Die Langlebigkeit "toter Pferde". Nachhaltigkeit der Transformation im Fokus der Open-Access- Tage 2019

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Die Langlebigkeit "toter Pferde". Nachhaltigkeit der Transformation im Fokus der Open-Access- Tage 2019
ABI Technik 2020; 40(2): 196–201

Tagungsbericht

Maxi Kindling

Die Langlebigkeit „toter Pferde“. Nachhaltigkeit
der Transformation im Fokus der Open-Access-
Tage 2019
30.09.–02.10.2019 in Hannover

http://doi.org/10.1515/abitech-2020-2010
                                                                2 Transformation
                                                                Die Open-Access-Transformation bildete einen Schwer-
1 Einleitung                                                   punkt der diesjährigen Tagung. Der euphorische Blick
                                                                der vergangenen Jahre auf die Transformation wird inzwi-
Nachhaltigkeit ist ein aktuelles Thema von höchster             schen von einer zunehmend differenzierten, teils auch kri-
Relevanz für alle Lebensbereiche. Die zunehmend digi-           tischen Perspektive abgelöst. Die Kritik zielt insbesondere
talisierte Wissenschaftswelt steht in diesem Kontext vor        auf Fragen der Nachhaltigkeit der aktuellen Transforma-
vielen Fragen, darunter auch wie eine nachhaltige Trans-        tionsaktivitäten. Sie berührt aber auch grundlegendere
formation hin zu einer offenen und partizipativen Wissen-       Fragen – etwa ob die Community generell auf „dem rich-
schaft gelingen kann. Das Motto der diesjährigen Open-          tigen Weg“ ist. Auf den Punkt gebracht wurde dies in der
Access-Tage hatte „Nachhaltigkeit“ als Thema konkret            Keynote „Eine Erfolgsgeschichte? Open Access zwischen
adressiert. Mit 435 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war         kollektivem Handeln, (un-)sichtbaren Infrastrukturen und
das 13. jährliche Treffen der deutschsprachigen Open-Ac-        neoliberalen Verwandlungen“ von Elena Šimukovič (Uni-
cess-Community eine vergleichsweise große Veranstal-            versität Wien), die mit einem „Blick zurück in die Zukunft“
tung, waren es doch beispielsweise 2017 in Dresden noch         die Open-Access-Ideale der Budapest Open Access Ini-
gut 100 Teilnehmende weniger. Die im „D-A-CH“-Raum              tiative von 20021 mit dem Status quo der Transformation
wichtigste und größte Open-Access-Konferenz fand im             verglich.2 Die Budapest Initiative formulierte das Ziel,
ehemaligen Welfenschloss statt, dem Hauptgebäude der            Wissen zum Nutzen der breiten Öffentlichkeit verfügbar
Leibniz Universität Hannover. Der imposante Lichthof des        zu machen. Elena Šimukovič äußerte Bedenken, dass die
Gebäudes bildete den Tagungsmittelpunkt, der sowohl für         Open-Access-Transformation insbesondere zu Lasten For-
Vorträge als auch für die Poster-Ausstellung und die Mes-       schender im globalen Süden gestaltet wird, die nicht über
sestände genutzt wurde und gleichzeitig in den Pausen           finanzielle Ressourcen zur Finanzierung hoher Publika-
zum Austausch diente. Sessions, Workshops und der               tionsgebühren verfügen und deshalb nicht in der gleichen
Tool-Marktplatz fanden in den angrenzenden Räumlich-            Weise partizipieren, d. h. publizieren und damit gelesen
keiten im gleichen Gebäude statt. Gastgeber der Tagung          werden können wie Forschende des globalen Nordens.
