Die Irrtumslosigkeit der Bibel - Erste Chicago-Erklärung von 1978 - Bibelbund-Verlag
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Die Irrtumslosigkeit der Bibel Erste Chicago-Erklärung von 1978 Bibelbund-Verlag
© 1978 des englischen Originals: International Council on Biblical Inerrancy © 1992/2004 der deutschen Übersetzung: Institut für Weltmission und Gemeindebau (Martin-Bucer-Seminar) e.V. © 2003/2008 der Ausgabe für den Bibelbund e.V. Bibelbund-Verlag, 07926 Gefell, Ahornweg 3 Satz: KHV Gefell Umschlag: E. Platte, Wuppertal Druck: Druckerei Wilhelm Tiedemann 08258 Markneukirchen
3 Vorwort I st Gottes Wort, wie wir es in der Bibel wird sogar mit Kleinglauben gleichge- vor uns haben, in jeder Hinsicht abso- setzt, da man ja in der Bibel einen schein- lut unfehlbar? Ist die Bibel vollkom- bar äußerlichen Halt brauche. Die Vertre- men irrtumslos, obwohl sie doch von feh- ter dieser Meinung übersehen dabei, dass lerhaften Menschen niedergeschrieben uns die Heilstatsachen nur durch die Bibel wurde? Gilt die Irrtumslosigkeit der seit offenbart und bezeugt sind. Ist nun die Bi- fast 2000 Jahren abgeschlossenen Bibel bel nicht irrtumslos, woher könnten wir auch in den Fragen des heutigen Lebens? Gewissheit über die Heilstatsachen neh- Sind die Aussagen der Bibel, zu denen die men? moderne Naturwissenschaft, Völkerkun- Aufgrund dieser Problematik schlos- de, Soziologie oder Psychologie andere Er- sen sich 1977 Theologen aus unterschied- kenntnisse vertritt, ebenfalls irrtumslos? lichen Konfessionen und Regionen der In Kirchen und Gemeinden, in der wis- ganzen Welt zum „Internationalen Rat für senschaftlichen Theologie und selbst in biblische Irrtumslosigkeit“ (ICBI) zusam- evangelikalen Kreisen, die sich als aus- men.1 Er arbeitete im Wesentlichen von drücklich bibeltreu verstehen, gibt es zu 1978 bis 1986. diesen Fragen widersprüchliche Aussagen Ziel seiner bibelwissenschaftlichen Ar- und vieldeutige, relativierende Antworten. beit war es, Ansichten entgegenzutreten, Da wird auf scheinbare Widersprüche in die die Irrtumslosigkeit der Heiligen der Bibel, auf Probleme bei der Überliefe- Schrift infrrage stellten. Gleichzeitig be- rung der biblischen Texte und Abweichun- wegte die beteiligten Theologen die Frage, gen in den alten biblischen Handschriften wie die Heilige Schrift ihrem göttlichen hingewiesen. Selbst Christen, an deren Charakter entsprechend heute ausgelegt festem Glauben kein Zweifel besteht, ha- werden kann. Neben durchgeführten Kon- ben Probleme mit der Irrtumslosigkeit der ferenzen und weiteren Veröffentlichungen Heiligen Schrift. Einige spielen dann die waren es die drei so genannten Chicago- Zuverlässigkeit der Bibel, an der sie keinen Erklärungen, die als geistliche Ergeb- Zweifel hegen, gegen die Irrtumslosigkeit nisse des ICBI gewertet werden können: der Bibel aus, die ihnen nicht ganz so rele- 1978 „Chicago-Erklärung zur Irrtums- vant erscheint. Andere meinen, dass das losigkeit der Bibel“ Festhalten an den zentralen Heilstatsa- 1982 „Chicago-Erklärung zur bibli- chen des Evangeliums wichtiger sei als das schen Hermeneutik“ Bekenntnis zur Irrtumslosigkeit der Bibel. 1986 „Chicago-Erklärung zur bibli- Das Festhalten an der Irrtumslosigkeit schen Anwendung“2 ___________________________ 1 Unter anderen haben folgende bibeltreue Theologen daran mitgearbeitet: Gleason L. Archer, Jay Adams, Greg Bahnsen, Henri A. G. Blocher, James M. Boice (Vorsitzender), Edmund P. Clowney, Charles L. Feinberg, Norman Geisler, Harold W. Hoehner, Kenneth Kanzer, D. James Kennedy, Samuel Külling, Gordon Lewis, Harold Lindsell, John MacArthur, Josh D. McDo- well, John W. Montgomery, James I. Packer, Earl D. Radmacher, R. C. Sproul, John F. Wal- voord. 2 Der vollständige Text aller drei Erklärungen wurde von Thomas Schirrmacher übersetzt und 1993 unter dem Titel Bibeltreue in der Offensive veröffentlicht (2. überarb. Aufl. Bonn:
4 Die „Chicago-Erklärung zur Irrtums- vieler bibeltreuer Seminare, Mis- losigkeit der Bibel“ hat von diesen Erklä- sionswerke und Gemeinden auf- rungen die weltweit größte Bedeutung er- genommen. Sie bildet heute ein weltweites langt. geistliches Band zwischen unterschied- Obwohl die Kommissionsmitglieder lichsten bibeltreuen Seminaren, Hoch- aus verschiedenen christlichen Traditio- schulen, Werken, Missionsgesellschaften, nen kamen und in manchen theologischen Gemeinden und bibeltreuen Einzelperso- Fragen unterschiedliche Positionen vertra- nen. ten, haben sie mit der „Chicago-Erklärung Sie ist eine theologisch fundierte Be- zur Irrtumslosigkeit der Bibel“ ein eindeu- gründung, um das Eindringen der Bibel- tiges gemeinsames Bekenntnis zur Quelle kritik in theologische Ausbildungsstätten, unserer Offenbarung abgelegt. Kirchen, Gemeinden und Glaubenswerke Dabei stellt die „Chicago-Erklärung aufzuhalten. zur Irrtumslosigkeit der Bibel“ theolo- Sie ist eine geistliche Hilfe für bibel- gisch-wissenschaftliche Arbeit an der Bi- treue Christen, auch in persönlichen An- bel nicht infrage, sondern bietet eine fechtungen. Grundlage an, von der aus bibeltreue Deshalb ist der „Chicago-Erklärung Theologie betrieben werden kann. zur Irrtumslosigkeit der Bibel“ auch Deshalb wurde die „Chicago-Erklä- weiterhin eine große Verbreitung zu wün- rung zur Irrtumslosigkeit der Bibel“ in ih- schen. ren Grundaussagen oder auch als Gesamt- bekenntnis in die Statuten und Ordnungen Der Bibelbund-Verlag ___________________________ VKW 2004. Der Text kann von der Homepage des Martin-Bucer-Seminars Bonn als PDF-Da- tei kostenfrei heruntergeladen werden (http://www.bucer.eu).
