Pollen-assoziierte allergische Erkrankungen in Zeiten des Klimawandels - Neue Daten zur Entwicklung in Deutschland - UMWELT + MENSCH ...

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Pollen-assoziierte allergische Erkrankungen in Zeiten des Klimawandels - Neue Daten zur Entwicklung in Deutschland - UMWELT + MENSCH ...
Pollen-assoziierte allergische Erkrankungen
in Zeiten des Klimawandels
– Neue Daten zur Entwicklung in Deutschland
Pollen associated allergic diseases in times of climate change –
New data on the development in Germany

ZUSAMMENFASSUNG                                                                                     CONNY HÖFLICH
Allergien, insbesondere Pollen-assoziierte Allergien der Atemwege, sind weltweit
verbreitet und nehmen weiter zu. Den Klimawandel verursachende beziehungsweise
kennzeichnende Veränderungen, wie der Anstieg der atmosphärischen Kohlendioxid­
konzentration und der Erdoberflächentemperatur, führen sehr wahrscheinlich zu einer
Zunahme der Pollenbelastung und damit zu einer Zunahme allergischer Pollensensibi­
lisierungen und Pollen-assoziierter allergischer Erkrankungen. Im Jahr 2014 wurde in
dieser Zeitschrift ausführlicher über diese möglichen Zusammenhänge berichtet. Im
Jahr 2017 hielt die Autorin auf dem Deutschen Allergiekongress am Beispiel der Pollen
der Beifuß-Ambrosie einen Plenarvortrag zu diesem Thema. Der folgende Beitrag fasst
die Inhalte des Vortrags zusammen.

ABSTRACT
Allergies, especially pollen associated respiratory allergies are widespread all over the world
with a tendency to increase further. Changes associated with climate change, in particular, the
increase of atmospheric carbon dioxide and global ground temperature, will very likely result in
an increased pollen load leading to an increase in allergic pollen sensitisation and pollen-asso-
ciated allergic diseases. In 2014 was informed in more detail about these possible relationships
in this journal. In 2017, the author gave a lecture on this topic focusing on ragweed pollen at
the German Allergy Congress. The following article summarises the lecture contents.

AKTUELLE DATEN DES IPCC                           aus wissenschaftlicher Sicht. Die Ergebnisse
                                                  werden alle sechs bis sieben Jahre in einem
Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmen­            Sachstandsbericht zusammengefasst, dem
tal Panel on Climate Change, zu Deutsch           „IPCC Assessment Report“, kurz AR. Der
Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klima­          fünfte und aktuellste Sachstandsbericht
änderungen) wurde 1988 vom Umweltpro­             (AR5) wurde 2013/2014 veröffentlicht. Ihm
gramm der Vereinten Nationen (United              sind die folgenden Daten und die Abbildung
Nations Environment Programme, UNEP)              zur globalen Erdoberflächentemperatur, ei­
und der Weltorganisation für Meteorologie         nem der Hauptindikatoren für den Klima­
(World Meteorological Organization, WMO)          wandel, entnommen (IPCC 2013).
gegründet und ist sowohl wissenschaftli­
ches Gremium als auch zwischenstaatlicher         GLOBALE
Ausschuss (Deutsche IPCC-Koordinierungs­          ERDOBERFLÄCHENTEMPERATUR
stelle 2018). In einem strukturierten und
sich wiederholenden Prozess trägt der IPCC        Zur globalen Erdoberflächentemperatur der
den jeweils aktuellen Forschungsstand zum         vergangenen Jahre und Jahrzehnte macht
Klimawandel zusammen und bewertet ihn

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                           POLLEN ASSOCIATED ALLERGIC DISE ASES IN TIMES OF CLIMATE CHANGE

