DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT

 
WEITER LESEN
DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT
DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES
TOURISMUS IN GENT

Aantal woorden: 17 124

Marie Verschraegen
Studentennummer: 01508689

Promotor: Prof. dr. Claudio Scarvaglieri

Masterproef voorgelegd voor het behalen van de graad master in de meertalige communicatie:
combinatie van ten minste twee talen: Nederlands, Frans, Duits

Academiejaar: 2019 - 2020
DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT
2
DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT
DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES
TOURISMUS IN GENT

Aantal woorden: 17 124

Marie Verschraegen
Studentennummer: 01508689

Promotor: Prof. dr. Claudio Scarvaglieri

Masterproef voorgelegd voor het behalen van de graad master in de meertalige communicatie:
combinatie van ten minste twee talen: Nederlands, Frans, Duits

Academiejaar: 2019 - 2020
DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT
Verklaring i.v.m. auteursrecht
De auteur en de promotor(en) geven de toelating deze studie als geheel voor consultatie
beschikbaar te stellen voor persoonlijk gebruik. Elk ander gebruik valt onder de beperkingen
van het auteursrecht, in het bijzonder met betrekking tot de verplichting de bron uitdrukkelijk
te vermelden bij het aanhalen van gegevens uit deze studie.

                                                                                             4
DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT
Preambule
Deze masterproef kwam tot stand tijdens de periode waarin de coronamaatregelen van kracht
waren aan de Universiteit Gent. Voor dit onderzoek werd het taallandschap van Gent
gefotografeerd en geanalyseerd. De foto’s voor het corpus werden in september 2019
genomen. Ook werd materiaal uit de faculteitsbibliotheek voor het ingaan van de
coronamaatregelen ontleend. Het onderzoek heeft dus niet direct onder de maatregelen
geleden.
Normaal zouden feedbackmomenten met de promotor plaatsvinden aan de faculteit. Wegens
de coronamaatregelen werden online feedbackgesprekken georganiseerd. Hoewel dit een
goede oplossing was, zijn face-to-face feedbackgesprekken soms toch makkelijker.
Deze preambule werd in overleg tussen de student en de promotor opgesteld en door beide
goedgekeurd.

                                                                                       5
DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich bei einigen Personen bedanken, die zur Realisierung
dieser Masterarbeit beigetragen haben.
Zunächst möchte ich meinem Betreuer Prof. Dr. Claudio Scarvaglieri dafür danken, dass er
mich in das Forschungsgebiet der Sprachlandschaft eingeführt und das interessante Thema
dieser Masterarbeit vorgeschlagen hat. Bedanken möchte ich mich bei ihm auch für das
konstruktive Feedback und die Beratung während des Schreibens.

Außerdem bedanke ich mich bei Lena für die hilfreichen Tipps.
Ich möchte auch meinen Freunden, meiner Familie und insbesondere meinen Eltern für ihre
Unterstützung in den letzten vier Jahren danken.

                                                                      Marie Verschraegen

                                                                                           6
DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT
INHALT

1      Einleitung ......................................................................................................................11
2      Theoretische Grundlagen ..............................................................................................12
    2.1      Linguistic Landscaping: Definition ..........................................................................12
    2.2      Schild: Definition.....................................................................................................12
3      Forschungsstand ...........................................................................................................13
    3.1      By whom? For whom? Quo vadis? (Backhaus, 2007) ............................................13
    3.2      Sign rules (Spolsky & Cooper, 1991, (Spolsky, 2009)) ...........................................14
    3.3      Funktion der Linguistic Landscape an touristischen Orten (Kallen, 2009) ...............15
    3.4      Code Preferences (Scollon & Scollon, 2003) ..........................................................16
    3.5      Sprachen und symbolischer Wert (Piller, 2001) ......................................................17
    3.6   Linguistic Landscape und Tourismus: Niederdeutsch in Ostfriesland
    (Reershemius, 2011) ........................................................................................................18
    3.7   Linguistic Landscape und Tourismus: Englisch als Lingua Franca am Touristenort
    S’Arenal auf Mallorca (Bruyèl-Olmedo & Juan-Garau, 2009) ............................................20
    3.8      Klassifizierung der Eigennamen nach Sprachen (Edelman, 2009) .........................20
    3.9      Sprachen und Namen (Pappenhagen et al., 2016) .................................................21
4      Bisherige Forschung: Linguistic Landscape in Flandern ................................................23
    4.1      Linguistic Landscape in Gent (Botterman, 2011) ....................................................23
    4.2      Linguistic Landscape und Tourismus in Brügge (Van Mol & Slembrouck, 2014).....24
5      Tourismusdestination Gent............................................................................................27
    5.1      Sprachsituation in Gent und Belgien.......................................................................27
    5.2      Gent und Tourismus ...............................................................................................30
6      Methodik .......................................................................................................................33
    6.1      Erhebung der LL von Gent .....................................................................................33
       6.1.1        Untersuchungsgebiet ......................................................................................33
       6.1.2        Untersuchungsgegenstand: Schild ..................................................................34
    6.2      Korpus....................................................................................................................34
    6.3      Sprache..................................................................................................................35
    6.4      Forschungsfragen ..................................................................................................35
7      Ergebnisse der Analysen: Sprachen..............................................................................39
    7.1      Überblick über das Korpus .....................................................................................39
    7.2      Gefundene Sprache ...............................................................................................41
       7.2.1   Sind diese Sprachen Dialekte, Landessprachen oder Sprachen der Touristen?
       Spiegeln diese die sprachliche Lage in Belgien und die touristische Lage in Gent
       wider? ........................................................................................................................42
       7.2.2   Was sind die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der Sprachlandschaft
       von Gent und Brügge, einer anderen flämischen Touristenstadt? .................................45

                                                                                                                                        7
DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT
8      Ergebnisse der Analysen: mono- und multilinguale Schilder..........................................47
    8.1       Verteilung mono- und multilingualer Schilder pro Einrichtung .................................48
    8.2       Code Preference (Scollon & Scollon, 2003)............................................................52
9      Verwendung der Sprachen in den unterschiedlichen Textarten .....................................55
    9.1       Namensgebung der Einrichtungen und Produkte ...................................................55
       9.1.1        Niederländische Namen ..................................................................................56
       9.1.2        Englische Namen ............................................................................................58
       9.1.3        Französische Namen ......................................................................................60
    9.2    Enthalten die Namen der Lebensmittelgeschäfte und Restaurants einen Hinweis auf
    einen kulturellen Hintergrund und/oder eine kulturelle Identität (Pappenhagen et al.,
    2016)? ..............................................................................................................................61
    9.3   Enthalten die Namen von Hotels Wörter, die in vielen Sprachen bekannt sind
    (Pappenhagen et al. 2016)? ..............................................................................................63
    9.4     Welche Sprachen werden von den LL-Akteuren für die Werbung benutzt (Kallen,
    Piller, 2001)?.....................................................................................................................64
10 Lingua Franca ...............................................................................................................69
11 Fazit ..............................................................................................................................75
12 Quellenverzeichnis ........................................................................................................79
    12.1      Literaturverzeichnis ................................................................................................79
    12.2      Internetquellen .......................................................................................................80