5 Die Chicago-Erklärung zur Irrtumslosigkeit der Bibel Vorwort D ie Autorität der Schrift ist für die die allgemein über diese Lehre herrschen, christliche Kirche in unserer wie in als unsere zeitgemäße Pflicht an, dieses jeder Zeit eine Schlüsselfrage. Wer Bekenntnis abzulegen. sich zum Glauben an Jesus Christus als Die Erklärung4 besteht aus drei Teilen: Herrn und Retter bekennt, ist aufgerufen, einer zusammenfassenden Erklärung, den die Wirklichkeit seiner Jüngerschaft durch Artikeln des Bekennens und Verwerfens demütigen und treuen Gehorsam gegenü- und einer angefügten Auslegung. Sie wur- ber Gottes geschriebenem Wort zu erwei- de im Rahmen einer dreitägigen Beratung sen. In Glauben oder Leben von der Schrift in Chicago erarbeitet. Diejenigen, die die abzuirren ist Untreue unserem Herrn zusammenfassende Erklärung und die Ar- gegenüber. Das Anerkennen der absoluten tikel unterschrieben haben, bekennen da- Wahrheit und Zuverlässigkeit der Heiligen mit ihre eigene Überzeugung von der Irr- Schrift ist für ein völliges Erfassen und an- tumslosigkeit der Schrift und wollen sich gemessenes Bekenntnis ihrer Autorität gegenseitig und alle Mitchristen zu wach- unerlässlich. sender Wertschätzung und wachsendem Die folgende Erklärung bekennt3 er- Verständnis dieser Lehre ermutigen und neut diese Irrtumslosigkeit der Schrift, in- herausfordern. Wir wissen um die Gren- dem sie verdeutlicht, was wir darunter ver- zen eines Dokuments, das in einer kurzen, stehen, und gleichzeitig davor warnt, sie intensiven Konferenz erarbeitet wurde, zu leugnen. Wir sind davon überzeugt, und beantragen nicht, ihm das Gewicht ei- dass ihre Leugnung bedeutet, dass man nes Glaubensbekenntnisses zu verleihen. sich über das Zeugnis von Jesus Christus Dennoch freuen wir uns darüber, dass sich und dem Heiligen Geist hinwegsetzt und unsere Überzeugungen durch unsere ge- sich weigert, sich den Ansprüchen von meinsamen Diskussionen vertieft haben, Gottes eigenem Wort zu unterwerfen, was und wir beten, dass die Erklärung, die wir doch ein Kennzeichen wahren christlichen unterzeichnet haben, zur Verherrlichung Glaubens ist. Wir sehen es angesichts des unseres Gottes für eine neue Reformation gegenwärtigen Abgleitens von der Wahr- der Kirche in ihrem Glauben, ihrem Leben heit der Irrtumslosigkeit unter unseren und ihrer Mission gebraucht werden mö- Mitchristen und der Missverständnisse, ge. ___________________________ 3 Wörtlich: bekräftigt, bestätigt. Das englische to affirm wird in dieser Übersetzung entspre- chend dem historischen Gebrauch in deutschen Bekenntnistexten immer mit bekennen wiedergegeben. 4 Gemeint ist hier nur die erste der drei Chicago-Erklärungen.
6 Die Chicago-Erklärung Wir legen diese Erklärung nicht in po- unter das göttliche Wort zu brin- lemischer Absicht vor, sondern im Geist gen. der Demut und Liebe, den wir durch Got- Wir laden jeden ein, auf diese Erklä- tes Gnade in allen zukünftigen Gesprä- rung zu reagieren, wenn er Gründe dafür chen, die aus unseren hier gemachten sieht, die Bekenntnisse dieser Erklärung Äußerungen entstehen, beibehalten über die Schrift zu berichtigen. Freilich möchten. Wir anerkennen erfreut, dass muss das im Licht der Bibel geschehen, viele, die die Irrtumslosigkeit der Schrift unter deren unfehlbarer Autorität wir ste- leugnen, die Konsequenzen dieser Leug- hen, während wir unser Bekenntnis nung in ihrem übrigen Glauben und Leben niederlegen. Wir nehmen für das Zeugnis, nicht bestätigen, und wir sind uns be- das wir weitergeben, keine persönliche wusst, dass wir, die wir uns zu dieser Lehre Unfehlbarkeit in Anspruch und sind für je- bekennen, sie in unserem Leben oft leug- den Beistand dankbar, der uns dazu ver- nen, indem wir es versäumen, unsere Ge- hilft, dieses Zeugnis über das Wort Gottes danken und Taten, unsere Traditionen und zu stärken. Gewohnheiten in wahre Unterordnung
7 Zusammenfassende Erklärung 1. Gott, der selbst die Wahrheit ist und nur die Wahrheit spricht, hat die Heilige Schrift inspiriert, um sich damit selbst der verlorenen Mensch- heit durch Jesus Christus als Schöpfer und Herr, Erlöser und Richter zu offenbaren. Die Heilige Schrift ist Gottes Zeugnis von seiner eigenen Per- son. 2. Da die Heilige Schrift Gottes eigenes Wort ist, das von Menschen ge- schrieben wurde, die der Heilige Geist dazu ausrüstete und dabei über- wachte, ist sie in allen Fragen, die sie anspricht, von unfehlbarer gött- licher Autorität: Ihr muss als Gottes Unterweisung in allem geglaubt werden, was sie bekennt; ihr muss als Gottes Gebot in allem gehorcht werden, was sie fordert; sie muss als Gottes Zusage in allem aufgenom- men werden, was sie verheißt. 3. Der Heilige Geist, der göttliche Autor der Schrift, beglaubigt sie durch sein inneres Zeugnis und dadurch, dass er unseren Verstand erleuchtet, um ihre Botschaft zu verstehen. 4. Da die Schrift vollständig und wörtlich von Gott gegeben wurde, ist sie in allem, was sie lehrt, ohne Irrtum oder Fehler. Dies gilt nicht weniger für das, was sie über Gottes Handeln in der Schöpfung, über die Gescheh- nisse der Weltgeschichte und über ihre eigene, von Gott gewirkte literari- sche Herkunft aussagt, als für ihr Zeugnis von Gottes rettender Gnade im Leben einzelner. 5. Die Autorität der Schrift wird unausweichlich beeinträchtigt, wenn diese vollumfängliche göttliche Unfehlbarkeit in irgendeiner Weise be- grenzt oder missachtet oder relativiert wird durch eine Sicht der Wahr- heit, die der Sicht der Bibel von sich selbst widerspricht. Solche Abwei- chungen führen sowohl für den Einzelnen wie auch für die Kirche zu ernsthaften Verlusten.