Ambrosiapflanzen.        der IPCC im 5. Sachstandsbericht unter an­     lage für die Klimaprognosen herangezo­
Foto: U. Starfinger.     derem folgende Aussagen (IPCC 2013):           gen: RCP2.6, 4.5, 6.0 und 8.5. Die Zahlen
                                                                        beschreiben den Strahlungsantrieb für das
                           Jedes der letzten drei Jahrzehnte war an     jeweilige Szenarium im Jahr 2100 und ge­
                           der Erdoberfläche sukzessive wärmer als      hen mit angenommenen atmosphärischen
                           alle vorangehenden Jahrzehnte seit 1850.     CO2 -Konzentrationen von 421, 538, 670
                                                                        und 936 ppm im Jahr 2100 einher (Deut­
                           Der gesamte Anstieg zwischen dem Mittel      sche IPCC-Koordinierungsstelle 2016; Wi­
                           der Periode 1850–1900 und der Periode        kipedia 2018). Für die vier RCP prognos­
                           2003–2012 ist 0,78 (0,72 bis 0,85) °C, ba­   tiziert der IPCC bis zum Ende des Jahres
                           sierend auf dem längsten verfügbaren Da­     2100 folgende Änderungen der globalen
                           tensatz.                                     Erdoberflächentemperatur (ABBILDUNG 1)
                                                                        (IPCC 2013):
                         Für Prognosen zur globalen Erdoberflä­
                         chentemperatur bis zum Ende des 21.                 Die Änderung der globalen Erdoberflä­
                         Jahrhunderts wurde eine neue Reihe von              chentemperatur wird am Ende des 21.
                         Szenarien mit anthropogenen Antrieben               Jahrhunderts, bezogen auf 1850–1900,
                         verwendet, die sogenannten repräsentati­            für alle RCP-Szenarien außer RCP2.6
                         ven Konzentrations-Pfade (Representative            wahrscheinlich 1,5 °C übersteigen.
                         Concentration Pathways, RCP). Im 5. Sach­
                         standsbericht wurden vier RCP als Grund­

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                        POLLEN ASSOCIATED ALLERGIC DISE ASES IN TIMES OF CLIMATE CHANGE

  Sie wird für RCP6.0 und RCP8.5 wahr­
  scheinlich mehr als 2 °C betragen und für
  RCP4.5 eher wahrscheinlich als nicht 2 °C
  übersteigen.

  Die Erwärmung wird weiterhin Schwan­
  kungen auf Zeitskalen von Jahren bis Jahr­
  zehnten aufweisen und regional nicht ein­
  heitlich sein.

