Digitaler Stress Eine Befragungsstudie im deutschsprachigen Raum - FH OÖ Forschungs und Entwicklungs GmbH

 
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Digitaler Stress Eine Befragungsstudie im deutschsprachigen Raum - FH OÖ Forschungs und Entwicklungs GmbH
Digitaler Stress
Eine Befragungsstudie im deutschsprachigen Raum

René Riedl, Thomas Fischer, Thomas Kalischko, Martin Reuter

Eine Studie der Fachhochschule Oberösterreich unter Beteiligung
der Universität Linz und der Universität Bonn │ Oktober 2020
ISBN: 978-3-9504257-3-4                                           1
Digitaler Stress Eine Befragungsstudie im deutschsprachigen Raum - FH OÖ Forschungs und Entwicklungs GmbH
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung .......................................................................................................................3
1      Ausgangssituation ................................................................................................................4
2      Forschungsmodell .................................................................................................................6
    2.1        Facetten von digitalem Stress ................................................................................................... 8
    2.2        Konsequenzen von digitalem Stress .......................................................................................... 9
    2.3        Personenbezogene Eigenschaften .......................................................................................... 10
3      Methodik............................................................................................................................ 11
4      Ergebnisse .......................................................................................................................... 13
    4.1        Facetten von digitalem Stress ................................................................................................. 14
    4.2        Konsequenzen von digitalem Stress ........................................................................................ 17
    4.3        Personenbezogene Eigenschaften .......................................................................................... 19
    4.4    Zusammenhänge zwischen digitalem Stress und seinen Konsequenzen sowie den
    personenbezogenen Faktoren ............................................................................................................ 23
       4.4.1      Zusammenhang von digitalem Stress und den Konsequenzen .................................................................. 23
       4.4.2      Zusammenhang von digitalem Stress und den personenbezogenen Faktoren .......................................... 31

5      Fazit ................................................................................................................................... 39
Die Autoren ............................................................................................................................... 41
Literatur .................................................................................................................................... 42
Impressum ................................................................................................................................. 46

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Digitaler Stress Eine Befragungsstudie im deutschsprachigen Raum - FH OÖ Forschungs und Entwicklungs GmbH
Zusammenfassung
Digitaler Stress nimmt in unseren Arbeits- und Lebenswelten eine immer zentralere Rolle ein. Die
Nutzung und Allgegenwärtigkeit digitaler Technologien ist so ausgeprägt wie nie zuvor. Im
vorliegenden Bericht wird über eine Fragebogenstudie mit 3.333 Teilnehmern im deutschsprachigen
Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) berichtet. Im Fokus der Untersuchung standen bedeutsame
Facetten als auch Konsequenzen von digitalem Stress am Arbeitsplatz sowie personenbezogene
Eigenschaften wie zB Alter, Geschlecht, Bildung und Persönlichkeit und ihr Zusammenhang mit
digitalem Stress. Eine Gesamtschau der Befunde zeigt, dass digitaler Stress im deutschsprachigen
Raum ein bedeutsames Phänomen ist, das mit negativen Konsequenzen einhergeht (zB Reduktion
von Arbeitszufriedenheit, mentaler Gesundheit und Innovationsklima). Zudem zeigen die
Ergebnisse, dass personenbezogene Eigenschaften und digitaler Stress zusammenhängen.

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Digitaler Stress Eine Befragungsstudie im deutschsprachigen Raum - FH OÖ Forschungs und Entwicklungs GmbH
1 Ausgangssituation
Bei digitalem Stress handelt es sich um eine Stressform, die durch die Nutzung und Allgegenwärtig-
keit von digitalen Technologien verursacht wird (Ragu-Nathan et al. 2008; Riedl 2013). Bereits mit
der zunehmenden Verbreitung von PCs in den 1980er Jahren gingen ausgeprägte Stresswahrneh-
mungen von Benutzern einher. Zur Benennung dieses Phänomens wurde von nordamerikanischen
Psychologen der Begriff „Technostress“ verwendet (Brod 1984; Weil und Rosen 1997). Mit dem
„Siegeszug“ von Smartphones und der damit verbundenen ständigen Erreichbarkeit gewann die
Thematik im letzten Jahrzehnt in der Wissenschaft weiter an Bedeutung. Mittlerweile sind Hunderte
wissenschaftliche Studien zur Thematik verfügbar. Das angewendete Methodenspektrum reicht dabei
von Experimenten unter kontrollierten Laborbedingungen bis zu Feldstudien auf der Basis von Be-
fragungsinstrumenten. Heutzutage weiß man, dass digitaler Stress sowohl für Individuen als auch für
Unternehmen beträchtliche negative Konsequenzen haben kann. Ungünstige Effekte sind sowohl auf
wirtschaftlicher als auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene nachgewiesen. Problematisch ist, dass
viele Entscheidungs- und Verantwortungsträger in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik die Relevanz
der Problematik noch nicht oder noch nicht in vollem Umfang wahrgenommen haben. Es ist daher an
der Zeit, die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis verstärkt bekannt zu ma-
chen. Dies soll dabei helfen, Bewusstsein zu schaffen und somit die negativen Konsequenzen zu ver-
hindern oder zumindest auf ein akzeptables Niveau abzuschwächen.