17 124 Wörter

                                                                                                                                         8
DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Anzahl Gäste und Übernachtungen 2019 (eigene Darstellung, Quelle:         30
Toerisme Vlaanderen, 2019)
Tabelle 2: Ergebnisübersicht                                                         39
Tabelle 3: Ergebnisübersicht (%)                                                     39
Tabelle 4: Gefundene Sprachen in der LL                                              41
Tabelle 5: Anzahl Gäste und Übernachtungen 2019 (eigene Darstellung, Quelle:         42
Toerisme Vlaanderen, 2019)
Tabelle 6: Sprachvorkommen auf monolingualen und multilingualen Schildern            47
Tabelle 7: Verteilung mono- und multilingualer Schilder pro Einrichtung              48
Tabelle 8: Monolinguale niederländische und englische Schilder pro Einrichtung       48
Tabelle 9: Bevorzugte Sprache auf den mehrsprachigen Schildern                       52

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Karte der drei Sprachgemeinschaften Belgiens (Vogl & Hüning, 2010,      28
S. 231)
Abbildung 2: Karte des Stadtrundgangs (orange markiert sind fotografierte Straßen)   33
Abbildung 3: Beispiel Code Preference: Allergeninformationen des Restaurants         37
Pampas
Abbildung 4: Monolinguales englisches Schild Marriott Hotel                          49
Abbildung 5: Monolinguales Parkverbot Fahrräder                                      51
Abbildung 6: Piktogramm                                                              51
Abbildung 7: Monolinguales Parkverbot Fahrräder                                      51
Abbildung 8: Monolinguales niederländisches Schild mit Öffnungszeiten                52
Abbildung 9: Menükarte des chinesischen Restaurants Jinjiang                         54
Abbildung 10: Namensschild: Bar De Croone                                            56
Abbildung 11: Namensschild: Restaurant Babbelut                                      57
Abbildung 12: Namensschild: Restaurant ‘t Vosken                                     58
Abbildung 13: Namensschild: Souvenirgeschäft I love Gent                             59
Abbildung 14: Schaufenster des Bekleidungsgeschäfts Gantoinette                      60
Abbildung 15: Jobangebot The Celtic Towers                                           62
Abbildung 16: Namensschild: Restaurant Jinjiang                                      62
Abbildung 17: Slogan des Schokoladengeschäfts Leonidas                               65
Abbildung 18: Schild des Souvenirgeschäfts Belgian Treasures                         65
Abbildung 19: Slogan des Bekleidungsgeschäfts Pur Sens                               65
Abbildung 20: Poster: Muscheln Zeeland’s roem                                        66
Abbildung 21: Poster: Tapdans Lessen                                                 66
Abbildung 22: Schaufenster des Schokoladengeschäfts Leonidas                         66
Abbildung 23: Schild Vrijdag Kebap: Kebabfleisch                                     66
Abbildung 24: Angebot des Souvenirgeschäfts Craenkinderhuys                          70
Abbildung 25: Angebot des Souvenirsgeschäfts Beer Corner                             70
Abbildung 26: Schild des Schokoladengeschäfts Neuhaus                                71
Abbildung 27: Angebot des Schokoladengeschäfts Belgian Treasures                     71
Abbildung 28: Angebot des Souvenirsgeschäfts I love Gent (Magnets)                   72
Abbildung 29: Angebot des Souvenirsgeschäfts I love Gent (souvenirs &                72
chocolates)
Abbildung 30: Poster I love Gent: Chocolate Tour                                     72
Abbildung 31: Schild: Hotel Gravensteen                                              73
Abbildung 32: Schild: Hostel Uppelink                                                73

                                                                                          9
DIE LINGUISTIC LANDSCAPE DES TOURISMUS IN GENT
Diagramme
Diagramm 1: Anzahl der Betriebe der Gastronomie und Hotellerie pro Teilsektor in Gent am
31. Dezember 2018(eigene Darstellung, Quelle: guidea.incijfers.be- Statbel (Algemene
Directie Statistiek - Statistics Belgium))                                           32

                                                                                       10
1      EINLEITUNG

Gent ist als zweitgrößte Stadt Flanderns und als Hauptstadt der Provinz Ostflandern ein
beliebtes Reiseziel für TouristInnen. Im Jahr 2019 durfte die Kunststadt mehr als 1,2 Millionen
Besucher, die eine Übernachtung buchten, begrüßen (Toerisme Vlaanderen, 2019). Die
meisten TouristInnen kamen aus Belgien, den Niederlanden, Deutschland, dem Vereinigten
Königreich, Frankreich, Spanien und den Vereinigten Staaten.
Nicht nur die TouristInnen sind von Gent als Reiseziel überzeugt, sondern auch die Einwohner
von Gent selbst. Laut einer Umfrage von Toerisme Vlaanderen aus dem Jahr 2017, halten
71% der Einwohner der Stadt den Tourismus für sehr wichtig. Acht von zehn Befragten gaben
an, dass der Tourismus sie stolz macht, Bürger von Gent zu sein (Stad Gent, 2017).
Der Tourismus spielt in Gent eindeutig eine wichtige Rolle. Die Altstadt verfügt über viele
Restaurants, Bars, Hotels und Geschäfte, die alle auf verschiedene Weise versuchen
TouristInnen anzulocken. Schilder, die den TouristInnen mehr Informationen geben oder sie
überzeugen sollen, prägen die Linguistic Landscape der Stadt.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Einfluss des Tourismus auf die Linguistic
Landscape (LL)1 von Gent. Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen welche Sprachen man auf
den Schildern von privaten Akteuren in Gent findet. Bei den Schildern wird danach analysiert
ob es um monolinguale oder multilinguale Schilder geht. Zunächst wird die Frage, ob bei den
mehrsprachigen Schildern eine Sprache bevorzugt wird, behandelt. Anschließend wird
untersucht wie die Sprachen in den unterschiedlichen Textarten verwendet werden. Dabei
werden die Sprachen, die verwendet werden für die Namensgebung der Einrichtungen und für
die Werbung behandelt. Zum Schluss wird untersucht, ob es eine Lingua Franca gibt.

Im folgenden Kapitel werden die theoretischen Grundlagen, die für diese Arbeit relevant sind,
vorgestellt. Anschließend wird im dritten Kapitel ein Überblick über den Forschungsstand zur
Linguistic Landscape gegeben. Das vierte Kapitel befasst sich mit der bisherigen Forschung
zu Linguistic Landscaping in Flandern. Kapitel 5 behandelt die Stadt Gent als
Tourismusdestination. Im sechsten Kapitel werden die Methodik und das Korpus, das dieser
Arbeit zugrunde liegt, beschrieben. Auch Untersuchungsgegenstand, Untersuchungsgebiet
und die Fragestellungen werden erläutert. Im Anschluss erfolgt die Diskussion der Ergebnisse
im siebten, achten, neunten und zehnten Kapitel. Schließlich wird im elften Kapitel das Fazit
dieser Arbeit formuliert.

1
    In der vorliegenden Arbeit wird LL als Abkürzung für ‚Linguistic Landscape‘ benutzt.

                                                                                            11
2     THEORETISCHE GRUNDLAGEN

2.1    Linguistic Landscaping: Definition

Die Forschung zu Linguistic Landscaping stellt ein relativ junges Forschungsgebiet der
Sprachwissenschaft dar. Landry & Bourhis (1997, S.25) definierten als erste die Linguistic
Landscape (LL) als “The language of public road signs, advertising billboards, street names,
place names, commercial shop signs, and public signs on government buildings combine to
form the linguistic landscape of a given territory, region or urban agglomeration”. Shohamy &
Gorter (2008) haben diese Definition erweitert: Ihnen zufolge bezieht sich die Linguistic
Landcape einerseits auf den Gegenstand, also Sprache im öffentlichen Raum, und
andererseits auf die Erforschung dieses Gegenstands.

