DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT
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DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT Aantal woorden: 17 124 Marie Verschraegen Studentennummer: 01508689 Promotor: Prof. dr. Claudio Scarvaglieri Masterproef voorgelegd voor het behalen van de graad master in de meertalige communicatie: combinatie van ten minste twee talen: Nederlands, Frans, Duits Academiejaar: 2019 - 2020
DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT Aantal woorden: 17 124 Marie Verschraegen Studentennummer: 01508689 Promotor: Prof. dr. Claudio Scarvaglieri Masterproef voorgelegd voor het behalen van de graad master in de meertalige communicatie: combinatie van ten minste twee talen: Nederlands, Frans, Duits Academiejaar: 2019 - 2020
Verklaring i.v.m. auteursrecht De auteur en de promotor(en) geven de toelating deze studie als geheel voor consultatie beschikbaar te stellen voor persoonlijk gebruik. Elk ander gebruik valt onder de beperkingen van het auteursrecht, in het bijzonder met betrekking tot de verplichting de bron uitdrukkelijk te vermelden bij het aanhalen van gegevens uit deze studie. 4
Preambule Deze masterproef kwam tot stand tijdens de periode waarin de coronamaatregelen van kracht waren aan de Universiteit Gent. Voor dit onderzoek werd het taallandschap van Gent gefotografeerd en geanalyseerd. De foto’s voor het corpus werden in september 2019 genomen. Ook werd materiaal uit de faculteitsbibliotheek voor het ingaan van de coronamaatregelen ontleend. Het onderzoek heeft dus niet direct onder de maatregelen geleden. Normaal zouden feedbackmomenten met de promotor plaatsvinden aan de faculteit. Wegens de coronamaatregelen werden online feedbackgesprekken georganiseerd. Hoewel dit een goede oplossing was, zijn face-to-face feedbackgesprekken soms toch makkelijker. Deze preambule werd in overleg tussen de student en de promotor opgesteld en door beide goedgekeurd. 5
Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich bei einigen Personen bedanken, die zur Realisierung dieser Masterarbeit beigetragen haben. Zunächst möchte ich meinem Betreuer Prof. Dr. Claudio Scarvaglieri dafür danken, dass er mich in das Forschungsgebiet der Sprachlandschaft eingeführt und das interessante Thema dieser Masterarbeit vorgeschlagen hat. Bedanken möchte ich mich bei ihm auch für das konstruktive Feedback und die Beratung während des Schreibens. Außerdem bedanke ich mich bei Lena für die hilfreichen Tipps. Ich möchte auch meinen Freunden, meiner Familie und insbesondere meinen Eltern für ihre Unterstützung in den letzten vier Jahren danken. Marie Verschraegen 6
INHALT 1 Einleitung ......................................................................................................................11 2 Theoretische Grundlagen ..............................................................................................12 2.1 Linguistic Landscaping: Definition ..........................................................................12 2.2 Schild: Definition.....................................................................................................12 3 Forschungsstand ...........................................................................................................13 3.1 By whom? For whom? Quo vadis? (Backhaus, 2007) ............................................13 3.2 Sign rules (Spolsky & Cooper, 1991, (Spolsky, 2009)) ...........................................14 3.3 Funktion der Linguistic Landscape an touristischen Orten (Kallen, 2009) ...............15 3.4 Code Preferences (Scollon & Scollon, 2003) ..........................................................16 3.5 Sprachen und symbolischer Wert (Piller, 2001) ......................................................17 3.6 Linguistic Landscape und Tourismus: Niederdeutsch in Ostfriesland (Reershemius, 2011) ........................................................................................................18 3.7 Linguistic Landscape und Tourismus: Englisch als Lingua Franca am Touristenort S’Arenal auf Mallorca (Bruyèl-Olmedo & Juan-Garau, 2009) ............................................20 3.8 Klassifizierung der Eigennamen nach Sprachen (Edelman, 2009) .........................20 3.9 Sprachen und Namen (Pappenhagen et al., 2016) .................................................21 4 Bisherige Forschung: Linguistic Landscape in Flandern ................................................23 4.1 Linguistic Landscape in Gent (Botterman, 2011) ....................................................23 4.2 Linguistic Landscape und Tourismus in Brügge (Van Mol & Slembrouck, 2014).....24 5 Tourismusdestination Gent............................................................................................27 5.1 Sprachsituation in Gent und Belgien.......................................................................27 5.2 Gent und Tourismus ...............................................................................................30 6 Methodik .......................................................................................................................33 6.1 Erhebung der LL von Gent .....................................................................................33 6.1.1 Untersuchungsgebiet ......................................................................................33 6.1.2 Untersuchungsgegenstand: Schild ..................................................................34 6.2 Korpus....................................................................................................................34 6.3 Sprache..................................................................................................................35 6.4 Forschungsfragen ..................................................................................................35 7 Ergebnisse der Analysen: Sprachen..............................................................................39 7.1 Überblick über das Korpus .....................................................................................39 7.2 Gefundene Sprache ...............................................................................................41 7.2.1 Sind diese Sprachen Dialekte, Landessprachen oder Sprachen der Touristen? Spiegeln diese die sprachliche Lage in Belgien und die touristische Lage in Gent wider? ........................................................................................................................42 7.2.2 Was sind die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der Sprachlandschaft von Gent und Brügge, einer anderen flämischen Touristenstadt? .................................45 7