waren die Leibniz Universität, die TIB – Leibniz-Informa-       Derzeit verschärfen sich globale Ungleichheiten eher. Die
tionszentrum Technik und Naturwissenschaften und die            Befürchtung, dass aus der Subskriptions- bzw. Zugangs-
Gottfried Wilhelm Leibniz Bi­blio­thek. Führungen durch         schranke im wissenschaftlichen Publikationssystem eine
das Hauptgebäude der TIB-Zentralbi­blio­­thek, die Herren-
häuser Gärten sowie zwei abendliche Social Events runde-        1 https://budapestopenaccessinitiative.org/ (20.11.2019).
ten das Konferenzprogramm ab.                                   2 Folien: Šimukovič, Elena. Eine Erfolgsgeschichte? Open Access zwi-
                                                                schen kollektivem Handeln, (un-)sichtbaren Infrastrukturen und neo-
                                                                liberalen Verwandlungen. Zenodo, 2019 (Oktober). doi.org/10.5281/
                                                                zenodo.3482831. Aufzeichnung: Šimukovič, Elena: Eine Erfolgsge-
                                                                schichte? Open Access zwischen kollektivem Handeln, (un-)sichtbaren
                                                                Infrastrukturen und neoliberalen Verwandlungen. Open Access Tage
                                                                2019. doi.org/10.5446/44025.

  Open Access. © 2020 Kindling, publiziert von De Gruyter.   Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0
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Maxi Kindling, Die Langlebigkeit „toter Pferde“ Tagungsbericht        197

Publikationsschranke nach dem Motto „Open Access muss             to Open“ (kurz: S2O) auf.4 Das Ziel des Projekts ist es, Zeit-
man sich leisten können“ wird, zog sich wie ein roter             schriften durch die subskribierenden Einrichtungen ohne
Faden durch viele Diskussionen der Open-Access-Tage.              Steigerung der Subskriptionskosten freizukaufen. Ein Bei-
Eine wichtige Orientierung bieten hier die Nachhaltigkeits-       spiel ist der Verlag Annual Reviews.
ziele der Vereinten Nationen,3 auf die wiederholt Bezug                Es zeigte sich insgesamt, dass alternative Finanzie-
genommen wurde. Elena Šimukovič führte den Gedanken               rungsansätze zur bei kommerziellen Verlagen etablierten
noch weiter: Von einem „pay to publish“ ist es nicht mehr         Finanzierung über Publikationsgebühren (APCs/BPCs)
weit bis zu einem „pay to say“. Neben den zu erwartenden          wie gerade S2O, aber auch die „Open Library for Huma-
Herausforderungen für den globalen Süden thematisierte            nities“ (OLH) und „SCOAP3“ immer bedeutsamer werden.
sie mit Bezug auf Transformationsverträge auch die ent-           Sie waren Gegenstand von Session-Beiträgen ebenso wie
stehende Ungleichheit zwischen Einrichtungen mit Blick            Kriterien für die Beteiligung an verschiedenen alternativen
auf ihre finanziellen Mittel sowie die unterschiedliche           Modellen, nötige und mögliche Gestaltungsspielräume für
Publikationsstärke, die zu Konkurrenzkämpfen innerhalb            Bi­blio­theken bei konsortialen Modellen, Kostenbeteili-
von Einrichtungen, aber auch von Einrichtungen unterei-           gung durch Forschungsförderer oder die Transparenz von
nander führen werden. Auch der Diskurs habe sich vom              Geschäftsmodellen und wurden intensiv diskutiert.
Begriff „Offenheit“ zu „Wettbewerb“ und „Markt“ hin ver-
schoben.
     Die Transformationsverträge insbesondere mit großen
Verlagen wie auf nationaler Ebene im Rahmen von DEAL
                                                                  3 Reflexion
wurden differenziert betrachtet. Wichtige Fragen, die in
                                                                  Die Open-Access-Aktivitäten der vergangenen Jahre
diesem Zusammenhang aufgebracht wurden, waren etwa,
                                                                  wurden an verschiedenen Punkten der Tagung reflek-
wie die Transformation auf Basis der vorhandenen bzw.
