhin darauf an, dass die Ri-               schränkung wird hier Begriff der „höheren Gewalt“
siken der Partei zugeordnet werden, die sie „am                 weit ausgelegt, so dass durchaus normale Ge-
besten kontrollieren und/oder verwalten könne“                  schäftsrisiken von den Privaten abgewälzt werden
(1.1.3). Diese Aussage widerspricht allerdings der              können.
zuvor aufgestellten Definition, dass es um Ereignis-
se gehe, die „jenseits der Kontrolle“ der beiden
Vertragsparteien sind.
                                                                35
                                                                  Foley Hoag: Summary Comments on the World Bank Group’s 2017 Guidance
                                                                on PPP Contractual Provisions. 15.09.2017.
                                                                https://us.boell.org/2017/09/15/summary-comments-world-bank-groups-
                                                                2017-guidance-ppp-contractual-provisions-0.

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Die kurze, abschließende Liste enthält nur Kriege               Gewalt“ vereinbar, denn laut diesem müsse die
und ähnliche Gewaltereignisse, Kontaminierung                   Seite die Kosten tragen, bei der sie anfallen.
und – bizarrerweise – „Druckwellen die durch Ob-
jekte mit Überschallgeschwindigkeit verursacht                  In eine ähnliche Richtung geht der letzte Punkt in
werden“.                                                        diesem Kapitel, der sich mit „Unversicherbarkeit“
                                                                beschäftigt. Zu Recht stellt der Ratgeber fest, dass
Wie stark der Ratgeber zur privaten Seite neigt,                es Risiken gibt, die nicht oder nur zu unvertretba-
zeigt aber vor allem die vorgesehene Rechtsfolge                ren Kosten versichert werden können. Der Ratge-
einer Entschädigungszahlung bei Beendigung des                  ber schlägt vor, dass die öffentliche Hand als „Ver-
Vertrages (1.2.4). Diese wird zwar nicht vollständig            sicherer letzter Instanz“ („insurer of last resort“;
vorgeschlagen, aber doch in erheblichem Maße.                   1.3.3.) fungiert. Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie
Warum die öffentliche Hand für ein Ereignis zahlen              die „Risikoverteilung“ in Wirklichkeit aussieht: Die
soll, über das sie definitionsgemäß keine Kontrolle             ganz großen Risiken bleiben am Ende bei der öf-
hat, wird nicht ersichtlich. Dies ist laut der US-              fentlichen Hand.
Kanzlei Foley Hoag auch nicht mit dem im interna-
tionalen Recht üblichen Verständnis von „höherer                Erheblich schädliches Regierungshandeln

 Kasten: „Erheblich schädliches Regierungs-                     Die Bestimmungen zu „erheblich schädlichem Re-
 handeln“ laut Musterliste des Ratgebers                        gierungshandeln“ („material adverse government
 (Übersetzung des Verfassers)                                   action“) ähneln denen zur „höheren Gewalt“, bloß
 (a) Unvermögen jeder relevanten Behörde, dem pri-              soll hier die öffentliche Hand die Kontrolle haben.
 vaten Partner eine Zulassung oder Zustimmung zu                Entsprechend soll sie auch für die „politische höhe-
 gewähren, die für den privaten Partner zur angemes-
 senen Erfüllung seiner Pflichten und/oder zur Durch-           re Gewalt“ (2.1.1) voll verantwortlich sein. Das wür-
 setzung seiner Rechte unter diesem ÖPP-Vertrag nö-             den die privaten Partner so verlangen oder nicht
 tig ist, in allen Fällen in dem durch das [anwendbares
                                                                einsteigen. Dabei gibt der Ratgeber zu, dass die Li-
 Recht] vorgegebenen Zeitrahmen, außer wenn dieses
 Unvermögen durch die Nicht-Einhaltung des [an-                 nie zwischen dem „politischen Risiko“ und einem
 wendbares Recht] durch den privaten Partner begrün-            normalen „Geschäftsrisiko“ schwer zu ziehen ist
 det ist.
