Die Langlebigkeit "toter Pferde". Nachhaltigkeit der Transformation im Fokus der Open-Access- Tage 2019
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ABI Technik 2020; 40(2): 196–201 Tagungsbericht Maxi Kindling Die Langlebigkeit „toter Pferde“. Nachhaltigkeit der Transformation im Fokus der Open-Access- Tage 2019 30.09.–02.10.2019 in Hannover http://doi.org/10.1515/abitech-2020-2010 2 Transformation Die Open-Access-Transformation bildete einen Schwer- 1 Einleitung punkt der diesjährigen Tagung. Der euphorische Blick der vergangenen Jahre auf die Transformation wird inzwi- Nachhaltigkeit ist ein aktuelles Thema von höchster schen von einer zunehmend differenzierten, teils auch kri- Relevanz für alle Lebensbereiche. Die zunehmend digi- tischen Perspektive abgelöst. Die Kritik zielt insbesondere talisierte Wissenschaftswelt steht in diesem Kontext vor auf Fragen der Nachhaltigkeit der aktuellen Transforma- vielen Fragen, darunter auch wie eine nachhaltige Trans- tionsaktivitäten. Sie berührt aber auch grundlegendere formation hin zu einer offenen und partizipativen Wissen- Fragen – etwa ob die Community generell auf „dem rich- schaft gelingen kann. Das Motto der diesjährigen Open- tigen Weg“ ist. Auf den Punkt gebracht wurde dies in der Access-Tage hatte „Nachhaltigkeit“ als Thema konkret Keynote „Eine Erfolgsgeschichte? Open Access zwischen adressiert. Mit 435 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war kollektivem Handeln, (un-)sichtbaren Infrastrukturen und das 13. jährliche Treffen der deutschsprachigen Open-Ac- neoliberalen Verwandlungen“ von Elena Šimukovič (Uni- cess-Community eine vergleichsweise große Veranstal- versität Wien), die mit einem „Blick zurück in die Zukunft“ tung, waren es doch beispielsweise 2017 in Dresden noch die Open-Access-Ideale der Budapest Open Access Ini- gut 100 Teilnehmende weniger. Die im „D-A-CH“-Raum tiative von 20021 mit dem Status quo der Transformation wichtigste und größte Open-Access-Konferenz fand im verglich.2 Die Budapest Initiative formulierte das Ziel, ehemaligen Welfenschloss statt, dem Hauptgebäude der Wissen zum Nutzen der breiten Öffentlichkeit verfügbar Leibniz Universität Hannover. Der imposante Lichthof des zu machen. Elena Šimukovič äußerte Bedenken, dass die Gebäudes bildete den Tagungsmittelpunkt, der sowohl für Open-Access-Transformation insbesondere zu Lasten For- Vorträge als auch für die Poster-Ausstellung und die Mes- schender im globalen Süden gestaltet wird, die nicht über sestände genutzt wurde und gleichzeitig in den Pausen finanzielle Ressourcen zur Finanzierung hoher Publika- zum Austausch diente. Sessions, Workshops und der tionsgebühren verfügen und deshalb nicht in der gleichen Tool-Marktplatz fanden in den angrenzenden Räumlich- Weise partizipieren, d. h. publizieren und damit gelesen keiten im gleichen Gebäude statt. Gastgeber der Tagung werden können wie Forschende des globalen Nordens. waren die Leibniz Universität, die TIB – Leibniz-Informa- Derzeit verschärfen sich globale Ungleichheiten eher. Die tionszentrum Technik und Naturwissenschaften und die Befürchtung, dass aus der Subskriptions- bzw. Zugangs- Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek. Führungen durch schranke im wissenschaftlichen Publikationssystem eine das Hauptgebäude der TIB-Zentralbibliothek, die Herren- häuser Gärten sowie zwei abendliche Social Events runde- 1 https://budapestopenaccessinitiative.org/ (20.11.2019). ten das Konferenzprogramm ab. 2 Folien: Šimukovič, Elena. Eine Erfolgsgeschichte? Open Access zwi- schen kollektivem Handeln, (un-)sichtbaren Infrastrukturen und neo- liberalen Verwandlungen. Zenodo, 2019 (Oktober). doi.org/10.5281/ zenodo.3482831. Aufzeichnung: Šimukovič, Elena: Eine Erfolgsge- schichte? Open Access zwischen kollektivem Handeln, (un-)sichtbaren Infrastrukturen und neoliberalen Verwandlungen. Open Access Tage 2019. doi.org/10.5446/44025. Open Access. © 2020 Kindling, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