                                                                  tiert. Einige Aspekte sollen hier exemplarisch herausge-
geplanten Verträge langfristig finanziert werden kann
                                                                  griffen werden: Elena Šimukovič brachte in ihrer Keynote
und welche alternativen Modelle gebraucht werden, um
                                                                  die wichtigen Fragen auf, wer sich hinter der „Open-Ac-
der (weiteren) Stärkung der Verlagsoligopole entgegenzu-
                                                                  cess-Bewegung“ verbirgt und ob es sich dabei wirklich um
wirken. Elena Šimukovič wies darauf hin, dass die starke
                                                                  „eine“ Community handelt, die sich auf gemeinsame Ziele
Fokussierung auf die Transformation von Subskriptions-
                                                                  verständigt hat, und welchem Selbstverständnis sie folgt.
zeitschriften eine weitere Zielstellung der Budapest Initia-
                                                                  Viel mehr noch als bisher sollte „Open Access als Schar-
tive etwas in den Hintergrund treten lässt: die Stärkung
                                                                  nier für die Wissenschaftskommunikation in die Gesell-
bereits bestehender Open-Access-Zeitschriften. Zudem
                                                                  schaft“ genutzt werden. Eine daraus abzuleitende Frage
vertrat (nicht nur) sie die Befürchtung, dass die zuneh-
                                                                  ist die nach dem „Commitment“, das eine Community
mende Konzentration auf APC-finanzierte Gold Open-Ac-
                                                                  bzw. die einzelnen ihr zugehörigen Akteure für die Errei-
cess-Publikationen andere Wege von Open Access in den
                                                                  chung gemeinsamer Ziele im Sinn „kollektiven Handelns“
Hintergrund treten lässt. In Erinnerung wird den meisten
                                                                  bringen müssen. Zu diesem gehört beispielsweise auch
Teilnehmerinnen und Teilnehmern sicher die von ihr vor-
                                                                  das Bekenntnis zu freiwilliger, aber damit einhergehend
genommene Übertragung der „Dead Horse Theory“ auf
                                                                  auch verbindlicher Beteiligung an und Erprobung von
die „Big Deals mit Open-Access-Komponenten“ bleiben:
                                                                  (kooperativen) alternativen Finanzierungsansätzen und
Von einem toten Pferd wird nicht abgestiegen, sondern
                                                                  Crowdfunding. In diesem Zusammenhang wurde auch
es werden diverse „kreative Strategien“ gefunden, um die
                                                                  in einer der Sessions deutlich, dass Erwerbungsbereiche
Symptome zu behandeln, darunter „Die Reiterinnen und
                                                                  in den Bi­blio­theken viel stärker noch in den Diskurs der
Reiter austauschen“ oder „Das tote Pferd umbenennen“.
                                                                  Open-Access-Transformation einbezogen werden müssen.
     Neben kritischer Betrachtung wies das Programm
                                                                  In der Session selbst, aber besonders im Nachgang in Dis-
aber auch zahlreiche Positivbeispiele und Diskussionen
                                                                  kussionen mit Kolleginnen und Kollegen wurde deutlich,
über Alternativen auf. John Willinsky (Stanford University,
                                                                  dass Erwerbung in Bi­blio­theken einen klaren Auftrag für
Gründer des Public Knowledge Project) zeigte bereits am
                                                                  Open Access erhalten muss. Das macht eine grundsätzli-
ersten Konferenztag in seiner Eröffnungs-Keynote „Daring
                                                                  che Debatte darüber nötig, welche Verantwortung einzelne
to dream of Universal Open Access“ einen solchen Ansatz
                                                                  öffentliche Einrichtungen für die globale Informationsver-
der Transformation in Form des Pilotprojekts „Subscribe

3 Vgl. https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-de   4 Aufzeichnung: Willinsky, John. Daring to dream of Universal Open
velopment-goals/ (20.11.2019).                                    Access. Open Access Tage 2019. doi.org/10.5446/43983.