                                                                (2.2.1.2), und schlägt konkret eine abschließende
 (b) jede Form von kriegerischer Handlung (ob erklärt           Liste mit Ereignissen vor (siehe Kasten). Diese Lis-
 oder unerklärt), Invasion, bewaffnetem Konflikt oder
 Taten eines ausländischen Feindes, Blockade, Em-               te enthält nun einige nahe liegende Elemente wie
 bargo oder Revolution [die sich innerhalb von [Name            eine Enteignung. Jedoch kommt es selbst da auf
 des Landes] ereignet];
                                                                die Umstände an. Der Ratgeber enthält keinen er-
 (c) radioaktive Kontamination oder ionisierende Strah-         kennbaren Weg, eine Enteignung im Einzelfall zu
 lung, [die aus [Name des Landes] stammt];
                                                                rechtfertigen, zum Beispiel bei Insolvenz einer Fir-
 (d) jede Form von Unruhe, Aufstand, zivilem Unge-              ma wie dem britischen Bau- und ÖPP-Riesen Ca-
 horsam, terroristischer Tat oder Kampagne [die sich
 innerhalb von [Name des Landes] ereignet];                     rillion 2018.36
 (e) jede Form von Streik, Dienst nach Vorschrift,
 Langsamarbeit, die nicht vorrangig das Ziel haben,             Noch heikler dürfte die in der Liste genannte Ver-
 das Handeln der betroffenen Partei zu beeinflussen,            weigerung einer „Zulassung oder Zustimmung“
 um die Bedingungen der Beschäftigung durch die be-
 troffene Partei zu erhalten oder zu verbessern.                sein. Diese wird in der Regel durchaus begründet
                                                                sein, zum Beispiel durch Umwelt-, Gesundheits-
 (f) Enteignung, zwangsweiser Erwerb oder Nationali-
 sierung von irgendeinem Vermögenswert oder Recht               oder Arbeitsrechtsschutz sowie strafrechtliche Be-
 des privaten Partners, einschließlich jeden Anteils am         stimmungen wie gegen Korruption oder Geldwä-
 privaten Partner, durch jede relevante Behörde;
                                                                sche und vieles mehr. Gerade bei großen Infra-
 (g) jede Form von Handlung oder Unterlassung jeder             struktur-Projekten mit den üblichen Problemen
 relevanten Behörde, welche die Rechtmäßigkeit, Gül-
 tigkeit, verbindliche Natur oder Durchsetzbarkeit die-         durch die Landnutzung (Umsiedlungen, Umwelt-
 ses ÖPP-Vertrags negativ beeinflussen;                         schäden und ähnliches) wird es häufig einen legiti-
 (h) [jedes Ereignis hinzufügen, das sich speziell auf          men Anlass geben, Zulassungen (zunächst) zu
 das ÖPP-Projekt bezieht, wie der Bau einer bestimm-            verweigern. Der Ratgeber betont zwar, dass die
 ten konkurrierenden Infrastruktur (z.B. eine kostenlo-
 se Zugangsstraße zur ÖPP-Gebühren-Straße) oder                 36
                                                                   Britischer Baukonzern Carillion ist pleite. Manager Magazin, 15.01.2018.
 eine Umweltverschmutzung]                                      http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/carrillion-britischer-
                                                                baukonzern-ist-pleite-bauprojekte-in-gefahr-a-1187900.html.

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Verweigerung legitimiert sein kann, wenn sich der                        (3.2.1.2) einer Gesetzesänderung und deren fi-
private Partner nicht an das Recht hält. Da dies im                      nanzielle Folgen sollen wieder einmal die öffentli-
Einzelfall aber gerade umstritten sein wird, setzt                       che Hand tragen.
diese Bestimmung die öffentliche Hand unter
Druck, Zulassungen und Zustimmungen eher zu                              Der Ratgeber gibt zwar zu, dass die öffentliche
gewähren, um eine Entschädigung zu vermeiden.                            Hand zunächst gegen eine solche „Risikoübernah-
                                                                         me“ opponieren könnte, gibt sich dann aber viel
Völlig unverständlich ist, dass in dieser Liste viele                    Mühe zu erklären, warum die Regelung bei ÖPP
der Ereignisse wieder auftauchen, die schon in der                       zu rechtfertigen sei (3.2.1): So habe der private
Liste zur „höheren Gewalt“ standen – obwohl dort                         Partner üblicherweise nicht die Freiheit, die Preise
ja definiert war, dass keine Vertragspartei Kontrolle                    zu gestalten und darüber Verluste zu tragen. Auch
über das Ereignis habe. Wortgleich stehen dort                           stehe wieder die Frage im Raum, ob das Projekt
auch wieder Krieg, Embargo, Revolution, radioakti-                       sonst am Ende für die Privaten interessant ist. Eine
ve Kontaminierung, Aufstände oder Terrorakte.                            „Risikoübernahme“ durch die Privaten sei zudem
Dass ausgerechnet ein gewaltsamer Akt gegen die                          schwer einzupreisen und mache den Vertrag für
Regierung oder ein Super-GAU in einem Atom-                              die öffentliche Seite „unnötig teuer“ (3.2.1.3), wenn
kraftwerk unter der vollen Kontrolle der Regierung                       es später gar keine relevanten Rechtsänderungen
stehen sollen, entbehrt jeder Logik. Es widerspricht                     gibt.