8 Ergebnisse der Analysen: mono- und multilinguale Schilder..........................................47 8.1 Verteilung mono- und multilingualer Schilder pro Einrichtung .................................48 8.2 Code Preference (Scollon & Scollon, 2003)............................................................52 9 Verwendung der Sprachen in den unterschiedlichen Textarten .....................................55 9.1 Namensgebung der Einrichtungen und Produkte ...................................................55 9.1.1 Niederländische Namen ..................................................................................56 9.1.2 Englische Namen ............................................................................................58 9.1.3 Französische Namen ......................................................................................60 9.2 Enthalten die Namen der Lebensmittelgeschäfte und Restaurants einen Hinweis auf einen kulturellen Hintergrund und/oder eine kulturelle Identität (Pappenhagen et al., 2016)? ..............................................................................................................................61 9.3 Enthalten die Namen von Hotels Wörter, die in vielen Sprachen bekannt sind (Pappenhagen et al. 2016)? ..............................................................................................63 9.4 Welche Sprachen werden von den LL-Akteuren für die Werbung benutzt (Kallen, Piller, 2001)?.....................................................................................................................64 10 Lingua Franca ...............................................................................................................69 11 Fazit ..............................................................................................................................75 12 Quellenverzeichnis ........................................................................................................79 12.1 Literaturverzeichnis ................................................................................................79 12.2 Internetquellen .......................................................................................................80 17 124 Wörter 8
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Anzahl Gäste und Übernachtungen 2019 (eigene Darstellung, Quelle: 30 Toerisme Vlaanderen, 2019) Tabelle 2: Ergebnisübersicht 39 Tabelle 3: Ergebnisübersicht (%) 39 Tabelle 4: Gefundene Sprachen in der LL 41 Tabelle 5: Anzahl Gäste und Übernachtungen 2019 (eigene Darstellung, Quelle: 42 Toerisme Vlaanderen, 2019) Tabelle 6: Sprachvorkommen auf monolingualen und multilingualen Schildern 47 Tabelle 7: Verteilung mono- und multilingualer Schilder pro Einrichtung 48 Tabelle 8: Monolinguale niederländische und englische Schilder pro Einrichtung 48 Tabelle 9: Bevorzugte Sprache auf den mehrsprachigen Schildern 52 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Karte der drei Sprachgemeinschaften Belgiens (Vogl & Hüning, 2010, 28 S. 231) Abbildung 2: Karte des Stadtrundgangs (orange markiert sind fotografierte Straßen) 33 Abbildung 3: Beispiel Code Preference: Allergeninformationen des Restaurants 37 Pampas Abbildung 4: Monolinguales englisches Schild Marriott Hotel 49 Abbildung 5: Monolinguales Parkverbot Fahrräder 51 Abbildung 6: Piktogramm 51 Abbildung 7: Monolinguales Parkverbot Fahrräder 51 Abbildung 8: Monolinguales niederländisches Schild mit Öffnungszeiten 52 Abbildung 9: Menükarte des chinesischen Restaurants Jinjiang 54 Abbildung 10: Namensschild: Bar De Croone 56 Abbildung 11: Namensschild: Restaurant Babbelut 57 Abbildung 12: Namensschild: Restaurant ‘t Vosken 58 Abbildung 13: Namensschild: Souvenirgeschäft I love Gent 59 Abbildung 14: Schaufenster des Bekleidungsgeschäfts Gantoinette 60 Abbildung 15: Jobangebot The Celtic Towers 62 Abbildung 16: Namensschild: Restaurant Jinjiang 62 Abbildung 17: Slogan des Schokoladengeschäfts Leonidas 65 Abbildung 18: Schild des Souvenirgeschäfts Belgian Treasures 65 Abbildung 19: Slogan des Bekleidungsgeschäfts Pur Sens 65 Abbildung 20: Poster: Muscheln Zeeland’s roem 66 Abbildung 21: Poster: Tapdans Lessen 66 Abbildung 22: Schaufenster des Schokoladengeschäfts Leonidas 66 Abbildung 23: Schild Vrijdag Kebap: Kebabfleisch 66 Abbildung 24: Angebot des Souvenirgeschäfts Craenkinderhuys 70 Abbildung 25: Angebot des Souvenirsgeschäfts Beer Corner 70 Abbildung 26: Schild des Schokoladengeschäfts Neuhaus 71 Abbildung 27: Angebot des Schokoladengeschäfts Belgian Treasures 71 Abbildung 28: Angebot des Souvenirsgeschäfts I love Gent (Magnets) 72 Abbildung 29: Angebot des Souvenirsgeschäfts I love Gent (souvenirs & 72 chocolates) Abbildung 30: Poster I love Gent: Chocolate Tour 72 Abbildung 31: Schild: Hotel Gravensteen 73 Abbildung 32: Schild: Hostel Uppelink 73 9
Diagramme Diagramm 1: Anzahl der Betriebe der Gastronomie und Hotellerie pro Teilsektor in Gent am 31. Dezember 2018(eigene Darstellung, Quelle: guidea.incijfers.be- Statbel (Algemene Directie Statistiek - Statistics Belgium)) 32 10
1 EINLEITUNG Gent ist als zweitgrößte Stadt Flanderns und als Hauptstadt der Provinz Ostflandern ein beliebtes Reiseziel für TouristInnen. Im Jahr 2019 durfte die Kunststadt mehr als 1,2 Millionen Besucher, die eine Übernachtung buchten, begrüßen (Toerisme Vlaanderen, 2019). Die meisten TouristInnen kamen aus Belgien, den Niederlanden, Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Spanien und den Vereinigten Staaten. Nicht nur die TouristInnen sind von Gent als Reiseziel überzeugt, sondern auch die Einwohner von Gent selbst. Laut einer Umfrage von Toerisme Vlaanderen aus dem Jahr 2017, halten 71% der Einwohner der Stadt den Tourismus für sehr wichtig. Acht von zehn Befragten gaben an, dass der Tourismus sie stolz macht, Bürger von Gent zu sein (Stad Gent, 2017). Der Tourismus spielt in Gent eindeutig eine wichtige Rolle. Die Altstadt verfügt über viele Restaurants, Bars, Hotels und Geschäfte, die alle auf verschiedene Weise versuchen TouristInnen anzulocken. Schilder, die den TouristInnen mehr Informationen geben oder sie überzeugen sollen, prägen die Linguistic Landscape der Stadt. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Einfluss des Tourismus auf die Linguistic Landscape (LL)1 von Gent. Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen welche Sprachen man auf den Schildern von privaten Akteuren in Gent findet. Bei den Schildern wird danach analysiert ob es um monolinguale oder multilinguale Schilder geht. Zunächst wird die Frage, ob bei den mehrsprachigen Schildern eine Sprache bevorzugt wird, behandelt. Anschließend wird untersucht wie die Sprachen in den unterschiedlichen Textarten verwendet werden. Dabei werden die Sprachen, die verwendet werden für die Namensgebung der Einrichtungen und für die Werbung behandelt. Zum Schluss wird untersucht, ob es eine Lingua Franca gibt. Im folgenden Kapitel werden die theoretischen Grundlagen, die für diese Arbeit relevant sind, vorgestellt. Anschließend wird im dritten Kapitel ein Überblick über den Forschungsstand zur Linguistic Landscape gegeben. Das vierte Kapitel befasst sich mit der bisherigen Forschung zu Linguistic Landscaping in Flandern. Kapitel 5 behandelt die Stadt Gent als Tourismusdestination. Im sechsten Kapitel werden die Methodik und das Korpus, das dieser Arbeit zugrunde liegt, beschrieben. Auch Untersuchungsgegenstand, Untersuchungsgebiet und die Fragestellungen werden erläutert. Im Anschluss erfolgt die Diskussion der Ergebnisse im siebten, achten, neunten und zehnten Kapitel. Schließlich wird im elften Kapitel das Fazit dieser Arbeit formuliert. 1 In der vorliegenden Arbeit wird LL als Abkürzung für ‚Linguistic Landscape‘ benutzt. 11