8 Die Chicago-Erklärung Artikel des Bekennens und Verwerfens Artikel I Artikel IV Wir bekennen, dass man die Heilige Wir bekennen, dass Gott, der den Men- Schrift als das autoritative Wort Gottes schen in seinem Bild geschaffen hat, die aufnehmen muss. Sprache als Mittel seiner Offenbarung be- nutzt hat. Wir verwerfen die Auffassung, dass die Schrift ihre Autorität von der Kirche, der Wir verwerfen die Auffassung, dass die Tradition oder irgendeiner anderen menschliche Sprache durch unsere Krea- menschlichen Quelle erhalte. türlichkeit so begrenzt wäre, dass sie als Träger göttlicher Offenbarung ungenü- gend sei. Wir verwerfen ferner die Auffas- Artikel II sung, dass die Verdorbenheit der mensch- lichen Kultur und Sprache durch Sünde Wir bekennen, dass die Bibel die obers- Gottes Werk der Inspiration vereitelt habe. te geschriebene Norm ist, durch die Gott das Gewissen bindet, und dass die Auto- rität der Kirche derjenigen der Bibel unter- Artikel V geordnet ist. Wir bekennen, dass Gottes Offenba- Wir verwerfen die Auffassung, dass rung in der Heiligen Schrift eine fort- kirchliche Bekenntnisse, Konzilien oder schreitende Offenbarung war. Erklärungen eine der Bibel ebenbürtige oder gar höhere Autorität hätten. Wir verwerfen die Auffassung, dass ei- ne spätere Offenbarung, die eine frühere Offenbarung erfüllen mag, diese jemals Artikel III korrigiere oder ihr widerspreche. Wir ver- Wir bekennen, dass das geschriebene werfen ferner die Auffassung, dass irgend- Wort in seiner Gesamtheit von Gott gege- eine normative Offenbarung seit dem Ab- bene Offenbarung ist. schluss des neutestamentlichen Kanons gegeben worden sei. Wir verwerfen die Auffassung, dass die Bibel lediglich ein Zeugnis solcher Offenbarung sei oder dass sie nur durch Artikel VI die Begegnung mit ihr Offenbarung wer- de oder dass sie in ihrer Gültigkeit von Wir bekennen, dass die Schrift als den Reaktionen des Menschen abhängig Ganzes und alle ihre Teile bis zu den einzel- sei.
Artikel des Bekennens und Verwerfens 9 nen Wörtern des Urtextes von Gott durch Artikel IX göttliche Inspiration gegeben wurden. Wir bekennen, dass die Inspiration Wir verwerfen die Auffassung, dass man zwar keine Allwissenheit verlieh, aber die Inspiration der Schrift in ihrer Ganzheit wahre und zuverlässige Aussagen über alle ohne ihre Teile oder in einigen Teilen ohne Dinge garantierte, über welche die bibli- ihre Ganzheit recht bekennen könne. schen Autoren auf Gottes Veranlassung hin sprachen und schrieben. Artikel VII Wir verwerfen die Auffassung, dass die Begrenztheit oder das Gefallensein dieser Wir bekennen, dass die Inspiration je- Schreiber notwendigerweise oder auf an- nes Werk war, in dem Gott uns durch sei- dere Weise Verzerrungen oder Fehler in nen Geist durch menschliche Schreiber Gottes Wort eingeführt habe. sein Wort gab. Der Ursprung der Schrift ist Gott selbst. Die Art und Weise der gött- lichen Inspiration bleibt für uns zu einem Artikel X großen Teil ein Geheimnis. Wir bekennen, dass die Inspiration, Wir verwerfen die Auffassung, dass In- streng genommen, nur auf den autogra- spiration auf menschliche Einsicht oder ei- phischen5 Text der Schrift zutrifft, der aber nen höheren Bewusstseinszustand irgend- durch die Vorsehung Gottes anhand der einer Art reduziert werden könne. zur Verfügung stehenden Handschriften mit großer Genauigkeit ermittelt werden kann. Wir bekennen ferner, dass Abschrif- Artikel VIII ten und Übersetzungen der Schrift soweit Gottes Wort sind, als sie das Original ge- Wir bekennen, dass Gott in seinem treu wiedergeben. Werk der Inspiration die charakteristi- sche Persönlichkeit und den literari- Wir verwerfen die Auffassung, dass schen Stil des jeweiligen Schreibers, den irgendein wesentlicher Bestandteil des er ausgewählt und zugerüstet hatte, be- christlichen Glaubens durch das Fehlen nutzte. von Autographen6 beeinträchtigt sei. Wir verwerfen ferner die Ansicht, dass solches Wir verwerfen die Auffassung, dass Fehlen das Bekenntnis zur biblischen Irr- Gott die Persönlichkeit dieser Schreiber tumslosigkeit nichtig oder irrelevant ma- ausgeschaltet habe, als er sie dazu veran- che. lasste, genau die Worte zu gebrauchen, die er ausgewählt hatte. ___________________________ 5 autographisch. Urschriftlich, eigenhändig geschrieben. 6 Autographen. Urschriften, Originalschriften der Verfasser.