laut der US-Kanzlei Foley Hoag auch international
üblichem Recht.37                                                        Der Ratgeber stellt schließlich Varianten für eine
                                                                         konkrete Bestimmung vor (3.2.3): Bei der einen soll
Erneut stehen dort auch Streiks und Langsamar-                           die öffentliche Hand pauschal die Verantwortung
beit, diesmal allerdings mit der Einschränkung,                          für jegliche Gesetzesänderung übernehmen, bei
dass sie nicht der Verbesserung der konkreten Ar-                        der anderen soll es einen Schwellenwert geben,
beitsbedingungen dienen. Dennoch schüren diese                           bei der dritten sollen nur bestimmte Änderungen
weitgehenden Rechte der privaten Seite eine Stim-                        erfasst sein, zum Beispiel „diskriminierende“ oder
mung gegen Arbeitskämpfe. Besonders heikel ist                           für das ÖPP-Projekt „spezifische“.
schließlich der Vorschlag, dass sogar der Bau
„konkurrierender Infrastruktur“ Entschädigungsan-                        Dass der Staat über Jahrzehnte – denn so lange
sprüche nach sich ziehen könnte.                                         laufen die Verträge oft – kein (Steuer-)Gesetz er-
                                                                         lässt, das das Projekt berühren würde, ist auszu-
Die Rechtsfolge eines „erheblich schädlichen Re-                         schließen. Vielmehr wird es wegen neuer Gesetze
gierungshandelns“ ist ein – im Vergleich zur „höh-                       und Regeln vielfach zu Konflikten zwischen dem
ren Gewalt“ – deutlich stärkerer Entschädigungs-                         Staat und der privaten Seite kommen. Selbst bei
anspruch der privaten Seite .                                            der restriktiveren Variante gibt es jedoch keinen
                                                                         ausreichenden Schutz für legitime Gesetzes- und
Rechtsänderungen                                                         Rechtsänderungen. Deshalb entstehen hier große
                                                                         Risiken für die öffentliche Hand, mit hohen mögli-
Der private Partner ist, wie der Ratgeber feststellt,                    chen Kosten bei „Schadensersatz“-Forderungen
typischerweise zur Einhaltung der geltenden Ge-                          der Privaten. Auch die US-Kanzlei Foley Hoag hält
setze verpflichtet. Deshalb sollen ihm umgekehrt                         es für unangemessen, dass die Weltbank sich der-
bei Rechtsänderungen („change in law“) Rechte                            artig zu Rechtsänderungen positioniert. 38 Letztlich
zustehen. Konkret gehe es um „unerwartete Ände-                          läuft diese Bestimmung darauf hinaus, dass sich
rungen“, die eine Einhaltung der Verpflichtungen                         die Firmen über die ÖPP der allgemeinen Rechts-
des privaten Partners „unmöglich, nur verspätet                          fortentwicklung entziehen können. Dies benachtei-
möglich oder teurer“ (3.1.2) machen und seine Ge-                        ligt im Übrigen sogar andere Firmen, welche gege-
winnerwartungen schmälern. Auch Steuern sind re-                         benenfalls mit nachteiligen Wirkungen eines neuen
gelmäßig erfasst (3.2.2.1). Das „politische Risiko“                      Gesetzes auskommen müssen.

37                                                                       38
  Foley Hoag: Summary Comments on the World Bank Group’s 2017 Guidance     Foley Hoag: Summary Comments on the World Bank Group’s 2017 Guidance
on PPP Contractual Provisions. 15.09.2017.                               on PPP Contractual Provisions. 15.09.2017.
https://us.boell.org/2017/09/15/summary-comments-world-bank-groups-      https://us.boell.org/2017/09/15/summary-comments-world-bank-groups-
2017-guidance-ppp-contractual-provisions-0.                              2017-guidance-ppp-contractual-provisions-0.

