Ein neuer Weg zur Bewertung der Recyclingfähigkeit von Produkten mittels Statistischer Entropie: Fallbeispiel Mobiltelefone
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Originalarbeit Österr Wasser- und Abfallw https://doi.org/10.1007/s00506-021-00783-z Ein neuer Weg zur Bewertung der Recyclingfähigkeit von Produkten mittels Statistischer Entropie: Fallbeispiel Mobiltelefone Caroline Roithner · Oliver Cencic · Helmut Rechberger Angenommen: 17. Juni 2021 © Der/die Autor(en) 2021 Zusammenfassung Statistische Entro- Entscheidungstool angewandt, könnte fective Circular Economy as early as pie kann zur Bewertung von unter- der neue Bewertungsansatz helfen, die in the product design and thus enable schiedlichen Verfahren der Abfallwirt- Weichen für eine effektive Kreislauf- better recycling. schaft herangezogen werden. Führt das wirtschaft bereits im Produktdesign zu Verfahren zu einer Separierung und stellen und so in Folge ein besseres Keywords Recyclability · Statistical damit Konzentrierung einzelner Mate- Recycling zu ermöglichen. Entropy · Product design · Mobile rialien oder Stoffe, so entspricht dies phones · Circular Economy einer niedrigen Statistischen Entropie, Schlüsselwörter Recyclingfähigkeit · kommt es jedoch zu einer Vermischung Statistische Entropie · Produktdesign · 1 Einleitung und Verdünnung, erhöht sich diese. Re- Mobiltelefone · Kreislaufwirtschaft cyclingverfahren haben beispielsweise Die Europäische Union (EU) forciert die das Ziel, konzentrierte Recyclingout- A new way of assessing the Etablierung einer Kreislaufwirtschaft puts aus einem gemischten Abfallinput recyclability of products using (im weiteren CE für Circular Econo- zu generieren, was einer Reduzierung statistical entropy: Case study my), in der Produkte bzw. Materiali- der Statistischen Entropie entspricht. mobile phones en bestmöglich im Kreislauf gehalten Eine Bewertung mittels Statistischer werden (European Commission 2015a, Entropie kann jedoch auch für Produkte Abstract Statistical entropy can be b; European Union 2020). Dabei wird selbst verwendet werden. Hierbei wer- used to evaluate different waste man- erstmals auch dem Produktdesign ei- den die Materialzusammensetzung und agement processes. If a process leads ne große Bedeutung zugeschrieben. So der Aufbau von Produkten mittels Sta- to separation and thus concentration of ist feststellbar, dass der Aufbau und tistischer Entropie bewertet. Komplexe individual materials or substances, this die Zusammensetzung von Produkten Produkte, die aus einer Vielzahl von corresponds to low statistical entropy, einen wesentlichen Einfluss auf das Materialien bestehen, weisen tenden- which increases if mixing and dilution Recycling bzw. die Kreislaufführung ziell eine höhere Statistische Entropie occur. For example, recycling processes haben. Komplex aufgebaute Produkte, und eine schlechtere Recyclingfähigkeit aim to generate concentrated recycling wie beispielsweise Elektrogeräte, verur- auf als Produkte, die nur aus einigen outputs from a mixed waste input, sachen folglich einen höheren, oft nicht wenigen Materialien zusammengesetzt which corresponds to a reduction in wirtschaftlichen Recyclingaufwand, als sind. Die Statistische Entropie kann da- statistical entropy. However, a statis- Produkte, die einfacher gestaltet sind. her als Maß für die Recyclingfähigkeit tical entropy assessment can also be Insbesondere in der Produktgrup- von Produkten betrachtet werden. An- used for products themselves, where pe