198         Tagungsbericht Maxi Kindling, Die Langlebigkeit „toter Pferde“

sorgung und die Erreichung der bereits erwähnten Ziele                    Dirk Ecker8 und adressierte damit einen weiteren wesentli-
der UN-Agenda für nachhaltige Entwicklung haben: Soll                     chen Diskussions- und Handlungsaspekt: das (schwierige)
Offenheit wirklich realisiert werden, dann sind Partizipa-                Open-Access-Monitoring als eine Entscheidungsgrundlage
tion, Diversität, Nachhaltigkeit und Verantwortung maß-                   für Publikations- und Finanzierungsstrategien und ent-
geblich. Das bedeutet beispielsweise, dass Open Access                    sprechende Handlungen.
so durch Leitungen und Politik unterstützt werden muss,
dass auch Forschende in Ländern des globalen Südens
teilhaben und nicht nur lesend, sondern vor allem auch
publizierend beitragen können. Diese Ziele sollten sich
                                                                          4 D
                                                                             aten für die
auch auf strategischer Ebene und in der Erwerbung nie-                      Open-Access-Forschung
derschlagen, und es müssen ganz konkret auch formale
Hürden wie haushaltsrechtliche Einschränkungen über-                      Einen wertvollen Anstoß für die Diskussion über nach-
wunden werden.                                                            haltige offene Instrumente für das Monitoring lieferte
     In puncto Verantwortung können Bi­blio­theken auch                   Mikael Laakso (Hanken School of Economics) in seiner
selbst aktiv werden und sich mit Nachweis ihrer konkreten                 Keynote „Infrastructure for data on open access: open-
Aktivitäten und Bemühungen für mehr Offenheit um den                      ness, sustainability, reproducibility“ am Abschlusstag der
Open Library Badge (OLB)5 bewerben. Mit der Bewerbung                     Open-Access-Tage 2019.9 Er präsentierte die Ergebnisse
und bei Erfolg mit der Erlangung des OLB bekennen wis-                    von internationalen Open-Access-Untersuchungen der
senschaftliche wie öffentliche Bi­blio­theken sich klar zum               vergangenen Jahre unter der Fragestellung, welche Aussa-
Konzept der Offenheit und können entsprechende Prak-                      gen die jeweiligen Datengrundlagen überhaupt zulassen.
tiken, Arbeitsergebnisse und Service-Angebote visuell                     Eine Erkenntnis ist, dass für Langzeitstudien, die eine
verstärkt sichtbar machen und den OLB damit auch als                      Entwicklung aufzeigen sollen, oft die Daten fehlen. Beste-
Marketinginstrument einsetzen. Den OLB gibt es seit 2016,                 hende Datenbanken enthalten meist nur ein Abbild des
und er wurde bislang an neun Bi­blio­theken verliehen. Der                Status quo. Für ein adäquates Monitoring etwa mit dem
überarbeitete OLB 2020 enthält 15 Kategorien der Offen-                   Ziel, die Wirkung von Fördermaßnahmen zu evaluieren,
heit, die in Hannover in Form eines Posters präsentiert                   ist die Datenlage daher oft problematisch. An dieser Stelle
wurden.6 Das Poster hat den dritten Preis des Best-Pos-                   sind Datenlieferungen einzelner Einrichtungen essentiell,
ter-Awards gewonnen. Den ersten Platz erreichten Paul                     bislang aber meist lückenhaft. Als derzeit umfangreichste
Vierkant (Helmholtz Open Science Koordinationsbüro)                       Datengrundlage benannte er in seiner umfassenden
und Kolleginnen und Kollegen mit dem Poster „Trust me,                    Analyse den Dienst Unpaywall mit mehr als 24 Millionen
I’m a repository manager!“ zum DINI-Zertifikat 2019.7 Es                  Open-Access-Dokumenten.10
handelt sich dabei bereits um die fünfte Version des Zerti-                    Mikael Laakso appellierte daran, dass Daten nach-
fikats für Open-Access-Publikationsdienste, das durch die                 nutzbar sein müssen, so dass Alternativen zu proprie-
Arbeitsgruppe Elektronisches Publizieren der Deutschen                    tären Datenbanken mit restriktiven Lizenzen gefunden