WEED/GiB – Der Weltbank-Ratgeber zu öffentlich-privaten Partnerschaften – April 2019                                                         7
Kündigungszahlungen                                                      Finanzierungsänderungen

Für den Fall einer vorzeitigen Vertragsbeendigung                        Für den Fall einer Änderung der Finanzierung („re-
schlägt der Ratgeber Kündigungszahlungen („ter-                          financing“) empfiehlt der Ratgeber, so etwas prinzi-
mination payments“) als Entschädigung vor. Auch                          piell möglich zu machen, sieht aber ein Zustim-
hier wird ausführlich auf die „Marktpraxis“ Bezug                        mungsrecht der öffentlichen Hand vor (5.2.3). Au-
genommen, die wie folgt aussehe: Endet der Ver-                          ßerdem soll die öffentliche Hand an möglichen Ge-
trag durch die Schuld der öffentlichen Seite, solle                      winnen aus der Änderung beteiligt werden, wobei
der private Partner „voll entschädigt“ („fully com-                      konkret auf eine 50:50-Aufteilung (5.2.5) als Mög-
pensated“; 4.3.1) werden, wobei damit die erwarte-                       lichkeit hingewiesen wird, so wie es zum Beispiel in
te Eigenkapitalrendite gemeint ist, die sich nach                        Südafrikas Richtlinien festgelegt ist.
unterschiedlichen Methoden berechnen lasse.
                                                                         Die US-Kanzlei Foley Hoag kritisiert, dass auch ein
Dieselbe „Marktpraxis“ sehe auch bei der Schuld                          Refinanzierungsvorschlag von der öffentlichen Sei-
des privaten Partners vor, dass es eine „gewisse                         te durch die private Seite geprüft werden sollte und
Entschädigung“ („some amount of compensation“;                           dass unter Umständen – bei Gebühren – auch die
(4.4.1) geben soll. Wieder einmal macht sich der                         Nutzer/innen von den Kostenvorteilen profitieren
Ratgeber zum Advokaten der privaten Seite, wenn                          sollten. Diese Punkte spricht der Ratgeber nicht
er schreibt: „Obwohl dies auf den ersten Blick nicht                     an.40
mit dem Kündigungsgrund zusammen zu passen
scheint, gibt es in der Tat einige gewichtige Gründe                     Beitrittsrechte der Geldgeber
dafür.“ (4.4.1) So könne sich die öffentliche Hand
„ungerechtfertigt bereichern“, indem sie den Ver-                        Für den Fall, dass der private Eigenkapitalgeber
trag kündigt. Außerdem würde sonst der private                           nicht mehr zahlungsfähig ist, empfiehlt der Ratge-
Partner einen Risikoaufschlag verlangen und Geld-                        ber ein Recht der Kreditgeber, in den Vertrag als
geber könnten sogar ganz auf einen Einstieg in                           direkte Partei eintreten zu dürfen. Dieses Recht sei
das Projekt verzichten. Schließlich verliere der pri-                    zwar bisher „selten (wenn überhaupt) tatsächlich
vate Partner immerhin sein Eigenkapital. Wohlge-                         genutzt worden“ (6.1). Dennoch gebe es den Kre-
merkt, es geht hier explizit um den Fall, dass der                       ditgebern mehr Sicherheit, dass ein Projekt nicht
private Partner die Schuld an der Beendigung                             abrupt endet. Formal soll deshalb bei Ausfall die
trägt. Dass der Ratgeber dann dennoch unterstellt,                       öffentliche Hand die Kreditgeber über ihre Absicht
die öffentliche Seite könne sich „ungerechtfertigt                       informieren, den Vertrag zu kündigen, und den
bereichern“, zeigt die Neigung des Ratgebers zu                          Kredigebern Zeit einräumen, eine eintretende Par-
den Interessen der privaten Seite.                                       tei zu bennen.