POLLEN-ASSOZIIERTE
                                                  Die Zeitreihen der Projektionen und ein Maß für die Unsicherheit
ALLERGISCHE                                       (Schattierung) sind für die Szenarien RCP2.6 (blau) und RCP8.5 (rot)
ERKRAN­K UNGEN                                    dargestellt. Schwarz (graue Schattierung) ist die modellierte historische
                                                  Entwicklung hergeleitet aus historischen rekonstruierten Antrieben. Die
Pollen-assoziierte allergische Erkrankungen       über den Zeitraum 2081–2100 berechneten Mittel und die zugehörigen
umfassen im Wesentlichen die Atemwegs­            Unsicherheitsbereiche sind für alle RCP-Szenarien als farbige vertikale
erkrankungen Allergische Rhinitis (Syno­          Balken dargestellt. Die Zahl der für die Berechnung des Multimodell-Mittels
                                                  verwendeten CMIP5-Modelle ist angegeben. Darstellung nach Abbildungen
nyme: Heuschnupfen, Heufieber, Pollinosis)
                                                  SPM.1 und SPM.7 aus IPCC (2013).
und al­lergisches Asthma. Eine Sonderform
stellt das sogenannte Orale-Allergie-Syn­
drom (OAS, Synonyme: Pollen-assoziierte
Nahrungsmittelallergie,      Nahrungsmittel-
Pol­len-Syndrom) dar.                           (Haftenberger et al. 2013; Datenerhebung                ABBILDUNG 1
  Bei den Pollen-assoziierten Atemwegser­       2008–2011, untersucht wurde die Sensibi­                CMIP5-Multimodell-
krankungen treten die Beschwerden nach          lisierung gegen 50 verbreitete Einzelaller­             simulierte Zeitreihen
                                                                                                        von 1950 bis 2100 für
dem Einatmen von Pollen beziehungsweise         gene). An 17. Stelle folgen mit 9,0 Prozent
                                                                                                        die Änderung der
Pollenbestandteilen auf und sind im Falle       Sensibilisierungen gegen Beifuß-Pollen, an              mittleren globalen
der allergischen Rhinitis durch beidseitigen    20. Stelle mit 8,2 Prozent Sensibilisierungen           Erdoberflächentem-
wässrigen Ausfluss, Jucken, Niesreiz und        gegen Pollen der Beifuß-Ambrosie und an                 peratur bezogen auf
beidseitige oder wechselnde Verstopfung der     letzter Stelle mit 0,4 Prozent Sensibilisierun­         1986–2005.
Nase gekennzeichnet. Häufig kommen ent­         gen gegen das Hauptallergen der Beifuß-Am­
sprechende Beschwerden an den Augen dazu.       brosie, Amb a 1 (Haftenberger et al. 2013).
Asthma ist durch das Auftreten sogenannter         Der Nachweis einer allergischen Sensibili­
Asthmaanfälle gekennzeichnet, das heißt         sierung zeigt die Bereitschaft des Immunsys­
durch Phasen von akuter Luftnot mit Husten,     tems an, bei Allergenkontakt allergisch zu
Giemen und Engegefühl in der Brust (Traut­      reagieren. Eine allergische Sensibilisierung
mann, Kleine-Tebbe 2013). Im Gegensatz zur      ist Voraussetzung für eine allergische Er­
allergischen Rhinitis kann ein Asthmaanfall     krankung. Sie ist aber nicht gleichbedeutend
auch tödlich verlaufen.                         damit und kann auch klinisch „stumm“, das
                                                heißt ohne Beschwerden, vorhanden sein.
POLLEN-SENSIBILISIERUNGEN
                                                ERKRANKUNGSRATEN
In Deutschland wird die „Hit-Liste“ allergi­
scher Sensibilisierungen in der erwachsenen     In Deutschland erkranken derzeit 14,8 Pro­
Bevölkerung derzeit von Gräser- und Baum­       zent der Erwachsenen mindestens einmal in
pollen angeführt: 18,1 Prozent der Erwach­      ihrem Leben an einer allergischen Rhinitis
senen sind gegen Lieschgraspollen sensibi­      und 8,6 Prozent an Asthma (Langen et al.
lisiert und 17,4 Prozent gegen Birkenpollen     2013; Datenerhebung 2008–2011, gefragt

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                           POLLEN ASSOCIATED ALLERGIC DISE ASES IN TIMES OF CLIMATE CHANGE

                          wurde, ob die Erkrankung jemals von einem         MÖGLICHE
                          Arzt festgestellt oder bestätigt wurde). An       WIRKUNGSKETTEN
                          einer Nahrungsmittelallergie, von denen
                          ein Großteil auf Sensibilisierungen gegen         Den Klimawandel verursachende bezie­
                          Pollenallergene beruht (siehe Orales-Aller­       hungsweise kennzeichnende Veränderun­
                          gie-Syndrom), erkranken 4,7 Prozent der Er­       gen, wie der Anstieg der atmosphärischen
                          wachsenen mindestens einmal in ihrem Le­          CO2 -Konzentration und der Temperaturan­
                          ben (Langen et al. 2013; Treudler et al. 2017).   stieg, könnten einen direkten Einfluss auf
                            Auslöser einer allergischen Rhinitis be­        das Pollen-System haben, konkret auf die
                          ziehungsweise eines Asthmaanfalls können          Pollenkonzentration, den Allergengehalt von
                          neben Pollen auch andere Allergene und im         Pollen, Beginn und Dauer der Pollensaison
                          Falle eines Asthmaanfalls auch nicht-aller­       und auf das Pollenspektrum, das Ergebnis
                          gene Stimuli sein, das heißt die genannten        wäre die Zunahme der Pollenlast (u.a. Höf­
                          Zahlen sind nicht gleichbedeutend mit der         lich 2014). In ABBILDUNG 2 sind diese mög­
                          Häufigkeit Pollen-assoziierter allergischer       lichen Zusammenhänge grafisch dargestellt.
                          Rhinitis beziehungsweise Pollen-assoziier­           Eine Zunahme der Pollenlast wäre gefolgt
                          tem allergischen Asthma. Nach den Daten           von einem Anstieg der Sensibilisierungsra­
                          einer paneuropäischen Studie mit Aller­           ten und einem Anstieg der Erkrankungsra­
ABBILDUNG 2
Möglicher Einfluss von    gie-Patienten haben in Deutschland etwa           ten (Gassner et al. 2013; Jäger 2000; Lake
erhöhter CO2-Konzen-      90 Prozent der gegen Gräser- beziehungs­          et al. 2017; Tosi et al. 2011). Zu beachten ist,
tration und erhöhter      weise Baum-Pollen sensibilisierten Patien­        dass zwischen dem Auftreten neuer Pollen
Temperatur auf das        ten, 85 Prozent der gegen Beifuß und 65           und dem Nachweis relevanter Sensibilisie­
Pollen-System. Modifi-
                          Prozent der gegen Beifuß-Ambrosie sensi­          rungs- und Erkrankungsraten eine Zeitlücke
ziert nach Beggs (2004)
und Behrendt, Ring
                          bilisierten Patienten auch entsprechende          von wahrscheinlich mehreren Jahren liegt
(2012), siehe auch Höf-   allergische Beschwerden bei Pollenkontakt         (Jäger 2000; Tosi et al. 2011).
lich (2014).              (Burbach et al. 2009).

