Digitaler Stress Eine Befragungsstudie im deutschsprachigen Raum - FH OÖ Forschungs und Entwicklungs GmbH
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Digitaler Stress Eine Befragungsstudie im deutschsprachigen Raum René Riedl, Thomas Fischer, Thomas Kalischko, Martin Reuter Eine Studie der Fachhochschule Oberösterreich unter Beteiligung der Universität Linz und der Universität Bonn │ Oktober 2020 ISBN: 978-3-9504257-3-4 1
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung .......................................................................................................................3 1 Ausgangssituation ................................................................................................................4 2 Forschungsmodell .................................................................................................................6 2.1 Facetten von digitalem Stress ................................................................................................... 8 2.2 Konsequenzen von digitalem Stress .......................................................................................... 9 2.3 Personenbezogene Eigenschaften .......................................................................................... 10 3 Methodik............................................................................................................................ 11 4 Ergebnisse .......................................................................................................................... 13 4.1 Facetten von digitalem Stress ................................................................................................. 14 4.2 Konsequenzen von digitalem Stress ........................................................................................ 17 4.3 Personenbezogene Eigenschaften .......................................................................................... 19 4.4 Zusammenhänge zwischen digitalem Stress und seinen Konsequenzen sowie den personenbezogenen Faktoren ............................................................................................................ 23 4.4.1 Zusammenhang von digitalem Stress und den Konsequenzen .................................................................. 23 4.4.2 Zusammenhang von digitalem Stress und den personenbezogenen Faktoren .......................................... 31 5 Fazit ................................................................................................................................... 39 Die Autoren ............................................................................................................................... 41 Literatur .................................................................................................................................... 42 Impressum ................................................................................................................................. 46 2
Zusammenfassung Digitaler Stress nimmt in unseren Arbeits- und Lebenswelten eine immer zentralere Rolle ein. Die Nutzung und Allgegenwärtigkeit digitaler Technologien ist so ausgeprägt wie nie zuvor. Im vorliegenden Bericht wird über eine Fragebogenstudie mit 3.333 Teilnehmern im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) berichtet. Im Fokus der Untersuchung standen bedeutsame Facetten als auch Konsequenzen von digitalem Stress am Arbeitsplatz sowie personenbezogene Eigenschaften wie zB Alter, Geschlecht, Bildung und Persönlichkeit und ihr Zusammenhang mit digitalem Stress. Eine Gesamtschau der Befunde zeigt, dass digitaler Stress im deutschsprachigen Raum ein bedeutsames Phänomen ist, das mit negativen Konsequenzen einhergeht (zB Reduktion von Arbeitszufriedenheit, mentaler Gesundheit und Innovationsklima). Zudem zeigen die Ergebnisse, dass personenbezogene Eigenschaften und digitaler Stress zusammenhängen. 3
1 Ausgangssituation Bei digitalem Stress handelt es sich um eine Stressform, die durch die Nutzung und Allgegenwärtig- keit von digitalen Technologien verursacht wird (Ragu-Nathan et al. 2008; Riedl 2013). Bereits mit der zunehmenden Verbreitung von PCs in den 1980er Jahren gingen ausgeprägte Stresswahrneh- mungen von Benutzern einher. Zur Benennung dieses Phänomens wurde von nordamerikanischen Psychologen der Begriff „Technostress“ verwendet (Brod 1984; Weil und Rosen 1997). Mit dem „Siegeszug“ von Smartphones und der damit verbundenen ständigen Erreichbarkeit gewann die Thematik im letzten Jahrzehnt in der Wissenschaft weiter an Bedeutung. Mittlerweile sind Hunderte wissenschaftliche Studien zur Thematik verfügbar. Das angewendete Methodenspektrum reicht dabei von Experimenten unter kontrollierten Laborbedingungen bis zu Feldstudien auf der Basis von Be- fragungsinstrumenten. Heutzutage weiß man, dass digitaler Stress sowohl für Individuen als auch für Unternehmen beträchtliche negative Konsequenzen haben kann. Ungünstige Effekte sind sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene nachgewiesen. Problematisch ist, dass viele Entscheidungs- und Verantwortungsträger in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik die Relevanz der Problematik noch nicht oder noch nicht in vollem Umfang wahrgenommen haben. Es ist daher an der Zeit, die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis verstärkt bekannt zu ma- chen. Dies soll dabei helfen, Bewusstsein zu schaffen und somit die negativen Konsequenzen zu ver- hindern oder zumindest auf ein akzeptables Niveau abzuschwächen. 4
Abstürzende sowie langsame Computer, eine dividuum schädlich, aber auch für Unternehmen Vielzahl unbearbeiteter Mails, permanent ein- und daher für die Volkswirtschaft insgesamt. gehende Social-Media-Nachrichten am Smart- phone, Angst vor Computerviren und weitere Im vorliegenden Forschungsbericht wird eine IT-Sicherheitsprobleme, laufende Einführung Befragungsstudie vorgestellt, die den digitalen neuer Programme und Updates, mangelnde Stress am Arbeitsplatz in Deutschland, Öster- Usability und ein schlechter Help-Desk sowie reich und der Schweiz analysiert. Bisherige die Prognose, dass zukünftig vielleicht viele Untersuchungen mit akademischem Anspruch Arbeitsplätze durch Digitalisierung, Automati- waren auf Deutschland beschränkt (Gimpel et sierung und Künstliche Intelligenz verloren al. 2018; Gimpel et al. 2019). Nach Kenntnis- gehen könnten – diese und weitere ähnliche stand der Autoren handelt es sich bei der vor- Phänomene stressen sehr viele Menschen. Seit liegenden Studie somit um die erste, die das den 1980er Jahren wird das Phänomen des digi- Phänomen mit psychometrisch evaluierten Be- talen Stresses wissenschaftlich untersucht. Zu fragungsinstrumenten umfassend für