Initiative für Netzwerkinformation e. V. (DINI) initiiert und             werden können. Die Inhalte solcher Datenbanken können
gepflegt wird – ein Erfolg auch im Sinn der Nachhaltig-                   ohnehin kaum die Heterogenität der Open-Access-Pub-
keit und ein wichtiges Zeichen: Auch der Grüne Weg des                    likationslandschaft abbilden, weil sie etwa disziplinäre
Open Access sollte bei der Transformation nicht außer                     Verzerrungen aufweisen oder ganze Publikationstypen
Acht gelassen werden. Den zweiten Poster-Preis erlangte                   nicht erfassen. Derzeit verfügbare Datenquellen werden
das Poster „Sammeln, Aufbereiten, Analysieren – Der Weg                   den unterschiedlichen Erscheinungsformen von Open
zum Open Access Monitor“ vom Jülicher Projektteam um                      Access nicht gerecht. Beispielhaft nannte er fehlende sys-
                                                                          tematische Untersuchungen über die Wirkung von Green

                                                                          8 Ecker, Dirk, Bernhard Mittermaier, Irene Barbers u. a. Sammeln,
5 Mehr      Informationen     unter:   https://badge.openbiblio.eu/       Aufbereiten, Analysieren – Der Weg zum Open Access Monitor. Zeno-
(20.11.2019).                                                             do, 2019. doi.org/10.5281/zenodo.3464272.
6 Blumtritt, Ute, Gabriele Fahrenkrog, Tina Grahl u. a. Open Library      9 Folien: Laakso, Mikael. Infrastructure for data on open access:
Badge 2020 – Neue Kriterien für mehr Offenheit in Bi­blio­theken. Zeno-   openness, sustainability, reproducibility. Zenodo, 2019 (Oktober). doi.
do, 2019. doi.org/10.5281/zenodo.3461685.                                 org/10.5281/zenodo.3490327. Aufzeichnung: Laakso, Mikael. Infras-
7 Vierkant, Paul, Daniel Beucke, Isabella Meinecke u. a. Trust            tructure for data on open access: openness, sustainability, reproduci-
me, I’m a repository manager! Zenodo, 2019. doi.org/10.5281/              bility. Open Access Tage 2019. doi.org/10.5446/44026.
zenodo.3449041.                                                           10 https://unpaywall.org/ (20.11.2019).
Maxi Kindling, Die Langlebigkeit „toter Pferde“ Tagungsbericht         199

Open Access und das Phänomen des „Reverse Flipping“                        Im durch das Bundesministerium für Bildung und
von Open-Access-Zeitschriften, die zu Subskriptionszeit-              Forschung (BMBF) geförderten Projekt „Options4OA –
schriften umgewandelt wurden. Er sieht die Verantwor-                 Strategische und operative Handlungsoptionen für wis-
tung dafür auch bei den Bi­blio­theken, die offene und                senschaftliche Einrichtungen und Fachgesellschaften zur
langfristig finanzierte Datenquellen und -infrastrukturen             Gestaltung der Open-Access-Transformation“14 wurden
aufbauen sollen – etwa dem Beispiel der Open-APC-Initia-              Einrichtungen und Fachgesellschaften zum Status quo
tive11 folgend. Einmal mehr wurde damit die Verantwor-                ihrer Aktivitäten befragt. Die Ergebnisse der Befragung von
tung von dritten Akteuren im „Markt“ hervorgehoben, die               über 400 Hochschulen, außeruniversitären Forschungs-
in den sich an die Vorträge anschließenden Diskussionen               einrichtungen und Einrichtungen der Ressortforschung
unter anderem Ulrich Herb (SULB Saarbrücken) ansprach:                sind auf den Folien von Heinz Pampel (Helmholtz Open
Bi­blio­theken versuchen als dritte Akteure in den zweisei-           Science Koordinationsbüro) nachzulesen.15 Zu den posi-
tigen Handel mit Reputation zwischen Verlagen sowie Au-               tiven Beobachtungen zählte unter anderem, dass im Ver-
torinnen und Autoren zurückzufinden. Bestehende Repu-                 gleich zu einer Erhebung der Allianz der Wissenschafts-
tationsmechanismen zu durchbrechen und insbesondere                   organisationen von 2010 die Zahl der Policies deutlich