der Elektrogeräte haben Vielfalt hand einer Fallstudie zu unterschiedli- the material composition and the prod- und Komplexität der Geräte durch die chen Generationen von Mobiltelefonen uct structure are evaluated. Complex rasante technologische Entwicklung wird die Anwendung der neuen Be- products that consist of many materials stark zugenommen (Singh et al. 2018). wertungsmethode demonstriert. Die tend to have a higher statistical entropy Die damit verbundene Miniaturisie- Ergebnisse der Fallstudie zeigen, dass and are less recyclable than products rung von Bauteilen führt oft zu einer sich die Bewertung mittels Statistischer composed of only a few materials. Sta- schlechteren Zerlegbarkeit und so zu Entropie dafür eignet, die produktinhä- tistical entropy can therefore be viewed Verlusten von wertvollen Rohstoffen, rente Recyclingfähigkeit von Produkten as a measure of the recyclability of deren Rückgewinnung nicht möglich zu bewerten und dabei wichtige Ein- products. The application of the new ist oder sich nicht lohnt. Der Druck auf blicke in das Design for Recycling von assessment method is demonstrated die Recyclingindustrie wächst stetig, da Produkten zu liefern. Als Planungs- bzw. in a case study on mobile phones of immer neue Herausforderungen auf- different generations. The results of the treten. Es scheint daher notwendig, die C. Roithner, MSc () · case study show that statistical entropy Auswirkungen des Produktdesigns auf DI Dr. O. Cencic · is suitable for evaluating the product- die Recyclingfähigkeit von Produkten Univ.-Prof. DI Dr. H. Rechberger inherent recyclability of products and näher zu betrachten. Institut für Wassergüte und thus providing important insights into Roithner und Kollegen haben ei- Ressourcenmanagement, Technische the design for recycling of products. ne Bewertungsmethode entwickelt, die Universität Wien, Karlsplatz Applied as a planning or decision-mak- basierend auf Produktinformationen 13/226, 1040 Wien, Österreich ing tool, the new assessment approach wie Materialzusammensetzung und caroline.roithner@tuwien.ac.at could help to set the course for an ef- Aufbau, eine produktinhärente Recy- Ein neuer Weg zur Bewertung der Recyclingfähigkeit von Produkten mittels Statistischer Entropie: Fallbeispiel Mobiltelefone
Originalarbeit Abb. 1 Produktaufbau der modellierten Mobiltelefone Ein neuer Weg zur Bewertung der Recyclingfähigkeit von Produkten mittels Statistischer Entropie: Fallbeispiel Mobiltelefone
Originalarbeit clingfähigkeit errechnet (Roithner et al. Erscheinungsjahr um 2012, welches Diverses, Lot und Hülle), Fassungen 2021, Publikation eingereicht). Im Ge- jenem aus Roithner et al. (2021) ent- und Lot. Im Gegensatz zum Smart- gensatz zu anderen Methoden beziehen spricht. Gemäß den Erkenntnissen aus phone sind beim Mobiltelefon der Laut- sich Roithner et al. (2021) rein auf In- der Literaturrecherche zeigen die bei- sprecher und der Vibrationsmotor an formationen des Produktdesigns. Ziel den Mobiltelefongenerationen sehr un- der Leiterplatte angebracht, jedoch ein- ist es, eine Bewertungsgrundlage für terschiedliche Produktaufbauten. Zur zeln abtrennbar. Weiters unterscheiden ProduktdesignerInnen und Produzent- Beschreibung des Produktaufbaus wur- sich die Mobiltelefone in Bezug auf die Innen zu schaffen, die es ermöglicht, de die Systematik von Roithner et al. Tastatur; beim Mobiltelefon stellt diese Produkte recyclingfähiger zu gestal- (2021) herangezogen. Das Produkt wird eine eigene Komponente