10 Die Chicago-Erklärung Artikel XI griff für die vollständige Zuverlässigkeit der Schrift zu gebrauchen. Wir bekennen, dass die Schrift unfehl- bar ist, da sie durch göttliche Inspiration Wir verwerfen die Auffassung, dass es gegeben wurde, so dass sie – weit davon angemessen sei, die Schrift anhand von entfernt, uns irrezuführen – wahr und zu- Maßstäben für Wahrheit und Irrtum zu verlässig in allen von ihr angesprochenen messen, die ihrem Gebrauch und ihrem Fragen ist. Zweck fremd sind. Wir verwerfen ferner die Auffassung, dass die Irrtumslosigkeit infra- Wir verwerfen die Auffassung, dass die ge gestellt werde durch biblische Phänome- Bibel zur gleichen Zeit unfehlbar und in ih- ne wie das Fehlen moderner technischer ren Aussagen irrtümlich sein kann. Un- Präzision, Unregelmäßigkeiten der Gram- fehlbarkeit und Irrtumslosigkeit können matik oder der Orthographie, Beschrei- unterschieden, nicht aber voneinander ge- bung der Natur aus dem Blickwinkel der trennt werden. subjektiven Beobachtung, Berichte über Unwahrheiten, durch den Gebrauch des Stilmittels der Hyperbel5 oder gerundeter Artikel XII Zahlen, thematischer Anordnung des Stof- fes, unterschiedlicher Auswahl des Materi- Wir bekennen, dass die Schrift in ihrer als in Parallelberichten oder der Verwen- Gesamtheit irrtumslos ist und damit frei dung freier Zitate. von Falschheit, Betrug oder Täuschungen. Wir verwerfen die Auffassung, dass sich Artikel XIV die biblische Unfehlbarkeit und Irrtumslo- sigkeit auf geistliche, religiöse oder die Erlö- Wir bekennen die Einheit und innere sung betreffende Themen beschränke und Übereinstimmung der Bibel. dass Aussagen im Bereich der Geschichte und Naturwissenschaft davon ausgenom- Wir verwerfen die Auffassung, dass men seien. Wir verwerfen ferner die Ansicht, angebliche Fehler und Widersprüche, die dass wissenschaftliche Hypothesen über die bis jetzt noch nicht gelöst worden sind, Erdgeschichte mit Recht dazu benutzt wer- den Wahrheitsanspruch der Bibel hinfällig den dürfen, die Lehre der Schrift über machen. Schöpfung und Sintflut umzustoßen. Artikel XV Artikel XIII Wir bekennen, dass die Lehre von der Wir bekennen, dass es angemessen Irrtumslosigkeit in der Lehre der Bibel ist, Irrtumslosigkeit als theologischen Be- über die Inspiration gegründet ist. ___________________________ 7 Hyperbel. Übertreibung zum Zweck der Verdeutlichung.
Artikel des Bekennens und Verwerfens 11 Wir verwerfen die Auffassung, dass Artikel XVIII man die Lehre Jesu über die Schrift mit dem Hinweis auf die Anpassung an seine Wir bekennen, dass man den Text der Hörer oder auf irgendeine natürliche Be- Bibel durch grammatisch-historische Exe- grenztheit seines Menschseins abtun kön- gese auslegen muss, indem man die litera- ne. rischen Formen und Wendungen berück- sichtigt, und dass die Bibel durch die Bibel ausgelegt wird. Artikel XVI Wir verwerfen die Berechtigung jedes Wir bekennen, dass die Lehre von der Umgangs mit dem Text und jeder Suche Irrtumslosigkeit ein integraler Bestandteil nach hinter dem Text liegenden Quellen, des Glaubens der Kirche während ihrer die dazu führen, dass seine Lehren relati- ganzen Geschichte gewesen ist. viert, für ungeschichtlich gehalten oder verworfen werden, oder dass man seine Wir verwerfen die Auffassung, dass die Angaben zur Verfasserschaft ablehnt. Irrtumslosigkeit eine Lehre sei, die der scholastische8 Protestantismus erfunden habe, oder dass sie als eine Abwehrreak- Artikel XIX tion auf die Bibelkritik postuliert worden sei. Wir bekennen, dass ein Bekenntnis zu der vollumfänglichen Autorität, Unfehl- barkeit und Irrtumslosigkeit der Bibel für ein gesundes Verständnis des ganzen Artikel XVII christlichen Glaubens lebenswichtig ist. Wir bekennen ferner, dass ein solches Be- Wir bekennen, dass der Heilige Geist kenntnis dazu führen sollte, dass wir dem Zeugnis für die Heilige Schrift ablegt und Bild Christi immer ähnlicher werden. den Gläubigen Gewissheit über die Zuver- lässigkeit des geschriebenen Wortes Got- Wir verwerfen die Auffassung, dass ein tes gibt. solches Bekenntnis zum Heil notwendig sei. Wir verwerfen jedoch darüber hinaus Wir verwerfen die Auffassung, dass auch die Auffassung, dass die Irrtumslo- dieses Zeugnis des Heiligen Geistes losge- sigkeit ohne schwerwiegende Konsequen- löst von der Schrift oder gegen die Schrift zen für den Einzelnen und die Kirche ge- wirke. leugnet werden könne. ___________________________ 8 scholastisch. Die Scholastik versuchte mit philosophisch-theologischen Mitteln die christliche Lehre denkerisch zu begründen, gilt heute als Synonym für Engstirnigkeit und Spitzfindigkeit.