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 2.1 Linguistic Landscaping: Definition Die Forschung zu Linguistic Landscaping stellt ein relativ junges Forschungsgebiet der Sprachwissenschaft dar. Landry & Bourhis (1997, S.25) definierten als erste die Linguistic Landscape (LL) als “The language of public road signs, advertising billboards, street names, place names, commercial shop signs, and public signs on government buildings combine to form the linguistic landscape of a given territory, region or urban agglomeration”. Shohamy & Gorter (2008) haben diese Definition erweitert: Ihnen zufolge bezieht sich die Linguistic Landcape einerseits auf den Gegenstand, also Sprache im öffentlichen Raum, und andererseits auf die Erforschung dieses Gegenstands. Landry & Bourhis (1997, S. 25-27) unterscheiden zwei Funktionen der Linguistic Landscape eines Gebiets. Einerseits erfüllt sie eine informative Funktion: Sie gibt einen Überblick über die verschiedenen verwendeten Sprachen einer Region. Andererseits dient sie dem Zweck die Machtverhältnisse zwischen verschiedenen Sprachgemeinschaften im öffentlichen Raum sichtbar zu machen. 2.2 Schild: Definition Landry & Bourhis (1997) unterscheiden zwei Arten von Schildern. Als „private signs“ bezeichnen sie die kommerziellen Schilder an den Fassaden von Geschäften und Firmen, Reklametafeln oder Werbeschilder an öffentlichen Verkehrsmitteln und an Privatfahrzeugen (S.26). Im Gegensatz zu diesen privaten Schildern enthalten die „government signs“ offizielle, institutionelle Informationen. Die beiden Forscher beziehen sich hierbei also auf Vorschriften oder öffentliche Bekanntmachungen, welche auf Verkehrszeichen, Ortsschildern, Straßennamen und Inschriften an offiziellen Gebäuden wie Ministerien, Krankenhäusern, Rathäusern, Schulen oder Universitäten, U-Bahnhöfen und öffentlichen Parks zu finden sind (S.26). In späteren Forschungsprojekten werden auch die Begriffe bottom-up und top-down verwendet. Ben-Rafael et al. (2006) definieren top-down und bottom-up signs wie folgt: The main difference between these two wide categories of LL elements resides in the fact that the former are expected to reflect a general commitment to the dominant culture while the latter are designed much more freely according to individual strategies (Ben-Rafael et al., S. 10). Die „private signs“ verfügen über eine größere sprachliche Diversität als „government signs“, weil sie von verschiedenen Individuen geprägt werden (Leclerc, 1989 zitiert in Landry & Bourhis, 1997, S. 27). Für top-down signs machen manche Staaten offizielle Vorschriften, 12
welche Sprachen verwendet werden müssen. Aus diesem Grund verfügen die LL-Akteure bei diesen Schildern über weniger Freiheit als bei den privaten Schildern. In diesem Kontext stellt sich die Frage, was der Begriff ‚Schild‘ genau umfasst. Dazu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Backhaus (2006, S.55) definiert ein Schild als „any piece of written text within a spatially definable frame”. Ein Schild wird also als eine deutlich abgegrenzte Texteinheit beschrieben. Cenoz & Gorter (2006, S. 71) greifen dagegen auf eine andere Definition zurück: “in the case of shops and other businesses each establishment but not each sign was the unit of analysis, that is, it was considered ‘one single sign’ for the analysis.” Sie stellen also die Einheit eines Geschäfts als Schild vor, während Backhaus jeden Aushang im Schaufenster als Schild betrachtet. Cenoz & Gorter zufolge sind die einzelnen Aushänge miteinander verknüpft, weil sie von denselben Individuen gemacht wurden (S.71). Deswegen wird das ganze Schaufenster als Untersuchungsgegenstand betrachtet. 3 FORSCHUNGSSTAND 3.1 By whom? For whom? Quo vadis? (Backhaus, 2007) Backhaus (2007, S. 57) widmete sich der Untersuchung mehrsprachiger Schilder in der Stadt Tokio. Anhand von drei Fragen untersuchte er die Linguistic Landscape der Metropole. Da für die vorliegende Arbeit nur die erste und zweite Frage relevant sind, werden nachfolgend nur diese Frage besprochen. (1) Linguistic Landscaping by whom? (2) Linguistic Landscaping for whom? (3) Linguistic Landscaping quo vadis? (Backhaus, S. 57) Die erste Forschungsfrage geht auf die Produzenten der Schilder ein. In seiner Arbeit greift Backhaus auf die Unterteilung zwischen „private and government signs“ von Landry & Bourhis (1997, S. 26) zurück. Aus seinem Forschungsprojekt ging hervor, dass in Tokio mehr private Schilder als top-down-Schilder vorkamen (2007, S 81). Die zweite Frage befasst sich mit den Lesern der Schilder (S. 58-59). Die Sprachen, die in der LL zu finden sind, können also einen Hinweis auf die Sprachkenntnisse der Leser geben. Spolsky & Cooper (1991) definieren diese zweite Frage durch den Begriff „the presumed reader“ (Spolsky & Cooper, 1991 zitiert in Backhaus, 2007, S. 58). 13