dar, während ten bzw. Produkte zu vergleichen. In dazu so weit zerlegt, wie dies mit mode- beim Smartphone die Funktion der dieser Arbeit wird der Bewertungsan- ratem Aufwand möglich ist (z. B. durch Tastatur vom Bildschirm (Touchscreen) satz von Roithner et al. (2021) auf zwei Lösen von Schrauben, Klebemittel etc.). sowie Bauteilen der Leiterplatte über- Mobiltelefone aus unterschiedlichen Dadurch kann beispielsweise eine Lei- nommen wird. Das Smartphone hat technologischen Produktgenerationen terplatte mit elektronischen Bauteilen eine größere Masse als das Mobiltele- angewendet und gezeigt, dass dadurch in eine Vielzahl von Produktelemen- fon (117,65 g > 93,10 g). Die Massen der Unterschiede in der produktinhären- ten zerlegt werden. Alle dabei gewon- einzelnen Komponenten der Mobiltele- ten Recyclingfähigkeit festgestellt so- nenen Produktelemente werden ent- fone und deren Materialzusammenset- wie Verbesserungspotenziale abgeleitet sprechenden Ebenen zugeteilt (Kom- zung (Nm . . . Anzahl der Materialien) werden können. ponenten > Sub-Komponenten > Sub- sind in Tab. 1 gelistet. Es wurden nur Sub-Komponenten > . . . ). Als Kompo- jene Materialien betrachtet, die für die 2 Material und Methoden nenten werden dabei Produktelemente Analyse massemäßig relevant sind und bezeichnet, die aufgrund ihrer Funktio- in Summe mehr als 99 % der Produkt- 2.1 Modellierung von Mobiltelefonen nalität oder technischen Ausführung als masse ausmachen. Dadurch setzt sich alleinstehend betrachtet werden kön- das Smartphone aus 49 Materialien, Da Originaldaten zu Mobiltelefonen nen (z. B. eine Batterie). In diesem Fall- das Mobiltelefon aus 24 Materialien zu- nur sehr schwer zugänglich sind, wur- beispiel endete die Zerlegung auf der sammen. Der Begriff Materialien deckt de im Vorfeld der Modellierung eine Sub-Sub-Ebene. Nach dieser Systematik dabei sowohl chemische Elemente (z. B. Literaturrecherche durchgeführt, an- setzt sich das modellierte Smartphone Al), Verbindungen (z. B. PVC) als auch hand deren Ergebnissen zwei realitäts- aus 11 Komponenten und 32 Sub-Kom- Werkstoffe (z. B. Glas) ab. Die deutli- nahe Mobiltelefone zusammengestellt ponenten, das modellierte Mobiltelefon chen Unterschiede im Produktaufbau wurden (Tarantili et al. 2010; Palmieri aus 10 Komponenten, 27 Sub-Kompo- sowie der Materialzusammensetzung et al. 2014; Ueberschaar et al. 2017; nenten und 2 Sub-Sub-Komponenten können u. a. auf die zeitliche Weiter- Tan et al. 2017; Bookhagen et al. 2018, zusammen. In Abb. 1 ist der Produkt- entwicklung von Mobiltelefonen zu- 2020; Holgersson et al. 2018; Singh et al. aufbau der modellierten Mobiltelefone rückgeführt werden (Bsp. Touchscreen 2018; Smodiš et al. 2018; Fontana et al. zusammengefasst. So besteht z. B. die vs. Tastatur). Es ist an dieser Stelle 2019; Liu et al. 2019). Die modellier- Leiterplattenkomponente des einfa- festzuhalten, dass für die Materiallis- ten Mobiltelefone umfassen einerseits chen Mobiltelefons aus den Sub-Kom- te der modellierten Mobiltelefone kein ein Mobiltelefon, das mit einem Er- ponenten Leiterplatte, Kondensatoren, Anspruch auf Vollständigkeit erhoben scheinungsjahr um 2008 datiert werden Halbleiter, Lautsprecher (mit den Sub- wird. kann, und andererseits ein Smartphone Sub-Komponenten Magnete, Diverses, (dieses stellt modernere Mobiltelefone Lot und Hülle), Vibrationsmotor (mit 2.2 Statistische Entropie Analyse mit einem Touchscreen dar) mit einem den Sub-Sub-Komponenten Magnete, Die Statistische Entropie (SE), welche Tab. 1 Massen und Anzahl der Materialien der modellierten Mobiltelefone und de- ihren Ursprung in der Thermodynamik ren Komponenten hat, wurde in den letzten Jahrzehnten in unterschiedlichen Fachbereichen Masse (g) Material- Masse (g) Material- anzahl anzahl weiterentwickelt und angewandt. SE ist allgemein gesprochen ein Maß für Leiterplatte mit elektr. 