  ↑ Anstieg beziehungsweise Zunahme. Δ Änderung.

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BEISPIEL                                            gegen die Beifuß-Ambrosie sensibilisiert wie
BEIFUSS-AMBROSIE                                    gegen Gräser (Arbes et al. 2005), und die Pol­
                                                    len der Beifuß-Ambrosie führen bereits bei
Die Fragen nach Gegenwart und möglicher             Konzentrationen ab etwa 10 Pollen/m3 Luft
Zukunft Pollen-assoziierter allergischer Er­        zu allergischen Beschwerden (zum Vergleich:
krankungen lassen sich modellhaft an der            Gräserpollen ab etwa 15 Pollen/m3, Birken­
Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia)           pollen ab etwa 30 Pollen/m3) (Bergmann et
verdeutlichen.                                      al. 2008, Frenz 2001, Tosi et al. 2011).
  Die Beifuß-Ambrosie ist in Nordamerika
beheimatet und gelangte wahrscheinlich              BEIFUSS-AMBROSIE IN DEUTSCH­
über Getreide oder Kleesaat nach Europa             LAND: MESSDATEN AUS DEM
(Starfinger 2007). Sie ist heute vor allem          ZEITRAUM 2009 BIS 2013
in der Ukraine, in Ungarn, in Italien (Po-
Ebene) und in Frankreich (Rhone-Tal) ver­           Im Folgenden werden Verbreitungs-, Pollen-
breitet (Starfinger 2007; Buters et al. 2015).      und Sensibilisierungsdaten für die Bundes­
In Deutschland wurde sie bereits 1860 wild          länder Nordrhein-Westfalen (NRW), Bayern
wachsend gefunden und galt lange als unbe­          und Brandenburg, erhoben im Zeitraum
ständig und selten, seit einigen Jahren brei­       2009 bis 2013, vorgestellt.
tet sie sich aber aus (Starfinger 2007).              ABBILDUNG 3 zeigt Ve r bre it u n g s d at e n
  Die Pflanze blüht im Spätsommer und               im Jahr 2012 (NRW, Bayern) beziehungs­
Frühherbst und stellt sowohl für die Land­          weise 2010 (Brandenburg): In allen drei Bun­
wirtschaft als auch für das Gesundheitssys­         desländern existierten größere und große
tem ein Problem dar: für die Landwirtschaft,        (>100 Pflanzen) Bestände, in Brandenburg
weil sie als „Unkraut“ in landwirtschaftli­         war darüber hinaus eine deutliche Konzen­
chen Kulturen auftritt und Ernteerträge             tration an Beständen im Südostteil des Lan­
                                                                                                         ABBILDUNG 3
mindert; für das Gesundheitssystem, weil            des zu verzeichnen. Grundlage dieser wie
                                                                                                         Vorkommen der
ihre Pollen ein hohes Sensibilisierungs- und        bisher aller Verbreitungsdaten in Deutsch­           Beifuß-Ambrosie in
Allergiepotential haben (Buters et al. 2015).       land waren freiwillige Meldungen von (zu­            NRW, Bayern und
So sind in den USA ebenso viele Menschen            fälligen) Pflanzenfunden.                            Brandenburg.