3.2 Sign rules (Spolsky & Cooper, 1991, (Spolsky, 2009)) Spolsky & Cooper (1991) untersuchten die Linguistic Landscape von Jerusalem. In ihrer Arbeit befassen sie sich mit den Bedingungen der Sprachwahl auf Schildern und mit den Beweggründen für diese Sprachwahl. Die Autoren schlagen drei Regeln vor, die jeder LL- Produzent berücksichtigen muss. Die erste Regel ist „to write a sign in a language you know” (Spolsky & Cooper, 1991, zitiert in Spolsky 2009, S. 33). Diese “sign writers rule condition” (Spolsky, 2009, S. 33) stellt eine unausweichliche Regel dar. Anhand der in den Schildern verwendeten Sprachen kann man also die Sprachkenntnisse der LL-Akteure ableiten. Die zweite Regel bezieht sich auf das Ziel des Schilds: „the presumed reader’s condition : prefer to write a sign in a language which can be read by the people you expect to read it” (S.33). Diese Regel hängt also mit den angenommenen Sprachkenntnissen der Lesenden zusammen. Die Sprache auf dem Schild muss für diejenigen, an die sich das Schild richtet, verständlich sein, sonst können die Informationen nicht übermittelt werden. Die Autoren gehen also davon aus, dass die Produzenten der Schilder mit gewissen Sprachkenntnissen der Leser rechnen. Anhand der verwendeten Sprachen auf einem Schild kann man also auch darauf schließen, welche Sprachen die LL-Produzenten bei den von ihnen intendierten Lesern voraussetzen. Spolsky (S.33) erklärt, dass in einer einsprachigen Region die Schilder in der dominanten Sprache hergestellt werden. Falls es TouristInnen oder Mitglieder einer sprachlichen Minderheit gibt, kommen auch zweisprachige Schilder vor (S. 33). Spolsky geht auch davon aus, dass sich manche Schilder sich nur an TouristInnen in ihrer Sprache richten. Laut Spolsky (S. 34) ist also zu erwarten, dass dort, wo die „the presumed reader‘s condition“ die wichtigste Regel ist, ein Schild die Sprache enthält, die von den meisten Lesern verstanden wird. Die dritte Regel behandelt „the symbolic value condition: prefer to write a sign in your own language or in a language with which you wish to be identified” (S. 33). Im Gegensatz zu der zweiten Regel, die ein informatives Ziel darstellt, geht es bei der dritten Regel um den symbolischen Wert einer Sprache. Eine Sprache wird also nicht nur zur Lieferung von Informationen verwendet und auf dieser Basis ausgewählt, sondern auch wegen der Konnotationen, die mit dieser Sprache verknüpft sind. Spolsky beleuchtet die Untersuchung von Haarmann (1989), in der japanische Werbebotschaften analysiert wurden. Aus der Analyse ergab sich, dass in der Werbung Fremdsprachen benutzt werden, sodass mit dem Produkt bestimmte Stereotypen von Sprechern dieser Fremdsprachen verbunden werden (Haarmann, 1989, zitiert in Spolsky, S. 36). Dieser symbolische Wert wird im Abschnitt 3.5 näher erläutert. 14
An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass laut Spolsky für jedes Schild alle drei Regeln gelten könnten. Die erste Regel stellt, wie zuvor erwähnt, eine notwendige Bedingung dar. Die zweite und die dritte Regel können ebenfalls gelten. Lediglich anhand der Situation lässt sich ableiten, welche der drei Regeln die wichtigste ist und den größten Einfluss auf die Erstellung des Schildes hat. 3.3 Funktion der Linguistic Landscape an touristischen Orten (Kallen, 2009) Kallen (2009) widmete sich der Untersuchung der Linguistic Landscape in Irland. In seiner Forschung behandelt er die Frage, welche Rolle die LL an touristischen Orten erfüllen muss. Zusätzlich beschreibt er die Rolle der „foreign language“ oder der Fremdsprache an einem Touristenort. Kallen geht davon aus, dass diese an dem Ort gesprochene Fremdsprache auf TouristInnen einerseits anziehend wirkt und andererseits Schwierigkeiten beim Informationsaustausch verursacht (S. 271). Kallen zufolge besteht die Herausforderung für LL- Akteure darin, die LL so zu gestalten, dass die Authentizität und die kommunikative Funktion der Sprache für die lokalen Rezipienten erhalten bleiben und gleichzeitig den TouristInnen eine verständliche Spracherfahrung angeboten wird (S. 271). In seiner Arbeit geht Kallen (S. 272) davon aus, dass die LL ein Diskurs ist : Aus einer pragmatischen Perspektive wird jedes Schild als ein ‚speech act‘ oder Sprechakt betrachtet. Das hat zur Folge, dass jedes Schild ein kommunikatives Ziel hat, das den Produzenten und den Rezipienten verbindet (S. 272). Kallen setzt die ‚speech acts‘ und die LL also miteinander in Relation. Demnach müssen Schilder eine dieser vier Funktionen erfüllen: (1) Deixis (2) Behavior (3) Interaction (4) Cognition (S.274) Unter ‚Deixis‘ versteht Kallen Schilder die auf Ort, Zeit oder Personen hinweisen. Unter den Begriff ‚Behavior‘ fallen Verbots-, Anweisungs- und Aufforderungsschilder. Bei ‚Interaction‘ handelt es sich um Grüße und Verabschiedungen, Humor und metalinguistische Kommentare. Der vierte Begriff ‚Cognition‘ umfasst Schilder, die (z.B. historische) Informationen und Beschreibungen anbieten. Kallen (S. 274) betont in seiner Untersuchung, dass ein Schild an touristischen Orten mehrere dieser Funktionen enthalten kann: Manche dieser Schilder sind nur an TouristInnen gerichtet, während andere ein breiteres Publikum, zu dem unter anderem auch TouristInnen gehören können, erreichen sollen. Andere Schilder werden sich wiederum nur an ein internes Publikum richten. 15
Kallen leitet aus diesen Beobachtungen ab, dass “the tourist will fulfill the roles of addressee, audience, and eavesdropper, respectively (S. 274).” Zunächst präsentiert Kallen vier touristische Bedürfnisse („tourist need [sic]“), mit denen LL- Produzenten an touristischen Orten rechnen müssen: I suggest that four types of anticipated tourist needs are likely to influence local decisions in shaping the LL: (1) the need for an authentic experience of place, to see the “real” foreign land; (2) the need to feel secure, ensuring that what is different is not so different as to be threatening or in some way repugnant; (3) the need to break away from normal routines; and (4) the need to return from a journey of transformation, i.e., to create a memory of the experience of travel that stands out from other experiences (Kallen, 2009, S. 275). Kallen (S. 275) nimmt an, dass viele Schilder in einer LL, wo Tourismus eine wichtige Rolle spielt, von diesen Bedürfnissen geprägt sind. 3.4 Code Preferences (Scollon & Scollon, 2003) Scollon & Scollon (2003) untersuchten die „code preference“, d.h. das Verhältnis von Sprachen auf mehrsprachigen Schildern. Sie argumentieren, dass die Tatsache, dass nicht mehrere Sprachen dieselbe Position auf einem Schild haben können, bedeutet, dass eine Wahl getroffen werden muss (S. 120). Die Autoren postulieren, dass die bevorzugte Sprache oben, links oder in der Mitte eines Schildes steht, während die marginalisierten Sprachen unten, rechts oder an der Seite vorkommen. Sie betonen jedoch, dass sie keinen Beweis dafür haben, wie dieses Verhältnis in Sprachen mit einer Schreibrichtung von rechts nach links, wie beispielsweise Arabisch, aussieht (S. 121). Um diese Frage eindeutig beantworten zu können, bedarf es, laut Scollon & Scollon, weiterer Untersuchungen. Die Autoren unterscheiden auch zwei Funktionen einer Sprache: „Indexicality“ einerseits und „Symbolization“ andererseits. Unter „Indexicality“ verstehen sie, dass eine Sprachauswahl auf die Anwesenheit einer bestimmten Sprachgemeinschaft hinweisen kann. „Symbolization“ bezieht sich auf die Assoziation eines Produkts oder einer Sache mit dieser Sprache, ohne dass der Ort, an dem das Schild platziert wird, eine Rolle spielt (S. 119). Die Autoren besprechen Beispiele aus Hongkong und Québec. In diesen mehrsprachigen Städten ist die Position der offiziellen Landessprachen gesetzlich geregelt. Hier finden die Autoren Beweise für ihre Theorie der bevorzugten Sprache. Auf einem Schild wird die oberste Sprache als die bevorzugte Sprache betrachtet. Auf den Schildern in Québec kommt zuerst Französisch vor, Hongkong zuerst Englisch (S. 121-122). 16