Landry & Bourhis (1997, S. 25-27) unterscheiden zwei Funktionen der Linguistic Landscape
eines Gebiets. Einerseits erfüllt sie eine informative Funktion: Sie gibt einen Überblick über die
verschiedenen verwendeten Sprachen einer Region. Andererseits dient sie dem Zweck die
Machtverhältnisse zwischen verschiedenen Sprachgemeinschaften im öffentlichen Raum
sichtbar zu machen.

2.2    Schild: Definition

Landry & Bourhis (1997) unterscheiden zwei Arten von Schildern. Als „private signs“
bezeichnen sie die kommerziellen Schilder an den Fassaden von Geschäften und Firmen,
Reklametafeln oder Werbeschilder an öffentlichen Verkehrsmitteln und an Privatfahrzeugen
(S.26). Im Gegensatz zu diesen privaten Schildern enthalten die „government signs“ offizielle,
institutionelle Informationen. Die beiden Forscher beziehen sich hierbei also auf Vorschriften
oder    öffentliche   Bekanntmachungen,      welche     auf   Verkehrszeichen,     Ortsschildern,
Straßennamen und Inschriften an offiziellen Gebäuden wie Ministerien, Krankenhäusern,
Rathäusern, Schulen oder Universitäten, U-Bahnhöfen und öffentlichen Parks zu finden sind
(S.26). In späteren Forschungsprojekten werden auch die Begriffe bottom-up und top-down
verwendet. Ben-Rafael et al. (2006) definieren top-down und bottom-up signs wie folgt:

The main difference between these two wide categories of LL elements resides in the fact that
the former are expected to reflect a general commitment to the dominant culture while the latter
are designed much more freely according to individual strategies (Ben-Rafael et al., S. 10).

Die „private signs“ verfügen über eine größere sprachliche Diversität als „government signs“,
weil sie von verschiedenen Individuen geprägt werden (Leclerc, 1989 zitiert in Landry &
Bourhis, 1997, S. 27). Für top-down signs machen manche Staaten offizielle Vorschriften,

                                                                                               12
welche Sprachen verwendet werden müssen. Aus diesem Grund verfügen die LL-Akteure bei
diesen Schildern über weniger Freiheit als bei den privaten Schildern.

In diesem Kontext stellt sich die Frage, was der Begriff ‚Schild‘ genau umfasst. Dazu werden
unterschiedliche Auffassungen vertreten. Backhaus (2006, S.55) definiert ein Schild als „any
piece of written text within a spatially definable frame”. Ein Schild wird also als eine deutlich
abgegrenzte Texteinheit beschrieben. Cenoz & Gorter (2006, S. 71) greifen dagegen auf eine
andere Definition zurück: “in the case of shops and other businesses each establishment but
not each sign was the unit of analysis, that is, it was considered ‘one single sign’ for the
analysis.” Sie stellen also die Einheit eines Geschäfts als Schild vor, während Backhaus jeden
Aushang im Schaufenster als Schild betrachtet. Cenoz & Gorter zufolge sind die einzelnen
Aushänge miteinander verknüpft, weil sie von denselben Individuen gemacht wurden (S.71).
Deswegen wird das ganze Schaufenster als Untersuchungsgegenstand betrachtet.

3     FORSCHUNGSSTAND

3.1     By whom? For whom? Quo vadis? (Backhaus, 2007)

Backhaus (2007, S. 57) widmete sich der Untersuchung mehrsprachiger Schilder in der Stadt
Tokio. Anhand von drei Fragen untersuchte er die Linguistic Landscape der Metropole. Da für
die vorliegende Arbeit nur die erste und zweite Frage relevant sind, werden nachfolgend nur
diese Frage besprochen.

      (1) Linguistic Landscaping by whom?
      (2) Linguistic Landscaping for whom?
      (3) Linguistic Landscaping quo vadis?
          (Backhaus, S. 57)
Die erste Forschungsfrage geht auf die Produzenten der Schilder ein. In seiner Arbeit greift
Backhaus auf die Unterteilung zwischen „private and government signs“ von Landry & Bourhis
(1997, S. 26) zurück. Aus seinem Forschungsprojekt ging hervor, dass in Tokio mehr private
Schilder als top-down-Schilder vorkamen (2007, S 81). Die zweite Frage befasst sich mit den
Lesern der Schilder (S. 58-59). Die Sprachen, die in der LL zu finden sind, können also einen
Hinweis auf die Sprachkenntnisse der Leser geben. Spolsky & Cooper (1991) definieren diese
zweite Frage durch den Begriff „the presumed reader“ (Spolsky & Cooper, 1991 zitiert in
Backhaus, 2007, S. 58).

                                                                                              13
3.2   Sign rules (Spolsky & Cooper, 1991, (Spolsky, 2009))

Spolsky & Cooper (1991) untersuchten die Linguistic Landscape von Jerusalem. In ihrer Arbeit
befassen sie sich mit den Bedingungen der Sprachwahl auf Schildern und mit den
Beweggründen für diese Sprachwahl. Die Autoren schlagen drei Regeln vor, die jeder LL-
Produzent berücksichtigen muss. Die erste Regel ist „to write a sign in a language you know”
(Spolsky & Cooper, 1991, zitiert in Spolsky 2009, S. 33). Diese “sign writers rule condition”
(Spolsky, 2009, S. 33) stellt eine unausweichliche Regel dar. Anhand der in den Schildern
verwendeten Sprachen kann man also die Sprachkenntnisse der LL-Akteure ableiten. Die
zweite Regel bezieht sich auf das Ziel des Schilds: „the presumed reader’s condition : prefer
to write a sign in a language which can be read by the people you expect to read it” (S.33).
Diese Regel hängt also mit den angenommenen Sprachkenntnissen der Lesenden
zusammen. Die Sprache auf dem Schild muss für diejenigen, an die sich das Schild richtet,
verständlich sein, sonst können die Informationen nicht übermittelt werden. Die Autoren gehen
also davon aus, dass die Produzenten der Schilder mit gewissen Sprachkenntnissen der Leser
rechnen. Anhand der verwendeten Sprachen auf einem Schild kann man also auch darauf
schließen, welche Sprachen die LL-Produzenten bei den von ihnen intendierten Lesern
voraussetzen.
Spolsky (S.33) erklärt, dass in einer einsprachigen Region die Schilder in der dominanten
Sprache hergestellt werden. Falls es TouristInnen oder Mitglieder einer sprachlichen
Minderheit gibt, kommen auch zweisprachige Schilder vor (S. 33). Spolsky geht auch davon
aus, dass sich manche Schilder sich nur an TouristInnen in ihrer Sprache richten. Laut Spolsky
(S. 34) ist also zu erwarten, dass dort, wo die „the presumed reader‘s condition“ die wichtigste
Regel ist, ein Schild die Sprache enthält, die von den meisten Lesern verstanden wird.
Die dritte Regel behandelt „the symbolic value condition: prefer to write a sign in your own
language or in a language with which you wish to be identified” (S. 33). Im Gegensatz zu der
zweiten Regel, die ein informatives Ziel darstellt, geht es bei der dritten Regel um den
symbolischen Wert einer Sprache. Eine Sprache wird also nicht nur zur Lieferung von
Informationen verwendet und auf dieser Basis ausgewählt, sondern auch wegen der
Konnotationen, die mit dieser Sprache verknüpft sind. Spolsky beleuchtet die Untersuchung
von Haarmann (1989), in der japanische Werbebotschaften analysiert wurden. Aus der
Analyse ergab sich, dass in der Werbung Fremdsprachen benutzt werden, sodass mit dem
Produkt bestimmte Stereotypen von Sprechern dieser Fremdsprachen verbunden werden
(Haarmann, 1989, zitiert in Spolsky, S. 36).
Dieser symbolische Wert wird im Abschnitt 3.5 näher erläutert.