12 Die Chicago-Erklärung Kommentar U nser Verständnis der Lehre von stus als Ziel- und Höhepunkt. Innerhalb der Irrtumslosigkeit muss in den dieses Rahmens hat Gott sündigen Men- größeren Zusammenhang der schen von Zeit zu Zeit besondere Worte umfassenderen Lehre der Schrift über sich des Gerichts und der Gnade, der Ver- selbst gestellt werden. Dieser Kommentar heißung und des Gebots gesagt. Damit rief legt die Grundlehren dar, aus denen die zu- er sie in eine Beziehung der gegenseitigen sammenfassende Erklärung und die Arti- Verpflichtung hinein, in einen Bund zwi- kel gewonnen wurden. schen ihm und ihnen, worin er sie mit Ga- ben der Gnade segnet, und sie ihn als Ant- Schöpfung, Offenbarung und Inspiration wort darauf preisen. Mose, den Gott zur Der dreieinige Gott, der alle Dinge Zeit des Auszugs als Mittler gebrauchte, durch sein Schöpferwort formte und alle um sein Wort seinem Volk zu überbringen, Dinge nach seinem Ratschluss regiert, steht am Beginn einer langen Reihe von schuf den Menschen nach seinem eigenen Propheten, in deren Mund und Schrift Bild zu einem Leben in Gemeinschaft mit Gott sein Wort hineinlegte, um es Israel zu ihm. Das geschah nach dem Vorbild der überliefern. Gottes Absicht mit dieser Ab- ewigen Gemeinschaft der von Liebe be- folge von Botschaften war es, seinen Bund stimmten Kommunikation innerhalb der zu erhalten, indem er sein Volk veranlas- Gottheit selbst. Als Träger der Ebenbild- ste, seinen Namen, das heißt sein Wesen, lichkeit Gottes sollte der Mensch das an und seinen Willen in seinen Geboten und ihn gerichtete Gotteswort hören und in seinen Absichten für die Gegenwart und freudigem und bewunderndem Gehorsam die Zukunft kennenzulernen. Diese Linie beantworten. Über Gottes Selbstoffenba- der prophetischen Sprecher Gottes fand rung in der Schöpfung und der Abfolge ih- ihren Abschluss in Jesus Christus, dem rer Ereignisse hinaus haben Menschen seit fleischgewordenen Wort Gottes, der selbst Adam verbale Botschaften von Gott emp- ein Prophet war – mehr als ein Prophet, fangen und zwar entweder direkt, wie sie aber nicht weniger –, und in den Aposteln in der Bibel vorliegen, oder indirekt in und Propheten der ersten christlichen Ge- Form von Teilen oder der ganzen Bibel neration. Als Gottes endgültige und auf selbst. den Höhepunkt zulaufende Botschaft, als Als Adam sündigte, überließ der sein Wort an die Welt in Bezug auf Jesus Schöpfer die Menschheit nicht dem end- Christus gesprochen und von den Apo- gültigen Gericht, sondern verhieß das Heil steln erläutert worden war, endete die Ab- und begann in einer Folge von histori- folge der Offenbarungsbotschaften. Von schen Ereignissen sich selbst als Erlöser da an sollte die Kirche durch das leben und zu offenbaren. Er tat das mit der Familie durch das Gott erkennen, was Gott für alle Abrahams als Brennpunkt und dem Le- Zeiten schon gesagt hatte. ben, Sterben und Auferstehen samt dem Am Sinai schrieb Gott die Bedingun- gegenwärtigen himmlischen Dienst und gen seines Bundes als sein beständiges der verheißenen Rückkehr von Jesus Chri- Zeugnis auf Steintafeln, damit es stets zu-
Kommentar 13 gänglich sei. Während der Zeit Das Alte Testament sah ihm entgegen, das der prophetischen und aposto- Neue Testament schaut auf sein erstes lischen Offenbarung veranlasste er Men- Kommen zurück und seinem zweiten schen, die Botschaft, die er ihnen und Kommen entgegen. Der biblische Kanon durch sie gab, aufzuschreiben, zusammen ist das göttlich inspirierte und deswegen mit Berichten über sein Handeln mit sei- normative Zeugnis von Christus. Aus die- nem Volk, mit ethischen Betrachtungen sem Grund kann keine Hermeneutik ak- über das Leben in seinem Bund und mit zeptiert werden, in der der historische Formen des Lobpreises und der Gebete für Christus nicht der Brennpunkt ist. Die die Bundesgnade. Die theologische Wirk- Heilige Schrift muss als das behandelt lichkeit der Inspiration bei der Entstehung werden, was sie ihrem Wesen nach ist, der biblischen Dokumente entspricht der nämlich das Zeugnis des Vaters von sei- Inspiration der gesprochenen Prophetien: nem fleischgewordenen Sohn. Obwohl die Persönlichkeit der mensch- Es ist zu erkennen, dass der alttesta- lichen Schreiber beim Schreiben zum Aus- mentliche Kanon zur Zeit Jesu bereits fest- druck kam, wurden die Worte und Wörter stand. Der neutestamentliche Kanon ist doch von Gott bestimmt. Deswegen gilt: nun ebenfalls abgeschlossen, weil heute Was die Bibel sagt, sagt Gott, ihre Auto- kein neues apostolisches Zeugnis vom hi- rität ist seine Autorität, denn er ist ihr ei- storischen Jesus mehr abgelegt werden gentlicher Autor. Er übermittelte sie durch kann. Bis zur Wiederkunft Christi wird den Geist und die Worte von auserwählten keine neue Offenbarung (die vom geistge- und zugerüsteten Menschen, die in Frei- wirkten Verstehen der bereits vorhande- heit und Treue „von Gott her redeten, ge- nen Offenbarung zu unterscheiden ist), trieben vom Heiligen Geist” (2Petr 1,21). mehr gegeben werden. Der Kanon wurde Die Heilige Schrift muss Kraft ihres gött- prinzipiell durch die göttliche Inspiration lichen Ursprungs als Gottes Wort aner- geschaffen. Die Aufgabe der Kirche war es kannt werden. nicht, einen eigenen Kanon aufzustellen, sondern den Kanon, den Gott geschaffen Autorität: Christus und die Bibel hatte, festzustellen. Jesus Christus, der Sohn Gottes, der Der Begriff Kanon bezeichnet eine das fleischgewordene Wort, unser Pro- Richtschnur oder Norm und weist auf phet, Priester und König ist, ist der letzt- Autorität hin, also auf das Recht, zu herr- endliche Mittler der Botschaften sowie der schen und zu lenken. Im Christentum ge- Gnadengaben Gottes an den Menschen. hört die Autorität Gott in seiner Offenba- Die von ihm gegebene Offenbarung ge- rung. Das meint einerseits Jesus Chris- schah nicht nur durch Worte; denn auch tus, das lebendige Wort, andererseits die durch seine Gegenwart und seine Taten of- Heilige Schrift, das geschriebene Wort. fenbarte er den Vater. Dennoch waren sei- Die Autorität von Christus und die Auto- ne Worte von entscheidender Bedeutung, rität der Bibel sind eins. Als unser Pro- da er Gott war und im Namen des Vaters phet hat Christus bezeugt, dass die sprach, und weil seine Worte alle Men- Schrift nicht aufgelöst werden kann (Joh schen am letzten Tag richten werden. 10,35). Als unser Priester und König galt Als der geweissagte Messias ist Jesus sein ganzes irdisches Leben der Erfüllung Christus das zentrale Thema der Schrift. des Gesetzes und der Propheten, und er