eine Reputationssteigerung für Open Access zu erreichen               gestiegen ist und viele Open-Access-Infrastrukturen aufge-
ist eine beständige Herausforderung neben technischen                 baut wurden. Weiterhin ist eine dynamische Entwicklung
und ökonomischen Fragen, die in diesem Jahr sehr häufig               der Open-Access-Finanzierung zu beobachten. Im Projekt
unter dem Begriff „kultureller Wandel der Wissenschaft“               wurde auch eine umfassende systematische Analyse des
diskutiert wurde.                                                     Publikationsverhaltens von 300 Fachgesellschaften vorge-
     Beispielhaft soll an dieser Stelle neben dem Open-Ac-            nommen. Es wurde unter anderem untersucht, ob Fachge-
cess-Monitor noch auf wichtige Untersuchungen mit                     sellschaften Zeitschriften herausgeben und wie hoch der
umfassenden (Status-quo-)Daten für die Open-Ac-                       Open-Access-Anteil unter diesen Zeitschriften ist: „Von
cess-Entwicklung hingewiesen werden, die in Hannover                  den 118 untersuchten Zeitschriften sind nur 6,59 % (n = 12)
präsentiert wurden:                                                   reine Open-Access-Zeitschriften, 56,04 % (n = 102) bieten
     Nina Schönfelder (Universität Bielefeld) präsentierte            eine Hybrid-Option an.“ Die Analyse ist auf einem Poster
ihre umfassende Studie zur langfristigen Finanzierbarkeit             von Dorothea Strecker (Humboldt-Universität zu Berlin)
der Transformation von Open-Access-Zeitschriften mit den              und Heinz Pampel nachzulesen.16
vorhandenen Erwerbungsmitteln.12 Sie hat dafür prog-
nostische Berechnungen für fünf deutsche Universitäten
und eine Forschungseinrichtung anhand dreier Szenarien
vorgenommen. Dabei wird notwendigerweise davon aus-
                                                                      5 Open-Access-Förderung
gegangen, dass sich das Publikationssystem nicht ändert.
                                                                      Für großes Interesse sorgte die Auswertung des Pro-
Die Publikationsdaten der Einrichtungen basieren auf
                                                                      gramms Open-Access-Publikationsfonds der Deutschen
dem Web of Science. Die Untersuchung zeigt, dass die Er-
                                                                      Forschungsgemeinschaft (DFG), präsentiert von Angela
werbungsetats für die Finanzierung der prognostizierten
                                                                      Holzer (DFG).17 Im Verlauf des Programms wurden ins-
Artikel ausreichen, sofern Artikel aus Drittmittelprojekten
                                                                      gesamt 45 Hochschulen bei der Einrichtung von Publika-
durch die Drittmittelförderer finanziert werden. Disku-
                                                                      tionsfonds unterstützt. Das Programm wird als äußerst
tiert wurde insbesondere die kritische Rolle von Hybrid
                                                                      wichtig wahrgenommen und der Wunsch nach einer
Open Access: Mit diesem Preisschema wird die Open-Ac-
                                                                      Weiterführung wurde von vielen Einrichtungen geäußert.
cess-Transformation nur zu ungleich höheren Kosten
                                                                      Die DFG zog ähnlich positive Bilanz: Das Programm hat
möglich sein. Der ausführliche Bericht des Nationalen
Open-Access-Kontaktpunkts zur Präsentation erschien
                                                                      14 https://os.helmholtz.de/projekte/options4oa/ (22.11.2019).
kurz nach den Open-Access-Tagen.13
                                                                      15 Pampel, Heinz. Open Access an wissenschaftlichen Einrichtun-
                                                                      gen in Deutschland – Ergebnisse einer Erhebung im Jahr 2018. Zeno-
                                                                      do, 2019 (Oktober). doi.org/10.5281/zenodo.3468522.