12,15 42 Leiterplatte mit elektr. 15,79 19 Bauteilen Bauteilen die Ordnung bzw. Unordnung eines Systems. Je größer die Unordnung des Gehäuse 20,00 1 Gehäuse 9,00 1 betrachteten Systems, desto höher ist Bildschirm 32,00 3 Bildschirm 7,53 2 die SE. In den meisten Anwendungen Batterie 26,00 10 Batterie 19,01 7 ist es das Ziel, die SE gering zu halten Kameras 5,00 17 Kamera 9,00 7 und damit eine höhere Unordnung zu SIM-Kartenträger 2,00 1 SIM-Kartenträger 3,00 1 vermeiden. Einen wesentlichen Beitrag Abdeckung 13,00 2 Abdeckungen 15,00 1 zur Weiterentwicklung von SE lieferte Tasten 2,00 16 Tasten 3,00 7 Claude Shannon, indem er SE in die Schrauben 2,00 2 Schrauben 3,00 1 Informationstheorie einführte und als den mittleren Informationsgehalt einer Lautsprecher 1,50 13 – – – Nachricht definierte (Shannon 1948). Vibrationsmotor 2,00 15 – – – Dabei ist der Informationsgehalt eines – – – Tastatur 8,76 7 Zeichens (ausgedrückt in der Einheit Smartphone 117,65 49 Mobiltelefon 93,10 24 Bit) umso geringer, je häufiger es in ei- Ein neuer Weg zur Bewertung der Recyclingfähigkeit von Produkten mittels Statistischer Entropie: Fallbeispiel Mobiltelefone
Originalarbeit ner Nachricht vorkommt (ausgedrückt Produktelemente zerlegt werden (vgl. durch die Auftretenswahrscheinlich- schwarze Einrahmungen in der unteren keit pi). Shannons Ansatz kann verein- Grafik von Abb. 2). Dies führt zu einer facht mit Gl. 1 dargestellt werden (ld genaueren Information über die Vertei- ist der Logarithmus zur Basis 2; es gilt lung von Al und Cu im Produkt bzw. ld(0) = 0). den Produktelementen, wodurch eine bessere Abschätzung der produktinhä- H =− p i ld(p i ) (1) renten Recyclingfähigkeit ermöglicht wird. Beispielsweise besteht ein Pro- Shannons Ansatz wurde von Rech- duktelement aus reinem Aluminium berger und Brunner weiterentwickelt, (Konzentration c = 1 g Al/g Produktele- um konzentrierende bzw. verdünnende ment), was den bestmöglichsten Fall Effekte von Prozessen auf bestimm- für die Recyclingfähigkeit darstellt, da te Stoffe zu untersuchen und damit dieses Reinmaterial nach Ausbau direkt Materialflusssysteme bewerten zu kön- verwertet werden kann. nen (Rechberger 1999; Rechberger und In Anlehnung an Shannons Ansatz Brunner 2002). Dadurch können z. B. haben Roithner et al. (2021) die Be- bei einer Müllverbrennungsanlage (mit rechnung der sogenannten Relativen einem Input und den Outputflüssen produktinhärenten Recyclingfähigkeit Schlacke, Schrott, Filterasche, Filterku- (RPR) gemäß Gl. 2 und 3 definiert (wei- chen, Gips, Abwasser und Abgas) die tere Erklärung siehe Roithner et al. Auswirkungen des Verbrennungspro- 2021). Wichtig ist dabei, dass für die zesses auf einen bestimmten Schadstoff Berechnung der produktelementspe- im Abfallinput beurteilt werden. Liegt zifischen SE (Hj) (vgl. Gl. 2) jene Ne der Schadstoff nach Durchlaufen der Abb. 2 Materialverteilung eines theore- Produktelemente berücksichtigt wer- Müllverbrennungsanlage in allen Out- tischen Produkts XY ohne (oben) und mit den, die sich bei einer bestmöglichen putflüssen in etwa der gleichen Kon- (unten) Berücksichtigung des Produkt- Zerlegung ergeben. Die SE