Backhaus (2007, S. 38) vergleicht diese Unterscheidung zwischen Indexikalität und Symbolisierung mit der dritten Regel von Spolsky & Cooper (1991), nämlich „the symbolic value condition“, die impliziert, dass ein LL-Produzent eine Sprache benutzen muss, mit der er identifiziert werden will. 3.5 Sprachen und symbolischer Wert (Piller, 2001) Piller (2001) untersuchte die Verwendung des Englischen in deutschen Werbebotschaften. Sie stellte fest, dass Englisch die wichtigste Rolle in der Werbebotschaft spielt: Slogans und die Überschrift sind auf Englisch, während die detaillierten und praktischen Informationen (z.B. Kontaktinformationen und Standort) auf Deutsch angegeben werden (S. 180). Dies zeigt laut Piller, dass die Produzenten der Werbebotschaft eher an den Sprachkenntnissen der Kunden zweifeln und damit z.B. diese Informationen auf Deutsch angeben. Außerdem wird die wichtige Rolle des Englischen auch durch paralinguistische Merkmale, wie z.B. eine große Schrift und auffällige Farben verdeutlicht (S.180). Pillers Untersuchung weist nach, dass Englisch in diesen zweisprachigen Werbebotschaften wegen seines symbolischen Werts verwendet wird. Auf diese Weise werden laut Piller Stereotypen und Vorstellungen von englischsprachigen Personen und ihren Kulturen mit dem Produkt verknüpft (S.163). Obwohl die Werbeproduzenten die Englischkenntnisse der Leser anzweifeln, gehen sie dennoch davon aus, dass der konnotative Wert des Englischen übertragen wird (S. 163). Englisch wird laut Piller mit Internationalismus, Ausstrahlung, finanziellem Erfolg und Macht assoziiert. Dieser symbolische Wert ist nicht nur im Englischen zu finden: Auch im Französischen und im Italienischen ist die Konnotation von großer Bedeutung. Französisch und Italienisch gelten laut Piller als Sprachen der Lebensfreude (S. 169). Genauer gesagt wird Französisch als die Sprache der Liebe betrachtet und aus diesem Grund mit Erotik verknüpft (S. 169). Italienisch ist die Sprache des guten Lebens, das sich durch Essen ausdrückt (S.170). Edelman (2009, S.143) fasst die Gründe für die Verwendung von Fremdsprachen in Werbebotschaften wie folgt zusammen: 1. „To make the contents understood, i.e., the denotation of the message”; 2. “To appeal to emotions through the connotations of languages.” Laut Edelman (2009, S.143) legen Produzenten von Werbebotschaften mehr Wert auf die Konnotation als auf die Denotation einer Werbebotschaft. An dieser Stelle lässt sich also ein Zusammenhang zwischen den ‚sign rules‘ von Spolsky (2009, S. 33) (cf. supra) und den Ergebnissen von Piller finden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Sprachen nicht nur zur Übermittlung von Informationen (‚presumed 17
reader’s condition‘, Spolskys zweite Regel), sondern auch wegen der spezifischen Konnotationen, die mit einer bestimmten Sprache verbunden sind (‚symbolic value condition‘, Spolskys dritte Regel), verwendet werden. 3.6 Linguistic Landscape und Tourismus: Niederdeutsch in Ostfriesland (Reershemius, 2011) Reershemius (2011) untersuchte die Verwendung der Standardsprache, der dominanten Sprache, und einer regionalen Variante dieser Standardsprache in einer zweisprachigen Sprachgemeinschaft. Ihre Untersuchung konzentriert sich auf die Verwendung des Niederdeutschen, einer regionalen Variante des Standarddeutschen und des Standarddeutschen in Ostfriesland in Norddeutschland (S. 33). Der Autorin zufolge werden durch Verwendung einer Minderheitensprache weniger Menschen erreicht. Die kommunikative Funktion wird also reduziert, der symbolischer Wert der Sprache aber durch deren Verwendung erhöht (S. 33). Die Minderheitensprache ist eine Möglichkeit für deren Sprecher und Sprachgruppen, ihre Identität auszudrücken. Untersucht wurde die Sprachlandschaft von 19 Dörfern in Ostfriesland. Straßennamen und andere sichtbare sprachliche Ausdrücke in der Sprachlandschaft, wie z.B. Werbeplakate und Namen von Gebäuden wurden fotografiert. Die gewählten Schilder richten sich sowohl an Einheimische als auch an TouristInnen. Anschließend wurde analysiert, wie das Niederdeutsche in touristischen Broschüren verwendet wird (S. 34). Aus der Analyse ergab sich, dass Niederdeutsch in der Sprachlandschaft deutlich sichtbar war: 24% der Straßennamen waren entweder einsprachig Niederdeutsch oder enthielten ein Element in Niederdeutsch (S. 39). Im touristisch attraktivsten Dorf war der Prozentsatz sogar noch höher: 33% der Straßennamen waren in Niederdeutsch oder enthielten ein Element in Niederdeutsch (S. 39). Dieser Trend war auch in der Werbung sichtbar: Restaurants, Kneipen und Geschäfte benutzten häufig Niederdeutsch. Ein Beispiel dafür ist eine Werbung für die Teestube Teetied (Teezeit): „Herzlich willkomen in Teetied“ (S. 40). Auffällig war auch, dass die Minderheitensprache Niederdeutsch bei der Benennung von Einrichtungen häufig verwendet wurde. Ein Beispiel ist der Name des Restaurants, das Huuske. Für Sprecher des Standarddeutschen ist es nicht so schwierig, die Bedeutung herauszufinden und die Verbindung mit dem deutschen Standardwort ‚das Haus‘ herzustellen (S. 41). Nach Ansicht der Autorin sind selbst Namen in Niederdeutsch, die viel schwerer zu verstehen sind, kein Problem. Da ein Name keine wesentlichen Informationen enthält, ist es für den Leser nicht notwendig, den Namen einer Einrichtung zu verstehen. Der Hauptzweck 18
eines Namens besteht darin, Konnotationen hervorzurufen, die mit einer Sprache verbunden sind. Edelman (2009) verwendet zu diesem Zweck den Begriff "impersonal multilingualism" (zitiert in Reershemius, S. 44). Die Elemente in Niederdeutsch in der Sprachlandschaft vermitteln nicht die notwendigen Informationen, dies geschieht in Standarddeutsch. Wichtiger ist die Symbolfunktion: “Low German in public language display is presented in a way appealing to addressees who value regional orientation, past orientation and the perceived quietness of a more traditional and less complex pre-modern life (S. 44).” Auch bei der Analysen von Werbebroschüren kam der Autorin zur gleichen Schlussfolgerung: Standarddeutsch wurde zur Vermittlung von Informationen verwendet, während Niederdeutsch zur Hervorhebung der „regional distinctiveness“ (S. 46) verwendet wird. In deutschen Standardtexten in den Broschüren werden Wörter, die sich auf die niederdeutsche Kultur beziehen, in Niederdeutsch hinzugefügt. Ein Beispiel: „Der macht auch die "WINDLOPERS" - Windschiefer Bäume am Straßenrand“ (S. 46). Die Verwendung von Niederdeutsch (WINDLOPERS) und den Anführungszeichen sorgen dafür, dass Niederdeutschsprachige als kulturell andersartig und anders als der Durchschnittsdeutsche angesehen werden. Laut der Autorin entsteht dadurch ein Bild der kulturellen Einzigartigkeit, das die Region für potenzielle TouristInnen attraktiver macht. Wang (2000) bespricht den "will for difference" (zitiert in Reershemius, 2011, S. 46 ). Ihm zufolge ist für TouristInnen wichtig entscheidend "to make a difference to their daily routines and everyday environments. Thus, they travel and enter the spaces of difference” (Wang, 2000, zitiert in Reershemius, 2011, S. 46 ). Deutschen TouristInnen wird anhand der Betonung der kulturellen und sprachlichen Unterschiede durch Verwendung der Regionalsprache vermittelt, dass sie Authentizität und eine andere Kultur erleben können (S. 46). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Regionalsprache, das Niederdeutsche, wegen seines symbolischen Werts benutzt wird. Auch Authentizität wird evoziert. 19
3.7 Linguistic Landscape und Tourismus: Englisch als Lingua Franca am Touristenort S’Arenal auf Mallorca (Bruyèl-Olmedo & Juan-Garau, 2009) Bruyèl-Olmedo & Juan-Garau (2009) untersuchten die Rolle des Englischen im Touristenort S‘Arenal auf Mallorca. Die Insel verfügt über zahlreiche Unterkünfte und ist ein beliebtes Reiseziel für TouristInnen. Die meisten Gäste kommen aus den folgenden Ländern: Deutschland, Spanien, den Niederlanden, Italien, Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Belgien und Österreich. Gäste aus Deutschland bilden die größte einzelne Gäste- und Sprachgruppe. Die Autoren untersuchten die LL und entdeckten, dass die Sprachlandschaft von sieben Sprachen gestaltet wird: Englisch, Spanisch, Deutsch, Katalanisch, Französisch, Niederländisch und Schwedisch. Auf den monolingualen Schildern ist Englisch (35%) eindeutig die häufigste Sprache, gefolgt von Deutsch (22%), Katalanisch (21%), Spanisch (12%) und Niederländisch (3%) (S. 398). Anschließend wurden die auf den mehrsprachigen Schildern vorkommenden Sprachen untersucht. Anhand ihrer Positionen auf den Schildern wurden diese als L1, L2, L3 und L4 identifiziert. Um die bevorzugte Sprache (‚code preference‘, cf. supra) herauszufinden, befolgten die Autoren folgende Regeln: In horizontalen Texten wurde die erste Sprache, die von links nach rechts erschien, als die bevorzugte Sprache kategorisiert, in vertikalen Texten die oberste (S. 391). Insgesamt kommen 28 Kombinationsmöglichkeiten der Sprachen vor (S. 399, 402). Englisch kommt in 17 dieser Kombinationsmöglichkeiten vor. Auf den bilingualen Schildern kam Englisch nach Spanisch als zweithäufigste Sprache vor und wird am häufigsten als zweite Sprache (L2) verwendet (S. 399). Die Autoren kommen also zu dem Schluss, dass die englische Sprache als Lingua Franca verwendet wird (S. 403). Obwohl die LL von S’Arenal von sieben verschiedenen Sprachen geprägt wird, beherrscht Englisch als Lingua Franca die Sprachlandschaft. Die englische Sprache wird verwendet, um möglichst viele TouristInnen mit unterschiedlichen Muttersprachen zu erreichen. 3.8 Klassifizierung der Eigennamen nach Sprachen (Edelman, 2009) Edelman (2009) untersuchte, inwieweit Eigennamen die Sprachlandschaft beeinflussen und wie sie daher zu klassifizieren sind. Laut Edelman (S. 142) bestimmen „shop signs“ und „signs displaying the name of a shop“ weitgehend die Sprachlandschaft einer Stadt. Zweck dieser Schilder ist es, ein Produkt zu bewerben oder die Kunden zu ermutigen, die im Shop angebotenen Dienstleistungen zu benutzen. Hauptziel ist es also, zu überzeugen und das Kundenverhalten zu beeinflussen (El-Yasin und Mahadin, 1996, zitiert in Edelman, S. 142). 20
In einer Sprachlandschaft enthalten viele Schilder einen Eigennamen, insbesondere „shop names, brand and product names and the names of residents (Edelman, 2009, S. 143). Die Frage ist nun, welchem Zweck diese Namen in fremden Sprachen dienen. Schlick (2003, zitiert in Edelman, S. 144) untersuchte in ihrer Arbeit zwei englische Namen von Geschäften in der italienischen Stadt Triest. Die Namen AND und after sind auffällige Namen, da diese Worte an sich wenig Bedeutung haben. Schlick zufolge hat die Verwendung der englischen Sprache, einer internationalen Sprache, zur Folge, dass diese Eigenschaften auch mit den Geschäften verbunden werden: „In the cases above, the language itself, Englisch as the international language of trendiness, seems to carry enough additional meaning that shop-owners consider even function words appropriate as shop names“ (Schlick, 2003, zitiert in Edelman, S. 144). Die Übertragung eines Gefühls ist daher eine wichtige Funktion von Eigennamen (S. 144). In ihrer Arbeit zur Sprachlandschaft Amsterdams untersucht Edelman (2009) wie Eigennamen nach Sprachen klassifiziert wurden. Sie analysierte mehr als 200 Signs auf der Hauptstraße Amsterdams (Kalverstraat). 80 Schilder enthalten einen oder mehrere Eigennamen. In der ersten Analyse (Analyse A) wurden Eigennamen nicht berücksichtigt, während die zweite Analyse (Analyse B) Eigennamen enthielt. Die Analysen zeigten, dass Eigennamen eine sehr wichtige Rolle in der Mehrsprachigkeit der Sprachlandschaft spielen. Der Anteil der Fremdsprachen war in der zweiten Analyse (Analyse B) bedeutend höher. Edelman unterstreicht, dass, „ A researcher who does not code proper names as foreign languages gets an incomplete picture of the LL's multilingual character” (S. 152). 3.9 Sprachen und Namen (Pappenhagen et al., 2016) Pappenhagen, Scarvaglieri & Redder (2016) untersuchten die Linguistic Landscape des Stadtteils St. Georg in Hamburg. Sie untersuchten unter anderem die Namensgebung. Es gab viele Lebensmittelgeschäfte in diesem Viertel. Sie unterschieden zwei Arten von Eigennamen der Geschäfte: Die erste Art soll dem Leser einen ersten Eindruck vom Geschäft und den dort angebotenen Produkten vermitteln. Ein Geschäft, das Produkte aus dem Balkan verkauft, hat beispielsweise den Namen "Balkan-Magazin". Dieser Name ist somit mit einem geografischen Gebiet verknüpft, was den Lesern des Schildes hilft, sich ein Bild von den verkauften Produkten zu machen (S. 151). Andere Supermärkte tragen einen Namen, der mehr Hintergrundwissen seitens des Lesers erfordert, weil er sich auf eine Sprache oder Kultur bezieht, die im Westen weniger bekannt 21