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Digitaler Stress Eine Befragungsstudie im deutschsprachigen Raum - FH OÖ Forschungs und Entwicklungs GmbH
Abstürzende sowie langsame Computer, eine         dividuum schädlich, aber auch für Unternehmen
Vielzahl unbearbeiteter Mails, permanent ein-     und daher für die Volkswirtschaft insgesamt.
gehende Social-Media-Nachrichten am Smart-
phone, Angst vor Computerviren und weitere        Im vorliegenden Forschungsbericht wird eine
IT-Sicherheitsprobleme, laufende Einführung       Befragungsstudie vorgestellt, die den digitalen
neuer Programme und Updates, mangelnde            Stress am Arbeitsplatz in Deutschland, Öster-
Usability und ein schlechter Help-Desk sowie      reich und der Schweiz analysiert. Bisherige
die Prognose, dass zukünftig vielleicht viele     Untersuchungen mit akademischem Anspruch
Arbeitsplätze durch Digitalisierung, Automati-    waren auf Deutschland beschränkt (Gimpel et
sierung und Künstliche Intelligenz verloren       al. 2018; Gimpel et al. 2019). Nach Kenntnis-
gehen könnten – diese und weitere ähnliche        stand der Autoren handelt es sich bei der vor-
Phänomene stressen sehr viele Menschen. Seit      liegenden Studie somit um die erste, die das
den 1980er Jahren wird das Phänomen des digi-     Phänomen mit psychometrisch evaluierten Be-
talen Stresses wissenschaftlich untersucht. Zu    fragungsinstrumenten umfassend für den deut-
dieser Zeit kamen die PCs flächendeckend in       schen Sprachraum untersucht; sie ergänzt daher
die Büros und Wohnzimmer vieler Menschen          vorliegende Befunde aus Deutschland und er-
und man bemerkte schon damals, dass ein Zu-       weitert somit den Kenntnisstand.
viel an Informations- und Kommunikations-
technologien für den Menschen schädlich sein      Die Daten der vorliegenden Studie wurden En-
kann.                                             de 2019 erhoben, also unmittelbar vor Be-
                                                  kanntwerden der Coronavirus-Krankheit (CO-
Etliche Studien haben seit damals negative        VID-19) im Januar 2020 und der damit verän-
Auswirkungen der menschlichen Interaktion         derten Arbeit- und Lebenswelten vieler Men-
mit digitalen Technologien auf die Psyche und     schen. Da die Corona-Pandemie dazu führte,
Physis nachgewiesen. Unter anderem wird von       dass Menschen digitale Technologien spätes-
emotionaler Erschöpfung, Entfremdung, An-         tens seit dem im März 2020 beginnenden Lock-
stieg von Stresshormonen wie Adrenalin und        Down mehr nutzten als zuvor (zB Videotelefo-
Kortisol sowie von ungünstig veränderten Pa-      nie, E-Mail), ist davon auszugehen, dass die
rametern des autonomen Nerven- und Herz-          hier berichteten Werte zum digitalen Stress
Kreislauf-Systems berichtet, beispielsweise       mittlerweile weiter gestiegen sind. Dies ver-
einer Tendenz zu vermehrter Sympathikusakti-      stärkt die negativen Wirkungen des digitalen
vität, was sich unter anderem in erhöhten Blut-   Stresses für Individuen und Organisationen.
druckwerten und reduzierter Herzratenvariabili-
tät bemerkbar macht (Riedl 2013).                 Ein Merkmal der vorliegenden Befragungsstu-
                                                  die ist, dass mehrere Benutzereigenschaften
Zudem zeigen Befunde wissenschaftlicher Un-       (unter anderem demographische Faktoren wie
tersuchungen, dass digitaler Stress auch die      Alter und Geschlecht, aber auch Faktoren wie
Leistungsfähigkeit und Arbeitsproduktivität       die Persönlichkeit) miterhoben wurden. Dies ist
ungünstig beeinflussen kann (Benzari et al.       die Grundlage dafür, einen möglichen Zusam-
2020). Kurzum: Digitaler Stress ist für das In-   menhang dieser Faktoren mit digitalem Stress
                                                  festzustellen.