Maxi Kindling, Die Langlebigkeit „toter Pferde“ Tagungsbericht 197 Publikationsschranke nach dem Motto „Open Access muss to Open“ (kurz: S2O) auf.4 Das Ziel des Projekts ist es, Zeit- man sich leisten können“ wird, zog sich wie ein roter schriften durch die subskribierenden Einrichtungen ohne Faden durch viele Diskussionen der Open-Access-Tage. Steigerung der Subskriptionskosten freizukaufen. Ein Bei- Eine wichtige Orientierung bieten hier die Nachhaltigkeits- spiel ist der Verlag Annual Reviews. ziele der Vereinten Nationen,3 auf die wiederholt Bezug Es zeigte sich insgesamt, dass alternative Finanzie- genommen wurde. Elena Šimukovič führte den Gedanken rungsansätze zur bei kommerziellen Verlagen etablierten noch weiter: Von einem „pay to publish“ ist es nicht mehr Finanzierung über Publikationsgebühren (APCs/BPCs) weit bis zu einem „pay to say“. Neben den zu erwartenden wie gerade S2O, aber auch die „Open Library for Huma- Herausforderungen für den globalen Süden thematisierte nities“ (OLH) und „SCOAP3“ immer bedeutsamer werden. sie mit Bezug auf Transformationsverträge auch die ent- Sie waren Gegenstand von Session-Beiträgen ebenso wie stehende Ungleichheit zwischen Einrichtungen mit Blick Kriterien für die Beteiligung an verschiedenen alternativen auf ihre finanziellen Mittel sowie die unterschiedliche Modellen, nötige und mögliche Gestaltungsspielräume für Publikationsstärke, die zu Konkurrenzkämpfen innerhalb Bibliotheken bei konsortialen Modellen, Kostenbeteili- von Einrichtungen, aber auch von Einrichtungen unterei- gung durch Forschungsförderer oder die Transparenz von nander führen werden. Auch der Diskurs habe sich vom Geschäftsmodellen und wurden intensiv diskutiert. Begriff „Offenheit“ zu „Wettbewerb“ und „Markt“ hin ver- schoben. Die Transformationsverträge insbesondere mit großen Verlagen wie auf nationaler Ebene im Rahmen von DEAL 3 Reflexion wurden differenziert betrachtet. Wichtige Fragen, die in Die Open-Access-Aktivitäten der vergangenen Jahre diesem Zusammenhang aufgebracht wurden, waren etwa, wurden an verschiedenen Punkten der Tagung reflek- wie die Transformation auf Basis der vorhandenen bzw. tiert. Einige Aspekte sollen hier exemplarisch herausge- geplanten Verträge langfristig finanziert werden kann griffen werden: Elena Šimukovič brachte in ihrer Keynote und welche alternativen Modelle gebraucht werden, um die wichtigen Fragen auf, wer sich hinter der „Open-Ac- der (weiteren) Stärkung der Verlagsoligopole entgegenzu- cess-Bewegung“ verbirgt und ob es sich dabei wirklich um wirken. Elena Šimukovič wies darauf hin, dass die starke „eine“ Community handelt, die sich auf gemeinsame Ziele Fokussierung auf die Transformation von Subskriptions- verständigt hat, und welchem Selbstverständnis sie folgt. zeitschriften eine weitere Zielstellung der Budapest Initia- Viel mehr noch als bisher sollte „Open Access als Schar- tive etwas in den Hintergrund treten lässt: die Stärkung nier für die Wissenschaftskommunikation in die Gesell- bereits bestehender Open-Access-Zeitschriften. Zudem schaft“ genutzt werden. Eine daraus abzuleitende Frage vertrat (nicht nur) sie die Befürchtung, dass die zuneh- ist die nach dem „Commitment“, das eine Community