  Daten für NRW bzw. Bayern aus dem Jahr 2012, Abbildung aus LANUV (2018) bzw. STMGP Bayern (2013); Daten für Brandenburg aus
  dem Jahr 2010, Abbildung aus MLUL Brandenburg (2011).

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                          POLLEN ASSOCIATED ALLERGIC DISE ASES IN TIMES OF CLIMATE CHANGE

                                                                                      und Bayern zu Amb a 1 zeigen, dass diese
                                          JAHRESPOLLENSUMME
                                                                                      Sensibilisierungen keine primären (= „ech­
                                          (Pollen/m³ Luft)
                                                                                      ten“) Sensibilisierungen waren, sondern auf
  NRW (MÖNCHENGLADBACH)                                     5                         Kreuzreaktionen zu strukturell ähnlichen
  BAYERN (MÜNCHEN)                                          6
                                                                                      Allergenen beruhten. Für Brandenburg sind
                                                                                      uns keine Daten zu Sensibilisierungen gegen
  BRANDENBURG (DREBKAU)                               knapp 2500                      Amb a 1 bekannt.
  Daten je einer Messstelle. Datenquellen NRW, Bayern: Stiftung Deutscher
  Polleninformationsdienst (PID), Details siehe Höflich et al. 2016,                  BEIFUSS-AMBROSIE IN DEUTSCH­
  Datenquelle Brandenburg: MLUL Brandenburg 2011.                                     LAND: PROGNOSEN FÜR DEN
                                                                                      ZEITRAUM 2041 BIS 2060