11 https://www.intact-project.org/openapc/ (20.11.2019).              16 Strecker, Dorothea, Heinz Pampel. Fachgesellschaften und Open
12 Schönfelder, Nina. Open-Access-Transformationsrechnung für         Access in Deutschland – eine Analyse zur Herausgabe von Zeitschrif-
wissenschaftliche Einrichtungen in Deutschland. Zenodo, 2019 (Okto-   ten. Zenodo, 2019. doi.org/10.5281/zenodo.3406288. Der Datensatz ist
ber). doi.org/10.5281/zenodo.3490920.                                 auch für die Nachnutzung verfügbar.
13 Schönfelder, Nina. Transformationsrechnung: Mittelbedarf für       17 Holzer, Angela. Auswertung der Förderprogramme Überregionale
Open Access an ausgewählten deutschen Universitäten und For-          Lizenzierung und Open Access Publizieren. Zenodo, 2019 (Oktober).
schungseinrichtungen. 2019. doi.org/10.4119/unibi/2937971.            doi.org/10.5281/zenodo.3515331.
200         Tagungsbericht Maxi Kindling, Die Langlebigkeit „toter Pferde“

zur Strukturbildung und Standardisierung bei den Ein-                6 Gelebte Nachhaltigkeit
richtungen beigetragen. Etwa die Hälfte der jeweils ver-
öffentlichten Artikel aus den Einrichtungen konnten aus              Das Ortskomitee hat dem Tagungsmotto Nachhaltigkeit
dem Programm finanziert werden. Insgesamt konnten                    und generell dem Openness-Gedanken auch in der Orga-
mit dem Programm 11 800 Open-Access-Artikel gefördert                nisation durch konkrete Maßnahmen Rechnung getra-
werden, wobei der größte Teil davon aus den Lebenswis-               gen, die von den Teilnehmenden ausdrücklich gelobt
senschaften stammt. Anzumerken ist hier, dass sich aber              wurden. Das Catering war ausschließlich vegetarisch,
auch gezeigt hat, dass es keine große Divergenz zwischen             auf ein umfassendes gedrucktes Programm wurde ver-
den geförderten und nicht-geförderten Einrichtungen hin-             zichtet und die Tagungsunterlagen konnten dem eigenem
sichtlich der Zahl der Gold-Open-Access-Artikel gibt. Für            Bedarf folgend mit diversen Werbematerialien ergänzt
größere Diskussion sorgte die sich aus einer Erhebung                werden. Das Ortskomitee hat weiterhin ein nachnutzbares
unter geförderten und nicht geförderten Einrichtungen                Tagungslogo sowie Werbebanner usw. für die Folgejahre
ergebende Zustimmung (jeweils über 40 %) für eine För-               erstellt. Eine Kinderbetreuung wurde in diesem Jahr eben-
derhöchstgrenze von 2 000 Euro pro Artikel. Diese wird               falls angeboten und genutzt. Es ist sehr wünschenswert,
von den meisten als wichtige Maßnahme wahrgenommen,                  dass dies auch in den kommenden Jahren fortgesetzt und
die Artikelpreise zu regulieren. Angela Holzer äußerte               weiterentwickelt sowie durch andere Veranstaltungen
sich auch entsprechend: Die DFG sollte die „Prestigeöko-             adaptiert wird.