mende Konzentration auf APC-finanzierte Gold Open-Ac- bzw. die einzelnen ihr zugehörigen Akteure für die Errei- cess-Publikationen andere Wege von Open Access in den chung gemeinsamer Ziele im Sinn „kollektiven Handelns“ Hintergrund treten lässt. In Erinnerung wird den meisten bringen müssen. Zu diesem gehört beispielsweise auch Teilnehmerinnen und Teilnehmern sicher die von ihr vor- das Bekenntnis zu freiwilliger, aber damit einhergehend genommene Übertragung der „Dead Horse Theory“ auf auch verbindlicher Beteiligung an und Erprobung von die „Big Deals mit Open-Access-Komponenten“ bleiben: (kooperativen) alternativen Finanzierungsansätzen und Von einem toten Pferd wird nicht abgestiegen, sondern Crowdfunding. In diesem Zusammenhang wurde auch es werden diverse „kreative Strategien“ gefunden, um die in einer der Sessions deutlich, dass Erwerbungsbereiche Symptome zu behandeln, darunter „Die Reiterinnen und in den Bibliotheken viel stärker noch in den Diskurs der Reiter austauschen“ oder „Das tote Pferd umbenennen“. Open-Access-Transformation einbezogen werden müssen. Neben kritischer Betrachtung wies das Programm In der Session selbst, aber besonders im Nachgang in Dis- aber auch zahlreiche Positivbeispiele und Diskussionen kussionen mit Kolleginnen und Kollegen wurde deutlich, über Alternativen auf. John Willinsky (Stanford University, dass Erwerbung in Bibliotheken einen klaren Auftrag für Gründer des Public Knowledge Project) zeigte bereits am Open Access erhalten muss. Das macht eine grundsätzli- ersten Konferenztag in seiner Eröffnungs-Keynote „Daring che Debatte darüber nötig, welche Verantwortung einzelne to dream of Universal Open Access“ einen solchen Ansatz öffentliche Einrichtungen für die globale Informationsver- der Transformation in Form des Pilotprojekts „Subscribe 3 Vgl. https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-de 4 Aufzeichnung: Willinsky, John. Daring to dream of Universal Open velopment-goals/ (20.11.2019). Access. Open Access Tage 2019. doi.org/10.5446/43983.
198 Tagungsbericht Maxi Kindling, Die Langlebigkeit „toter Pferde“ sorgung und die Erreichung der bereits erwähnten Ziele Dirk Ecker8 und adressierte damit einen weiteren wesentli- der UN-Agenda für nachhaltige Entwicklung haben: Soll chen Diskussions- und Handlungsaspekt: das (schwierige) Offenheit wirklich realisiert werden, dann sind Partizipa- Open-Access-Monitoring als eine Entscheidungsgrundlage tion, Diversität, Nachhaltigkeit und Verantwortung maß- für Publikations- und Finanzierungsstrategien und ent- geblich. Das bedeutet beispielsweise, dass Open Access sprechende Handlungen. so durch Leitungen und Politik unterstützt werden muss, dass auch Forschende in Ländern des globalen Südens teilhaben und nicht nur lesend, sondern vor allem auch publizierend beitragen können. Diese Ziele sollten sich 4 D aten für die auch auf strategischer Ebene und in der Erwerbung nie- Open-Access-Forschung derschlagen, und es müssen ganz konkret auch formale Hürden wie haushaltsrechtliche Einschränkungen über- Einen wertvollen Anstoß für die Diskussion über nach- wunden werden. haltige offene Instrumente für das Monitoring lieferte In puncto Verantwortung können Bibliotheken auch Mikael Laakso (Hanken School of Economics) in seiner selbst aktiv werden und sich mit Nachweis ihrer konkreten Keynote „Infrastructure for data on open access: open- Aktivitäten und Bemühungen für mehr Offenheit um den ness, sustainability, reproducibility“ am Abschlusstag der Open Library Badge (OLB)5 bewerben. Mit der Bewerbung Open-Access-Tage 2019.9 Er präsentierte die Ergebnisse