des gesam- zentration vor, wäre dies der schlech- aufbaus ten Produkts (Hp; vgl. Gl. 3) ist das teste Fall (H = Maximum). Kommt es massengewichtete Mittel aller Hj (Mj jedoch zur maximalen Konzentrierung Recyclingfähigkeit eines Produkts we- . . . Masse des Produktelements; Mp des Schadstoffes in einem einzigen sentlich prägen. Die Recyclingfähigkeit . . . Masse des gesamten Produkts). Für Outputfluss, entspricht dies dem bes- sinkt, je mehr Materialien in ähnlichen das finale RPR-Ergebnis (vgl. Gl. 4) wird ten Fall (H = Minimum). In der Praxis Konzentrationen im Produkt bzw. sei- die relative SE herangezogen, welche ist die Stoffverteilung zwischen diesen nen Bauteilen vorliegen. Je stärker ein Hp in Relation zur maximal möglichen beiden SE-Extremen zu finden. Produkt zerlegt werden kann, desto Entropie setzt (Hmax = ld(Nm); entspricht Nachfolgende SE Anwendungen be- höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Situation, wenn alle Nm Materialien fassten sich u. a. mit der Bewertung die Anzahl der Materialien in diesen in gleicher Konzentration im Produkt von Stoffhaushaltssystemen (Rechber- Bauteilen abnimmt und manche dieser vorkommen und keine Zerlegung mög- ger und Graedel 2002; Sobańtka et al. Materialien in höherer Konzentration lich ist). Gemäß Gl. 4 kann auch die 2014; Laner et al. 2017; Tanzer und vorliegen, wodurch die Recyclingfähig- RPR der einzelnen Produktelemente Rechberger 2020) sowie Recyclingpro- keit steigt. (RPRj) errechnet werden, wobei dafür zessen und Systemen im Sinne der CE Da vorangegangene SE-Anwendun- Hp durch Hj ersetzt werden muss. (Parchomenko et al. 2020; Roithner und gen bereits demonstrierten, dass SE Um fundierte Vergleiche zwischen Rechberger 2020). Zuletzt wurde in der eine geeignete Maßzahl für die Be- unterschiedlichen Produkten zu ermög- Publikation von Roithner et al. (2021) wertung von Materialverteilungen ist lichen, empfehlen Roithner et al. (2021) ein SE-Ansatz zur Bewertung von Pro- (vgl. voriges Kapitel), wurde Shannons einen typischen produktspezifischen dukten und deren produktinhärente SE-Gleichung (vgl. Gl. 1) von Roithner Materialienkatalog mit Nm Materiali- Recyclingfähigkeit beschrieben. et al. (2021) weiterentwickelt und für en festzulegen, der dann Hmax für den die oben erwähnten Produktinforma- Vergleich definiert (siehe Gl. 4). 2.3 Produktinhärente tionen ausgelegt. Anhand von Abb. 2 Recyclingfähigkeit wird das Prinzip dieser Weiterentwick- N m Hj = − c i ,j ld(c i ,j ) (2) lung vereinfacht dargestellt. i =1 Für den nachfolgenden Mobiltelefon- Ein theoretisches Produkt XY be- 1 Ne vergleich wurde der SE-basierte Bewer- steht demnach zu neun Teilen aus Hp = Mj Hj (3) Mp j =1 tungsansatz von Roithner et al. (2021) Aluminium (Al) und zu sechs Teilen Hp Hp herangezogen. Bei diesem Ansatz wird aus Kupfer (Cu) (vgl. Abb. 2). Im Falle, RP R = 1 − =1− (4) Hmax ld (Nm ) anhand der Materialverteilung und des dass das Produkt nicht zerlegt werden Aufbaus von Produkten eine relative kann, wäre die SE für diese Produkt- Ein RPR Ergebnis von 1 (= 100 %) produktinhärente Recyclingfähigkeit bewertung relativ hoch, da Al und Cu spiegelt eine maximale Recyclingfähig- (RPR) bestimmt. Es wird davon aus- in ähnlich hoher Konzentration vor- keit bezogen auf das Produktdesign gegangen, dass diese Produktinforma- kommen. Ist eine Zerlegung in einzelne wider. Das Ziel ist somit, eine höchst- tionen, die bereits in der Phase des Produktelemente möglich, kann das mögliche RPR zu erreichen. Die RPR Produktdesigns festgelegt werden, die Produkt jedoch in die vier dargestellten steigt, je stärker konzentriert einzelne Ein neuer Weg zur Bewertung der Recyclingfähigkeit von Produkten mittels Statistischer Entropie: Fallbeispiel Mobiltelefone