14 Die Chicago-Erklärung starb sogar im Gehorsam gegenüber den Wert, weil sie ausdrücklich posi- Worten der messianischen Weissagun- tive, entscheidende Wahrheiten gen. So wie er die Schrift als Beglaubi- sichern. gung für sich und seine Autorität sah, be- Der Begriff unfehlbar bezieht sich auf glaubigte er durch seine eigene die Eigenschaft, dass die Bibel weder in die Unterordnung unter die Schrift ihre Irre führt noch irregeleitet ist und schützt Autorität. So wie er sich unter die in sei- so kategorisch die Wahrheit, dass die Hei- ner Bibel (unserem Alten Testament) ge- lige Schrift eine gewisse, sichere und zu- gebenen Weisungen seines Vaters beugte, verlässige Regel und Richtschnur in allen erwartet er dies auch von seinen Jüngern. Dingen ist. Das soll jedoch nicht isoliert vom aposto- In ähnlicher Weise bezeichnet der Be- lischen Zeugnis über ihn selbst gesche- griff irrtumslos die Eigenschaft, dass die hen, sondern im Einklang mit diesem, Bibel frei ist von allen Unwahrheiten oder dessen Inspiration er durch seine Gabe Fehlern, und schützt so die Wahrheit, dass des Heiligen Geistes bewirkte. Somit er- die Heilige Schrift in allen ihren Aussagen weisen sich Christen dadurch als treue vollständig wahr und zuverlässig ist. Diener ihres Herrn, dass sie sich unter die Wir bekräftigen, dass die kanonische göttlichen Anweisungen in den propheti- Schrift immer auf der Grundlage ihrer Un- schen und apostolischen Schriften beu- fehlbarkeit und Irrtumslosigkeit ausgelegt gen, die zusammengenommen unsere Bi- werden sollte. Wenn wir jedoch feststellen bel ausmachen. Indem Christus und die wollen, was der von Gott unterwiesene Schrift sich ihre Autorität gegenseitig be- Schreiber in jedem Abschnitt aussagt, glaubigen, verschmelzen sie zu einer ein- müssen wir dem Anspruch der Schrift und zigen Quelle der Autorität. Der biblisch ihrem Charakter als menschlichem Er- interpretierte Christus und die Bibel, wel- zeugnis die größtmögliche Aufmerksam- che Christus in den Mittelpunkt stellt und keit widmen. Gott gebrauchte in der Inspi- ihn verkündigt, sind von diesem Stand- ration die Kultur und die Gebräuche der punkt aus eins. So wie wir aus der Tatsa- Umwelt des Schreibers, eine Umwelt, che der Inspiration schließen, dass das, über die Gott in seiner souveränen Vorse- was die Schrift sagt, Gott sagt, können hung Herr ist. Etwas anderes anzuneh- wir aufgrund der offenbarten Beziehung men, heißt falsch auszulegen. zwischen Christus und der Bibel ebenso So muss Geschichte als Geschichte be- bekennen, dass das, was die Schrift sagt, handelt werden, Dichtung als Dichtung, Christus sagt. Hyperbel und Metapher6 als Hyperbel und Metapher, Verallgemeinerungen und An- Unfehlbarkeit, Irrtumslosigkeit, Auslegung näherungen7 als das, was sie sind usw. Es ist angemessen, die Heilige Schrift Unterschiede zwischen den literarischen als das inspirierte Wort Gottes, das autori- Konventionen in biblischer und in unserer tativ von Jesus Christus zeugt, als unfehl- Zeit müssen ebenfalls beachtet werden: bar und irrtumslos zu bezeichnen. Diese Wenn zum Beispiel nichtchronologische negativen Begriffe sind von besonderem Erzählungen und ungenaue Zitierweise ___________________________ 6 Metapher. Bildlicher und übertragener Ausdruck. 7 Annäherungen zum Beispiel durch Auf- und Abrunden von Zahlen.
Kommentar 15 damals üblich und akzeptabel Insofern die ganze Schrift nur einem waren und den Erwartungen in einzigen göttlichen Geist entspringt, muss jenen Tagen nicht widersprachen, dürfen sich die Auslegung innerhalb der Grenzen wir diese Dinge nicht als Fehler ansehen, der Analogie der Schrift halten und Hypo- wenn wir sie bei den biblischen Schreibern thesen meiden, die einen biblischen Ab- finden. Wenn in einer bestimmten Sache schnitt durch einen anderen zurechtrük- vollständige Präzision nicht erwartet oder ken wollen, ganz gleich, ob dies im Namen angestrebt wurde, liegt kein Irrtum vor, fortschreitender Offenbarung oder mit wenn sie nicht erreicht worden ist. Die Verweis auf die unvollkommene Erleuch- Schrift ist irrtumslos, aber nicht im Sinne tung der inspirierten Schreiber geschieht. einer absoluten Präzision nach modernem Obwohl die Heilige Schrift nirgends in Standard, sondern in dem Sinne, dass sie dem Sinne kulturgebunden ist, dass ihre ihre eigenen Ansprüche erfüllt und jenes Lehren keine universale Gültigkeit be- Maß an gebündelter Wahrheit erreicht, säßen, ist sie doch manchmal von den das seine Autoren beabsichtigten. Bräuchen und den traditionellen Anschau- Die Zuverlässigkeit der Schrift wird ungen einer bestimmten Zeit geprägt, so nicht dadurch unwirksam gemacht, dass dass die Anwendung ihrer Prinzipien heu- sie Unregelmäßigkeiten der Grammatik te eine andere Handlungsweise erfordert.8 oder der Rechtschreibung, Beschreibungen der Natur vom Standpunkt des Beobach- Skeptizismus und Kritizismus ters aus, Berichte von falschen Aussagen Seit der Renaissance und insbesondere (zum Beispiel der Lügen Satans) oder seit der Aufklärung wurden Weltanschau- scheinbare Widersprüche zwischen zwei ungen entwickelt, die Skeptizismus gegen- Abschnitten enthält. Es ist nicht redlich, die über grundlegenden christlichen Wahr- sogenannten „Phänomene“ der Schrift der heiten beinhalten; so etwa der Agnosti- Lehre der Schrift über sich selbst entgegen- zismus, der die Erkennbarkeit Gottes leug- zuhalten. Augenscheinliche Unstimmigkei- net, der Rationalismus, der die Unbegreif- ten sollten nicht ignoriert werden. Lösun- lichkeit Gottes leugnet, der Idealismus, der gen dafür, wenn sie auf überzeugende Art die Transzendenz Gottes leugnet und der gefunden werden können, werden unseren Existentialismus, der jede Rationalität in Glauben stärken. Wo im Moment keine Gottes Beziehung zu uns leugnet. Wenn überzeugende Lösung zur Hand ist, sollen diese un- und antibiblischen Prinzipien auf wir Gott in besonderer Weise ehren, indem der Ebene der Denkvoraussetzungen in wir seiner Zusicherung vertrauen, dass sein die Theologien von Menschen eindringen, Wort trotz dieser Erscheinungen wahr ist, was sie heute häufig tun, wird eine zuver- und indem wir weiterhin darauf vertrauen, lässige Auslegung der Heiligen Schrift un- dass sich diese Unstimmigkeiten eines Ta- möglich. ges als bloßer Schein erweisen werden. ___________________________ 8 Samuel R. Külling fügt in seiner Übersetzung die folgende Anmerkung hinzu: „Dieser Satz kann in seinen Konsequenzen bedenklich sein, was ist ‘kulturgebunden’ oder ‘kulturell be- stimmt’? Allzu leicht und allzu schnell könnte man dann von ‘zeitbedingten’, ‘kulturell beding- ten’, ‘überholten’ Vorstellungen in der Bibel sprechen.“ (Külling, Das Anliegen des ICBI, die Chicago-Erklärung und wir. Bibel und Gemeinde Nr. 1-1979 S.15).