TABELLE 1                   Im gleichen Zeitraum erhobene Pol l e nd a ­              Auf der Grundlage unterschiedlicher Klima­
Jahrespollensummen          t e n sind in TABELLE 1 dargestellt: Während              modelle, unterschiedlicher Pflanzenausbrei­
der Beifuß-Ambrosie im      an Messstellen in NRW (Mönchengladbach)                   tungsmodelle und zweier repräsentativer
Jahr 2010 an Messstel-
                            und Bayern (München) nur geringe Jahres­                  Konzentrationspfade (RCP4.5 und RCP8.5,
len in NRW (Mönchen-
gladbach), Bayern (Mün-
                            pollensummen ermittelt wurden, lag der                    siehe oben) verglichen Lake et al. die monat­
chen) und Brandenburg       Wert in Drebkau, einer Stadt in Südostbran­               lichen Pollenkonzentrationen und die Sensi­
(Drebkau).                  denburg, vier- bis fünfhundertfach höher.                 bilisierungsraten für Europa in den Zeiträu­
                               S e n s i b i l i s ie r u n g s d at e n für diesen   men 1985–2005 und 2041–2060 (Lake et al.
                            Zeitraum sind in TABELLE 2 dargestellt. Die               2017).
                            mittels Pricktest gewonnenen Daten geben                  Bezüglich der monatlichen Pol le n k on ­
                            Auskunft über Sensibilisierungen unabhän­                 z e nt r at ione n werden demnach in einigen
                            gig davon, ob sie auf einem echten Kontakt                Gebieten im Süden Deutschlands zukünftig
                            mit dem Allergen (sogenannte „primäre“                    bereits in der Vorsaison klinisch relevante
                            Sensibilisierung) oder auf einer sogenann­                Pollenkonzentrationen auftreten. Über dem
                            ten Kreuzreaktion beruhen. Die Differen­                  gesamten Bundesgebiet werden die Pollen­
                            zierung in primäre Sensibilisierung versus                konzentrationen in der Hauptblütezeit min­
                            Kreuzreaktion erfolgt durch die Bestim­                   destens doppelt so hoch liegen wie im Ver­
                            mung von spezifischem IgE gegen Spezi­                    gleichszeitraum und auch in der Nachsaison
                            es-spezifische Allergenkomponenten, im                    noch in klinisch relevanten Größenordnun­
                            Falle der Beifuß-Ambrosie gegen Amb a 1.                  gen nachweisbar sein (ABBILDUNG 4). Be­
TABELLE 2
                            Aus den Pricktest-Daten in TABELLE 2 wird                 züglich der S e n s i b i l i s ie r u n g s r at e n ge­
Sensibilisierungen
gegen Beifuß-Ambrosie       ersichtlich, dass in allen drei Bundesländern             hen die Autoren für Deutschland von einem
in NRW, Bayern und          Sensibilisierungen gegen die Beifuß-Ambro­                Anstieg von 0 bis 10 Prozent im Zeitraum
Brandenburg.                sie nachweisbar waren. Die Daten aus NRW                  1985–2005 auf 15 bis 25 Prozent im Zeit­
                                                                                      raum 2041–2060 aus.
                                                    PATIENTEN MIT POSI­                  Interessanterweise ergaben die Berech­
                          PATIENTEN
                                                    TI­VEM PRICK­TEST UND             nungen auf der Grundlage von RCP4.5 und
                          MIT POSITIVEM
                                                    SPEZIFISCHEM IGE
                          PRICKTEST [% (N)]                                           RCP8.5 keine relevanten Unterschiede in
                                                    GEGEN AMB A 1 [% (N)]
                                                                                      den zu erwartenden Sensibilisierungsraten
  NRW                           18 (87)                          0 (0)
                                                                                      (im Gegensatz zu den Berechnungen auf der
  BAYERN                        11 (50)                          2 (1)                Grundlage unterschiedlicher Klimamodelle
                                                                                      und unterschiedlicher Pflanzenausbrei­
  BRANDENBURG                   9 (103)                    nicht bekannt
                                                                                      tungsszenarien). Die Autoren führen zwei
  Die Daten für NRW und Bayern wurden in den Jahren 2011 bis 2013 an Stu­             mögliche Erklärungen dafür an, zum einen
  dienpatienten mit Verdacht auf allergische Atemwegserkrankungen er­hoben            das Erreichen der Sättigung des CO2 -Effekts
  (Höflich et al. 2016), die Daten für Brandenburg in den Jahren 2009 bis 2011        (ABBILDUNG 2 ), zum anderen den relativ
  im Rahmen der regulären Gesundheitsversorgung (MLUL Brandenburg 2011).
                                                                                      zeitnahen Vorhersagezeitraum 2041–2060:

                                                      SEITE 10              NR . 1/2018
Pollen-assoziierte allergische Erkrankungen in Zeiten des Klimawandels - Neue Daten zur Entwicklung in Deutschland - UMWELT + MENSCH ...
POLLEN-ASSOZIIERTE ALLERGISCHE ERKR ANKUNGEN IN ZEITEN DES KLIMAWANDELS
                       POLLEN ASSOCIATED ALLERGIC DISE ASES IN TIMES OF CLIMATE CHANGE

Die größten Temperaturunterschiede wei­                                 Baseline                         Future
sen die verschiedenen RCP am Ende des 21.
Jahrhunderts auf (ABBILDUNG 1).

WAS KÖNNEN WIR TUN?                                  July –
                                                     August

Im Folgenden sind Beispiele für Handlungen
und Handlungsmöglichkeiten genannt. Sie
erstrecken sich auf die Gebiete Monitoring,
Informieren und Umsetzen von Bekämp­
fungsmaßnahmen.

 Monitoring der Verbreitung

 Die eingangs gezeigten Daten zur Verbrei­          August –
                                                   September
 tung der Beifuß-Ambrosie beruhen auf
 freiwilligen Meldungen von (zufälligen)
 Pflanzenfunden. Ein vollständigeres Ver­
 breitungsbild kann durch die Einführung
 einer Meldepflicht erreicht werden (siehe
 auch Umsetzen von Bekämpfungsmaß­
 nahmen), ein vollständiges Bild durch sys­
 tematische Pflanzenkartierung.