Originalarbeit Abb. 3 Materialkonzentrationen in den Komponenten des Smartphones Abb. 4 Materialkonzentrationen in den Komponenten des Mobiltelefons Ein neuer Weg zur Bewertung der Recyclingfähigkeit von Produkten mittels Statistischer Entropie: Fallbeispiel Mobiltelefone
Originalarbeit Tab. 2 Relative produktinhärente Recyclingfähigkeit (RPR) der Mobiltelefone und der zugehörigen Komponenten (RPRj), sowie massegewichtete Beiträge der einzelnen RPRj zur RPR bei angenommener Zerlegung RPRj RPRj RPRj Beitrag RPRj RPRj RPRj Beitrag (%abs) Beitrag (%rel) (%abs) Beitrag (%rel) (%abs) (%abs) Leiterplatte mit elektroni- 74,0 7,6 8,8 Leiterplatte mit elektroni- 86,5 14,7 16,1 schen Bauteilen schen Bauteilen Gehäuse 100 17,0 19,5 Gehäuse 100 9,7 10,6 Bildschirm 80,5 21,9 25,1 Bildschirm 87,1 7,0 7,7 Batterie 84,0 18,6 21,2 Batterie 89,0 18,2 19,9 Kameras 90,1 3,8 4,4 Kamera 87,2 8,4 9,2 SIM-Kartenträger 100 1,7 1,9 SIM-Kartenträger 100 3,2 3,5 Abdeckung 100 11,0 12,7 Abdeckungen 100 16,1 17,6 Tasten 84,5 1,4 1,6 Tasten 95,1 3,1 3,4 Schrauben 100 1,7 1,9 Schrauben 100 3,2 3,5 Lautsprecher 82,0 1,0 1,2 – – – – Vibrationsmotor 87,0 1,5 1,7 – – – – – – – – Tastatur 81,7 7,7 8,4 Smartphone – 87,3 100 Mobiltelefon – 91,3 100 Materialien in den Produktelementen vorkämen, d. h. alle Säulen gleich hoch zahl beim Smartphone (Smartphone vorliegen, was durch die Zerlegbarkeit wären. 42 > Mobiltelefon 19) und andererseits des Produkts begünstigt wird. Ein RPR Abb. 5 zeigt, dass bei der maxi- auf die tendenziell höhere Konzen- von 0 bedeutet nicht, dass man das Pro- mal angenommenen Zerlegung (bis trierung einzelner Materialien in den dukt nachfolgend nicht recyceln kann, zur Ebene der Sub-Sub-Komponen- Sub-Elementen des Mobiltelefons zu- stellt jedoch in Hinblick auf das Pro- ten) beide Mobiltelefone eine relativ rückzuführen. Ähnliche Effekte können duktdesign die schlechteste Situation hohe RPR erzielen, wobei jene des älte- auch für die Komponenten Bildschirm, dar. ren Mobiltelefons geringfügig höher ist Batterie und Tasten beobachtet wer- (91,3 % > 87.3 %) und dieses daher recy- den (RPRj Smartphone < Mobiltelefon). 3 Ergebnisse clingfähiger als das Smartphone ist. Die In beiden Mobiltelefonen erzielen die Differenz zwischen den RPR-Werten Komponenten Gehäuse, SIM-Karten- Der für diese Bewertung gewählte Ma- kann auf die bessere Konzentrierung träger, Abdeckung/en und Schrauben terialienkatalog orientiert sich an den von einzelnen Materialien in den Pro- eine 100 %ige RPRj, da sie aus Reinma- 49 betrachteten Materialien des Smart- duktelementen des Mobiltelefons zu- terialien bestehen bzw. in Reinmateria- phones (= Nm), wodurch die maxi- rückgeführt werden (vgl. Abb. 3 und 4). lien zerlegt werden können. Das Design male SE für beide Mobiltelefone mit Bei einer Zerlegung bis zur Kompo- dieser Komponenten ist außerdem in Hmax = ld(49) fixiert ist (vgl. Gl. 4). Die nenten-Ebene würden das Smartphone beiden Mobiltelefonen sehr ähnlich, Abb. 3 und 4 zeigen die Verteilung der und das Mobiltelefon zufälligerweise was darauf hindeutet, dass sich deren Materialien in den Komponenten des eine praktisch idente RPR von 74,1 % Funktion über die Zeit nicht wesentlich Smartphones und des Mobiltelefons. erzielen, obwohl ihre Materialverteilun- verändert