16 Die Chicago-Erklärung Überlieferung und Übersetzung schließt, stehen wir bewusst mit Da Gott nirgends eine unfehlbare Christus und seinen Aposteln, Überlieferung der Schrift verheißen hat, ja, mit der ganzen Bibel und dem Haupt- müssen wir betonen, dass nur der autogra- strom der Kirchengeschichte von der er- phische Text der Originaldokumente in- sten Zeit bis in die jüngste Vergangenheit spiriert ist, weshalb wir an der Notwendig- in Einklang. Wir sind darüber beunruhigt, keit der Textkritik festhalten als Mittel zum mit welcher Gleichgültigkeit, Unachtsam- Aufdecken von Schreibfehlern, die sich im keit und scheinbaren Gedankenlosigkeit in Laufe der Textüberlieferung in den Text unseren Tagen so viele eine Glaubensüber- eingeschlichen haben könnten. zeugung mit so weitreichender Bedeutung Das Urteil dieser Wissenschaft lautet preisgeben. indes, dass der hebräische und griechische Wir sind uns auch dessen bewusst, Text erstaunlich gut erhalten ist, so dass dass große und schwerwiegende Verwir- wir mit gutem Recht mit dem Westmin- rung die Folge ist, wenn man aufhört, die ster-Bekenntnis die einzigartige Vorse- ganze Wahrheit der Schrift festzuhalten, hung Gottes in dieser Frage bekräftigen deren Autorität man anzuerkennen er- und erklären können, dass die Autorität klärt. Die Folgen dieses Schrittes sind, der Schrift in keiner Weise durch die Tat- dass die Bibel, die Gott gegeben hat, ihre sache, dass die Abschriften nicht völlig oh- Autorität verliert, und was stattdessen als ne Fehler sind, in Frage gestellt wird. In Autorität bleibt, ist eine Bibel, die in ihrem ähnlicher Weise ist keine Übersetzung Inhalt nach den Forderungen des eigenen vollkommen noch kann sie es sein; alle kritischen Denkens reduziert worden ist Übersetzungen sind ein zusätzlicher und prinzipiell immer weiter reduziert Schritt weg von den Autographen. werden kann, wenn man einmal damit an- Die Sprachwissenschaft urteilt jedoch, gefangen hat. Das bedeutet, dass im Grun- dass die Christen unserer Tage mit einer de nun die Vernunft im Gegensatz zur bi- großen Zahl ausgezeichneter Übersetzun- blischen Lehre die Autorität hat. Wenn gen außerordentlich gut versorgt sind und man dies nicht erkennt, aber dabei noch ohne Zögern darauf bauen können, dass immer grundlegende evangeliumsgemäße das wahre Wort Gottes für sie erreichbar ist. Lehren festhält, dann können Leute, die Angesichts der häufigen Wiederholung der die volle Wahrheit der Schrift verwerfen, wesentlichen Themen in der Schrift, mit de- noch immer eine evangelikale Identität in nen sie sich beschäftigt, und auch aufgrund Anspruch nehmen, obwohl sie, metho- des ständigen Zeugnisses, das der Heilige disch gesehen, sich längst von dem evan- Geist dem Wort und durch das Wort gibt, geliumsgemäßen Prinzip der Erkenntnis wird keine ernsthafte Übersetzung der Hei- zu einem unsicheren Subjektivismus weg- ligen Schrift ihre Bedeutung so zerstören, begeben haben und es schwer finden wer- dass sie unfähig wäre, ihre Leser „weise den, sich nicht immer weiter davon zu ent- zum Heil durch den Glauben an Christus Je- fernen. sus zu machen“ (2Tim 3,15). Wir bekennen, dass das, was die Schrift sagt, Gott sagt. Ihm gebührt alle Irrtumslosigkeit und Autorität Ehre. Amen, ja Amen. Mit unserer Bekräftigung der Autorität der Schrift, die ihre völlige Wahrheit ein-
17 Weiterführende Literatur Archer, Gleason L. Schwer zu verstehen. Bibli- Geisler, Norman. Hrsg. Inerrancy. Grand Ra- sche Fragen und Antworten. Bielefeld: CLV pids: Zondervan, 1980. 2005 (engl. Encyclopedia of Bible Difficul- Gitt, Werner. So steht’s geschrieben. Zur Wahr- ties. 1982). haftigkeit der Bibel. Neuhausen-Stuttgart: Baum, A.D. Pseudepigraphie und literarische Hänssler 1992. Fälschung im frühen Christentum. WUNT Hannah, John D. Hrsg. Inerrancy and the II/138. Tübingen: Mohr, 2001. Church. Chicago: Moody, 1984. Biblical Errancy: Its Philosophical Roots. Hrsg. Harris, R. Laird. Inspiration and Canonicity of Norman L. Geisler. Grand Rapids: Zonder- the Scripture. Grand Rapids: Zondervan, van, 1981. 1969. Blomberg, Craig. Die historische Zuverlässigkeit Henry, Carl F.H. God, Revelation and Authority. der Evangelien. Nürnberg: VTR, 1998. Vol. IV.: God who Speaks and Shows. Waco: Buchholz, Armin. Schrift Gottes im Lehrstreit: Word, 1979. Luthers Schriftverständnis und Schriftaus- Holthaus, Stephan. Fundamentalismus in legung in seinen drei großen Lehrstreitigkei- Deutschland: Der Kampf um die Bibel im ten der Jahre 1521-28. Frankfurt: Peter Protestantismus des 19. und 20. Jahrhun- Lang, 1993. derts. Biblia et Symbiotica 1. Bonn: Verlag Boice, James M. Hrsg. Die Unfehlbarkeit der Bi- für Kultur und Wissenschaft, 1993. bel. Asslar: Schulte & Gerth, Riehen (CH): Holthaus, Stephan/Schirrmacher, Thomas. Immanuel, 1987 (amerik.: 1978). Hrsg. Der Kampf