Die US-Kanzlei Foley Hoag kritisiert zusätzlich,                         Formell stehen diese Rechte üblicherweise nicht
dass gerade im Fall von Kündigungszahlungen die                          im ÖPP-Vertrag selbst, weshalb der Ratgeber kei-
Möglichkeit eines öffentlichen Anteils an der Betrei-                    nen konkreten Textvorschlag enthält und nur ein
bergesellschaft berücksichtigt werden müsse. Au-                         „direktes Abkommen“ (6.2) mit den Kreditgebern
ßerdem sollten die Zahlungen direkt an die Kredit-                       empfiehlt.
geber und nicht an den privaten Vertragspartner
gehen, der das Projekt verlässt. Ansonsten könnte                        Die öffentliche Hand könnte beim Vorschlag des
letzterer in ungebührlichem Maße Gelder vom Pro-                         Ratgebers offensichtlich den Eintritt nicht verhin-
jekt abziehen.39                                                         dern, weil es keine Zustimmungspflicht gibt. Eine
                                                                         solche wäre aber sinnvoll. Die US-Kanzlei Foley
                                                                         Hoag regt zudem an, dass die Interessen der Nut-
                                                                         zer/innen stärker festgeschrieben sein müssten, da
                                                                         diese von einem Ausfall am meisten betroffen sind.

39                                                                       40
  Foley Hoag: Summary Comments on the World Bank Group’s 2017 Guidance     Foley Hoag: Summary Comments on the World Bank Group’s 2017 Guidance
on PPP Contractual Provisions. 15.09.2017.                               on PPP Contractual Provisions. 15.09.2017.
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Insbesondere sollte deshalb eine zügige Entschei-                        Geltendes Recht und Streitbeilegung
dung vorgeschrieben sein. Außerdem sollte auch
die öffentliche Hand die Option bekommen, anstel-                        Der Ratgeber hält – zurecht – fest, dass es von
le des zahlungsunfähigen privaten Partners in den                        großer Bedeutung ist, welches Recht und welche
Vertrag einzutreten.41                                                   Form der Streitbeilegung gewählt wird. Als Optio-
                                                                         nen werden nationale Gerichte, ausländische Ge-
Vertraulichkeit und Transparenz                                          richte oder internationale Streitschlichtung vorge-
                                                                         schlagen. Die US-Kanzlei Foley Hoag moniert,
Der Ratgeber hält fest, dass zwischen dem Interes-                       dass alternative Schlichtungsmöglichkeiten wie
se der privaten Partner an der Geheimhaltung der                         Mediation keine Erwähnung finden, obwohl dies
Verträge und dem Interesse der öffentlichen Hand                         besonders bei Umwelt- und Sozialthemen hilfreich
an Transparenz abgewogen werden müsse („confi-                           wäre.42
dentiality and transparency“). Es sei dabei „zuneh-
mend üblich“, dass Verträge öffentlich gemacht                           Die öffentliche Hand wolle dabei typischerweise
werden, zugleich aber „typisch“, dass davon be-                          das Recht des eigenen Landes für einschlägig er-
stimmte „geschäftlich oder anderweitig sensible“                         klären. Wieder einmal zählt der Ratgeber dann
(7.1.2) Informationen ausgenommen sind.                                  eine ganze Reihe von Gründen auf, warum dies
                                                                         keine gute Idee sei (8.1.2). Diese laufen im Prinzip
Der konkrete Vorschlag für eine Vertragsbestim-                          alle darauf hinaus, dass es für den privaten Partner
mung enthält eine ganze Reihe von Informationen,                         schwerer sein wird, ein Verfahren durchzuführen
die veröffentlicht werden dürfen, darunter der ÖPP-                      und den Fall zu gewinnen.
Vertrag inklusive der Eigenkapitalrendite („Base
Case Equity IRR [internal rate of return] informati-                     Ähnlich ist es bei den zuständigen Gerichten. Wäh-
on“) und möglicher Vertragspartner-Wechsel.                              rend die öffentliche Hand in der Regel die eigenen
                                                                         Gerichte für zuständig erklären wolle, würden die
Allerdings folgt dann die Ausnahme für „vertrauli-                       privaten Partner lieber auf ausländische Gerichte
che Informationen“, zum Beispiel wenn die „ge-                           oder (internationale) Streitschlichtung („arbitration“)
schäftlichen Interessen einer Vertragspartei“, „Han-                     zurückgreifen. Deshalb solle man ein ausländi-
delsgeheimnisse“ oder „geschäftlich sensible geis-                       sches Gericht wählen, wenn der private Partner
tige Eigentumsrechte“ betroffen seien. In der Erläu-                     meint, dieses sei „transparent, effizient und sein
terung nennt der Ratgeber als geschützte Informa-                        Justizapparat bestehe aus hochangesehenen An-
tionen unter anderem „Kerndaten zur Fi-                                  wälten mit Erfahrung in Streitfällen bei ÖPP“
nanzierung“ wie „Preisermittlungselemente und                            (8.2.2.2). Die öffentliche Hand könne laut dem Rat-
-methoden“, das „Finanzierungsmodell des priva-                          geber gezwungen sein, sich auf ein ausländisches
ten Partners“ und „Details zu den Kosten bei der                         Gericht einzulassen, quasi als Kompromiss, um die
Finanzierung durch Eigenkapital und Schulden“.                           Geldgeber bei der Stange zu halten („bankable“
(7.2.3)                                                                  lautet wie so oft das Zauberwort).