hat. Je weniger hohe Konzentrationssäulen gen sehr unterschiedlich sind. Wären Zusätzlich kann für beide Mobiltele- für eine Komponente vorhanden sind, die Mobiltelefone nicht zerlegbar, wür- fone der relative Beitrag der einzelnen desto geringer ist ihre SE bzw. desto den sich beide RPR-Ergebnisse deut- RPRj zur Produkt-RPR betrachtet wer- höher ist ihre RPRj (vgl. Tab. 2). Die lich verringern, nämlich auf 40,8 % den (vgl. Spalte 4 und 8 in Tab. 2). Hier- Materialanzahl selbst lässt nur bedingt beim Smartphone und 46,3 % beim für werden die RPRj der einzelnen Kom- erkennen, ob die SE einer Komponente Mobiltelefon, was die Wichtigkeit des ponenten massegewichtet (mit Mj/Mp) hoch ist oder nicht. Wenn viele Mate- Produktdesigns bzw. der Zerlegbarkeit und im Verhältnis zu RPR dargestellt. rialien in sehr geringer Konzentration herausstreicht. Es zeigt sich, dass sich die relativen vorliegen (wie z. B. bei der Leiterplatte Die RPR-Ergebnisse der Mobilte- Beiträge von einzelnen Komponenten des Smartphones, vgl. Abb. 3), dann lefone und deren Komponenten sind stark unterscheiden. Beim Smartphone haben diese Materialien, im Vergleich in Tab. 2 gelistet. Bei Betrachtung der liefern die Komponenten Bildschirm zu den bestimmenden Materialien mit RPRj der einzelnen Komponenten wer- (25,1 %), Batterie (21,2 %) und Gehäu- hoher Konzentration, wenig Einfluss den Unterschiede zwischen den Mo- se (19,5 %) die größten Beiträge zur auf die SE bzw. RPR. Der beste Fall biltelefonen deutlicher (vgl. Spalte 2 RPR, während es beim Mobiltelefon (H = 0 bzw. RPRj = 1) ergibt sich, wenn und 6 in Tab. 2). So erzielt beispielswei- die Komponenten Batterie (19,9 %), Ab- eine Komponente aus nur einem Ma- se die Leiterplatte des Smartphones deckungen (17,6 %) und Leiterplatte terial besteht (z. B. die Gehäuse beider eine RPRj von 74,0 %, während je- (16,1 %) sind. Die Höhe der Beiträge Mobiltelefone). Der schlechteste Fall ne des Mobiltelefons eine RPRj von ist, aufgrund der ähnlichen RPRj der (H = Hmax bzw. RPRj = 0) ergäbe sich, 86,5 % erzielt. Dieser Unterschied bei Komponenten (zw. 74 und 100 %), da- wenn alle Materialien in einer Kom- den Leiterplatten ist einerseits auf die bei stark von der Massengewichtung ponente mit gleicher Konzentration technologiebedingt höhere Materialan- abhängig, wodurch z. B. die schwere- Ein neuer Weg zur Bewertung der Recyclingfähigkeit von Produkten mittels Statistischer Entropie: Fallbeispiel Mobiltelefone
Originalarbeit re Leiterplatte des Mobiltelefons einen höheren Beitrag liefert als jene des Smartphones. 4 Schlussfolgerungen Der Vergleich von Mobiltelefonen auf Basis der RPR-Ergebnisse zeigt, dass sich die Bewertungsmethode von Roith- ner et al. (2021) dazu eignet, komplexe und schwer vergleichbare Produkte zu bewerten und folglich potenzielle Un- terschiede in der produktinhärenten Recyclingfähigkeit festzustellen. Mit dieser Methode kann die RPR für das gesamte Produkt sowie für einzelne Produktelemente errechnet werden. Die RPR steigt, je konzentrierter Mate- Abb. 5 Relative produktinhärente Recyclingfähigkeit (RPR) der Mobiltelefone nach rialien in den zerlegbaren Produktele- den unterschiedlichen Zerlegungsschritten menten vorliegen. Die Produktergeb- nisse der Mobiltelefone zeigen, dass bezogen auf den gewählten Materia- ProduktdesignerInnen bzw. Produ- Funding Open access funding provided lienkatalog beide Produkte eine rela- zentInnen könnten durch Anwendung by TU Wien (TUW). tiv hohe RPR aufweisen, mit geringen