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Digitaler Stress Eine Befragungsstudie im deutschsprachigen Raum - FH OÖ Forschungs und Entwicklungs GmbH
2 Forschungsmodell
Die vorliegende Befragungsstudie basiert auf einem Forschungsmodell. Dieses Modell ist in Abbil-
dung 1 dargestellt. Es fokussiert auf digitalen Stress in Unternehmen, also von erwerbstätigen Perso-
nen. Das Modell beschreibt zehn Facetten von digitalem Stress. Daraus folgt, dass digitaler Stress ein
multidimensionales Phänomen ist. Die Ausprägungen dieser Facetten können zu einem Gesamtwert
von digitalem Stress zusammengefasst werden. Digitaler Stress kann zudem viele negative Konse-
quenzen haben. In der vorliegenden Studie wurden primär Folgen für das Individuum analysiert.
Diese reichen von emotionaler Erschöpfung bis zu Depression. Weiter wurde als potenzielle negative
Konsequenz für Organisationen ein reduziertes Innovationsklima untersucht. Das Modell beschreibt
zudem drei Klassen personenbezogener Faktoren: Demographie (Alter, Geschlecht, Bildung), Wesen
des Benutzers (Persönlichkeit, Selbstwirksamkeit im Umgang mit Informations- und Kommunikati-
onstechnologien, IKT) und Technologienutzung (Häufigkeit, Art der Technologien, Branche). Im
Folgenden wird das Forschungsmodell näher beschrieben.

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Facetten von digitalem
Stress
                              Demographie               Wesen des Benutzers             Konsequenzen von digitalem
                              • Alter                   • Persönlichkeit                Stress
Hohe Komplexität              • Geschlecht              • Selbstwirksamkeit im Umgang
                              • Bildung                    mit Informations- und
                                                                                        Individuum
Gestörte Work-Life Balance                                 Kommunikationstechnologien
                                                                                        Emotionale Erschöpfung
Durch Technologie ersetzt
werden                                                                                  Reduzierte
                                                                                        Arbeitszufriedenheit
Verletzung der Privatsphäre
                                                                                        Arbeitsstress
Überlastung mit
Informationen und Aufgaben                                                              Mangelnde
                                                                                        Benutzerzufriedenheit
Probleme mit der Sicherheit
                                                                                        Gesundheitsprobleme
Sozialer Druck und
                                                        Digitaler Stress
Kommunikationsmisere
                                                                                        Depression
Mangelnde Nützlichkeit                  Technologienutzung
                                        • Häufigkeit
                                        • Art der Technologien                          Organisation
Mangelnder Support
                                        • Branche
                                                                                        Innovationsklima
Unzuverlässigkeit und
technische Störungen