um die Bibel: 100 Jahre Bi- Carson, D. A./Woodbridge, John D. Hrsg. Her- belbund (1894-1994). Biblia et symbiotica meneutics, Authority and Canon. Leicester: 6. VKW: Bonn, 1994. Inter-Varsity, 1986. Holthaus, Stephan/Vanheiden, Karl-Heinz. Carson, D. A. /Woodbridge, John D. Hrsg. Hrsg. Die Unfehlbarkeit und Irrtumslosig- Scripture and Truth. Grand Rapids: Zonder- keit der Bibel. Edition Bibelbund. Hammer- van, 1983. brücke/ Nürnberg: jota/ VTR, 2001. Conn, Harvie M. Hrsg. Inerrancy and Herme- Koelling, Wilhelm. Die Lehre von der Theopneu- neutic: A Tradition, A Challenge, A Debate. stie. Breslau: Carl Dülfer, 1891. Grand Rapids: Baker, 1988. Lewis, Gordon/Demarest, Bruce. Hrsg. Chal- Dockery, David S. Christian Scripture: An Evan- lenges to Inerrancy. Chicago: Moody, 1984. gelical Perspective on Inspiration, Authority Lightner, Robert P. A Biblical Case for Total In- and Interpretation. Broadman&Holman: errancy: How Jesus viewed the Old Testa- Nashville (TN), 1995. ment. Grand Rapids: Kregel, 1998 (1978). Fee, Gordon D./ Stuart, Douglas. Effektives Bi- Lindsell, Harold. The Battle for the Bible. 2. belstudium. Asslar: ICI, 1990. Aufl. Zondervan: Grand Rapids (MI), 1978. Gaussen, L. Theopneustie ou inspiration pléničre Maier, Gerhard. Biblische Hermeneutik. 2. Aufl. des saintes écritures. 2. Aufl. Paris / Lon- Wuppertal: R. Brockhaus, 1991. dres: L.-R. Delay / Sam. Bagster, 1842 Maier, Gerhard. Das Ende der historisch-kriti- (1840) (engl. The Inspiration of the Holy schen Methode. 5. Aufl. Wuppertal: R. Scriptures, Grand Rapids: Kregel, 1971). Brockhaus, 1984.
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Der Bibelbund 19 Der Bibelbund ist ein Zusammenschluss bibeltreuer Christen, die sich in einem eingetragenen gemeinnützigen Verein organisieren. Er nimmt Stellung zu kritischen Fragen über die Bibel. Sein Anliegen ist es, den Gläubigen vor Ort in ihren Auseinandersetzungen mit unbiblischen Ent- wicklungen in ihrer Umgebung zu helfen und ihr Vertrauen in die Irr- tumslosigkeit der Heiligen Schrift zu stärken. Deshalb gründet er auch keine eigenen Gemeinden. 1894 wurde der Bibelbund in einem pommerschen Pfarrhaus gegründet, um ein Forum für schriftgebundene christliche Lehre zu bilden. Durch den Bibelbund wollte man sich besser gegen das massive Vordringen der Bibelkritik und die zunehmende Liberalisierung der Theologie zur Wehr setzen. Bekannte Mitglieder des Bibelbundes waren unter anderen: Fritz Rienecker, Wilhelm Möller, Erich Sauer, General von Viebahn, Kurt Koch, Otto Riecker, Hans Bruns, Wilhelm Busch, Heinrich Jochums. Heute wird die Arbeit des Bibelbundes von Christen aus Kirchen und Freikirchen, Gemeinschaften und Brüdergemeinden getragen, die durch das Bekenntnis zur Heiligen Schrift verbunden sind. Die Mitglieder bekennen sich zu dem Glauben, dass allein die Bibel Alten und Neuen Testaments nach ihrem Selbstzeugnis bis in den Wortlaut hinein das durch göttliche Inspiration empfangene, wahre Wort Gottes und verlässliche Zeugnis von seiner Offenbarung in der Geschichte ist. Sie halten an der völligen Zuverlässigkeit und sachlichen Richtigkeit aller biblischen Aussagen - auch in geschichtlicher und naturkundlicher Hin- sicht - sowie ihrer uneingeschränkten Geltung in ihrem heilsgeschicht- lichen Zusammenhang fest. Sie ist in allem, was sie sagt, uneinge- schränkte göttliche Autorität und Norm für Lehre und Leben. In die Öffentlichkeit tritt der Bibelbund durch Vorträge und Tagungen, vor allem aber durch seine Zeitschrift »Bibel und Gemeinde«, die seit fast 100 Jahren erscheint. Dazu kommt der Vierteljahresbrief »Biblisch Glau- ben, Denken, Leben«, der noch in der DDR als Mitarbeiterhilfe entstand und kostenfrei weitergegeben werden kann.
Besuchen Sie uns im Internet: www.bibelbund.de Wir empfehlen Ihnen außerdem unsere beiden Zeitschriften, die auch auf elektroni- schem Weg erhältlich sind: Bibel und Gemeinde Die 80-seitige Schrift erscheint viermal im Jahr und enthält wichtige Artikel zur Bibel- frage, zur Kritik der Bibelkritik, zu Fragen der Schöpfungsforschung, der biblischen Ar- chäologie, außerdem Bibelarbeiten, Stellungnahmen zu aktuellen Themen, Sekten und Irrlehren, Buchbesprechungen. Biblisch Glauben, Denken, Leben Der Informationsbrief des Bibelbundes, der ursprünglich in der ehemaligen DDR ent- stand, wird kostenfrei weitergegeben. In der achtseitigen Loseblattsammlung wird das Anliegen des Bibelbundes wie oben vertreten, jedoch mit fasslicheren Artikeln. Der Info- brief eignet sich von daher gut zur Weitergabe an Glaubensgeschwister und zur Wer- bung für den Bibelbund. Probeexemplare und Bestellungen: Bibelbund e.V. Geschäftsstelle Postfach 470268, 12311 Berlin E-Mail: Kontakt@Bibelbund.de Telefon: (030) 4403 92-53 Telefax: (030) 4403 92-54
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