den deut- dieser Zeit kamen die PCs flächendeckend in schen Sprachraum untersucht; sie ergänzt daher die Büros und Wohnzimmer vieler Menschen vorliegende Befunde aus Deutschland und er- und man bemerkte schon damals, dass ein Zu- weitert somit den Kenntnisstand. viel an Informations- und Kommunikations- technologien für den Menschen schädlich sein Die Daten der vorliegenden Studie wurden En- kann. de 2019 erhoben, also unmittelbar vor Be- kanntwerden der Coronavirus-Krankheit (CO- Etliche Studien haben seit damals negative VID-19) im Januar 2020 und der damit verän- Auswirkungen der menschlichen Interaktion derten Arbeit- und Lebenswelten vieler Men- mit digitalen Technologien auf die Psyche und schen. Da die Corona-Pandemie dazu führte, Physis nachgewiesen. Unter anderem wird von dass Menschen digitale Technologien spätes- emotionaler Erschöpfung, Entfremdung, An- tens seit dem im März 2020 beginnenden Lock- stieg von Stresshormonen wie Adrenalin und Down mehr nutzten als zuvor (zB Videotelefo- Kortisol sowie von ungünstig veränderten Pa- nie, E-Mail), ist davon auszugehen, dass die rametern des autonomen Nerven- und Herz- hier berichteten Werte zum digitalen Stress Kreislauf-Systems berichtet, beispielsweise mittlerweile weiter gestiegen sind. Dies ver- einer Tendenz zu vermehrter Sympathikusakti- stärkt die negativen Wirkungen des digitalen vität, was sich unter anderem in erhöhten Blut- Stresses für Individuen und Organisationen. druckwerten und reduzierter Herzratenvariabili- tät bemerkbar macht (Riedl 2013). Ein Merkmal der vorliegenden Befragungsstu- die ist, dass mehrere Benutzereigenschaften Zudem zeigen Befunde wissenschaftlicher Un- (unter anderem demographische Faktoren wie tersuchungen, dass digitaler Stress auch die Alter und Geschlecht, aber auch Faktoren wie Leistungsfähigkeit und Arbeitsproduktivität die Persönlichkeit) miterhoben wurden. Dies ist ungünstig beeinflussen kann (Benzari et al. die Grundlage dafür, einen möglichen Zusam- 2020). Kurzum: Digitaler Stress ist für das In- menhang dieser Faktoren mit digitalem Stress festzustellen. 5
2 Forschungsmodell Die vorliegende Befragungsstudie basiert auf einem Forschungsmodell. Dieses Modell ist in Abbil- dung 1 dargestellt. Es fokussiert auf digitalen Stress in Unternehmen, also von erwerbstätigen Perso- nen. Das Modell beschreibt zehn Facetten von digitalem Stress. Daraus folgt, dass digitaler Stress ein multidimensionales Phänomen ist. Die Ausprägungen dieser Facetten können zu einem Gesamtwert von digitalem Stress zusammengefasst werden. Digitaler Stress kann zudem viele negative Konse- quenzen haben. In der vorliegenden Studie wurden primär Folgen für das Individuum analysiert. Diese reichen von emotionaler Erschöpfung bis zu Depression. Weiter wurde als potenzielle negative Konsequenz für Organisationen ein reduziertes Innovationsklima untersucht. Das Modell beschreibt zudem drei Klassen personenbezogener Faktoren: Demographie (Alter, Geschlecht, Bildung), Wesen des Benutzers (Persönlichkeit, Selbstwirksamkeit im Umgang mit Informations- und Kommunikati- onstechnologien, IKT) und Technologienutzung (Häufigkeit, Art der Technologien, Branche). Im Folgenden wird das Forschungsmodell näher beschrieben. 6
Facetten von digitalem Stress Demographie Wesen des Benutzers Konsequenzen von digitalem • Alter • Persönlichkeit Stress Hohe Komplexität • Geschlecht • Selbstwirksamkeit im Umgang • Bildung mit Informations- und Individuum Gestörte Work-Life Balance Kommunikationstechnologien Emotionale Erschöpfung Durch Technologie ersetzt werden Reduzierte Arbeitszufriedenheit Verletzung der Privatsphäre Arbeitsstress Überlastung mit Informationen und Aufgaben Mangelnde Benutzerzufriedenheit Probleme mit der Sicherheit Gesundheitsprobleme Sozialer Druck und Digitaler Stress Kommunikationsmisere Depression Mangelnde Nützlichkeit Technologienutzung • Häufigkeit • Art der Technologien Organisation Mangelnder Support • Branche Innovationsklima Unzuverlässigkeit und technische Störungen Abbildung 1: Forschungsmodell 7
2.1 Facetten von digitalem Stress digitaler Technologien kann dazu führen, dass man mehr Aufgaben in immer kürzerer Zeit Wissenschaftliche Quellen benennen unter- abzuarbeiten hat. Zudem kann es aufgrund der schiedliche Facetten von digitalem Stress Nutzung vieler Medien zu Informationsüberlas- (Ayyagari et al. 2011; Benzari et al. 2020; tung kommen. Ragu-Nathan et al. 2008; Riedl 2013; Tarafdar et al. 2007). Diese sind breit gefächert. Digitaler Eine weitere Facette beschreibt Probleme mit Stress ist somit nach herrschender Lehre ein der Sicherheit. Hiermit sind Situationen ge- multidimensionales Phänomen. Im Folgenden meint, in denen sich Benutzer Sorgen machen, werden die zehn bedeutsamsten Facetten erläu- schadhafte Programme herunterzuladen oder tert. Opfer von Hackerangriffen zu werden. Zudem können E-Mails unbekannter Absender Beden- Eine wichtige Facette ist die hohe Komplexität. ken auslösen. Sie beschreibt Situationen, in welcher sich die Benutzer von Informations- und Kommunikati- Die Facette sozialer Druck und Kommunikati- onstechnologien überfordert fühlen. Die Anfor- onsmisere benennt Phänomene wie das Gefühl, derungen, um das System bedienen zu können, jederzeit und überall für andere erreichbar sein überschreiten die Fähigkeiten. Dies hat zur Fol- zu müssen. Außerdem kann die Technologie- ge, dass viel Zeit und Mühe in das Erlernen und nutzung ungewollte soziale Normen bewirken Beherrschen von Informationssystemen und (zB die Erwartung, dass E-Mails oder Messen- digitalen Geräten zu investieren ist. ger-Nachrichten direkt beantwortet werden müssen). Eine weitere Facette ist eine gestörte Work-Life Balance. Mitarbeiter sind ständig erreichbar Die mangelnde Nützlichkeit von Programmen und fühlen sich verpflichtet, jederzeit für Kolle- und Informationssystemen ist eine weitere Fa- gen und Vorgesetzte verfügbar zu sein. Bei- cette. Damit wird das Phänomen beschrieben, spielsweise werden dienstliche E-Mails spät dass einerseits viele Systeme Funktionen haben, nachts bearbeitet und man ist auch an Wochen- die keinen Beitrag zur Erfüllung der betriebli- enden erreichbar. chen Aufgaben leisten, andererseits aber wich- tige Funktionen nicht angeboten werden. Dies Eine Facette, die durch den schnellen Fortschritt wirkt sich negativ auf die Arbeitsproduktivität digitaler Technologien immer mehr an Bedeu- aus. tung gewinnt, ist die Angst, durch Technologie ersetzt zu werden. Die Ungewissheit und daraus Die Facette mangelnder Support gibt an, dass resultierende Sorgen sind insbesondere dann bei technischen Problemen keine ausreichende ausgeprägt, wenn folgende Gefahren bestehen: Unterstützung zur Verfügung steht oder es lan- durch vermehrten Einsatz von Technologie ge dauert, bis Abhilfe geschaffen wird. Zudem und/oder durch Personen, die ein besseres Ver- ist es möglich, dass zwar Unterstützung zur ständnis von Technologie haben, ersetzt zu Verfügung steht, die Probleme aber nicht adä- werden, was mit dem Verlust des Arbeitsplatzes quat gelöst werden können. einhergeht. Die letzte Facette von digitalem Stress ist die Eine andere Facette ist die Verletzung der Pri- Unzuverlässigkeit und technische Störungen. vatsphäre. Diese leidet dann, wenn befürchtet Systemabstürze oder lange Antwortzeiten sind wird, dass Informationen für unbefugte Dritte typische Probleme. Benutzer empfinden, dass leicht zugänglich sind und persönliche Daten sie zu viel Zeit mit der Behebung von techni- gestohlen werden könnten. schen Störungen verbringen und somit Arbeits- zeit verschwendet wird. Die Überlastung mit Informationen und Auf- gaben ist eine weitere Facette. Die Nutzung 8