 Monitoring der Pollenlast                         September
                                                    - October

 Daten zur Pollenlast sind die Vorausset­
 zung für unmittelbare gesundheitliche
 Vorsorge. Sie ermöglichen die exakte Di­
 agnose und Therapie einer Pollenallergie
 (sogenannte Sekundärprävention), und
 Pollenallergiker können an Tagen mit ent­
 sprechender Pollenbelastung abwägen,
 welche Aktivitäten im Freien in dieser
                                                  Die Daten zeigen die Durchschnittswerte der Berechnungen mittels
 Zeit wirklich notwendig sind (sogenannte
                                                  unterschiedlicher Klimamodelle für RCP4.5 und ein Referenz-
 Tertiärprävention). Darüber hinaus zeigt         Pflanzenausbreitungsszenario (Lake et al. 2017).
 ein kontinuierliches flächen­  deckendes
 Pollen-Monitoring Veränderungen in
 Dauer und Stärke der Pollenbelastung
 und Veränderungen im Pollenspektrum              Weiterentwicklung aber nicht gesichert              ABBILDUNG 4
 an. Diese Informationen sind unter ande­         (PID 2016). Aus diesem Grund bildete                Monatliche Pollen-
 rem vor dem Hintergrund des Klimawan­            sich im Sommer 2017 der fachübergrei­               konzentrationen der
                                                                                                      Beifuß-Ambrosie
 dels und notwendiger Anpassungsmaß­              fende Arbeitskreis „Bundesweites Pollen­
                                                                                                      (Pollen/m 3 Luft) über
 nahmen bedeutsam.                                monitoring“. In ihm tauschen sich Ver­
                                                                                                      Europa im Zeitraum
 Das einzige bundesweite Pollenmessnetz           treterinnen und Vertreter von siebzehn              1986–2005 und 2041–
 wird von der Stiftung Deutscher Pollen­          Einrichtungen (Fachverbände, Fachin­                2060.
 informationsdienst (PID) betrieben. Mit­         stitutionen, Ministerien und Behörden,
 telfristig sind dessen Fortbestand und           Patientenvertretungen) über Fragen des

                                              SEITE 11           NR . 1/2018
Pollen-assoziierte allergische Erkrankungen in Zeiten des Klimawandels - Neue Daten zur Entwicklung in Deutschland - UMWELT + MENSCH ...
POLLEN-ASSOZIIERTE ALLERGISCHE ERKR ANKUNGEN IN ZEITEN DES KLIMAWANDELS
        POLLEN ASSOCIATED ALLERGIC DISE ASES IN TIMES OF CLIMATE CHANGE