                                             Abbildung 1: Forschungsmodell

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2.1 Facetten von digitalem Stress                     digitaler Technologien kann dazu führen, dass
                                                      man mehr Aufgaben in immer kürzerer Zeit
Wissenschaftliche Quellen benennen unter-             abzuarbeiten hat. Zudem kann es aufgrund der
schiedliche Facetten von digitalem Stress             Nutzung vieler Medien zu Informationsüberlas-
(Ayyagari et al. 2011; Benzari et al. 2020;           tung kommen.
Ragu-Nathan et al. 2008; Riedl 2013; Tarafdar
et al. 2007). Diese sind breit gefächert. Digitaler   Eine weitere Facette beschreibt Probleme mit
Stress ist somit nach herrschender Lehre ein          der Sicherheit. Hiermit sind Situationen ge-
multidimensionales Phänomen. Im Folgenden             meint, in denen sich Benutzer Sorgen machen,
werden die zehn bedeutsamsten Facetten erläu-         schadhafte Programme herunterzuladen oder
tert.                                                 Opfer von Hackerangriffen zu werden. Zudem
                                                      können E-Mails unbekannter Absender Beden-
Eine wichtige Facette ist die hohe Komplexität.       ken auslösen.
Sie beschreibt Situationen, in welcher sich die
Benutzer von Informations- und Kommunikati-           Die Facette sozialer Druck und Kommunikati-
onstechnologien überfordert fühlen. Die Anfor-        onsmisere benennt Phänomene wie das Gefühl,
derungen, um das System bedienen zu können,           jederzeit und überall für andere erreichbar sein
überschreiten die Fähigkeiten. Dies hat zur Fol-      zu müssen. Außerdem kann die Technologie-
ge, dass viel Zeit und Mühe in das Erlernen und       nutzung ungewollte soziale Normen bewirken
Beherrschen von Informationssystemen und              (zB die Erwartung, dass E-Mails oder Messen-
digitalen Geräten zu investieren ist.                 ger-Nachrichten direkt beantwortet werden
                                                      müssen).
Eine weitere Facette ist eine gestörte Work-Life
Balance. Mitarbeiter sind ständig erreichbar          Die mangelnde Nützlichkeit von Programmen
und fühlen sich verpflichtet, jederzeit für Kolle-    und Informationssystemen ist eine weitere Fa-
gen und Vorgesetzte verfügbar zu sein. Bei-           cette. Damit wird das Phänomen beschrieben,
spielsweise werden dienstliche E-Mails spät           dass einerseits viele Systeme Funktionen haben,
nachts bearbeitet und man ist auch an Wochen-         die keinen Beitrag zur Erfüllung der betriebli-
enden erreichbar.                                     chen Aufgaben leisten, andererseits aber wich-
                                                      tige Funktionen nicht angeboten werden. Dies
Eine Facette, die durch den schnellen Fortschritt     wirkt sich negativ auf die Arbeitsproduktivität
digitaler Technologien immer mehr an Bedeu-           aus.
tung gewinnt, ist die Angst, durch Technologie
ersetzt zu werden. Die Ungewissheit und daraus        Die Facette mangelnder Support gibt an, dass
resultierende Sorgen sind insbesondere dann           bei technischen Problemen keine ausreichende
ausgeprägt, wenn folgende Gefahren bestehen:          Unterstützung zur Verfügung steht oder es lan-
durch vermehrten Einsatz von Technologie              ge dauert, bis Abhilfe geschaffen wird. Zudem
und/oder durch Personen, die ein besseres Ver-        ist es möglich, dass zwar Unterstützung zur
ständnis von Technologie haben, ersetzt zu            Verfügung steht, die Probleme aber nicht adä-
werden, was mit dem Verlust des Arbeitsplatzes        quat gelöst werden können.
einhergeht.
                                                      Die letzte Facette von digitalem Stress ist die
Eine andere Facette ist die Verletzung der Pri-       Unzuverlässigkeit und technische Störungen.
vatsphäre. Diese leidet dann, wenn befürchtet         Systemabstürze oder lange Antwortzeiten sind
wird, dass Informationen für unbefugte Dritte         typische Probleme. Benutzer empfinden, dass
leicht zugänglich sind und persönliche Daten          sie zu viel Zeit mit der Behebung von techni-
gestohlen werden könnten.                             schen Störungen verbringen und somit Arbeits-
                                                      zeit verschwendet wird.
Die Überlastung mit Informationen und Auf-
gaben ist eine weitere Facette. Die Nutzung

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2.2 Konsequenzen von digitalem
    Stress
Wissenschaftliche Quellen benennen ver-
schiedenste Konsequenzen von digitalem Stress
(Ayyagari et al. 2011; Benzari et al. 2020;
Ragu-Nathan et al. 2008; Riedl 2013; Tarafdar
et al. 2007). Diese reichen von Konsequenzen
für das Individuum wie Zufriedenheit und Ge-
sundheit bis zu Konsequenzen für Unterneh-
men. Die in der vorliegenden Studie untersuch-
ten Konsequenzen werden nachfolgend be-
schrieben.

Es kann zu einer emotionalen Erschöpfung
kommen, bei der sich Benutzer ausgebrannt
fühlen. Zudem kann die Arbeitszufriedenheit
ungünstig beeinflusst werden, was dazu führen
kann, dass die Mitarbeitermotivation leidet.
Digitaler Stress kann weiter mit erhöhtem Ar-
beitsstress einhergehen. Er kann auch eine re-
duzierte Benutzerzufriedenheit bewirken. In
weiterer Konsequenz kann digitaler Stress zu
Problemen mit der Gesundheit führen und auch
eine Ursache für Depression sein. Gesundheit-
liche Probleme verdienen die höchste Aufmerk-
samkeit und jede Organisation sollte ein ausge-
prägtes Interesse und somit einen Fokus darauf
haben, solchen Schwierigkeiten entgegenzuwir-
ken und Abhilfe zu schaffen.

Des Weiteren kann digitaler Stress dazu führen,
dass die experimentierfreudige Haltung von
Mitarbeitern leidet und somit auch das generelle
Innovationsklima eines Unternehmens ungüns-
tig betroffen sein kann. Dies hat zur Folge, dass
Unternehmen weniger neue Produkte und Ser-
vices auf den Markt bringen. Langfristig leidet
darunter die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit,
nicht nur einzelner Unternehmen, sondern der
Volkswirtschaft insgesamt.