und bei Erfolg mit der Erlangung des OLB bekennen wis- von internationalen Open-Access-Untersuchungen der senschaftliche wie öffentliche Bibliotheken sich klar zum vergangenen Jahre unter der Fragestellung, welche Aussa- Konzept der Offenheit und können entsprechende Prak- gen die jeweiligen Datengrundlagen überhaupt zulassen. tiken, Arbeitsergebnisse und Service-Angebote visuell Eine Erkenntnis ist, dass für Langzeitstudien, die eine verstärkt sichtbar machen und den OLB damit auch als Entwicklung aufzeigen sollen, oft die Daten fehlen. Beste- Marketinginstrument einsetzen. Den OLB gibt es seit 2016, hende Datenbanken enthalten meist nur ein Abbild des und er wurde bislang an neun Bibliotheken verliehen. Der Status quo. Für ein adäquates Monitoring etwa mit dem überarbeitete OLB 2020 enthält 15 Kategorien der Offen- Ziel, die Wirkung von Fördermaßnahmen zu evaluieren, heit, die in Hannover in Form eines Posters präsentiert ist die Datenlage daher oft problematisch. An dieser Stelle wurden.6 Das Poster hat den dritten Preis des Best-Pos- sind Datenlieferungen einzelner Einrichtungen essentiell, ter-Awards gewonnen. Den ersten Platz erreichten Paul bislang aber meist lückenhaft. Als derzeit umfangreichste Vierkant (Helmholtz Open Science Koordinationsbüro) Datengrundlage benannte er in seiner umfassenden und Kolleginnen und Kollegen mit dem Poster „Trust me, Analyse den Dienst Unpaywall mit mehr als 24 Millionen I’m a repository manager!“ zum DINI-Zertifikat 2019.7 Es Open-Access-Dokumenten.10 handelt sich dabei bereits um die fünfte Version des Zerti- Mikael Laakso appellierte daran, dass Daten nach- fikats für Open-Access-Publikationsdienste, das durch die nutzbar sein müssen, so dass Alternativen zu proprie- Arbeitsgruppe Elektronisches Publizieren der Deutschen tären Datenbanken mit restriktiven Lizenzen gefunden Initiative für Netzwerkinformation e. V. (DINI) initiiert und werden können. Die Inhalte solcher Datenbanken können gepflegt wird – ein Erfolg auch im Sinn der Nachhaltig- ohnehin kaum die Heterogenität der Open-Access-Pub- keit und ein wichtiges Zeichen: Auch der Grüne Weg des likationslandschaft abbilden, weil sie etwa disziplinäre Open Access sollte bei der Transformation nicht außer Verzerrungen aufweisen oder ganze Publikationstypen Acht gelassen werden. Den zweiten Poster-Preis erlangte nicht erfassen. Derzeit verfügbare Datenquellen werden das Poster „Sammeln, Aufbereiten, Analysieren – Der Weg den unterschiedlichen Erscheinungsformen von Open zum Open Access Monitor“ vom Jülicher Projektteam um Access nicht gerecht. Beispielhaft nannte er fehlende sys- tematische Untersuchungen über die Wirkung von Green 8 Ecker, Dirk, Bernhard Mittermaier, Irene Barbers u. a. Sammeln, 5 Mehr Informationen unter: https://badge.openbiblio.eu/ Aufbereiten, Analysieren – Der Weg zum Open Access Monitor. Zeno- (20.11.2019). do, 2019. doi.org/10.5281/zenodo.3464272. 6 Blumtritt, Ute, Gabriele Fahrenkrog, Tina Grahl u. a. Open Library 9 Folien: Laakso, Mikael. Infrastructure for data on open access: Badge 2020 – Neue Kriterien für mehr Offenheit in Bibliotheken. Zeno- openness, sustainability, reproducibility. Zenodo, 2019 (Oktober). doi. do, 2019. doi.org/10.5281/zenodo.3461685. org/10.5281/zenodo.3490327. Aufzeichnung: Laakso, Mikael. Infras- 7 Vierkant, Paul, Daniel Beucke, Isabella Meinecke u. a. Trust tructure for data on open access: openness, sustainability, reproduci- me, I’m a repository manager! Zenodo, 2019. doi.org/10.5281/ bility. Open Access Tage 2019. doi.org/10.5446/44026. zenodo.3449041. 10 https://unpaywall.org/ (20.11.2019).