2.2 Konsequenzen von digitalem Stress Wissenschaftliche Quellen benennen ver- schiedenste Konsequenzen von digitalem Stress (Ayyagari et al. 2011; Benzari et al. 2020; Ragu-Nathan et al. 2008; Riedl 2013; Tarafdar et al. 2007). Diese reichen von Konsequenzen für das Individuum wie Zufriedenheit und Ge- sundheit bis zu Konsequenzen für Unterneh- men. Die in der vorliegenden Studie untersuch- ten Konsequenzen werden nachfolgend be- schrieben. Es kann zu einer emotionalen Erschöpfung kommen, bei der sich Benutzer ausgebrannt fühlen. Zudem kann die Arbeitszufriedenheit ungünstig beeinflusst werden, was dazu führen kann, dass die Mitarbeitermotivation leidet. Digitaler Stress kann weiter mit erhöhtem Ar- beitsstress einhergehen. Er kann auch eine re- duzierte Benutzerzufriedenheit bewirken. In weiterer Konsequenz kann digitaler Stress zu Problemen mit der Gesundheit führen und auch eine Ursache für Depression sein. Gesundheit- liche Probleme verdienen die höchste Aufmerk- samkeit und jede Organisation sollte ein ausge- prägtes Interesse und somit einen Fokus darauf haben, solchen Schwierigkeiten entgegenzuwir- ken und Abhilfe zu schaffen. Des Weiteren kann digitaler Stress dazu führen, dass die experimentierfreudige Haltung von Mitarbeitern leidet und somit auch das generelle Innovationsklima eines Unternehmens ungüns- tig betroffen sein kann. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen weniger neue Produkte und Ser- vices auf den Markt bringen. Langfristig leidet darunter die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, nicht nur einzelner Unternehmen, sondern der Volkswirtschaft insgesamt. 9
2.3 Personenbezogene Eigenschaften Die Selbstwirksamkeit im Umgang mit In- formations- und Kommunikationstechnolo- Neben den Facetten von digitalem Stress sowie gien beschreibt, wie sicher sich Personen im bedeutsamen Konsequenzen wurden auch per- Umgang mit digitalen Technologien fühlen. sonenbezogene Eigenschaften untersucht. Diese Benutzer mit hoher Selbstwirksamkeit können gliedern sich in drei Klassen. ohne Hilfe anderer Menschen ihre Aufgaben unter Einsatz von Programmen und Informati- Demographie onssystemen ordentlich erledigen. Ihnen genü- Die erste Klasse bezieht sich auf die Demogra- gen Handbücher und Systemhilfefunktionen als phie der Benutzer. Es wurde untersucht, ob Al- Referenz. ter, Geschlecht und Bildung mit dem wahrge- nommenen digitalen Stress zusammenhängen. Technologienutzung Die Bildung wurden entlang der folgenden Diese Klasse wurde anhand von drei Faktoren Gruppen abgefragt: kein Abschluss, Pflicht- untersucht: Häufigkeit der Nutzung, Art der schulabschluss, Lehre/Berufsbildung, Abi- genutzten Technologien und der Branche, in tur/Matura, Hochschulabschluss und Sonstiges. welcher der Benutzer tätig ist. Wesen des Benutzers Die Häufigkeit kann von der täglichen und Diese Klasse wurde anhand von zwei Faktoren intensiven Nutzung bis zu seltener Nutzung untersucht: Persönlichkeit und Selbstwirksam- digitaler Technologien reichen. Selten meint keit im Umgang mit Informations- und Kom- dabei weniger als zumindest einmal monatlich. munikationstechnologien. Die Persönlichkeit wurde auf der Basis des weltweit etablierten Die Art der genutzten Technologien wurde Big-Five-Modells erhoben. anhand folgender Kategorien untersucht: Mobi- le Technologien (zB Smartphones, Laptop, Tab- Offenheit für Erfahrungen: Personen mit let), Netzwerktechnologien (Internet, Intranet, hohen Werten sind neugierig und erfin- VPN-Systeme), Kommunikationstechnologien derisch, mit niedrigen Werten vorsichtig (zB E-Mail), Unternehmenssoftware (zB SAP und konservativ. oder andere spezifische Software-Lösungen), Gewissenhaftigkeit: Personen mit hohen generische Anwendungen (Programme für Textverarbeitung, Tabellenkalkulationen oder Werten sind organisiert und in ihrem zur Erstellung von Präsentationen), kollaborati- Handeln wirksam, mit niedrigen Werten ve Technologien (zB Chat- oder Videokonfe- nachlässig und unbekümmert. renz-Systeme), arbeitsplatzspezifische Techno- Extraversion: Personen mit hohen Wer- logien (Technologien, die keiner anderen Kate- ten sind gesellig, mit niedrigen Werten gorie zugeordnet werden können, zB Aug- distanziert, reserviert und zurückhaltend. mented-Reality-Brille). Verträglichkeit: Personen mit hohen Zuletzt wurde noch die Branche, in der ein Be- Werten sind mitfühlend, freundlich und nutzer tätig ist, erhoben. Da die Nutzung digita- kooperativ, mit niedrigen Werten wett- ler Technologien je nach Branche unterschied- bewerbsorientiert. lich ausgeprägt sein kann, kann ein Zusammen- Neurotizismus: Personen mit hohen hang mit digitalem Stress vermutet werden. Werten sind verletzlich und emotional instabil, mit niedrigen Werten ruhig und selbstsicher. 10
3 Methodik Um Daten zu den Faktoren des Forschungsmodells zu erheben, wurde ein Fragebogen entwickelt. Die Befragung fand online im Zeitraum von November bis Dezember 2019 statt. Insgesamt konnten N=3.333 verwertbare Datensätze aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gesammelt werden. In jedem der drei untersuchten Länder war die Stichprobengröße > 1.000. Konkret ist die Verteilung wie folgt: Deutschland (N=1.012), Österreich (N=1.187), Schweiz (N=1.134). 11