ist. Ein Restaurant heißt beispielsweise "Batman", was sich auf einen Ort in der kurdischen Türkei bezieht (S. 151). Pappenhagen et al. (2016, S. 152) argumentieren, dass die erste Art von Geschäften ein breiteres Publikum anziehen wird, während die zweite Art von Geschäften zunächst Kunden anspricht, die spezifischere Kenntnisse über das Land und die Kultur haben, auf die im Namen Bezug genommen wird. Die meisten von ihnen sind Einwanderer aus dem Land oder der Region, auf die sich der Name bezieht. Die Namen der Geschäfte geben daher einerseits mehr Informationen über die kulturelle Identität ihres Besitzers (wie z.B. seinen Migrationshintergrund und die Sprachgruppe, mit der er identifiziert werden möchte), andererseits verweisen sie auf die Produkte, die im Geschäft erhältlich sind. Neben den Namen der Lebensmittelgeschäfte in der Nachbarschaft wurden auch die Namen der Hotels untersucht. Im Gegensatz zu den Besitzern der Lebensmittelgeschäfte verwenden die Hotelbesitzer keine Namen, die einen Bezug zu einer bestimmten Sprache oder Kultur aufweisen (S. 152). Die Namen der Hotels sind internationalisiert. Sie heißen z.B. Hotel Lumen, Hotel Mercedes, Hotel Terminus und Hotel Residence. Die Namen enthalten oft lateinische Wörter, die in vielen anderen Sprachen bekannt sind. Dies steht im Einklang mit dem Ziel der Hotels, möglichst viele Kunden zu gewinnen. Da diese Wörter in vielen Sprachen bekannt sind, können sich auch mehr Menschen mit dem Namen identifizieren (S. 152). Diese Namen enthalten daher keine zusätzlichen Informationen über die Eigentümer, wie es bei kulturell geprägten Supermärkten oder Restaurants der Fall war. Augé (2008, zitiert in Pappenhagen et al., S. 152) verwendet für vergleichbare Einrichtungen den Begriff der „non- places“, weil sie keinen Bezug zur Vergangenheit oder zu einer kulturellen Identität enthalten. Die Lebensmittelgeschäfte wollen daher Kunden gewinnen, indem sie sich mit einer bestimmten Region oder Gruppe identifizieren, während die Hotels Namen wählen, die für möglichst viele Menschen ein vertrautes Gefühl wecken. 22
4 BISHERIGE FORSCHUNG: LINGUISTIC LANDSCAPE IN FLANDERN An dieser Stelle sind auch Untersuchungen jene von Interesse, die sich konkret mit der Linguistic Landscape von flämischen Städten beschäftigen. Die Arbeit von Botterman (2011) behandelt die Linguistic Landscape von Gent. An dieser Stelle soll angemerkt werden, dass diese Untersuchung sich nicht spezifisch mit Tourismus beschäftigt, sondern eher einen allgemeinen Überblick über die Sprachlandschaft Gents darstellen will. So werden neben dem Stadtzentrum auch Viertel, die im Allgemeinen weniger touristisch sind, untersucht. Im Rahmen dieser Arbeit ist diese Untersuchung relevant, da sie einen besseren Einblick in die Sprachlandschaft von Gent ermöglicht. Die zweite Arbeit (Van Mol & Slembrouck (2014)) befasst sich mit Mehrsprachigkeit im historischen Stadtzentrum der flämischen Stadt Brügge, einer der wichtigsten Touristenstädte Flanderns. Im Folgenden wird auf diese Untersuchungen weiter eingegangen. 4.1 Linguistic Landscape in Gent (Botterman, 2011) Botterman (2011) widmete sich der Untersuchung der Linguistic Landscape in Gent. Zwei Gebiete wurden analysiert: Das erste Gebiet erstreckt sich vom Stadtzentrum und geht in Richtung vom Brugse Poort, einem multikulturellen Stadtteil. Das zweite Gebiet beginnt auch im Stadtzentrum und endet in der Nähe des Bahnhofs Gent-Sint-Pieters. In jedem Gebiet wurde das Vorkommen der Sprachen Niederländisch, Englisch, Französisch und anderer Sprachen untersucht (S.5). In ihrer Analyse folgte Botterman der Definition von Cenoz & Gorter (2006). Im Gegensatz zu Backhaus, der jeden einzelnen Aushang im Schaufenster analysiert, betrachtet sie jede Einrichtung als Analyseeinheit. Botterman legte den Fokus ihrer Untersuchung hauptsächlich auf private Einrichtungen, wie Geschäfte und Essgelegenheiten. Auch die Namen wurden in die Analyse einbezogen und nach ihren Namen in ihrer Originalsprache zugeordnet (. Bei der Analyse folgte Botterman der Methodik von Vandenbroucke (2010). Nach dieser Methode wird untersucht, welche Sprache auf der Fassade einer Einrichtung dominant ist (S. 15). Um dies zu analysieren, wird zwischen 4 Sprachkategorien unterschieden: Niederländisch, Englisch, Französisch und weitere Sprachen (Migranten- und Touristensprachen, z.B. Deutsch, Italienisch, Türkisch). Den vier Sprachkategorien werden vier mögliche Punktzahlen zugeordnet. Die höchste Punktzahl, die ein Zeichen erhalten kann, ist vier. Monolinguale Schilder bekommen diese Punktzahl. Ein monolingual niederländisches Schild erhält also die Note 4 (S. 15). Die zweite Möglichkeit ist Bi- oder Multilingualismus: Mehrere Sprachen sind gleichermaßen präsent. Jede Sprache, die vorkommt, erhält somit eine Note von 2 (S. 16). Bei den nicht-äquivalenten zwei- oder 23
mehrsprachigen Schildern, erhält die die dominante Sprache, d.h. die Sprache, in der die meisten Informationen gegeben werden, eine höhere Bewertung als die andere(n) Sprache(n) (S.17). Diese anderen Sprachen werden als weniger wichtig angesehen, weil sie manchmal eine Teilübersetzung der dominanten Sprache sind, nur geringfügige Kommentare darstellen oder weil sie nicht zu informativen Zwecken, sondern wegen ihres symbolischen Wertes verwendet werden (S.17). In diesem Fall erhält die dominante Sprache eine Note von 3, die zusätzlichen Sprachen eine Note von 1 (S.17). Bottermans Analyse (2011) zeigt, dass das Niederländische die Sprachlandschaft in beiden Gebieten dominiert (S.102). Nach Niederländisch ist Englisch die Sprache, die die wichtigste Rolle spielt. Laut Botterman hängen diese Ergebnisse mit dem symbolischen Wert des Englischen und der zunehmenden Globalisierung zusammen. Darüber hinaus stellte sich heraus, dass, obwohl Französisch im Stadtzentrum öfter vorkam als außerhalb, Französisch viel seltener als Englisch in Verwendung ist (S.83). Die Sprachen, die zur Kategorie ‚Andere Sprachen‘ gehören, fanden sich vor allem im ersten Gebiet, das vom Stadtzentrum in Richtung vom Migrantenviertel Brugse Poort geht. Wie schon erwähnt, wurden insbesondere private Einrichtungen analysiert: Eine wichtige Unterkategorie, die untersucht wurde, waren die Restaurants. Diese befunden sich zum Großteil im Stadtzentrum. Diese Einrichtungen sind touristenorientiert, was sich auch in der Sprachlandschaft widerspiegelt (S. 102). Französisch war hier häufiger anzutreffen, vor allem weil viele Restaurants einen französischen Namen haben. Eine Sprache der Kategorie "andere Sprachen", die im Zentrum ebenfalls sehr verbreitet war, war Italienisch. Dies hat auch mit den lokalen Essgelegenheiten wie den Pizzerias zu tun (S. 77). 4.2 Linguistic Landscape und Tourismus in Brügge (Van Mol & Slembrouck, 2014) Van Mol & Slembrouck (2014) widmeten sich der Untersuchung von der Linguistic Landscape in der flämischen Stadt Brügge. Brügge hat nach Brüssel und der Küstenregion die höchsten Besucherzahlen Belgiens (Toerisme Vlaanderen, 2019). Im Jahr 2018 besuchten 1 250 589 TouristInnen die Hauptstadt von Westflandern. Es wurden 2 193 092 Übernachtungen gebucht. Tourismus ist also von großer Bedeutung für die Stadt. In diesem Zusammenhang ist es von Interesse, die Verteilung zwischen monolingualen und multilingualen Schilder in der Sprachlandschaft von Gent mit der Verteilung dieser Schilder in Brügge zu vergleichen. In ihrer Arbeit zur Mehrsprachigkeit im touristischen Zentrums der Stadt Brügge analysieren Van Mol & Slembrouck (2014) ebenfalls die Sprachlandschaft. Drei touristische Gebiete der Stadt wurden analysiert. Für jedes Gebiet wurde untersucht, welche Sprachen in der Sprachlandschaft am sichtbarsten waren und ob sich Unterschiede in 24