Maxi Kindling, Die Langlebigkeit „toter Pferde“ Tagungsbericht 199 Open Access und das Phänomen des „Reverse Flipping“ Im durch das Bundesministerium für Bildung und von Open-Access-Zeitschriften, die zu Subskriptionszeit- Forschung (BMBF) geförderten Projekt „Options4OA – schriften umgewandelt wurden. Er sieht die Verantwor- Strategische und operative Handlungsoptionen für wis- tung dafür auch bei den Bibliotheken, die offene und senschaftliche Einrichtungen und Fachgesellschaften zur langfristig finanzierte Datenquellen und -infrastrukturen Gestaltung der Open-Access-Transformation“14 wurden aufbauen sollen – etwa dem Beispiel der Open-APC-Initia- Einrichtungen und Fachgesellschaften zum Status quo tive11 folgend. Einmal mehr wurde damit die Verantwor- ihrer Aktivitäten befragt. Die Ergebnisse der Befragung von tung von dritten Akteuren im „Markt“ hervorgehoben, die über 400 Hochschulen, außeruniversitären Forschungs- in den sich an die Vorträge anschließenden Diskussionen einrichtungen und Einrichtungen der Ressortforschung unter anderem Ulrich Herb (SULB Saarbrücken) ansprach: sind auf den Folien von Heinz Pampel (Helmholtz Open Bibliotheken versuchen als dritte Akteure in den zweisei- Science Koordinationsbüro) nachzulesen.15 Zu den posi- tigen Handel mit Reputation zwischen Verlagen sowie Au- tiven Beobachtungen zählte unter anderem, dass im Ver- torinnen und Autoren zurückzufinden. Bestehende Repu- gleich zu einer Erhebung der Allianz der Wissenschafts- tationsmechanismen zu durchbrechen und insbesondere organisationen von 2010 die Zahl der Policies deutlich eine Reputationssteigerung für Open Access zu erreichen gestiegen ist und viele Open-Access-Infrastrukturen aufge- ist eine beständige Herausforderung neben technischen baut wurden. Weiterhin ist eine dynamische Entwicklung und ökonomischen Fragen, die in diesem Jahr sehr häufig der Open-Access-Finanzierung zu beobachten. Im Projekt unter dem Begriff „kultureller Wandel der Wissenschaft“ wurde auch eine umfassende systematische Analyse des diskutiert wurde. Publikationsverhaltens von 300 Fachgesellschaften vorge- Beispielhaft soll an dieser Stelle neben dem Open-Ac- nommen. Es wurde unter anderem untersucht, ob Fachge- cess-Monitor noch auf wichtige Untersuchungen mit sellschaften Zeitschriften herausgeben und wie hoch der umfassenden (Status-quo-)Daten für die Open-Ac- Open-Access-Anteil unter diesen Zeitschriften ist: „Von cess-Entwicklung hingewiesen werden, die in Hannover den 118 untersuchten Zeitschriften sind nur 6,59 % (n = 12) präsentiert wurden: reine Open-Access-Zeitschriften, 56,04 % (n = 102) bieten Nina Schönfelder (Universität Bielefeld) präsentierte eine Hybrid-Option an.“ Die Analyse ist auf einem Poster ihre umfassende Studie zur langfristigen Finanzierbarkeit von Dorothea Strecker (Humboldt-Universität zu Berlin) der Transformation von Open-Access-Zeitschriften mit den und Heinz Pampel nachzulesen.16 vorhandenen Erwerbungsmitteln.12 Sie hat dafür prog- nostische Berechnungen für fünf deutsche Universitäten und eine Forschungseinrichtung anhand dreier Szenarien vorgenommen. Dabei wird notwendigerweise davon aus- 5 Open-Access-Förderung gegangen, dass sich das Publikationssystem nicht ändert. Für großes Interesse sorgte die Auswertung des Pro- Die Publikationsdaten der Einrichtungen basieren auf gramms Open-Access-Publikationsfonds der Deutschen dem Web of Science. Die Untersuchung zeigt, dass die Er- Forschungsgemeinschaft (DFG), präsentiert von Angela