Die Teilnehmer erhielten einen Link per E- Mail, der sie zum Fragebogen weiterleitete. Für die Datenerhebung wurde das Software-Tool SoSciSurvey verwendet. Durchgeführt wurde die Erhebung vom international tätigen Markt- forschungsunternehmen Respondi im Auftrag der Fachhochschule Oberösterreich. Die Ent- wicklung des Forschungsmodells und des Fra- gebogens, Datenanalyse, Interpretation der Be- funde sowie das Verfassen des gegenständli- chen Forschungsberichts erfolgte durch die Au- toren. Zur Befragung eingeladen wurden Perso- nen mit einer zum Erhebungszeitpunkt aufrech- ten Beschäftigung (selbständig oder unselbstän- dig), wobei es keine Einschränkung nach dem Ausmaß der Beschäftigung gegeben hat. „3.333 verwertbare Ergebnisse aus dem DACH-Raum“ Insgesamt wurden 3.357 Personen befragt, wo- bei 24 Datensätze aufgrund fehlender Angaben (zB Alter, Geschlecht, Bildungsgrad) entfernt wurden. Somit verblieben 3.333 verwertbare Ergebnisse aus dem DACH-Raum. Im Durch- schnitt haben die Teilnehmer 20 Minuten benö- tigt, um den Fragebogen zu bearbeiten. In Summe wurden den Teilnehmern 147 Fragen gestellt. Die Messung der Faktoren erfolgte ausschließlich mit psychometrisch evaluierten Instrumenten, wobei die meisten Faktoren über 7-stufige Likert-Skalen erfasst wurden (Depres- sion und Gesundheit wurden mit einer 4- stufigen Skala gemessen). Die Teilnehmer ga- ben an, inwieweit sie bestimmten Aussagen zu den untersuchten Faktoren zustimmten. Eine Beispielfrage zur Erfassung von digitalem Stress: „Ich finde, dass ich zu viel Zeit durch technische Störungen verliere.“. Antwortskala: 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 7 = „stim- me völlig zu“. Gesamtwerte für Faktoren, die aus mehreren Fragen bestanden, wurden als Durchschnitte berechnet. Je höher der Wert, desto ausgeprägter ein Faktor. 12
4 Ergebnisse In diesem Kapitel werden die einzelnen Ergebnisse dargestellt und interpretiert. Die Ergebnisse sind entlang des Forschungsmodells gegliedert. Es werden somit zu Beginn Ergebnisse zur Ausprägung der Facetten von digitalem Stress sowie zum Gesamtwert dargestellt. Danach werden die Befunde zu den Konsequenzen von digitalem Stress (emotionale Erschöpfung, reduzierte Arbeitszufriedenheit, Arbeitsstress, mangelnde Benutzerzufriedenheit, Gesundheitsprobleme, Depression, Innovationskli- ma) vorgestellt. Es folgen die Ergebnisse zu den personenbezogenen Eigenschaften (Demographie, Wesen des Benutzers, Technologienutzung). Auf dieser deskriptiven Ergebnisbeschreibung aufbau- end folgen Darstellungen zu den gefundenen Zusammenhängen zwischen digitalem Stress, seinen Konsequenzen und personenbezogenen Eigenschaften. 13
4.1 Facetten von digitalem Stress Fragebogenuntersuchungen auf der Basis von Introspektion berichten können. Abbildung 2 zeigt den Mittelwert für digitalen Stress für den gesamten DACH-Raum (3,13) Abbildung 3 zeigt, dass eine gestörte Work-Life sowie die Mittelwerte für Deutschland (3,11), Balance (3,76), sozialer Druck und Österreich (3,01) und die Schweiz (3,21). Kommunikationsmisere (3,57) sowie Daraus folgt, dass digitaler Stress im gesamten mangelnde Nützlichkeit von digitalen DACH-Raum ein existierendes Phänomen ist. Technologien (3,34) jene Facetten sind, welche Zwischen den einzelnen Ländern gibt es keine die größten Stresswahrnehmungen auslösen. nennenswerten Unterschiede. Es folgen Unzuverlässigkeit und technische Die absolute Ausprägung mit dem Wert 3,13 Störungen sowie mangelnde Unterstützung im liegt unter der Skalenmitte (= Wert 4). Dieses Sinne von IT-Support (jeweils 3,30). Hohe Ergebnis sollte jedoch nicht dazu verleiten, das Komplexität digitaler Technologien (3,08) und Phänomen des digitalen Stresses als nur Überlastung mit Informationen und Aufgaben moderat ausgeprägt wahrzunehmen. Die (3,05) liegen im mittleren Bereich. Auf den Begründung hierfür liegt im Umstand, dass weiteren Plätzen liegen Verletzung der Ergebnisse empirischer Studien zeigen, dass Privatsphäre (2,92) und Probleme mit der bewusste Stresswahrnehmungen von Menschen, Sicherheit (2,65). die wie in der gegenständlichen Studie mittels Fragebogen gemessen werden, vielfach nicht Durch Technologie ersetzt zu werden ist die am mit den unbewussten Anstiegen von schächsten ausgeprägte Facette von digitalem Stresshormonen (zB Adrenalin oder Kortisol) Stress (2,30). Dieses Ergebnis deckt sich mit sowie den unbewussten und oft schleichend aktuellen Ergebnissen anderer eintretenden Verschlechterungen von Befragungsstudien aus dem deutschsprachigen Parametern des kardiovaskulären Systems (zB Raum (Riedl 2020). In Deutschland, Österreich Blutdruckanstieg oder Reduktion von und der Schweiz fürchtet man somit aktuell Herzratenvariabilitäten) einhergehen (Riedl kaum, durch Roboter, Künstliche Intelligenz 2013). Daraus folgt, dass physiologischer Stress oder andere Technologien ersetzt zu werden vielfach bereits existiert, bevor Menschen ihren und somit seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Stress bewusst wahrnehmen und somit in sehr hoher 7 Stress 6 5 4 3,13 3,11 3,21 3,01 3 2 kein Stress 1 Gesamt DE AT CH Abbildung 2: Mittelwert von digitalem Stress (gesamter DACH-Raum und nach Ländern) 14
sehr hoher 7 Stress 6 5 4 3,76 3,57 3,30 3,30 3,34 3,05 3,08 2,92 3 2,65 2,30 2 kein Stress 1 DE AT CH Gesamt Abbildung 3: Ausprägung der Facetten von digitalem Stress 15
Digitaler Stress wurde in der vorliegenden Studie auf der Basis von 50 Fragen gemessen. Die nachfolgende Liste nennt die Top-10- Stressoren aus dieser 50er-Liste auf der Basis der gesamten Stichprobe von N=3.333 Perso- nen. Die folgenden 10 Punkte sind somit die größten Stressfaktoren im Kontext digitaler Technologien am Arbeitsplatz; IKT = Infor- mations- und Kommunikationstechnologie(n). Top-10-Stressoren 1. Ich habe das Gefühl, dass IKT unge- 6. Ich befürchte, dass meine Nutzung von wollte soziale Normen bewirken (zB IKT weniger vertraulich ist, als ich das die Erwartung, dass E-Mails direkt be- gerne hätte. antwortet werden). 7. IKT machen es für andere Personen zu 2. Ich finde, dass durch IKT eine zu hohe einfach, mir zusätzliche Arbeit zu Erwartung erzeugt wird, dass ich je- übermitteln. derzeit und überall erreichbar sein soll. 8. Ich finde, dass es zu oft vorkommt, 3. Ich fürchte, dass meine persönlichen dass bei technischen Problemen keine Daten im Internet leicht von anderen ausreichende Unterstützung zur Verfü- gestohlen werden können. gung steht. 4. Die IKT, die ich bei der Arbeit nutze, 9. Ich finde, dass es zu oft vorkommt, sind voll von zu vielen Funktionen, die dass technische Unterstützung nicht ich nie brauche. dann zur Verfügung steht, wenn ich sie benötige. 5. Durch IKT sind meine persönlichen In- formationen zu leicht zugänglich. 10. Ich finde, dass ich zu oft mit unerwar- tetem Verhalten der verwendeten IKT konfrontiert bin (zB Abstürze oder lange Ladezeiten). 16