Aus dem Ratgeber wird nicht klar, wie im Einzelfall                      Was Streitschlichtung angeht, gesteht der Ratge-
die Entscheidung getroffen wird, welche Informati-                       ber ein, dass diese „teuer und manchmal so lang-
on zu veröffentlichen ist und ob gegebenenfalls                          wierig wie Gerichtsverfahren“ sei, aber die Ent-
auch Teile des ÖPP-Hauptvertrags betroffen sind,                         scheidungen seien international besser vollstreck-
der ja an sich veröffentlicht werden soll. Insgesamt                     bar als Gerichtsurteile. Man müsse „sorgfältig für
unterstützt der Ratgeber teils das Interesse der öf-                     jedes Projekt prüfen“ (8.2.2.5), ob man Gerichte
fentlichen Hand an Transparenz, zugleich würden                          oder Streitschlichtung nutzen will. Der Ratgeber
wohl wichtige Vertragsbestimmungen geheim blei-                          beschreibt außerdem diverse konkrete Möglichkei-
ben.                                                                     ten der Streitschlichtung, insbesondere das in Wa-
                                                                         shington bei der Weltbank ansässige „International

41                                                                       42
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on PPP Contractual Provisions. 15.09.2017.                               on PPP Contractual Provisions. 15.09.2017.
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WEED/GiB – Der Weltbank-Ratgeber zu öffentlich-privaten Partnerschaften – April 2019                                                         9
Centre for Settlement of Investment Disputes“ (IC-               Entscheidungen („maverick decisions“, 8.2.3,
SID)43, bei dem global die meisten Verfahren lau-                STEP 3) und sei besser vorhersagbar. Dass ein
fen. Allerdings sei es nicht ausgemacht, dass ein                maßgeblich von Allen & Overy verfasster Text sich
ÖPP-Vertrag unter den ICSID-Regularien verhan-                   so offen für Streitschlichtung zeigt und drei Schlich-
delbar ist. Jedenfalls solle die öffentliche Hand sich           ter empfiehlt, verwundert nicht. Denn die Firma ist
der „Möglichkeit von Ansprüchen unter diesem Re-                 selbst auf diesem Feld aktiv und brüstet sich auf ih-
gime bewusst sein“ (8.2.3). Dass dies nicht nur                  rer Webseite sogar damit, man habe „one of the
eine Möglichkeit ist, zeigt eine Reihe von Klagen                world’s leading International Arbitration practi-
vor dem ICSID im Fall von ÖPP-Projekten (die Lis-                ces“57.
te ist sicherlich nicht vollständig):
       Autobahn in Mosambik44                                   Der Text streift die großen Probleme der internatio-
       Öffentliche Infrastruktur in Algerien45                  nalen Streitschlichtung nur am Rande. In Wahrheit
       Infrastruktur in Libyen46                                geht die öffentliche Hand dabei ein hohes Risiko
       Mine in Ghana47                                          ein, da die Regeln von ICSID sehr investoren-
       Freizeitkomplex in Côte d’Ivoire48                       freundlich sind, insbesondere was die Schutzstan-
       Energieversorgung in Tansania49                          dards wie „faire und gerechte Behandlung“ oder
       Energieversorgung in Gambia50                            „Enteignung“ angeht. Auch die Unabhängigkeit der
       Telekommunikation in Madagaskar51                        Schiedsleute ist mehr als fraglich.58
       Energieversorgung in Georgien52
       Ölraffinerie in Papua Neu-Guinea53                       Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass der Rat-
       Müllentsorgung in Ägypten54                              geber den Verzicht der öffentlichen Hand auf juris-
       Wasser/Abwasser in Argentinien55                         tische „Privilegien“ wie Immunität gegenüber be-
       Brücke in Argentinien (mit Hochtief)56                   stimmten Klagen diskutiert. Solche teils vor Gerich-
                                                                 ten geltenden Rechte wollen die privaten Partner
Insgesamt äußert sich der Ratgeber positiv in Rich-              gerne rundheraus für nichtig erklären. In einer der
tung Streitschlichtung. Er empfiehlt, man solle da-              wenigen an den Machtrealitäten orientierten Aus-
bei drei Streitschlichter statt nur einen benennen.              sagen meint der Ratgeber, das Ergebnis hänge
Das sei zwar teurer, vermeide aber willkürliche                  von den „relevanten Gesetzen und der Verhand-
                                                                 lungsmacht der Vertragsparteien in den relevanten
43
   https://icsid.worldbank.org/en.                               realen Vertragsverhandlungen“ („real life contractu-
44
   https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?