                                                                                             14
An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass laut Spolsky für jedes Schild alle drei Regeln
gelten könnten. Die erste Regel stellt, wie zuvor erwähnt, eine notwendige Bedingung dar. Die
zweite und die dritte Regel können ebenfalls gelten. Lediglich anhand der Situation lässt sich
ableiten, welche der drei Regeln die wichtigste ist und den größten Einfluss auf die Erstellung
des Schildes hat.

3.3     Funktion der Linguistic Landscape an touristischen Orten (Kallen, 2009)

Kallen (2009) widmete sich der Untersuchung der Linguistic Landscape in Irland. In seiner
Forschung behandelt er die Frage, welche Rolle die LL an touristischen Orten erfüllen muss.
Zusätzlich beschreibt er die Rolle der „foreign language“ oder der Fremdsprache an einem
Touristenort. Kallen geht davon aus, dass diese an dem Ort gesprochene Fremdsprache auf
TouristInnen       einerseits   anziehend   wirkt   und   andererseits   Schwierigkeiten   beim
Informationsaustausch verursacht (S. 271). Kallen zufolge besteht die Herausforderung für LL-
Akteure darin, die LL so zu gestalten, dass die Authentizität und die kommunikative Funktion
der Sprache für die lokalen Rezipienten erhalten bleiben und gleichzeitig den TouristInnen
eine verständliche Spracherfahrung angeboten wird (S. 271). In seiner Arbeit geht Kallen (S.
272) davon aus, dass die LL ein Diskurs ist : Aus einer pragmatischen Perspektive wird jedes
Schild als ein ‚speech act‘ oder Sprechakt betrachtet. Das hat zur Folge, dass jedes Schild ein
kommunikatives Ziel hat, das den Produzenten und den Rezipienten verbindet (S. 272).
Kallen setzt die ‚speech acts‘ und die LL also miteinander in Relation. Demnach müssen
Schilder eine dieser vier Funktionen erfüllen:

      (1) Deixis
      (2) Behavior
      (3) Interaction
      (4) Cognition
         (S.274)

Unter ‚Deixis‘ versteht Kallen Schilder die auf Ort, Zeit oder Personen hinweisen. Unter den
Begriff ‚Behavior‘ fallen Verbots-, Anweisungs- und Aufforderungsschilder. Bei ‚Interaction‘
handelt es sich um Grüße und Verabschiedungen, Humor und metalinguistische Kommentare.
Der vierte Begriff ‚Cognition‘ umfasst Schilder, die (z.B. historische) Informationen und
Beschreibungen anbieten. Kallen (S. 274) betont in seiner Untersuchung, dass ein Schild an
touristischen Orten mehrere dieser Funktionen enthalten kann: Manche dieser Schilder sind
nur an TouristInnen gerichtet, während andere ein breiteres Publikum, zu dem unter anderem
auch TouristInnen gehören können, erreichen sollen. Andere Schilder werden sich wiederum
nur an ein internes Publikum richten.

                                                                                             15
Kallen leitet aus diesen Beobachtungen ab, dass “the tourist will fulfill the roles of addressee,
audience, and eavesdropper, respectively (S. 274).”

Zunächst präsentiert Kallen vier touristische Bedürfnisse („tourist need [sic]“), mit denen LL-
Produzenten an touristischen Orten rechnen müssen:

I suggest that four types of anticipated tourist needs are likely to influence local decisions in
shaping the LL: (1) the need for an authentic experience of place, to see the “real” foreign land;
(2) the need to feel secure, ensuring that what is different is not so different as to be threatening
or in some way repugnant; (3) the need to break away from normal routines; and (4) the need
to return from a journey of transformation, i.e., to create a memory of the experience of travel
that stands out from other experiences (Kallen, 2009, S. 275).
Kallen (S. 275) nimmt an, dass viele Schilder in einer LL, wo Tourismus eine wichtige Rolle
spielt, von diesen Bedürfnissen geprägt sind.

3.4   Code Preferences (Scollon & Scollon, 2003)

Scollon & Scollon (2003) untersuchten die „code preference“, d.h. das Verhältnis von
Sprachen auf mehrsprachigen Schildern. Sie argumentieren, dass die Tatsache, dass nicht
mehrere Sprachen dieselbe Position auf einem Schild haben können, bedeutet, dass eine
Wahl getroffen werden muss (S. 120). Die Autoren postulieren, dass die bevorzugte Sprache
oben, links oder in der Mitte eines Schildes steht, während die marginalisierten Sprachen
unten, rechts oder an der Seite vorkommen. Sie betonen jedoch, dass sie keinen Beweis dafür
haben, wie dieses Verhältnis in Sprachen mit einer Schreibrichtung von rechts nach links, wie
beispielsweise Arabisch, aussieht (S. 121). Um diese Frage eindeutig beantworten zu können,
bedarf es, laut Scollon & Scollon, weiterer Untersuchungen.

Die Autoren unterscheiden auch zwei Funktionen einer Sprache: „Indexicality“ einerseits und
„Symbolization“ andererseits. Unter „Indexicality“ verstehen sie, dass eine Sprachauswahl auf
die Anwesenheit einer bestimmten Sprachgemeinschaft hinweisen kann. „Symbolization“
bezieht sich auf die Assoziation eines Produkts oder einer Sache mit dieser Sprache, ohne
dass der Ort, an dem das Schild platziert wird, eine Rolle spielt (S. 119).

Die Autoren besprechen Beispiele aus Hongkong und Québec. In diesen mehrsprachigen
Städten ist die Position der offiziellen Landessprachen gesetzlich geregelt. Hier finden die
Autoren Beweise für ihre Theorie der bevorzugten Sprache. Auf einem Schild wird die oberste
Sprache als die bevorzugte Sprache betrachtet. Auf den Schildern in Québec kommt zuerst
Französisch vor, Hongkong zuerst Englisch (S. 121-122).

                                                                                                  16
Backhaus (2007, S. 38) vergleicht diese Unterscheidung zwischen Indexikalität und
Symbolisierung mit der dritten Regel von Spolsky & Cooper (1991), nämlich „the symbolic
value condition“, die impliziert, dass ein LL-Produzent eine Sprache benutzen muss, mit der
er identifiziert werden will.

3.5   Sprachen und symbolischer Wert (Piller, 2001)

Piller (2001) untersuchte die Verwendung des Englischen in deutschen Werbebotschaften. Sie
stellte fest, dass Englisch die wichtigste Rolle in der Werbebotschaft spielt: Slogans und die
Überschrift sind auf Englisch, während die detaillierten und praktischen Informationen (z.B.
Kontaktinformationen und Standort) auf Deutsch angegeben werden (S. 180). Dies zeigt laut
Piller, dass die Produzenten der Werbebotschaft eher an den Sprachkenntnissen der Kunden
zweifeln und damit z.B. diese Informationen auf Deutsch angeben. Außerdem wird die wichtige
Rolle des Englischen auch durch paralinguistische Merkmale, wie z.B. eine große Schrift und
auffällige Farben verdeutlicht (S.180).