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Digitaler Stress Eine Befragungsstudie im deutschsprachigen Raum - FH OÖ Forschungs und Entwicklungs GmbH
2.3 Personenbezogene Eigenschaften                  Die Selbstwirksamkeit im Umgang mit In-
                                                    formations- und Kommunikationstechnolo-
Neben den Facetten von digitalem Stress sowie       gien beschreibt, wie sicher sich Personen im
bedeutsamen Konsequenzen wurden auch per-           Umgang mit digitalen Technologien fühlen.
sonenbezogene Eigenschaften untersucht. Diese       Benutzer mit hoher Selbstwirksamkeit können
gliedern sich in drei Klassen.                      ohne Hilfe anderer Menschen ihre Aufgaben
                                                    unter Einsatz von Programmen und Informati-
Demographie                                         onssystemen ordentlich erledigen. Ihnen genü-
Die erste Klasse bezieht sich auf die Demogra-      gen Handbücher und Systemhilfefunktionen als
phie der Benutzer. Es wurde untersucht, ob Al-      Referenz.
ter, Geschlecht und Bildung mit dem wahrge-
nommenen digitalen Stress zusammenhängen.           Technologienutzung
Die Bildung wurden entlang der folgenden            Diese Klasse wurde anhand von drei Faktoren
Gruppen abgefragt: kein Abschluss, Pflicht-         untersucht: Häufigkeit der Nutzung, Art der
schulabschluss, Lehre/Berufsbildung, Abi-           genutzten Technologien und der Branche, in
tur/Matura, Hochschulabschluss und Sonstiges.       welcher der Benutzer tätig ist.
Wesen des Benutzers                                 Die Häufigkeit kann von der täglichen und
Diese Klasse wurde anhand von zwei Faktoren         intensiven Nutzung bis zu seltener Nutzung
untersucht: Persönlichkeit und Selbstwirksam-       digitaler Technologien reichen. Selten meint
keit im Umgang mit Informations- und Kom-           dabei weniger als zumindest einmal monatlich.
munikationstechnologien. Die Persönlichkeit
wurde auf der Basis des weltweit etablierten        Die Art der genutzten Technologien wurde
Big-Five-Modells erhoben.                           anhand folgender Kategorien untersucht: Mobi-
                                                    le Technologien (zB Smartphones, Laptop, Tab-
      Offenheit für Erfahrungen: Personen mit      let), Netzwerktechnologien (Internet, Intranet,
       hohen Werten sind neugierig und erfin-       VPN-Systeme), Kommunikationstechnologien
       derisch, mit niedrigen Werten vorsichtig     (zB E-Mail), Unternehmenssoftware (zB SAP
       und konservativ.                             oder andere spezifische Software-Lösungen),
      Gewissenhaftigkeit: Personen mit hohen       generische Anwendungen (Programme für
                                                    Textverarbeitung, Tabellenkalkulationen oder
       Werten sind organisiert und in ihrem
                                                    zur Erstellung von Präsentationen), kollaborati-
       Handeln wirksam, mit niedrigen Werten        ve Technologien (zB Chat- oder Videokonfe-
       nachlässig und unbekümmert.                  renz-Systeme), arbeitsplatzspezifische Techno-
      Extraversion: Personen mit hohen Wer-        logien (Technologien, die keiner anderen Kate-
       ten sind gesellig, mit niedrigen Werten      gorie zugeordnet werden können, zB Aug-
       distanziert, reserviert und zurückhaltend.   mented-Reality-Brille).
      Verträglichkeit: Personen mit hohen
                                                    Zuletzt wurde noch die Branche, in der ein Be-
       Werten sind mitfühlend, freundlich und       nutzer tätig ist, erhoben. Da die Nutzung digita-
       kooperativ, mit niedrigen Werten wett-       ler Technologien je nach Branche unterschied-
       bewerbsorientiert.                           lich ausgeprägt sein kann, kann ein Zusammen-
      Neurotizismus: Personen mit hohen            hang mit digitalem Stress vermutet werden.
       Werten sind verletzlich und emotional
       instabil, mit niedrigen Werten ruhig und
       selbstsicher.

                                                                                                   10
3 Methodik
Um Daten zu den Faktoren des Forschungsmodells zu erheben, wurde ein Fragebogen entwickelt.
Die Befragung fand online im Zeitraum von November bis Dezember 2019 statt. Insgesamt konnten
N=3.333 verwertbare Datensätze aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gesammelt werden.
In jedem der drei untersuchten Länder war die Stichprobengröße > 1.000. Konkret ist die Verteilung
wie folgt: Deutschland (N=1.012), Österreich (N=1.187), Schweiz (N=1.134).

                                                                                                11
Die Teilnehmer erhielten einen Link per E-
Mail, der sie zum Fragebogen weiterleitete. Für
die Datenerhebung wurde das Software-Tool
SoSciSurvey verwendet. Durchgeführt wurde
die Erhebung vom international tätigen Markt-
forschungsunternehmen Respondi im Auftrag
der Fachhochschule Oberösterreich. Die Ent-
wicklung des Forschungsmodells und des Fra-
gebogens, Datenanalyse, Interpretation der Be-
funde sowie das Verfassen des gegenständli-
chen Forschungsberichts erfolgte durch die Au-
toren. Zur Befragung eingeladen wurden Perso-
nen mit einer zum Erhebungszeitpunkt aufrech-
ten Beschäftigung (selbständig oder unselbstän-
dig), wobei es keine Einschränkung nach dem
Ausmaß der Beschäftigung gegeben hat.