CaseNo=ARB/17/23.
                                                                 al negotiations“, 8.2.6) ab. Dass dieses „real life“
45
   https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?   im Ratgeber sonst selten eine Rolle spielt, zeigt
CaseNo=ARB/17/1.
46
   https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?   dessen Charakter.
CaseNo=ARB(AF)/15/1.
47
   https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?
CaseNo=ARB/16/15.                                                Anleihefinanzierung
48
   https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?
CaseNo=ARB/16/11.
49
   https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?   Der Ratgeber weist darauf hin, dass mit der Fi-
CaseNo=ARB/15/41.
50
                                                                 nanzkrise nach 2007 die bis dahin für ÖPP-Projek-
   https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?
CaseNo=ARB/17/38,                                                te übliche Finanzierung durch Bankkredite schwie-
https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?
CaseNo=ARB/17/39,                                                riger geworden sei und deshalb verstärkt eine Fi-
https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?      nanzierung über Projektanleihen („bond financing“)
CaseNo=ARB/17/40.
51
   https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?   stattfinde. Diese habe unter Umständen auch Vor-
CaseNo=ARB/17/28.
52
                                                                 teile für die öffentliche Hand, was die Kosten an-
   https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?
CaseNo=ARB/17/29.
53
   https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?   57
CaseNo=ARB/17/26.
54
                                                                 http://www.allenovery.com/expertise/practices/litigation/Pages/international-
   https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?   arbitration.aspx.
CaseNo=ARB/12/15.                                                58
                                                                    Vgl. Cecilia Olivet und Pia Eberhardt:
55
   https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?   Profiting from injustice: How law firms, arbitrators and financiers
CaseNo=ARB/97/3,                                                 are fuelling an investment arbitration boom. Corporate
https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?      Europe Observatory und Transnational Institute 2012.
CaseNo=ARB/03/19,                                                https://corporateeurope.org/sites/default/files/publications/pr
https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?      ofiting-from-injustice.pdf. Pia Eberhardt: A Response To
CaseNo=ARB/03/18.                                                The Critics Of “Profiting From Injustice”. Kluwer Arbitration
56
   https://icsid.worldbank.org/en/Pages/cases/casedetail.aspx?   Blog, 2013. http://kluwerarbitrationblog.com/2013/01/02/aresponse-
CaseNo=ARB/07/31.                                                to-the-critics-of-profiting-from-injustice/?print=pdf.

WEED/GiB – Der Weltbank-Ratgeber zu öffentlich-privaten Partnerschaften – April 2019                                                     10
geht, allerdings sei sie nicht für alle Projekte geeig-         Fazit
net und habe ihre eigenen Schwierigkeiten. Insbe-
sondere sind die Finanzierungskonditionen schwe-                Der Ratgeber der Weltbank stellt die Risiken von
rer vorherzusagen, da sie erst mit dem Verkauf der              ÖPP für die öffentliche Hand unangemessen dar
Anleihe wirklich klar werden. In Frankreich zum                 und verlangt zugleich, dass letztlich die öffentliche
Beispiel sei es schwer, Anleihen zu nutzen, weil                Hand die größten Risiken übernimmt. Begründet
die Gesamtkosten schon in einer frühen Phase des                wird dies grundsätzlich damit, dass sich sonst kein
Projekts klar sein müssen. Um dem Einzelfall ge-                privater Partner beteiligen würde.