Pillers Untersuchung weist nach, dass Englisch in diesen zweisprachigen Werbebotschaften
wegen seines symbolischen Werts verwendet wird. Auf diese Weise werden laut Piller
Stereotypen und Vorstellungen von englischsprachigen Personen und ihren Kulturen mit dem
Produkt verknüpft (S.163). Obwohl die Werbeproduzenten die Englischkenntnisse der Leser
anzweifeln, gehen sie dennoch davon aus, dass der konnotative Wert des Englischen
übertragen wird (S. 163). Englisch wird laut Piller mit Internationalismus, Ausstrahlung,
finanziellem Erfolg und Macht assoziiert. Dieser symbolische Wert ist nicht nur im Englischen
zu finden: Auch im Französischen und im Italienischen ist die Konnotation von großer
Bedeutung. Französisch und Italienisch gelten laut Piller als Sprachen der Lebensfreude (S.
169). Genauer gesagt wird Französisch als die Sprache der Liebe betrachtet und aus diesem
Grund mit Erotik verknüpft (S. 169). Italienisch ist die Sprache des guten Lebens, das sich
durch Essen ausdrückt (S.170).

Edelman (2009, S.143) fasst die Gründe für die Verwendung von Fremdsprachen in
Werbebotschaften wie folgt zusammen: 1. „To make the contents understood, i.e., the
denotation of the message”; 2. “To appeal to emotions through the connotations of languages.”
Laut Edelman (2009, S.143) legen Produzenten von Werbebotschaften mehr Wert auf die
Konnotation als auf die Denotation einer Werbebotschaft.

An dieser Stelle lässt sich also ein Zusammenhang zwischen den ‚sign rules‘ von Spolsky
(2009, S. 33) (cf. supra) und den Ergebnissen von Piller finden. Zusammenfassend kann
gesagt werden, dass Sprachen nicht nur zur Übermittlung von Informationen (‚presumed

                                                                                           17
reader’s condition‘, Spolskys zweite Regel), sondern auch wegen der spezifischen
Konnotationen, die mit einer bestimmten Sprache verbunden sind (‚symbolic value condition‘,
Spolskys dritte Regel), verwendet werden.

3.6     Linguistic Landscape und Tourismus: Niederdeutsch in Ostfriesland
        (Reershemius, 2011)

Reershemius (2011) untersuchte die Verwendung der Standardsprache, der dominanten
Sprache, und einer regionalen Variante dieser Standardsprache in einer zweisprachigen
Sprachgemeinschaft. Ihre Untersuchung konzentriert sich auf die Verwendung des
Niederdeutschen,     einer   regionalen   Variante    des   Standarddeutschen     und     des
Standarddeutschen in Ostfriesland in Norddeutschland (S. 33). Der Autorin zufolge werden
durch     Verwendung   einer   Minderheitensprache     weniger    Menschen    erreicht.   Die
kommunikative Funktion wird also reduziert, der symbolischer Wert der Sprache aber durch
deren Verwendung erhöht (S. 33). Die Minderheitensprache ist eine Möglichkeit für deren
Sprecher und Sprachgruppen, ihre Identität auszudrücken.

Untersucht wurde die Sprachlandschaft von 19 Dörfern in Ostfriesland. Straßennamen und
andere sichtbare sprachliche Ausdrücke in der Sprachlandschaft, wie z.B. Werbeplakate und
Namen von Gebäuden wurden fotografiert. Die gewählten Schilder richten sich sowohl an
Einheimische als auch an TouristInnen. Anschließend wurde analysiert, wie das
Niederdeutsche in touristischen Broschüren verwendet wird (S. 34).

Aus der Analyse ergab sich, dass Niederdeutsch in der Sprachlandschaft deutlich sichtbar
war: 24% der Straßennamen waren entweder einsprachig Niederdeutsch oder enthielten ein
Element in Niederdeutsch (S. 39). Im touristisch attraktivsten Dorf war der Prozentsatz sogar
noch höher: 33% der Straßennamen waren in Niederdeutsch oder enthielten ein Element in
Niederdeutsch (S. 39). Dieser Trend war auch in der Werbung sichtbar: Restaurants, Kneipen
und Geschäfte benutzten häufig Niederdeutsch. Ein Beispiel dafür ist eine Werbung für die
Teestube Teetied (Teezeit): „Herzlich willkomen in Teetied“ (S. 40).

Auffällig war auch, dass die Minderheitensprache Niederdeutsch bei der Benennung von
Einrichtungen häufig verwendet wurde. Ein Beispiel ist der Name des Restaurants, das
Huuske. Für Sprecher des Standarddeutschen ist es nicht so schwierig, die Bedeutung
herauszufinden und die Verbindung mit dem deutschen Standardwort ‚das Haus‘ herzustellen
(S. 41). Nach Ansicht der Autorin sind selbst Namen in Niederdeutsch, die viel schwerer zu
verstehen sind, kein Problem. Da ein Name keine wesentlichen Informationen enthält, ist es
für den Leser nicht notwendig, den Namen einer Einrichtung zu verstehen. Der Hauptzweck

                                                                                           18
eines Namens besteht darin, Konnotationen hervorzurufen, die mit einer Sprache verbunden
sind. Edelman (2009) verwendet zu diesem Zweck den Begriff "impersonal multilingualism"
(zitiert in Reershemius, S. 44). Die Elemente in Niederdeutsch in der Sprachlandschaft
vermitteln nicht die notwendigen Informationen, dies geschieht in Standarddeutsch. Wichtiger
ist die Symbolfunktion: “Low German in public language display is presented in a way
appealing to addressees who value regional orientation, past orientation and the perceived
quietness    of    a    more       traditional   and   less    complex      pre-modern      life
(S. 44).”

Auch bei der Analysen von Werbebroschüren kam der Autorin zur gleichen Schlussfolgerung:
Standarddeutsch     wurde    zur   Vermittlung   von   Informationen    verwendet,    während
Niederdeutsch zur Hervorhebung der „regional distinctiveness“ (S. 46) verwendet wird. In
deutschen Standardtexten in den Broschüren werden Wörter, die sich auf die niederdeutsche
Kultur beziehen, in Niederdeutsch hinzugefügt.

Ein Beispiel: „Der macht auch die "WINDLOPERS" - Windschiefer Bäume am Straßenrand“
(S. 46).

Die Verwendung von Niederdeutsch (WINDLOPERS) und den Anführungszeichen sorgen
dafür, dass Niederdeutschsprachige als kulturell andersartig und anders als der
Durchschnittsdeutsche angesehen werden. Laut der Autorin entsteht dadurch ein Bild der
kulturellen Einzigartigkeit, das die Region für potenzielle TouristInnen attraktiver macht.
Wang (2000) bespricht den "will for difference" (zitiert in Reershemius, 2011, S. 46 ). Ihm
zufolge ist für TouristInnen wichtig entscheidend "to make a difference to their daily routines
and everyday environments. Thus, they travel and enter the spaces of difference” (Wang,
2000, zitiert in Reershemius, 2011, S. 46 ).

Deutschen TouristInnen wird anhand der Betonung der kulturellen und sprachlichen
Unterschiede durch Verwendung der Regionalsprache vermittelt, dass sie Authentizität und
eine andere Kultur erleben können (S. 46).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Regionalsprache, das Niederdeutsche, wegen
seines symbolischen Werts benutzt wird. Auch Authentizität wird evoziert.