4.2 Konsequenzen von digitalem der Wert unter der Mitte der Skala (= Wert Stress 2,5) liegt. Bei Gesundheit (2,88) zeigt sich, dass der Wert geringfügig über der Mitte liegt. In der gegenständlichen Studie wurden sieben Auf der Basis dieser deskriptiven Ergebnisbe- Konsequenzen untersucht (vgl. Forschungs- schreibung kann daher ausgesagt werden, dass modell). Die Ausprägungen sind in Abbildung emotionale Erschöpfung und Arbeitsstress im 4 dargestellt. Zu beachten ist, dass emotionale deutschsprachigen Raum mittelmäßig ausge- Erschöpfung, Arbeitszufriedenheit, Arbeits- prägt sind und somit weder eine niedrige noch stress, Benutzerzufriedenheit und Innovations- eine hohe Ausprägung haben. Hinsichtlich klima auf einer Skala von 1 bis 7 gemessen Innovationsklima wäre eine höhere Ausprä- wurden (die Mitte der Skala liegt somit beim gung wünschenswert, da der Wert aktuell nur Wert 4), Gesundheit und Depression wurden mittelmäßig ist. Die Benutzerzufriedenheit ist hingegen auf einer Skala von 1 bis 4 gemessen schwächer ausgeprägt als die Arbeitszufrie- (Mitte bei 2,5). Die Visualisierungen zeigen denheit. Beide Werte liegen jenseits der Ska- jeweils das Gesamtergebnis für den DACH- lenmitte im positiven Bereich. Die Arbeitszu- Raum (rote Linie mit den angegebenen Wer- friedenheit wurde jedoch deutlich positiver als ten) sowie die länderspezifischen Ergebnisse. die Benutzerzufriedenheit eingestuft, was da- Man sieht, dass die emotionale Erschöpfung rauf schließen lässt, dass die Nutzung digitaler (3,53) sowie der Arbeitsstress (3,81) knapp Technologien mit Problemen einhergeht. In unter der Mitte der Skala (= Wert 4) liegen. der Stichprobe wurden zudem leichte bis mo- Selbiges gilt für Innovationsklima (3,95). Es derate Depressionstendenzen festgestellt und ist zu beachten, dass ein hoher Wert beim In- die Selbsteinschätzung der Gesundheit durch novationsklima wünschenswert ist, bei emoti- die Teilnehmer liegt deutlich vom anstrebens- onaler Erschöpfung und bei Arbeitsstress sind werten Optimum entfernt. niedrige Werte wünschenswert. Benutzerzu- friedenheit (4,80) und insbesondere Arbeitszu- friedenheit (5,53) liegen im positiven Bereich. Hinsichtlich Depression (1,75) zeigt sich, dass 17
hoch 7 6 5,53 Das Maximum für Gesundheit und 5 4,80 Depression liegt in der Studie beim Wert 4. 3,95 4 3,81 3,53 3 2,88 2 1,75 niedrig 1 DE AT CH Gesamt Abbildung 4: Ausprägung der Konsequenzen von digitalem Stress 18
4.3 Personenbezogene Eigenschaften In diesem Abschnitt folgen die Ergebnisse zu den personenbezogenen Eigenschaften auf der Basis des dargestellten Forschungsmodells. Demographie Von den 3.333 Teilnehmern waren 45,2% männlich und 54,8% weiblich. Das Durch- schnittsalter in Deutschland betrug 43,61 Jahre, in Österreich 40,89 Jahre und in der Schweiz 44,86 Jahre. Deutschland Insgesamt beteiligten sich 1.012 Teilnehmer aus Deutschland. Dabei gaben 0,1% an, keinen Abschluss zu haben, 1,7% hatten einen Pflichtabschluss, 38,1% Lehre bzw. Berufsausbildung, 21,3% Abitur bzw. Matura, 37,7% Hochschulabschluss und 1% gab Sonstiges an. Österreich In Summe nahmen 1.187 Personen aus Österreich teil. Hier hatten 2,5% einen Pflichtschulabschluss, 33,5% eine abgeschlossene Lehre bzw. Berufsausbildung, 30,7% Abitur bzw. Matura, 31,5% einen Hochschulabschluss und 1,8% gaben Sonstiges an. Schweiz Aus der Schweiz nahmen 1.134 Personen an der Befragung teil. Hierbei hatten 0,3% keinen Abschluss, 1,5% einen Pflichtschulabschluss, rund 48,4% eine Lehre bzw. Berufsausbildung, 15,1% Abitur bzw. Matura, 33,3% einen Hochschulabschluss und 1,4% gaben Sonstiges an. 19
Wesen des Benutzers wissenhaftigkeit mit einem Wert von 5,55. Es folgen Offenheit für Erfahrungen mit 5,00, In der vorliegenden Studie wurden auch Fra- Verträglichkeit mit 4,68 und Extraversion mit gen gestellt, die Aufschluss über das Wesen 4,60. Neurotizismus hat eine Ausprägung von des Benutzers geben. Im Fokus standen dabei 3,18. Zwischen Deutschland, Österreich und die Persönlichkeit nach dem Big Five Modell der Schweiz gab es keine statistisch signifi- (Gosling et al. 2003) sowie die Selbstwirk- kanten Unterschiede hinsichtlich der fünf Di- samkeit im Umgang mit Informations- und mensionen. Kommunikationstechnologien (Compeau und Higgins 1995). Abbildung 5 zeigt die Werte zu den fünf Di- mensionen der Persönlichkeit. Die höchste Ausprägung unter den Befragten hat die Ge- Gewissenhaftigkeit 5,55 Offenheit für Erfahrungen 5,00 Verträglichkeit 4,68 Extraversion 4,60 Neurotizismus 3,18 1 2 3 4 5 6 7 Abbildung 5: Persönlichkeit der Befragten Die Selbstwirksamkeit im Umgang mit In- formations- und Kommunikationstechnolo- gien beschreibt, wie sicher sich Personen im Umgang mit digitalen Technologien fühlen. Benutzer mit hoher Selbstwirksamkeit können ohne Hilfe anderer Menschen ihre Aufgaben unter Einsatz von Programmen und Informati- onssystemen ordentlich erledigen. Ihnen genü- gen Handbücher und Systemhilfefunktionen als Referenz. Für den gesamten DACH-Raum ergab sich ein Wert von 5,30. Dieser Wert be- sagt, dass sich die Befragten im Umgang mit digitalen Technologien im Durchschnitt relativ sicher fühlen. Zwischen Deutschland, Öster- reich und der Schweiz gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Selbstwirksamkeit. 20
Technologienutzung In Bezug auf digitalen Stress sind hierzu zwei Technologienutzung wurde anhand von drei Aspekte hervorzuheben. Erstens ist bekannt, Faktoren untersucht: Häufigkeit der Nutzung, dass die Nutzung von Smartphone und E-Mail Art der genutzten Technologien und der Bran- besonders stressauslösend sein kann (Riedl che, in welcher eine Person tätig ist. 2020). Zweitens ist zu beachten, dass die Daten der vorliegenden Studie kurz vor dem Corona- Abbildung 6 zeigt den Anteil jener Befragungs- Lockdown erhoben wurden. Daraus folgt, dass teilnehmer, der eine bestimmte Technologie der Anteil des Einsatzes kollaborativer Techno- täglich nutzt. Man sieht, dass Netzwerktechno- logien (insbesondere von Videokonferenz- logien (88%), Kommunikationstechnologien Systemen) mit rund einem Fünftel der Befrag- (81%) und mobile Technologien (78%) die am ten signifikant unter dem aktuellen Wert liegt. häufigsten täglich genutzten Technologien sind. Auf der Basis der Sichtung mehrerer Quellen Mit anderen Worten, sehr viele Menschen nut- steht in einer aktuellen Publikation zu lesen: zen täglich Technologien wie Internet, E-Mail „Conclusio der aktuellen Diskussion ist, dass und das Smartphone. die intensive Nutzung von Videokonferenzsys- temen großes Potenzial hat, Benutzer auszulau- Mit deutlichem Abstand folgen generische An- gen und zu stressen“ (Riedl 2020 S. 192). Es wendungen wie Programme für Textverarbei- wurden bereits neue Phänomene, die mit digita- tung, Tabellenkalkulationen oder zur Erstellung lem Stress in Zusammenhang stehen, aufgrund von Präsentationen (43%), Unternehmenssoft- der intensiven Nutzung von Videokonferenz- ware wie SAP oder andere spezifische Soft- Systemen offenkundig. „Zoom Fatigue“ ist ein ware-Lösungen (42%), arbeitsplatzspezifische Beispiel (Wiederhold 2020). Technologien (29%) und kollaborative Techno- logien wie Chat- oder Videokonferenz-Systeme (19%). Netzwerktechnologien 88% Kommunikationstechnologien 81% Mobile Technologien 78% Generische Anwendungen 43% Unternehmenssoftware 42% Arbeitsplatzspezifische Technologien 29% Kollaborative Technologien 19% 0% 25% 50% 75% 100% Abbildung 6: Tägliche Nutzung von Technologien 21