„3.333 verwertbare
Ergebnisse aus dem
DACH-Raum“
Insgesamt wurden 3.357 Personen befragt, wo-
bei 24 Datensätze aufgrund fehlender Angaben
(zB Alter, Geschlecht, Bildungsgrad) entfernt
wurden. Somit verblieben 3.333 verwertbare
Ergebnisse aus dem DACH-Raum. Im Durch-
schnitt haben die Teilnehmer 20 Minuten benö-
tigt, um den Fragebogen zu bearbeiten. In
Summe wurden den Teilnehmern 147 Fragen
gestellt. Die Messung der Faktoren erfolgte
ausschließlich mit psychometrisch evaluierten
Instrumenten, wobei die meisten Faktoren über
7-stufige Likert-Skalen erfasst wurden (Depres-
sion und Gesundheit wurden mit einer 4-
stufigen Skala gemessen). Die Teilnehmer ga-
ben an, inwieweit sie bestimmten Aussagen zu
den untersuchten Faktoren zustimmten. Eine
Beispielfrage zur Erfassung von digitalem
Stress: „Ich finde, dass ich zu viel Zeit durch
technische Störungen verliere.“. Antwortskala:
1 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 7 = „stim-
me völlig zu“. Gesamtwerte für Faktoren, die
aus mehreren Fragen bestanden, wurden als
Durchschnitte berechnet. Je höher der Wert,
desto ausgeprägter ein Faktor.

                                                  12
4 Ergebnisse
In diesem Kapitel werden die einzelnen Ergebnisse dargestellt und interpretiert. Die Ergebnisse sind
entlang des Forschungsmodells gegliedert. Es werden somit zu Beginn Ergebnisse zur Ausprägung
der Facetten von digitalem Stress sowie zum Gesamtwert dargestellt. Danach werden die Befunde zu
den Konsequenzen von digitalem Stress (emotionale Erschöpfung, reduzierte Arbeitszufriedenheit,
Arbeitsstress, mangelnde Benutzerzufriedenheit, Gesundheitsprobleme, Depression, Innovationskli-
ma) vorgestellt. Es folgen die Ergebnisse zu den personenbezogenen Eigenschaften (Demographie,
Wesen des Benutzers, Technologienutzung). Auf dieser deskriptiven Ergebnisbeschreibung aufbau-
end folgen Darstellungen zu den gefundenen Zusammenhängen zwischen digitalem Stress, seinen
Konsequenzen und personenbezogenen Eigenschaften.

                                                                                                  13
4.1 Facetten von digitalem Stress                  Fragebogenuntersuchungen auf der Basis von
                                                   Introspektion berichten können.
Abbildung 2 zeigt den Mittelwert für digitalen
Stress für den gesamten DACH-Raum (3,13)           Abbildung 3 zeigt, dass eine gestörte Work-Life
sowie die Mittelwerte für Deutschland (3,11),      Balance     (3,76),   sozialer    Druck     und
Österreich (3,01) und die Schweiz (3,21).          Kommunikationsmisere          (3,57)      sowie
Daraus folgt, dass digitaler Stress im gesamten    mangelnde      Nützlichkeit    von     digitalen
DACH-Raum ein existierendes Phänomen ist.          Technologien (3,34) jene Facetten sind, welche
Zwischen den einzelnen Ländern gibt es keine       die größten Stresswahrnehmungen auslösen.
nennenswerten Unterschiede.
                                                   Es folgen Unzuverlässigkeit und technische
Die absolute Ausprägung mit dem Wert 3,13          Störungen sowie mangelnde Unterstützung im
liegt unter der Skalenmitte (= Wert 4). Dieses     Sinne von IT-Support (jeweils 3,30). Hohe
Ergebnis sollte jedoch nicht dazu verleiten, das   Komplexität digitaler Technologien (3,08) und
Phänomen des digitalen Stresses als nur            Überlastung mit Informationen und Aufgaben
moderat ausgeprägt wahrzunehmen. Die               (3,05) liegen im mittleren Bereich. Auf den
Begründung hierfür liegt im Umstand, dass          weiteren Plätzen liegen Verletzung der
Ergebnisse empirischer Studien zeigen, dass        Privatsphäre (2,92) und Probleme mit der
bewusste Stresswahrnehmungen von Menschen,         Sicherheit (2,65).
die wie in der gegenständlichen Studie mittels
Fragebogen gemessen werden, vielfach nicht         Durch Technologie ersetzt zu werden ist die am
mit den unbewussten Anstiegen von                  schächsten ausgeprägte Facette von digitalem
Stresshormonen (zB Adrenalin oder Kortisol)        Stress (2,30). Dieses Ergebnis deckt sich mit
sowie den unbewussten und oft schleichend          aktuellen         Ergebnissen            anderer
eintretenden       Verschlechterungen        von   Befragungsstudien aus dem deutschsprachigen
Parametern des kardiovaskulären Systems (zB        Raum (Riedl 2020). In Deutschland, Österreich
Blutdruckanstieg      oder      Reduktion    von   und der Schweiz fürchtet man somit aktuell
Herzratenvariabilitäten) einhergehen (Riedl        kaum, durch Roboter, Künstliche Intelligenz
2013). Daraus folgt, dass physiologischer Stress   oder andere Technologien ersetzt zu werden
vielfach bereits existiert, bevor Menschen ihren   und somit seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Stress bewusst wahrnehmen und somit in