                                                                                            19
3.7     Linguistic Landscape und Tourismus: Englisch als Lingua Franca am
        Touristenort S’Arenal auf Mallorca (Bruyèl-Olmedo & Juan-Garau, 2009)

Bruyèl-Olmedo & Juan-Garau (2009) untersuchten die Rolle des Englischen im Touristenort
S‘Arenal auf Mallorca. Die Insel verfügt über zahlreiche Unterkünfte und ist ein beliebtes
Reiseziel für TouristInnen. Die meisten Gäste kommen aus den folgenden Ländern:
Deutschland, Spanien, den Niederlanden, Italien, Frankreich, dem Vereinigten Königreich,
Belgien und Österreich. Gäste aus Deutschland bilden die größte einzelne Gäste- und
Sprachgruppe. Die Autoren untersuchten die LL und entdeckten, dass die Sprachlandschaft
von sieben Sprachen gestaltet wird: Englisch, Spanisch, Deutsch, Katalanisch, Französisch,
Niederländisch und Schwedisch. Auf den monolingualen Schildern ist Englisch (35%)
eindeutig die häufigste Sprache, gefolgt von Deutsch (22%), Katalanisch (21%), Spanisch
(12%) und Niederländisch (3%) (S. 398). Anschließend wurden die auf den mehrsprachigen
Schildern vorkommenden Sprachen untersucht. Anhand ihrer Positionen auf den Schildern
wurden diese als      L1, L2, L3 und L4 identifiziert. Um die bevorzugte Sprache (‚code
preference‘, cf. supra) herauszufinden, befolgten die Autoren folgende Regeln: In horizontalen
Texten wurde die erste Sprache, die von links nach rechts erschien, als die bevorzugte
Sprache kategorisiert, in vertikalen Texten die oberste (S. 391). Insgesamt kommen 28
Kombinationsmöglichkeiten der Sprachen vor (S. 399, 402). Englisch kommt in 17 dieser
Kombinationsmöglichkeiten vor. Auf den bilingualen Schildern kam Englisch nach Spanisch
als zweithäufigste Sprache vor und wird am häufigsten als zweite Sprache (L2) verwendet (S.
399).

Die Autoren kommen also zu dem Schluss, dass die englische Sprache als Lingua Franca
verwendet wird (S. 403). Obwohl die LL von S’Arenal von sieben verschiedenen Sprachen
geprägt wird, beherrscht Englisch als Lingua Franca die Sprachlandschaft. Die englische
Sprache     wird   verwendet,   um   möglichst   viele   TouristInnen   mit   unterschiedlichen
Muttersprachen zu erreichen.

3.8     Klassifizierung der Eigennamen nach Sprachen (Edelman, 2009)

Edelman (2009) untersuchte, inwieweit Eigennamen die Sprachlandschaft beeinflussen und
wie sie daher zu klassifizieren sind. Laut Edelman (S. 142) bestimmen „shop signs“ und „signs
displaying the name of a shop“ weitgehend die Sprachlandschaft einer Stadt. Zweck dieser
Schilder ist es, ein Produkt zu bewerben oder die Kunden zu ermutigen, die im Shop
angebotenen Dienstleistungen zu benutzen. Hauptziel ist es also, zu überzeugen und das
Kundenverhalten zu beeinflussen (El-Yasin und Mahadin, 1996, zitiert in Edelman, S. 142).

                                                                                            20
In einer Sprachlandschaft enthalten viele Schilder einen Eigennamen, insbesondere „shop
names, brand and product names and the names of residents (Edelman, 2009, S. 143). Die
Frage ist nun, welchem Zweck diese Namen in fremden Sprachen dienen.

Schlick (2003, zitiert in Edelman, S. 144) untersuchte in ihrer Arbeit zwei englische Namen
von Geschäften in der italienischen Stadt Triest. Die Namen AND und after sind auffällige
Namen, da diese Worte an sich wenig Bedeutung haben. Schlick zufolge hat die Verwendung
der englischen Sprache, einer internationalen Sprache, zur Folge, dass diese Eigenschaften
auch mit den Geschäften verbunden werden: „In the cases above, the language itself, Englisch
as the international language of trendiness, seems to carry enough additional meaning that
shop-owners consider even function words appropriate as shop names“ (Schlick, 2003, zitiert
in Edelman, S. 144). Die Übertragung eines Gefühls ist daher eine wichtige Funktion von
Eigennamen (S. 144).

In ihrer Arbeit zur Sprachlandschaft Amsterdams untersucht Edelman (2009) wie Eigennamen
nach Sprachen klassifiziert wurden. Sie analysierte mehr als 200 Signs auf der Hauptstraße
Amsterdams (Kalverstraat). 80 Schilder enthalten einen oder mehrere Eigennamen. In der
ersten Analyse (Analyse A) wurden Eigennamen nicht berücksichtigt, während die zweite
Analyse (Analyse B) Eigennamen enthielt. Die Analysen zeigten, dass Eigennamen eine sehr
wichtige Rolle in der Mehrsprachigkeit der Sprachlandschaft spielen. Der Anteil der
Fremdsprachen war in der zweiten Analyse (Analyse B) bedeutend höher. Edelman
unterstreicht, dass, „ A researcher who does not code proper names as foreign languages gets
an incomplete picture of the LL's multilingual character” (S. 152).

3.9   Sprachen und Namen (Pappenhagen et al., 2016)

Pappenhagen, Scarvaglieri & Redder (2016) untersuchten die Linguistic Landscape des
Stadtteils St. Georg in Hamburg. Sie untersuchten unter anderem die Namensgebung. Es gab
viele Lebensmittelgeschäfte in diesem Viertel. Sie unterschieden zwei Arten von Eigennamen
der Geschäfte: Die erste Art soll dem Leser einen ersten Eindruck vom Geschäft und den dort
angebotenen Produkten vermitteln. Ein Geschäft, das Produkte aus dem Balkan verkauft, hat
beispielsweise den Namen "Balkan-Magazin". Dieser Name ist somit mit einem geografischen
Gebiet verknüpft, was den Lesern des Schildes hilft, sich ein Bild von den verkauften
Produkten zu machen (S. 151).

Andere Supermärkte tragen einen Namen, der mehr Hintergrundwissen seitens des Lesers
erfordert, weil er sich auf eine Sprache oder Kultur bezieht, die im Westen weniger bekannt

                                                                                         21
ist. Ein Restaurant heißt beispielsweise "Batman", was sich auf einen Ort in der kurdischen
Türkei bezieht (S. 151).

Pappenhagen et al. (2016, S. 152) argumentieren, dass die erste Art von Geschäften ein
breiteres Publikum anziehen wird, während die zweite Art von Geschäften zunächst Kunden
anspricht, die spezifischere Kenntnisse über das Land und die Kultur haben, auf die im Namen
Bezug genommen wird. Die meisten von ihnen sind Einwanderer aus dem Land oder der
Region, auf die sich der Name bezieht. Die Namen der Geschäfte geben daher einerseits mehr
Informationen    über      die   kulturelle   Identität   ihres   Besitzers   (wie   z.B.   seinen
Migrationshintergrund und die Sprachgruppe, mit der er identifiziert werden möchte),
andererseits verweisen sie auf die Produkte, die im Geschäft erhältlich sind.

Neben den Namen der Lebensmittelgeschäfte in der Nachbarschaft wurden auch die Namen
der Hotels untersucht. Im Gegensatz zu den Besitzern der Lebensmittelgeschäfte verwenden
die Hotelbesitzer keine Namen, die einen Bezug zu einer bestimmten Sprache oder Kultur
aufweisen (S. 152). Die Namen der Hotels sind internationalisiert. Sie heißen z.B. Hotel
Lumen, Hotel Mercedes, Hotel Terminus und Hotel Residence. Die Namen enthalten oft
lateinische Wörter, die in vielen anderen Sprachen bekannt sind. Dies steht im Einklang mit
dem Ziel der Hotels, möglichst viele Kunden zu gewinnen. Da diese Wörter in vielen Sprachen
bekannt sind, können sich auch mehr Menschen mit dem Namen identifizieren (S. 152).