der RPR-Bewertungsmethode wesent- Vorteilen für das Mobiltelefon (Smart- liche Erkenntnisse über die produk- Open Access Dieser Artikel wird unter phone rund 87 %; Mobiltelefon rund tinhärente Recyclingfähigkeit erlangen der Creative Commons Namensnen- 91 %). Die niedrigere RPR des Smart- und unmittelbare Designoptimierun- nung 4.0 International Lizenz veröffent- phones kann durch die komplexere Ma- gen planen bzw. durchführen (z. B. licht, welche die Nutzung, Vervielfäl- terialzusammensetzung bedingt durch reduzierten und/oder konzentrierten tigung, Bearbeitung, Verbreitung und die technologische Weiterentwicklung Materialieneinsatz und hohe Zerleg- Wiedergabe in jeglichem Medium und erklärt werden. Es zeigte sich, dass die barkeit). Durch einen erhöhten Einsatz Format erlaubt, sofern Sie den/die ur- RPR-Werte deutlich geringer ausfallen, von trennbaren, hochkonzentrierten sprünglichen Autor(en) und die Quelle wenn die modellierten Mobiltelefo- Materialien könnten so optimale Be- ordnungsgemäß nennen, einen Link zur ne nicht in deren Sub-Sub-Kompo- dingungen für nachfolgende Verwer- Creative Commons Lizenz beifügen und nenten zerlegt werden (können). Die tungswege geschaffen werden. Folglich angeben, ob Änderungen vorgenom- Ergebnisse der RPRj-Beiträge der ein- könnten solche Produktoptimierungen men wurden. zelnen Komponenten zeigen, dass für zu einer gesteigerten Kreislaufführung die Optimierung des Produktdesigns von Produkten bzw. Materialien führen Die in diesem Artikel enthaltenen Bil- eine unterschiedliche Priorisierung ge- und zu einer effektiveren CE beitragen. der und sonstiges Drittmaterial unter- setzt werden müsste. So könnte die Besonders für die Produktgruppe der liegen ebenfalls der genannten Crea- höchste relative Steigerung der RPR Elektrogeräte wäre diese Entwicklung tive Commons Lizenz, sofern sich aus beim Smartphone durch Optimierung von Bedeutung, da in diesen Produkten der Abbildungslegende nichts anderes des Bildschirms und beim Mobiltelefon diverse (wertvolle) Rohstoffe eingesetzt ergibt. Sofern das betreffende Materi- durch Optimierung der Batterie erzielt werden, welche derzeit nur teilweise al nicht unter der genannten Creative werden, da es sich bei beiden Produkt- rückgewonnen werden (können). Die Commons Lizenz steht und die betref- elementen um das schwerste Element von Roithner et al. (2021) angedachte fende Handlung nicht nach gesetzlichen des jeweiligen Produkts handelt. Es Erweiterung der RPR-Bewertung um Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben muss darauf hingewiesen werden, dass Eigenschaften wie Gefährlichkeit und aufgeführten Weiterverwendungen des die Materialgruppe „Diverses“ so klein Kritikalität von Materialen könnte für Materials die Einwilligung des jeweili- wie möglich gehalten werden sollte, die Produktgruppe der Elektrogeräte gen Rechteinhabers einzuholen. da diese sonst die Ergebnisse maßgeb- relevante Erkenntnisse liefern, da bei Weitere Details zur Lizenz entnehmen lich beeinflussen könnte. Im Falle der dieser oftmals Schadstoffe (z. B. Flamm- Sie bitte der Lizenzinformation auf modellierten Mobiltelefone war diese schutzmittel) und kritische Rohstoffe http://creativecommons.org/licenses/ notwendig, um fehlende Konzentrati- (z. B. Kobalt) eingesetzt werden. by/4.0/deed.de. onsdaten auszugleichen. Ein neuer Weg zur Bewertung der Recyclingfähigkeit von Produkten mittels Statistischer Entropie: Fallbeispiel Mobiltelefone
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