 sehr hoher 7
   Stress

            6

            5

            4

                      3,13                  3,11                                     3,21
                                                               3,01
            3

            2

 kein Stress 1
                     Gesamt                 DE                 AT                    CH

      Abbildung 2: Mittelwert von digitalem Stress (gesamter DACH-Raum und nach Ländern)

                                                                                                 14
sehr hoher 7
  Stress

           6

           5

           4                                                                                            3,76
                                                                                                 3,57
                                                                     3,30        3,30     3,34
                                            3,05         3,08
                                2,92
           3           2,65
                2,30

           2

kein Stress 1

                                                   DE   AT      CH   Gesamt

                              Abbildung 3: Ausprägung der Facetten von digitalem Stress

                                                                                                               15
Digitaler Stress wurde in der vorliegenden
Studie auf der Basis von 50 Fragen gemessen.
Die nachfolgende Liste nennt die Top-10-
Stressoren aus dieser 50er-Liste auf der Basis
der gesamten Stichprobe von N=3.333 Perso-
nen. Die folgenden 10 Punkte sind somit die
größten Stressfaktoren im Kontext digitaler
Technologien am Arbeitsplatz; IKT = Infor-
mations- und Kommunikationstechnologie(n).

Top-10-Stressoren
   1. Ich habe das Gefühl, dass IKT unge-         6. Ich befürchte, dass meine Nutzung von
      wollte soziale Normen bewirken (zB             IKT weniger vertraulich ist, als ich das
      die Erwartung, dass E-Mails direkt be-         gerne hätte.
      antwortet werden).
                                                  7. IKT machen es für andere Personen zu
   2. Ich finde, dass durch IKT eine zu hohe         einfach, mir zusätzliche Arbeit zu
      Erwartung erzeugt wird, dass ich je-           übermitteln.
      derzeit und überall erreichbar sein soll.
                                                  8. Ich finde, dass es zu oft vorkommt,
   3. Ich fürchte, dass meine persönlichen           dass bei technischen Problemen keine
      Daten im Internet leicht von anderen           ausreichende Unterstützung zur Verfü-
      gestohlen werden können.                       gung steht.

   4. Die IKT, die ich bei der Arbeit nutze,      9. Ich finde, dass es zu oft vorkommt,
      sind voll von zu vielen Funktionen, die        dass technische Unterstützung nicht
      ich nie brauche.                               dann zur Verfügung steht, wenn ich sie
                                                     benötige.
   5. Durch IKT sind meine persönlichen In-
      formationen zu leicht zugänglich.           10. Ich finde, dass ich zu oft mit unerwar-
                                                      tetem Verhalten der verwendeten IKT
                                                      konfrontiert bin (zB Abstürze oder
                                                      lange Ladezeiten).