nomie“ der Verlage nicht finanzieren. Zuspruch unter den                  In diesem Jahr wurde laut Programmkomitee auch
befragten Einrichtungen erhielt unter anderem auch ein               ein besonderes Augenmerk auf die Session-Moderation
möglicher zukünftiger Förderschwerpunkt bei Open-Ac-                 gelegt. Auch wenn aufgrund der Vielzahl paralleler Veran-
cess-Infrastrukturen.                                                staltungen die Teilnahme nur an einem Bruchteil des Pro-
     Auch das Bundesministerium für Bildung und For-                 gramms möglich war, kann dieses Vorhaben als gelungen
schung (BMBF) präsentierte seine (Förder-)Maßnahmen                  bewertet werden. Diese Etablierung von (nachnutzbaren)
in Hannover. Das BMBF fördert seit 2018 über die Laufzeit            Standards ist auch für die Community insgesamt äußert
von drei Jahren zwanzig verschiedene Projekte zur „Um-               wertvoll und nachahmenswert.
setzung innovativer Ideen zur Schaffung, Verbreitung und                  Aufgrund des umfassenden Angebots der Open-Ac-
Handhabe von Open Access-Publikationen“.18 Diese sind                cess-Tage und der Tatsache, dass in einem solchen Bericht
aus einem Ideenwettbewerb des BMBF mit 63 Vorschlä-                  nur auf einen sehr kleinen Teil des Programms Bezug ge-
gen hervorgegangen. Im Rahmen einer Session nutzten                  nommen werden kann, sei direkt ein Blick in eben dieses
15 Projekte das Angebot, ihr Konzept innerhalb weniger               empfohlen: Die Abstracts zu den Beiträgen und gegebe-
Minuten zu präsentieren. Dies bot die Möglichkeit, sich              nenfalls Informationen zu den Autorinnen und Autoren
sowohl einen kompakten Projektüberblick zu verschaffen,              via ORCIDs sind allesamt einsehbar.20 Für die Nachbe-
als auch den Präsentierenden direkt Fragen zu stellen. Die           reitung sind außerdem die Präsentationen für die jähr-
Frage der Nachhaltigkeit drängt sich bei nicht wenigen               lich stattfindenden Open-Access-Tage seit 2016 auf dem
Projekten auf und blieb häufig offen. Die zuständige Refe-           Repository Zenodo abgelegt.21 Einzelne Aufzeichnungen
rentin des BMBF, Cäcilie Weber, kündigte im Rahmen der               von Vorträgen werden nach und nach über das TIB AV-Por-
„Minute-Madness“ auch einen neuen Ideenwettbewerb                    tal verfügbar gemacht.22 Die nächsten Open-Access-Tage
zum Jahreswechsel 2019/2020 an. Das BMBF präsentierte                finden vom 15. bis 17. September 2020 digital statt.
darüber hinaus eine neue Informationsoffensive zu Open
Access im Stil von ironischen Warnhinweisen und mit
den dazugehörigen Give Aways. Die Informationsbroschü-
ren sind online verfügbar, gedruckte Versionen können
ebenso wie die Werbematerialien bestellt werden.19

18 Die Projekte im Überblick: https://www.bildung-forschung.         20 https://open-access.net/community/open-access-tage/open-
digital/de/im-ueberblick-16-innovative-open-access-projekte-         access-tage-2019/programm/ (20.11.2019).
starten-2198.html (20.11.2019).                                      21 Die Präsentationen und Poster der diesjährigen Tagung sind ab-
19 Vgl. https://www.bildung-forschung.digital/de/open-access-2471.   rufbar unter: https://zenodo.org/communities/oat2019 (20.11.2019).
html (20.11.2019).                                                   22 https://av.tib.eu/series/719/open+access+tage+2019 (20.11.2019).
Maxi Kindling, Die Langlebigkeit „toter Pferde“ Tagungsbericht   201

Autoreninformationen
           Maxi Kindling
           Open-Access-Büro Berlin
           c/o Freie Universität Berlin
           Universitätsbi­blio­­thek
           Ehrenbergstraße 26–28
           14195 Berlin
           maxi.kindling@open-access-berlin.de
           orcid.org/0000-0002-0167-0466
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