werbungsetats für die Finanzierung der prognostizierten Holzer (DFG).17 Im Verlauf des Programms wurden ins- Artikel ausreichen, sofern Artikel aus Drittmittelprojekten gesamt 45 Hochschulen bei der Einrichtung von Publika- durch die Drittmittelförderer finanziert werden. Disku- tionsfonds unterstützt. Das Programm wird als äußerst tiert wurde insbesondere die kritische Rolle von Hybrid wichtig wahrgenommen und der Wunsch nach einer Open Access: Mit diesem Preisschema wird die Open-Ac- Weiterführung wurde von vielen Einrichtungen geäußert. cess-Transformation nur zu ungleich höheren Kosten Die DFG zog ähnlich positive Bilanz: Das Programm hat möglich sein. Der ausführliche Bericht des Nationalen Open-Access-Kontaktpunkts zur Präsentation erschien 14 https://os.helmholtz.de/projekte/options4oa/ (22.11.2019). kurz nach den Open-Access-Tagen.13 15 Pampel, Heinz. Open Access an wissenschaftlichen Einrichtun- gen in Deutschland – Ergebnisse einer Erhebung im Jahr 2018. Zeno- do, 2019 (Oktober). doi.org/10.5281/zenodo.3468522. 11 https://www.intact-project.org/openapc/ (20.11.2019). 16 Strecker, Dorothea, Heinz Pampel. Fachgesellschaften und Open 12 Schönfelder, Nina. Open-Access-Transformationsrechnung für Access in Deutschland – eine Analyse zur Herausgabe von Zeitschrif- wissenschaftliche Einrichtungen in Deutschland. Zenodo, 2019 (Okto- ten. Zenodo, 2019. doi.org/10.5281/zenodo.3406288. Der Datensatz ist ber). doi.org/10.5281/zenodo.3490920. auch für die Nachnutzung verfügbar. 13 Schönfelder, Nina. Transformationsrechnung: Mittelbedarf für 17 Holzer, Angela. Auswertung der Förderprogramme Überregionale Open Access an ausgewählten deutschen Universitäten und For- Lizenzierung und Open Access Publizieren. Zenodo, 2019 (Oktober). schungseinrichtungen. 2019. doi.org/10.4119/unibi/2937971. doi.org/10.5281/zenodo.3515331.
200 Tagungsbericht Maxi Kindling, Die Langlebigkeit „toter Pferde“ zur Strukturbildung und Standardisierung bei den Ein- 6 Gelebte Nachhaltigkeit richtungen beigetragen. Etwa die Hälfte der jeweils ver- öffentlichten Artikel aus den Einrichtungen konnten aus Das Ortskomitee hat dem Tagungsmotto Nachhaltigkeit dem Programm finanziert werden. Insgesamt konnten und generell dem Openness-Gedanken auch in der Orga- mit dem Programm 11 800 Open-Access-Artikel gefördert nisation durch konkrete Maßnahmen Rechnung getra- werden, wobei der größte Teil davon aus den Lebenswis- gen, die von den Teilnehmenden ausdrücklich gelobt senschaften stammt. Anzumerken ist hier, dass sich aber wurden. Das Catering war ausschließlich vegetarisch, auch gezeigt hat, dass es keine große Divergenz zwischen auf ein umfassendes gedrucktes Programm wurde ver- den geförderten und nicht-geförderten Einrichtungen hin- zichtet und die Tagungsunterlagen konnten dem eigenem sichtlich der Zahl der Gold-Open-Access-Artikel gibt. Für Bedarf folgend mit diversen Werbematerialien ergänzt größere Diskussion sorgte die sich aus einer Erhebung werden. Das Ortskomitee hat weiterhin ein nachnutzbares unter geförderten und nicht geförderten Einrichtungen Tagungslogo sowie Werbebanner usw. für die Folgejahre ergebende Zustimmung (jeweils über 40 %) für eine För- erstellt. Eine Kinderbetreuung wurde in diesem Jahr eben- derhöchstgrenze von 2 000 Euro pro Artikel. Diese wird falls angeboten und genutzt. Es ist sehr wünschenswert, von den meisten als wichtige Maßnahme wahrgenommen, dass dies auch in den kommenden Jahren fortgesetzt und die Artikelpreise zu regulieren. Angela Holzer