Diese Namen enthalten daher keine zusätzlichen Informationen über die Eigentümer, wie es
bei kulturell geprägten Supermärkten oder Restaurants der Fall war. Augé (2008, zitiert in
Pappenhagen et al., S. 152) verwendet für vergleichbare Einrichtungen den Begriff der „non-
places“, weil sie keinen Bezug zur Vergangenheit oder zu einer kulturellen Identität enthalten.

Die Lebensmittelgeschäfte wollen daher Kunden gewinnen, indem sie sich mit einer
bestimmten Region oder Gruppe identifizieren, während die Hotels Namen wählen, die für
möglichst viele Menschen ein vertrautes Gefühl wecken.

                                                                                               22
4     BISHERIGE FORSCHUNG: LINGUISTIC LANDSCAPE IN FLANDERN

An dieser Stelle sind auch Untersuchungen jene von Interesse, die sich konkret mit der
Linguistic Landscape von flämischen Städten beschäftigen. Die Arbeit von Botterman (2011)
behandelt die Linguistic Landscape von Gent. An dieser Stelle soll angemerkt werden, dass
diese Untersuchung sich nicht spezifisch mit Tourismus beschäftigt, sondern eher einen
allgemeinen Überblick über die Sprachlandschaft Gents darstellen will. So werden neben dem
Stadtzentrum auch Viertel, die im Allgemeinen weniger touristisch sind, untersucht. Im
Rahmen dieser Arbeit ist diese Untersuchung relevant, da sie einen besseren Einblick in die
Sprachlandschaft von Gent ermöglicht. Die zweite Arbeit (Van Mol & Slembrouck (2014))
befasst sich mit Mehrsprachigkeit im historischen Stadtzentrum der flämischen Stadt Brügge,
einer der wichtigsten Touristenstädte Flanderns.

Im Folgenden wird auf diese Untersuchungen weiter eingegangen.

4.1   Linguistic Landscape in Gent (Botterman, 2011)

Botterman (2011) widmete sich der Untersuchung der Linguistic Landscape in Gent.
Zwei Gebiete wurden analysiert: Das erste Gebiet erstreckt sich vom Stadtzentrum und geht
in Richtung vom Brugse Poort, einem multikulturellen Stadtteil. Das zweite Gebiet beginnt
auch im Stadtzentrum und endet in der Nähe des Bahnhofs Gent-Sint-Pieters. In jedem Gebiet
wurde das Vorkommen der Sprachen Niederländisch, Englisch, Französisch und anderer
Sprachen untersucht (S.5). In ihrer Analyse folgte Botterman der Definition von Cenoz & Gorter
(2006). Im Gegensatz zu Backhaus, der jeden einzelnen Aushang im Schaufenster analysiert,
betrachtet sie jede Einrichtung als Analyseeinheit. Botterman legte den Fokus ihrer
Untersuchung hauptsächlich auf private Einrichtungen, wie Geschäfte und Essgelegenheiten.
Auch die Namen wurden in die Analyse einbezogen und nach ihren Namen in ihrer
Originalsprache zugeordnet (. Bei der Analyse folgte Botterman der Methodik von
Vandenbroucke (2010). Nach dieser Methode wird untersucht, welche Sprache auf der
Fassade einer Einrichtung dominant ist (S. 15). Um dies zu analysieren, wird zwischen 4
Sprachkategorien unterschieden: Niederländisch, Englisch, Französisch und weitere
Sprachen (Migranten- und Touristensprachen, z.B. Deutsch, Italienisch, Türkisch). Den vier
Sprachkategorien werden vier mögliche Punktzahlen zugeordnet. Die höchste Punktzahl, die
ein Zeichen erhalten kann, ist vier. Monolinguale Schilder bekommen diese Punktzahl. Ein
monolingual niederländisches Schild erhält also die Note 4 (S. 15). Die zweite Möglichkeit ist
Bi- oder Multilingualismus: Mehrere Sprachen sind gleichermaßen präsent. Jede Sprache, die
vorkommt, erhält somit eine Note von 2 (S. 16). Bei den nicht-äquivalenten zwei- oder

                                                                                           23
mehrsprachigen Schildern, erhält die die dominante Sprache, d.h. die Sprache, in der die
meisten Informationen gegeben werden, eine höhere Bewertung als die andere(n) Sprache(n)
(S.17). Diese anderen Sprachen werden als weniger wichtig angesehen, weil sie manchmal
eine Teilübersetzung der dominanten Sprache sind, nur geringfügige Kommentare darstellen
oder weil sie nicht zu informativen Zwecken, sondern wegen ihres symbolischen Wertes
verwendet werden (S.17). In diesem Fall erhält die dominante Sprache eine Note von 3, die
zusätzlichen Sprachen eine Note von 1 (S.17). Bottermans Analyse (2011) zeigt, dass das
Niederländische die Sprachlandschaft in beiden Gebieten dominiert (S.102). Nach
Niederländisch ist Englisch die Sprache, die die wichtigste Rolle spielt. Laut Botterman
hängen diese Ergebnisse mit dem symbolischen Wert des Englischen und der zunehmenden
Globalisierung zusammen. Darüber hinaus stellte sich heraus, dass, obwohl Französisch im
Stadtzentrum öfter vorkam als außerhalb, Französisch viel seltener als Englisch in
Verwendung ist (S.83). Die Sprachen, die zur Kategorie ‚Andere Sprachen‘ gehören, fanden
sich vor allem im ersten Gebiet, das vom Stadtzentrum in Richtung vom Migrantenviertel
Brugse Poort geht. Wie schon erwähnt, wurden insbesondere private Einrichtungen analysiert:
Eine wichtige Unterkategorie, die untersucht wurde, waren die Restaurants. Diese befunden
sich zum Großteil im Stadtzentrum. Diese Einrichtungen sind touristenorientiert, was sich auch
in der Sprachlandschaft widerspiegelt (S. 102). Französisch war hier häufiger anzutreffen, vor
allem weil viele Restaurants einen französischen Namen haben. Eine Sprache der Kategorie
"andere Sprachen", die im Zentrum ebenfalls sehr verbreitet war, war Italienisch. Dies hat auch
mit den lokalen Essgelegenheiten wie den Pizzerias zu tun (S. 77).

4.2   Linguistic Landscape und Tourismus in Brügge (Van Mol & Slembrouck, 2014)

Van Mol & Slembrouck (2014) widmeten sich der Untersuchung von der Linguistic Landscape
in der flämischen Stadt Brügge. Brügge hat nach Brüssel und der Küstenregion die höchsten
Besucherzahlen Belgiens (Toerisme Vlaanderen, 2019). Im Jahr 2018 besuchten 1 250 589
TouristInnen die Hauptstadt von Westflandern. Es wurden 2 193 092 Übernachtungen
gebucht. Tourismus ist also von großer Bedeutung für die Stadt.