Zuletzt wurde noch die Branche, in der ein Es zeigt sich, dass die meisten Befragten aus Benutzer tätig ist, erhoben. Da die Nutzung dem Gesundheits- und Sozialwesen (N=501) digitaler Technologien je nach Branche unter- kommen, gefolgt von verarbeitenden Gewerben schiedlich ausgeprägt sein kann, ist die Unter- sowie der Herstellung von Waren (N=322), suchung eines Zusammenhangs mit digitalem sonstigen Dienstleistungen (N=301) und der Stress interessant (vgl. nächster Abschnitt). Ei- öffentlichen Verwaltung, Verteidigung und So- ne deskriptive Beschreibung der Verteilung der zialversicherung (N=300). Die Angabe der Teilnehmer nach Branche ist in Tabelle 1 dar- Branche war für die Teilnehmer optional. gestellt. Branche Gesamt DE AT CH Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 25 2 11 12 Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 7 2 2 3 Verarbeitendes Gewerbe / Herstellung von Waren 322 103 118 101 Energieversorgung 39 19 12 8 Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung und 12 2 6 4 Beseitigung von Umweltverschmutzungen Baugewerbe / Bau 152 43 48 61 Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen 192 50 107 35 Verkehr und Lagerei 128 45 33 50 Gastgewerbe / Beherbergung und Gastronomie 165 36 67 62 Information und Kommunikation 212 58 86 68 Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen 165 50 53 62 Grundstücks- und Wohnungswesen 33 7 10 16 Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und 154 59 44 51 technischen Dienstleistungen Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen 190 55 60 75 Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung 300 113 96 91 Erziehung und Unterricht 218 75 79 64 Gesundheits- und Sozialwesen 501 136 172 193 Kunst, Unterhaltung und Erholung 110 23 47 40 Erbringung von sonstigen Dienstleistungen 301 95 100 106 Private Haushalte, Tätigkeiten durch private Haushalte 13 3 2 8 Exterritoriale Organisationen und Körperschaften 9 1 6 2 Tabelle 1: Anzahl der Befragten nach Branchen 22
4.4 Zusammenhänge zwischen digitalem Stress und seinen Konsequenzen sowie den personenbezogenen Faktoren Bis hier erfolgte eine Darstellung der deskriptiven Statistiken zu den einzelnen Faktoren des in Ab- bildung 1 dargestellten Forschungsmodells. In den folgenden beiden Abschnitten werden wichtige Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen digitalem Stress und seinen Konsequenzen sowie zum Zusammenhang zwischen digitalem Stress und personenbezogenen Faktoren berichtet. 4.4.1 Zusammenhang von digitalem Stress und den Konsequenzen 23
Emotionale Erschöpfung Emotionale Erschöpfung ist eine zentrale Kom- ponente von Burnout. Mehrere wissenschaftli- che Studien konnten nachweisen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Nutzung von In- formations- und Kommunikationstechnologien und Burnout gibt (Reinke und Chamorro- Premuzic 2014; Salanova et al. 2000). In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen digitalem Stress und emotionaler Erschöpfung gibt. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen folgendes: Je höher der digitale Stress, desto ausgeprägter die emotionale Erschöpfung (ρS=0,541, p
Reduzierte Arbeitszufriedenheit Die Zufriedenheit mit dem eigenen Job und dem damit verbundenen Arbeitsumfeld ist wichtig, unter anderem deshalb, weil dies Ge- sundheit und Wohlbefinden von Mitarbeitern günstig beeinflusst und auch die Leistung und Produktivität steigert. Die Arbeitszufriedenheit wurde in diversen Studien im Kontext der Nut- zung von digitalen Technologien bereits unter- sucht – auch aus einer Stressperspektive (Ko- runka und Vitouch 1999; Nebeker und Tatum 1993). In der vorliegenden Studie wurde analy- siert, ob es einen Zusammenhang von digitalem Stress und Arbeitszufriedenheit gibt. Die Ergebnisse zeigen folgendes: Je höher der digitale Stress, desto niedriger die Arbeitszu- friedenheit (ρS=-0,289, p
Arbeitsstress Digitaler Stress ist eine wesentliche Determi- nante von Arbeitsstress (Fischer und Riedl 2015). Digitaler Stress erhöht somit den gesam- ten Stress, den ein Mensch am Arbeitsplatz hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass bei einer Reduktion von digitalem Stress ein signifikanter Rückgang von Arbeitsstress mög- lich ist. In der vorliegenden Studie wurde daher auch der Zusammenhang von digitalem Stress und Arbeitsstress untersucht. Die Ergebnisse zeigen folgendes: Je höher der digitale Stress, desto ausgeprägter der Arbeits- stress (ρS=0,423, p
Mangelnde Benutzerzufriedenheit Benutzerzufriedenheit bestimmt sich im Ar- beitskontext unter anderem durch zwei Fakto- ren: Beitrag der Anwendungssysteme zur Be- friedigung der Informationsnachfrage, um die betrieblichen Aufgaben ordnungsgemäß erledi- gen zu können und Einfachheit der Systemnut- zung im Sinne von Usability. Forschungsergeb- nisse aus Nordamerika konnten bereits nach- weisen, dass digitaler Stress das Potenzial hat, Benutzerzufriedenheit ungünstig zu beeinflus- sen (Tarafdar et al. 2010). In der vorliegenden Studie wurde daher auch der Zusammenhang von digitalem Stress und Benutzerzufriedenheit untersucht. Die Ergebnisse zeigen folgendes: Je höher der digitale Stress, desto niedriger die Benutzerzu- friedenheit (ρS=-0,391, p
Gesundheitsprobleme Untersuchungen belegen, dass die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnolo- gien ungünstige Auswirkungen auf die Gesund- heit haben kann (Berg-Beckhoff et al. 2017; Reinecke et al. 2017; Smith et al. 1992; Stadin et al. 2016). In der vorliegenden Studie wurde daher auch der Zusammenhang von digitalem Stress und Gesundheit untersucht. Zu beachten ist, dass Gesundheit auf der Basis eines Frage- bogens gemessen wurde und nicht auf der Basis physiologischer Parameter (zB Blutproben). Der Fragebogen fokussierte auf mentale Ge- sundheit (Goldberg et al. 1997). Die Ergebnisse zeigen folgendes: Je höher der digitale Stress, desto niedriger die Gesundheit (ρS=-0,393, p
Depression Mit Depression wird ein Zustand beschrieben, der unter anderem durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist: gedrückte Stimmung, ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit sowie fehlender Antrieb. Depressive Zustände können sich je nach Schweregrad mehr oder weniger massiv auf physiologische Gesundheitsparameter aus- wirken. Es sollten daher jene Umstände im Le- ben eines Menschen verändert werden, die zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit für De- pression führen. In der vorliegenden Studie wurde auch der Zusammenhang von digitalem Stress und depressiven Zuständen untersucht. Depression wurde mit einer Version der Hop- kins-Symptom-Checklist gemessen. Die Ergebnisse zeigen folgendes: Je höher der digitale Stress, desto ausgeprägter die depressi- ven Symptome (ρS=0,380, p