        Wozu und Wie eines zukünftigen bun­                fuß-Ambrosie implementiert wurden, ist
        desweiten Pollenmessnetzes aus (Weber,             die Schweiz, dort gilt ihre Ausbreitung als
        Kutzora 2018).                                     gestoppt (Buters et al. 2015). Für Deutsch­
                                                           land fordert die Interdisziplinäre Arbeits­
        Monitoring der Sensibilisierung                    gruppe Ambrosia (siehe oben) seit Jahren
                                                           ebenfalls gesetzliche Regelungen. Diese
        Das Robert Koch-Institut erhebt im Rah­            Regelungen sollten unter anderem die
        men von drei Studien (Studie zur Ge­               Pflicht zum Berichten und zur Beseitigung
        sundheit von Kindern und Jugendlichen              von Pflanzenfunden sowie das Verbot der
        in Deutschland (KiGGS), Studie zur Ge­             Verbreitung der Pflanze beinhalten (Bu­
        sundheit Erwachsener in Deutschland                ters et al. 2015). Mit dem seit 2012 EU-weit
        (DEGS), Gesundheit in Deutschland ak­              verbindlich geregelten Höchstgehalt von
        tuell (GEDA)) regelmäßig Daten zur Ge­             Ambrosia-Samen in Vogelfutter (EU-Ver­
        sundheit der Bevölkerung in Deutschland            ordnung Nr. 574/2011 vom 16. Juni 2011)
        (RKI 2017). In allen drei Studien werden           wird zumindest einem der genannten As­
        neben einer Vielzahl anderer Daten auch            pekte, dem Verbot der Verbreitung, partiell
        Daten zu allergischen Erkrankungen er­             Rechnung getragen.
        hoben und in KiGGS und DEGS zusätz­
        lich Daten zur Sensibilisierung gegen ein     An einigen der genannten Aktivitäten war
        breites Panel an Allergenen, unter an­        beziehungsweise ist das Umweltbundesamt
        derem auch gegen die Beifuß-Ambrosie.         beteiligt, so zum Beispiel an der Erhebung
        Patientenbasierte Daten liegen für einige     von Patientendaten zu Sensibilisierungen
        Regionen Deutschlands im Rahmen von           gegen Beifuß-Ambrosie in NRW und Bayern
        Einzelstudien vor (TABELLE 2 ), eine syste­   (Höflich et al. 2016), an der Arbeit der Inter­
        matische und bundesweite Erfassung pa­        disziplinären Arbeitsgruppe Ambrosia (JKI
        tientenbasierter Daten erfolgt bisher aber    2017) und an der Erstellung der DAAB-Web­
        nicht. Dieses Fehlen birgt das Risiko von     site „Allergien im Garten“ (DAAB 2017).
        Daten­lücken, wie sie derzeit zum Beispiel    Aktuell liegt ein Schwerpunkt beim UBA
        in Brandenburg hinsichtlich der primären      auf der Mitarbeit im fachübergreifenden Ar­
        Sensibilisierung gegen die Beifuß-Ambro­      beitskreis „Bundesweites Pollenmonitoring“
        sie bestehen (TABELLE 2 ).                    (Weber, Kutzora 2018).

        Informieren der Bevölkerung und politi­
        scher Entscheidungsträger                     DANKSAGUNG

        Beispielhaft seien hier die Aktivitäten der   Herzlichen Dank an Dr. Hans-Guido Mücke
        vom Julius Kühn-Institut (JKI) koordinier­    und Dr. Wolfgang Straff, beide Umweltbun­
        ten Interdisziplinären Arbeitsgruppe Am­      desamt, Fachgebiet II 1.5, für den kritischen
        brosia (JKI 2017), das Berliner Aktionspro­   Blick von „innen“ auf das Manuskript und
        gramm gegen Ambrosia (FU Berlin 2018)         Dr. Gabriele Wechsung, Umweltbundesamt,
        und die Website „Allergien im Garten“ des     Fachgebiet II 4.3, und Dr. Stefan Banzhaf,
        Deutschen Allergie- und Asthmabundes          Umweltbundesamt, Fachgebiet II 1.1, für den
        (DAAB) genannt (DAAB 2017).                   kritischen Blick von „außen“.	 

        Umsetzen von Bekämpfungsmaßnahmen

        Das bisher einzige europäische Land, in
        dem umfassende gesetzliche Rahmenbe­
        dingungen für die Bekämpfung der Bei­

                           SEITE 12          NR . 1/2018
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LITERATUR                                                        Gassner M, Gehrig R, Schmid-Grendelmeier P (2013):
                                                                 Hay fever as a christmas gift. New England Jour-
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                                                                 Nahrungsmittelallergene. Bundesgesundheitsblatt 56:
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Pollen-assoziierte allergische Erkrankungen in Zeiten des Klimawandels - Neue Daten zur Entwicklung in Deutschland - UMWELT + MENSCH ...
POLLEN-ASSOZIIERTE ALLERGISCHE ERKR ANKUNGEN IN ZEITEN DES KLIMAWANDELS
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      KONTAKT
      Dr. Conny Höflich
      Umweltbundesamt
      Fachgebiet II 1.5 "Umweltmedizin und
      gesundheitliche Bewertung"
      Corrensplatz 1
      14195 Berlin
      E-Mail: conny.hoeflich[at]uba.de

      [UBA]

                                  SEITE 14               NR . 1/2018
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