In diesem Zusammenhang ist es von Interesse, die Verteilung zwischen monolingualen und
multilingualen Schilder in der Sprachlandschaft von Gent mit der Verteilung dieser Schilder in
Brügge zu vergleichen. In ihrer Arbeit zur Mehrsprachigkeit im touristischen Zentrums der
Stadt Brügge analysieren Van Mol & Slembrouck (2014) ebenfalls die Sprachlandschaft.
Drei touristische Gebiete der Stadt wurden analysiert. Für jedes Gebiet wurde untersucht,
welche Sprachen in der Sprachlandschaft am sichtbarsten waren und ob sich Unterschiede in

                                                                                            24
den touristischen Gebieten feststellen lassen. Die verschiedenen Sprachkombinationen in top-
down bzw. bottom-up signs wurden ebenfalls untersucht (S.7).

In ihrer Untersuchung kommen die Autoren zu folgenden Ergebnissen. In Brügge wird die
Landschaft von multilingualen Schildern geprägt: Nur ein Drittel (94 von 274 Schildern) der
Sprachlandschaft bestand aus monolingualen Schildern, zwei Drittel (180 von 274 Schildern)
wurden von multilingualen Schildern eingenommen (S.59). Der Großteil der monolingualen
Schildern war auf Niederländisch (S.59).

Den Autoren zufolge, zeigt diese Analyse, dass Mehrsprachigkeit in Flandern immer mehr im
Vordergrund steht (S.103). Darüber hinaus stellten sie fest, dass Englisch die Fremdsprache
war, die am meisten in der Sprachlandschaft vorkam (S.103). Daraus folgt, dass Englisch in
Brügge als Lingua Franca verwendet wird. Darüber hinaus weist die hohe Präsenz des
Englischen in Brügge auch auf den Einfluss der Globalisierung auf die Sprachlandschaft hin
(S. 103). Englisch wird nicht nur als Lingua Franca dargestellt, sondern auch als die wichtigste
Sprache bei Schildern mit einer symbolischen Funktion. Während informative Schilder auf
Niederländisch zurückgreifen, wird bei den Schilder mit einer symbolischen Funktion das
Englische verwendet (S.103). Eine mögliche Erklärung dafür ist, nach Ansicht der Autoren, die
Bedeutung des Englischen als Sprache der Globalisierung. Da Englisch mit Internationalismus
verknüpft wird, hat diese Sprache in Schildern mit einer symbolischen Funktion eine größere
Anziehungskraft als symbolische Schilder auf Niederländisch (S.104).

                                                                                             25
26
5     TOURISMUSDESTINATION GENT
5.1   Sprachsituation in Gent und Belgien

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Stadt Gent als Tourismusdestination. Der erste Teil
widmet sich der sprachlichen Situation von Gent im dreisprachigen Belgien. In diesem Kontext
wird zunächst die Rolle des Tourismus und der Gastgewerbeunternehmen besprochen.

Mit 263 621 Einwohnern ist Gent die zweitgrößte Stadt Flanderns (Stad Gent, 2019b). Gent
hat im Laufe der Geschichte immer einen wichtigen Platz in Westeuropa eingenommen.
Die Stadt wurde 630 vom Heiligen Amandus gegründet, der sie wählte, um dort eine Abtei zu
gründen. Ihre Lage am Zusammenfluss von Lys und Schelde macht Gent zu einer Stadt mit
einer idealen Lage. Im Mittelalter war Gent nach Paris die wichtigste Wirtschaftsmetropole in
Europa (VisitGent, o.J., Absatz 1, 2).

Der blühende Tuchhandel und die Getreidelagerung machten Gent zu einer reichen und
wohlhabenden Stadt. Dieser Reichtum spiegelte sich in der Errichtung zahlreicher Häuser,
Denkmäler und öffentlicher Gebäude wider. Nach dem Mittelalter entwickelte sich Gent, vor
allem dank der Textilindustrie, zu einer wichtigen Industriestadt (STAM Gent, o.J., Absatz 7,
20). Heute machen die vielen historischen Sehenswürdigkeiten, das lebhafte Studentenleben
und die lokale Industrie Gent zu einer attraktiven Stadt für TouristInnen.

Gent liegt in der nördlichen Region Belgiens, die Flandern genannt wird. Diese Region ist
offiziell einsprachig Niederländisch. Neben dem Niederländischen gibt es in Belgien noch zwei
offizielle Sprachen, nämlich Französisch und Deutsch. Damit hat Belgien insgesamt drei
offizielle Sprachen. Belgien hat insgesamt 11.431.406 registrierte Einwohner und ist basierend
auf die Sprache in drei Gemeinschaften aufgeteilt. Bei dieser Unterteilung geht man von der
Sprache aus: jede Gemeinschaft hat also eine offizielle Sprache. Die Gemeinschaften
Belgiens sind einerseits zuständig für den Sprachgebrauch und die personengebunden
Angelegenheiten, andererseits gelten ihre Befugnisse auch für z.B. die Kultur und das
Unterrichtswesen (belgium.be, 2020).

Im Norden des Landes, in Flandern, findet sich die Flämische Gemeinschaft, deren einzige
offizielle Sprache Niederländisch ist. Diese Gemeinschaft ist die größte: 6.589.069 Belgier
wohnen in der Flämischen Gemeinschaft. Die Französische Gemeinschaft befindet sich im
Süden des Landes. Die einzige offizielle Sprache ist hier Französisch. Diese Gemeinschaft
zählt 3.633.795 Einwohner.

                                                                                           27
Die Region Brüssel-Hauptstadt nimmt eine Sonderposition ein: Sie ist offiziell zweisprachig
(Niederländisch und Französisch) (Buurtaal, 2017). Dies erklärt auch, warum sie sowohl in der
Flämischen als auch in der Französischen Gemeinschaft auf der Karte unten angegeben ist.
Insgesamt zählte Brüssel am 1. Januar 2019 1.208.542 Einwohner (Statbel, 2019). Das
deutsche Sprachgebiet, und damit auch die Deutschsprachige Gemeinschaft befindet sich im
Osten Belgiens, in der Provinz Lüttich. Nach Angaben von Statbel (2019), dem belgischen
Statistikamt,       lebten am 1. Januar 2019, 77.527 Belgier in der Deutschsprachigen
Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft bildet also eine Minderheit.

Die unterstehende Karte zeigt die drei Sprachgemeinschaften Belgiens (Vogl & Hüning,
2010, S. 231).

                   Abbildung 1:Die drei Sprachgemeinschaften Belgiens

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass ungefähr 58% der Belgier in der
Flämischen Gemeinschaft leben und Niederländisch als Muttersprache haben. Etwa 40% der
Belgier sprechen Französisch als Muttersprache. Deutsch wird von nur 0,68% der Belgier
gesprochen.

Die Kantone (Eupen, Malmedy und Sankt Vith), die die Deutschsprachige Gemeinschaft
bilden, wurden erst 1919 Teil Belgiens, da im Versailler Vertrag (1919) festgelegt wurde, dass
Deutschland seine Gebiete           als Entschädigung für die im Ersten Weltkrieg erlittenen
Kriegsschäden an Belgien abtreten musste. Seit 1919 gehören diese Gebiete daher zu Belgien
und       bilden      die    Deutschsprachige       Gemeinschaft        (Belgische   kamer      van
volksvertegenwoordigers, 2019).

Als Belgien 1830 seine Unabhängigkeit proklamierte, sah König Wilhelm I. die Sprachfreiheit
in der belgischen Verfassung vor. Deshalb durfte in Belgien Niederländisch gesprochen
werden. In der Praxis wurde im öffentlichen Leben jedoch immer Französisch gesprochen:
Bildung     und      Gesetze     waren     in   Französisch,    nicht    in   Niederländisch.   Die

                                                                                                 28
Sie können auch lesen