Innovationsklima Ein ausgeprägtes Innovationsklima ist für Un- ternehmen ein wichtiger Erfolgsfaktor, um im Wettbewerb langfristig bestehen zu können. Eine experimentierfreudige Haltung von Mitar- beitern befördert ein solches Innovationsklima. Zudem lassen sich in einem solchen Umfeld Ideen besser umsetzen als in streng hierarchisch organisierten Unternehmen, wo seltener ein offenes Kommunikationsklima vorherrscht. Untersuchungen aus Nordamerika konnten be- reits vor einiger Zeit belegen, dass ein ausge- prägtes Innovationsklima dazu führen kann, dass Mitarbeiter weniger digitalen Stress wahr- nehmen (Tarafdar et al. 2010). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen folgendes: Je besser das Innovationsklima in einem Unternehmen, desto weniger digitaler Stress wird empfunden (ρS=-0,048, p=0,006). „Ein ausgeprägtes Innovationsklima kann digitalen Stress reduzieren“ Ein ausgeprägtes Innovationsklima hat positi- ven Einfluss auf die Entwicklung neuer Produk- te und Services. Es ist daher nicht nur wichtig, um digitalen Stress zu vermeiden, sondern auch um den Erfolg des Unternehmens langfristig zu sichern. Die Ergebnisse zum Zusammenhang von Inno- vationsklima und digitalem Stress sind für die Gesamtstichprobe statistisch signifikant, als auch für die Teilstichprobe Österreich. 30
4.4.2 Zusammenhang von digitalem Stress und den personenbezogenen Faktoren 31
Alter Eine weit verbreitete Vorstellung weist auf eine positive Beziehung hin: Je älter eine Person ist, desto höher ist der digitale Stress. Ein Hauptar- gument, das dieser Vorstellung zugrunde liegt, ist, dass die älteren Generationen weder mit digitalen Technologien aufgewachsen sind, noch haben sie diese in ihrem Leben häufig (wenn überhaupt) genutzt. Dies kann die Ein- stellung zu und die Nutzungserfahrung mit In- formations- und Kommunikationstechnologien ungünstig beeinflussen, was mit erhöhtem Stress einhergehen kann (Riedl und VanMeter 2020). In der vorliegenden Studie wurde jedoch im Gegensatz zu dieser Vorstellung folgendes her- ausgefunden: Je jünger eine Person, desto mehr digitaler Stress wird empfunden (ρS=-0,080, p43=3,068, p
Geschlecht Empirische Evidenz auf der Basis physiologi- scher Messung zeigt, dass Männer bei der Be- arbeitung von Aufgaben am Computer unter Zeitdruck mehr Stress als Frauen haben, wenn der Computer während der Aufgabenausfüh- rung plötzlich nicht mehr funktioniert (Riedl et al. 2013). In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob dieser auf physiologischer Mes- sung basierende Befund mit Befragungsdaten zum gesamten wahrgenommenen digitalen Stress gestützt werden kann. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen folgendes: Männer empfinden mehr digitalen Stress als Frauen (MMänner=3,188, MFrau- en=3,082, p=0,005). „Männer haben mehr digitalen Stress als Frauen“ Die Ergebnisse zum Zusammenhang von Ge- schlecht und digitalem Stress sind für die Ge- samtstichprobe statistisch signifikant, nicht je- doch für die Teilstichproben Deutschland, Ös- terreich und Schweiz. Der hier gefundene Befund, dass Männer mehr digitalen Stress als Frauen haben, sollte jedoch nicht dazu verleiten, stereotyp davon auszuge- hen, dass unabhängig vom Anwendungskontext digitaler Technologien Männer immer mehr digitalen Stress haben als Frauen. Dieser Um- stand wird durch Aussagen in einer aktuellen Schrift gestützt (Riedl 2020). Unter Verweis auf empirische Evidenz steht dort zu lesen, dass Frauen beim Erlernen und Benutzen neuer Technologien mehr Stress empfinden als Män- ner. 33
Bildung Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bildung. In der Befragung wurden unterschiedliche Bil- dungsniveaus abgefragt, um so weitere Er- kenntnisse zum Zusammenhang mit digitalem Stress ableiten zu können. Da die Stichprobengrößen für kein Abschluss (N=4), Pflichtschulabschluss (N=64) und Sons- tiges (N=47) klein sind, wurden bei der Unter- suchung des Zusammenhangs von Bildung und digitalem Stress folgende Kategorien berück- sichtigt: Lehre bzw. Berufsbildung (N=1.333), Abitur bzw. Matura (N=751) und Hochschulab- schluss (N=1.134). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen folgendes: Je höher der Bildungsstand, desto weniger digitaler Stress wird empfunden (MLeh- re/Berufsbildung=3,184, MAbitur/Matura=3,128, MHoch- schulabschluss=3,064, p=0,024). „Je höher der Bil- dungsstand, desto niedriger der digitale Stress“ Die Ergebnisse zum Zusammenhang von Bil- dung und digitalem Stress sind für die Gesamt- stichprobe statistisch signifikant, als auch für die Teilstichprobe Schweiz. 34
Persönlichkeit Die Persönlichkeit eines Menschen beeinflusst sein Denken und Handeln. Persönlichkeit ist auch ein bedeutsamer Faktor bei der Erklärung des Umgangs mit digitalen Technologien (McElroy et al. 2007; Sindermann et al. 2020a; Sindermann et al. 2020b; Svendsen et al. 2013). Die vorliegende Studie kommt zu zwei zentra- len Befunden zum Zusammenhang von Persön- lichkeit und digitalem Stress: (1) Je ausgepräg- ter die Gewissenhaftigkeit, desto niedriger der digitale Stress (β=-0,061, p
Selbstwirksamkeit im Umgang mit Informations- und Kom- munikationstechnologien Die Selbstwirksamkeit beschreibt hier den Grad an Sicherheit eines Menschen im Umgang mit digitalen Technologien. Im Falle einer hohen Selbstwirksamkeit fühlt ein Benutzer, dass er ohne auf die Hilfe anderer Menschen angewie- sen zu sein Aufgaben unter Einsatz von Pro- grammen und Informationssystemen ordentlich erledigen kann. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen folgendes: Je weniger Selbstwirksamkeit eine Person im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien hat, desto mehr digitaler Stress wird empfunden (ρS=-0,175, p
Häufigkeit und Art der genutz- ten Technologien Es wurden zwei Gruppen hinsichtlich der Häu- figkeit der Technologienutzung gebildet: täglich versus weniger häufig als täglich. Es wurde für die verschiedenen Technologiearten analysiert, ob zwischen den beiden Gruppen ein statistisch signifikanter Unterschied hinsichtlich digitalem Stress besteht. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass es zwischen den beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede gibt: Mobile Technologien: täglich (3,138), weniger häufig (3,103), p=0,594. Netzwerktechnologien: täglich (3,134), weniger häufig (3,095), p=0,366. Kommunikationstechnologien: täglich (3,127), weniger häufig (3,144), p=0,791. Unternehmenssoftware: täglich (3,118), weniger häufig (3,139), p=0,503. Generische Anwendungen: täglich (3,115), weniger häufig (3,141), p=0,607. Kollaborative Technologien: täglich (3,126), weniger häufig (3,131) p=0,858. Arbeitsplatzspezifische Technologien: täglich (3,141), weniger häufig (3,125), p=0,734. Ein möglicher Grund für die statistisch nicht signifikanten Ergebnisse ist, dass die Häu- figkeit der Nutzung nicht granular genug gemessen wurde. Zukünftige Forschung könnte zB untersuchen, wie häufig jemand täglich sein Smartphone entsperrt und nutzt und wie diese Häufigkeit mit gefühltem Stress korreliert. 37