den touristischen Gebieten feststellen lassen. Die verschiedenen Sprachkombinationen in top- down bzw. bottom-up signs wurden ebenfalls untersucht (S.7). In ihrer Untersuchung kommen die Autoren zu folgenden Ergebnissen. In Brügge wird die Landschaft von multilingualen Schildern geprägt: Nur ein Drittel (94 von 274 Schildern) der Sprachlandschaft bestand aus monolingualen Schildern, zwei Drittel (180 von 274 Schildern) wurden von multilingualen Schildern eingenommen (S.59). Der Großteil der monolingualen Schildern war auf Niederländisch (S.59). Den Autoren zufolge, zeigt diese Analyse, dass Mehrsprachigkeit in Flandern immer mehr im Vordergrund steht (S.103). Darüber hinaus stellten sie fest, dass Englisch die Fremdsprache war, die am meisten in der Sprachlandschaft vorkam (S.103). Daraus folgt, dass Englisch in Brügge als Lingua Franca verwendet wird. Darüber hinaus weist die hohe Präsenz des Englischen in Brügge auch auf den Einfluss der Globalisierung auf die Sprachlandschaft hin (S. 103). Englisch wird nicht nur als Lingua Franca dargestellt, sondern auch als die wichtigste Sprache bei Schildern mit einer symbolischen Funktion. Während informative Schilder auf Niederländisch zurückgreifen, wird bei den Schilder mit einer symbolischen Funktion das Englische verwendet (S.103). Eine mögliche Erklärung dafür ist, nach Ansicht der Autoren, die Bedeutung des Englischen als Sprache der Globalisierung. Da Englisch mit Internationalismus verknüpft wird, hat diese Sprache in Schildern mit einer symbolischen Funktion eine größere Anziehungskraft als symbolische Schilder auf Niederländisch (S.104). 25
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5 TOURISMUSDESTINATION GENT 5.1 Sprachsituation in Gent und Belgien Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Stadt Gent als Tourismusdestination. Der erste Teil widmet sich der sprachlichen Situation von Gent im dreisprachigen Belgien. In diesem Kontext wird zunächst die Rolle des Tourismus und der Gastgewerbeunternehmen besprochen. Mit 263 621 Einwohnern ist Gent die zweitgrößte Stadt Flanderns (Stad Gent, 2019b). Gent hat im Laufe der Geschichte immer einen wichtigen Platz in Westeuropa eingenommen. Die Stadt wurde 630 vom Heiligen Amandus gegründet, der sie wählte, um dort eine Abtei zu gründen. Ihre Lage am Zusammenfluss von Lys und Schelde macht Gent zu einer Stadt mit einer idealen Lage. Im Mittelalter war Gent nach Paris die wichtigste Wirtschaftsmetropole in Europa (VisitGent, o.J., Absatz 1, 2). Der blühende Tuchhandel und die Getreidelagerung machten Gent zu einer reichen und wohlhabenden Stadt. Dieser Reichtum spiegelte sich in der Errichtung zahlreicher Häuser, Denkmäler und öffentlicher Gebäude wider. Nach dem Mittelalter entwickelte sich Gent, vor allem dank der Textilindustrie, zu einer wichtigen Industriestadt (STAM Gent, o.J., Absatz 7, 20). Heute machen die vielen historischen Sehenswürdigkeiten, das lebhafte Studentenleben und die lokale Industrie Gent zu einer attraktiven Stadt für TouristInnen. Gent liegt in der nördlichen Region Belgiens, die Flandern genannt wird. Diese Region ist offiziell einsprachig Niederländisch. Neben dem Niederländischen gibt es in Belgien noch zwei offizielle Sprachen, nämlich Französisch und Deutsch. Damit hat Belgien insgesamt drei offizielle Sprachen. Belgien hat insgesamt 11.431.406 registrierte Einwohner und ist basierend auf die Sprache in drei Gemeinschaften aufgeteilt. Bei dieser Unterteilung geht man von der Sprache aus: jede Gemeinschaft hat also eine offizielle Sprache. Die Gemeinschaften Belgiens sind einerseits zuständig für den Sprachgebrauch und die personengebunden Angelegenheiten, andererseits gelten ihre Befugnisse auch für z.B. die Kultur und das Unterrichtswesen (belgium.be, 2020). Im Norden des Landes, in Flandern, findet sich die Flämische Gemeinschaft, deren einzige offizielle Sprache Niederländisch ist. Diese Gemeinschaft ist die größte: 6.589.069 Belgier wohnen in der Flämischen Gemeinschaft. Die Französische Gemeinschaft befindet sich im Süden des Landes. Die einzige offizielle Sprache ist hier Französisch. Diese Gemeinschaft zählt 3.633.795 Einwohner. 27
Die Region Brüssel-Hauptstadt nimmt eine Sonderposition ein: Sie ist offiziell zweisprachig (Niederländisch und Französisch) (Buurtaal, 2017). Dies erklärt auch, warum sie sowohl in der Flämischen als auch in der Französischen Gemeinschaft auf der Karte unten angegeben ist. Insgesamt zählte Brüssel am 1. Januar 2019 1.208.542 Einwohner (Statbel, 2019). Das deutsche Sprachgebiet, und damit auch die Deutschsprachige Gemeinschaft befindet sich im Osten Belgiens, in der Provinz Lüttich. Nach Angaben von Statbel (2019), dem belgischen Statistikamt, lebten am 1. Januar 2019, 77.527 Belgier in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft bildet also eine Minderheit. Die unterstehende Karte zeigt die drei Sprachgemeinschaften Belgiens (Vogl & Hüning, 2010, S. 231). Abbildung 1:Die drei Sprachgemeinschaften Belgiens Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass ungefähr 58% der Belgier in der Flämischen Gemeinschaft leben und Niederländisch als Muttersprache haben. Etwa 40% der Belgier sprechen Französisch als Muttersprache. Deutsch wird von nur 0,68% der Belgier gesprochen. Die Kantone (Eupen, Malmedy und Sankt Vith), die die Deutschsprachige Gemeinschaft bilden, wurden erst 1919 Teil Belgiens, da im Versailler Vertrag (1919) festgelegt wurde, dass Deutschland seine Gebiete als Entschädigung für die im Ersten Weltkrieg erlittenen Kriegsschäden an Belgien abtreten musste. Seit 1919 gehören diese Gebiete daher zu Belgien und bilden die Deutschsprachige Gemeinschaft (Belgische kamer van volksvertegenwoordigers, 2019). Als Belgien 1830 seine Unabhängigkeit proklamierte, sah König Wilhelm I. die Sprachfreiheit in der belgischen Verfassung vor. Deshalb durfte in Belgien Niederländisch gesprochen werden. In der Praxis wurde im öffentlichen Leben jedoch immer Französisch gesprochen: Bildung und Gesetze waren in Französisch, nicht in Niederländisch. Die 28
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