recht zu werden, erklärt der Ratgeber verschiede-
ne Varianten von Projektanleihen.                               Doch selbst und gerade wenn das stimmt, wirft es
                                                                die Frage auf, ob ÖPP am Ende jemals eine faire
Mehrmals betont der Ratgeber, wie wichtig es sei,               Risikoaufteilung beinhalten können. Die öffentliche
fachliche externe Berater (wie die Autoren des Rat-             Hand muss erkennen, dass die Übernahme der
gebers Allen & Overy) heranzuziehen (9.3.1). Bei                Großrisiken ein Projekt auch aus ihrer Sicht „unfi-
Investoren habe es im Übrigen bislang Angst vor                 nanzierbar“ werden lässt, zumal da die Einnahmen
den Baurisiken gegeben, allerdings nehme diese                  an die Privaten gehen.
langsam ab, da es mehr Erfahrungswerte gebe, die
dafür sprechen, dass die Ausfallrate „relativ gering“           Darüber hinaus wirkt schon die Auswahl der Ver-
sei (9.5.1). Allerdings muss hier gesehen werden,               tragsbestimmungen eher im Interesse der privaten
dass bei ÖPP-Projekten auch der Bau-Stillstand fi-              Seite. So steht dem Kapitel zu „erheblich schädli-
nanziert wird, wie es zum Beispiel bei der Hambur-              chem Regierungshandeln“ keines zu entsprechen-
ger Elbphilharmonie der Fall war.                               dem Handeln der privaten Seite gegenüber. Im Ge-
                                                                genteil wird sogar betont, dass selbst bei Verschul-
Unternehmensfinanzierung                                        den der privaten Seite diese noch gewisse Ent-
                                                                schädigungen bekommen müsse, während bei
Als letzten Punkt äußert sich der Ratgeber zum                  Verschulden der öffentlichen Seite eine volle Ent-
Thema Unternehmensfinanzierung („corporate fi-                  schädigung der privaten Seite erfolgen müsse.
nancing“). Hier geht es darum, dass es keinen ex-
ternen Kreditgeber gibt, sondern der Eigenkapital-              Besonders weit reichende Folgen kann das Kapitel
geber selbst die Finanzierung über seine Banken                 „Rechtsänderungen“ haben, denn es sind kaum
oder über Anleihen übernimmt. Dies sei nur in be-               Schutzmechanismen für die öffentliche Hand er-
stimmten Fällen möglich, wo die private Firma al-               kennbar, was legitime Gesetzgebung und Rechts-
lein zuständig ist und eine gute Bilanz sowie Erfah-            fortbildung angeht. Die Wirkung wird noch dadurch
rung mit der Unternehmensfinanzierung für neue                  verstärkt, dass sich der Ratgeber für ausländische
Projekte hat. Der Ratgeber weist auch hier auf die              Gerichte und internationale Streitschlichtung stark
Notwendigkeit externer Berater hin und rät der öf-              macht, was vor allem Privaten nutzt.
fentlichen Hand zu einer umsichtigen Prüfung des
Prozesses und der Einhaltung der zuvor empfohle-                Dass der Ratgeber so sehr im Sinne der Privaten
nen Bestimmungen wie zu Kündigungszahlungen.                    argumentiert, dürfte auch daran liegen, dass er im
                                                                Wesentlichen von einer Anwaltsfirma verfasst ist,
                                                                die an Aufträgen im Rahmen von ÖPP verdient.
                                                                Die Weltbank erweist sich mit diesem Ratgeber je-
                                                                denfalls nicht als neutraler Berater der öffentlichen
                                                                Hand, sondern als Partner der Privaten.

Herausgeber:        Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung, WEED e.V., Eldenaer Str. 60, 10247 Berlin
                    in Kooperation mit Gemeingut in BürgerInnenhand e.V., Weidenweg 37, 10249 Berlin
Autor/Kontaktperson: Markus Henn, +49-30-27582249, markus.henn@weed-online.org
Förderhinweis: Dieses Papier ist Teil eines durch Brot für die Welt finanzierten Projekts. Die Inhalte
liegen in der alleinigen Verantwortung von WEED und können nicht Brot für die Welt zugerechnet werden.

                             www.weed-online.org – www.gemeingut.org

WEED/GiB – Der Weltbank-Ratgeber zu öffentlich-privaten Partnerschaften – April 2019                             11
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