Branche Unter jenen Branchen, die eine Stichprobengrö- ße N≥100 aufweisen, ist der digitale Stress in An der vorliegenden Studie nahmen Befragte Gastgewerbe, Beherbergung und Gastronomie aus 21 verschiedenen Branchen teil. Ein Ver- am größten und im Gesundheits- und Sozialwe- gleich der Mittelwerte zum digitalen Stress sen am niedrigsten. Interessant ist zudem, dass zeigt einen statistisch signifikanten Unterschied die Daten der vorliegenden Studie nicht bele- (p=0,033). Die Mittelwerte zum digitalen Stress gen, dass in informationsintensiven Branchen über alle Branchen sind in Tabelle 2 dargestellt. wie Information und Kommunikation sowie Bei der Interpretation der Ergebnisse ist die Erbringung von Finanz- und Versicherungs- jeweils einer Branche zugrunde liegende Stich- dienstleistungen (zB Banken) der digitale Stress probengröße (N) zu beachten. Die Aussagekraft höher ist als in weniger informationsintensiven der Ergebnisse steigt mit zunehmender Stich- Branchen. probengröße. Branche N Digitaler Stress Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 25 3,24 Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 7 3,24 Verarbeitendes Gewerbe / Herstellung von Waren 322 3,15 Energieversorgung 39 3,36 Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung und Besei- 12 3,37 tigung von Umweltverschmutzungen Baugewerbe / Bau 152 3,24 Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen 192 3,20 Verkehr und Lagerei 128 3,21 Gastgewerbe / Beherbergung und Gastronomie 165 3,32 Information und Kommunikation 212 3,05 Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen 165 3,24 Grundstücks- und Wohnungswesen 33 3,17 Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und techni- 154 2,98 schen Dienstleistungen Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen 190 3,10 Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung 300 3,13 Erziehung und Unterricht 218 3,11 Gesundheits- und Sozialwesen 501 2,98 Kunst, Unterhaltung und Erholung 110 3,13 Erbringung von sonstigen Dienstleistungen 301 3,14 Private Haushalte, Tätigkeiten durch private Haushalte 13 3,32 Exterritoriale Organisationen und Körperschaften 9 2,40 Tabelle 2: Digitaler Stress nach Branchen (Skala 1-7) 38
5 Fazit Digitaler Stress hat verschiedene Facetten und er ist in unserer Wirtschaft und Gesellschaft ein allge- genwärtiges Phänomen mit verschiedenen negativen Konsequenzen. Diese negativen Konsequenzen beziehen sich sowohl auf den Nutzer selbst und in weiterer Konsequenz ergeben sich auch negative Folgen für die Organisationen, in denen die digital gestressten Personen tätig sind. Ein weiteres Er- gebnis der vorliegenden Studie ist, dass demographische Faktoren wie das Wesen des Benutzers mit digitalem Stress zusammenhängen. 39
Es wurde eine Online-Fragebogenstudie durch- 2. Eine gestörte Work-Life Balance, geführt. An dieser Studie nahmen 3.333 Perso- sozialer Druck in der Kommunikation nen aus Deutschland (N=1.012), Österreich (zB rasch auf E-Mails antworten zu (N=1.187) und der Schweiz (N=1.134) teil. Die müssen) und die daraus resultierende befragten Erwerbstätigen stammten aus einer Kommunikationsmisere sowie die Vielzahl von Branchen. Es wurde zudem darauf mangelnde Nützlichkeit von digitalen geachtet, dass die Geschlechterverteilung in Technologien sind jene Facetten von etwa ausgeglichen ist und dass Personen ver- digitalem Stress, die mit den größten schiedener Altersgruppen befragt werden. Stresswahrnehmungen einhergehen. 3. Durch Technologie ersetzt zu werden ist In der Gesamtschau der Befunde ergeben sich die am schwächsten ausgeprägte Facette folgende Kernaussagen: von digitalem Stress. Die Sorge, aufgrund von Künstlicher Intelligenz, 1. Digitaler Stress ist im deutschsprachigen Automatisierung und Maschinen den Raum ein existierendes Phänomen. Job zu verlieren, ist daher – aktuell zumindest – im deutschsprachigen Eine wie hier berichtete Fragebogenstudie Raum keine große Problematik. gibt Aufschluss über die Wahrnehmungen zum digitalen Stress, die der Introspektion 4. Digitaler Stress geht mit folgenden zugänglich sind. Wissenschaftliche Arbeiten Konsequenzen einher: emotionale geben an, dass vor dem Bewusstwerden von Erschöpfung, reduzierte Zufriedenheit Belastungen und Stress bereits signifikante mit dem Job, generellem Job-Stress, physiologische Veränderungen auftreten reduzierte Benutzerzufriedenheit, können (zB Anstieg von Stresshormonen reduzierter mentaler Gesundheit und wie Adrenalin und Kortisol, Erhöhung von ausgeprägteren depressiven Symptomen. Blutdruck, Reduktion von Herzratenvariabi- 5. Ein ausgeprägteres Innovationsklima in lität). Dies ist bei der Interpretation der hier einem Unternehmen kann einen vorgestellten Befunde zu berücksichtigen. wirksamen Beitrag zur Reduktion von digitalem Stress leisten. Weiter ist zu beachten, dass die Daten der vorliegenden Studie kurz vor dem Be- 6. Jüngere Menschen empfinden mehr kanntwerden der Corona-Krankheit, Ende digitalen Stress als ältere Menschen. 2019, erhoben wurden. Ausgelöst durch die 7. Männer empfinden mehr digitalen Stress Corona-Krise ergab sich für viele Menschen als Frauen. die Notwendigkeit, auf der Basis von Home Office und Home Schooling digitale Tech- 8. Weniger Selbstwirksamkeit im Umgang nologien häufiger und länger als zuvor zu mit digitalen Technologien geht mit verwenden. Insbesondere wurden Video- höherem digitalen Stress einher. konferenzsysteme wie Zoom, Cisco Webex, 9. Eine durch niedrige Gewissenhaftigkeit Microsoft Teams oder Skype benutzt. Be- und hohem Neurotizismus reits kurz nach dem coronabedingten Lock- gekennzeichnete Persönlichkeit geht mit down im Frühjahr 2020 wurde in Fachjour- höherem digitalen Stress einher. nalen als auch in der Tagespresse über Phä- 10. Ein höherer Bildungsstand geht mit nomene wie „video call fatigue“ berichtet. niedrigerem digitalen Stress einher. Daraus folgt, dass die hier berichteten Werte zum digitalen Stress heute vermutlich höher ausfallen würden. Bei der Interpretation der hier beschriebenen Befunde sind die berichteten statistischen Kennwerte und die daraus ableitbaren und vari- ierenden Effektstärken zu beachten. 40
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