äußerte weiterentwickelt sowie durch andere Veranstaltungen sich auch entsprechend: Die DFG sollte die „Prestigeöko- adaptiert wird. nomie“ der Verlage nicht finanzieren. Zuspruch unter den In diesem Jahr wurde laut Programmkomitee auch befragten Einrichtungen erhielt unter anderem auch ein ein besonderes Augenmerk auf die Session-Moderation möglicher zukünftiger Förderschwerpunkt bei Open-Ac- gelegt. Auch wenn aufgrund der Vielzahl paralleler Veran- cess-Infrastrukturen. staltungen die Teilnahme nur an einem Bruchteil des Pro- Auch das Bundesministerium für Bildung und For- gramms möglich war, kann dieses Vorhaben als gelungen schung (BMBF) präsentierte seine (Förder-)Maßnahmen bewertet werden. Diese Etablierung von (nachnutzbaren) in Hannover. Das BMBF fördert seit 2018 über die Laufzeit Standards ist auch für die Community insgesamt äußert von drei Jahren zwanzig verschiedene Projekte zur „Um- wertvoll und nachahmenswert. setzung innovativer Ideen zur Schaffung, Verbreitung und Aufgrund des umfassenden Angebots der Open-Ac- Handhabe von Open Access-Publikationen“.18 Diese sind cess-Tage und der Tatsache, dass in einem solchen Bericht aus einem Ideenwettbewerb des BMBF mit 63 Vorschlä- nur auf einen sehr kleinen Teil des Programms Bezug ge- gen hervorgegangen. Im Rahmen einer Session nutzten nommen werden kann, sei direkt ein Blick in eben dieses 15 Projekte das Angebot, ihr Konzept innerhalb weniger empfohlen: Die Abstracts zu den Beiträgen und gegebe- Minuten zu präsentieren. Dies bot die Möglichkeit, sich nenfalls Informationen zu den Autorinnen und Autoren sowohl einen kompakten Projektüberblick zu verschaffen, via ORCIDs sind allesamt einsehbar.20 Für die Nachbe- als auch den Präsentierenden direkt Fragen zu stellen. Die reitung sind außerdem die Präsentationen für die jähr- Frage der Nachhaltigkeit drängt sich bei nicht wenigen lich stattfindenden Open-Access-Tage seit 2016 auf dem Projekten auf und blieb häufig offen. Die zuständige Refe- Repository Zenodo abgelegt.21 Einzelne Aufzeichnungen rentin des BMBF, Cäcilie Weber, kündigte im Rahmen der von Vorträgen werden nach und nach über das TIB AV-Por- „Minute-Madness“ auch einen neuen Ideenwettbewerb tal verfügbar gemacht.22 Die nächsten Open-Access-Tage zum Jahreswechsel 2019/2020 an. Das BMBF präsentierte finden vom 15. bis 17. September 2020 digital statt. darüber hinaus eine neue Informationsoffensive zu Open Access im Stil von ironischen Warnhinweisen und mit den dazugehörigen Give Aways. Die Informationsbroschü- ren sind online verfügbar, gedruckte Versionen können ebenso wie die Werbematerialien bestellt werden.19 18 Die Projekte im Überblick: https://www.bildung-forschung. 20 https://open-access.net/community/open-access-tage/open- digital/de/im-ueberblick-16-innovative-open-access-projekte- access-tage-2019/programm/ (20.11.2019). starten-2198.html (20.11.2019). 21 Die Präsentationen und Poster der diesjährigen Tagung sind ab- 19 Vgl. https://www.bildung-forschung.digital/de/open-access-2471. rufbar unter: https://zenodo.org/communities/oat2019 (20.11.2019). html (20.11.2019). 22 https://av.tib.eu/series/719/open+access+tage+2019 (20.11.2019).
Maxi Kindling, Die Langlebigkeit „toter Pferde“ Tagungsbericht 201 Autoreninformationen Maxi Kindling Open-Access-Büro Berlin c/o Freie Universität Berlin Universitätsbibliothek Ehrenbergstraße 26–28 14195 Berlin maxi.kindling@open-access-berlin.de orcid.org/0000-0002-0167-0466
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