                                                                                           16
4.2 Konsequenzen von digitalem                    der Wert unter der Mitte der Skala (= Wert
    Stress                                        2,5) liegt. Bei Gesundheit (2,88) zeigt sich,
                                                  dass der Wert geringfügig über der Mitte liegt.
In der gegenständlichen Studie wurden sieben      Auf der Basis dieser deskriptiven Ergebnisbe-
Konsequenzen untersucht (vgl. Forschungs-         schreibung kann daher ausgesagt werden, dass
modell). Die Ausprägungen sind in Abbildung       emotionale Erschöpfung und Arbeitsstress im
4 dargestellt. Zu beachten ist, dass emotionale   deutschsprachigen Raum mittelmäßig ausge-
Erschöpfung, Arbeitszufriedenheit, Arbeits-       prägt sind und somit weder eine niedrige noch
stress, Benutzerzufriedenheit und Innovations-    eine hohe Ausprägung haben. Hinsichtlich
klima auf einer Skala von 1 bis 7 gemessen        Innovationsklima wäre eine höhere Ausprä-
wurden (die Mitte der Skala liegt somit beim      gung wünschenswert, da der Wert aktuell nur
Wert 4), Gesundheit und Depression wurden         mittelmäßig ist. Die Benutzerzufriedenheit ist
hingegen auf einer Skala von 1 bis 4 gemessen     schwächer ausgeprägt als die Arbeitszufrie-
(Mitte bei 2,5). Die Visualisierungen zeigen      denheit. Beide Werte liegen jenseits der Ska-
jeweils das Gesamtergebnis für den DACH-          lenmitte im positiven Bereich. Die Arbeitszu-
Raum (rote Linie mit den angegebenen Wer-         friedenheit wurde jedoch deutlich positiver als
ten) sowie die länderspezifischen Ergebnisse.     die Benutzerzufriedenheit eingestuft, was da-
Man sieht, dass die emotionale Erschöpfung        rauf schließen lässt, dass die Nutzung digitaler
(3,53) sowie der Arbeitsstress (3,81) knapp       Technologien mit Problemen einhergeht. In
unter der Mitte der Skala (= Wert 4) liegen.      der Stichprobe wurden zudem leichte bis mo-
Selbiges gilt für Innovationsklima (3,95). Es     derate Depressionstendenzen festgestellt und
ist zu beachten, dass ein hoher Wert beim In-     die Selbsteinschätzung der Gesundheit durch
novationsklima wünschenswert ist, bei emoti-      die Teilnehmer liegt deutlich vom anstrebens-
onaler Erschöpfung und bei Arbeitsstress sind     werten Optimum entfernt.
niedrige Werte wünschenswert. Benutzerzu-
friedenheit (4,80) und insbesondere Arbeitszu-
friedenheit (5,53) liegen im positiven Bereich.
Hinsichtlich Depression (1,75) zeigt sich, dass

                                                                                                17
hoch 7

       6
                            5,53                                          Das Maximum für
                                                                          Gesundheit und
       5                                           4,80
                                                                          Depression liegt in der
                                                                          Studie beim Wert 4.
                                                                   3,95
       4                               3,81
            3,53

       3                                                                      2,88

       2                                                                                   1,75

niedrig 1

                                         DE   AT    CH    Gesamt

                   Abbildung 4: Ausprägung der Konsequenzen von digitalem Stress

                                                                                                    18
4.3 Personenbezogene Eigenschaften
In diesem Abschnitt folgen die Ergebnisse zu
den personenbezogenen Eigenschaften auf der
Basis des dargestellten Forschungsmodells.

Demographie

Von den 3.333 Teilnehmern waren 45,2%
männlich und 54,8% weiblich. Das Durch-
schnittsalter in Deutschland betrug 43,61 Jahre,
in Österreich 40,89 Jahre und in der Schweiz
44,86 Jahre.

Deutschland Insgesamt beteiligten sich 1.012
Teilnehmer aus Deutschland. Dabei gaben
0,1% an, keinen Abschluss zu haben, 1,7%
hatten einen Pflichtabschluss, 38,1% Lehre
bzw. Berufsausbildung, 21,3% Abitur bzw.
Matura, 37,7% Hochschulabschluss und 1%
gab Sonstiges an.

                                                   Österreich In Summe nahmen 1.187 Personen
                                                   aus Österreich teil. Hier hatten 2,5% einen
                                                   Pflichtschulabschluss,     33,5%       eine
                                                   abgeschlossene Lehre bzw. Berufsausbildung,
                                                   30,7% Abitur bzw. Matura, 31,5% einen
                                                   Hochschulabschluss und 1,8% gaben Sonstiges
                                                   an.

Schweiz Aus der Schweiz nahmen 1.134
Personen an der Befragung teil. Hierbei hatten
0,3% keinen Abschluss, 1,5% einen
Pflichtschulabschluss, rund 48,4% eine Lehre
bzw. Berufsausbildung, 15,1% Abitur bzw.
Matura, 33,3% einen Hochschulabschluss und
1,4% gaben Sonstiges an.

                                                                                          19
Wesen des Benutzers                                      wissenhaftigkeit mit einem Wert von 5,55. Es
                                                         folgen Offenheit für Erfahrungen mit 5,00,
In der vorliegenden Studie wurden auch Fra-              Verträglichkeit mit 4,68 und Extraversion mit
gen gestellt, die Aufschluss über das Wesen              4,60. Neurotizismus hat eine Ausprägung von
des Benutzers geben. Im Fokus standen dabei              3,18. Zwischen Deutschland, Österreich und
die Persönlichkeit nach dem Big Five Modell              der Schweiz gab es keine statistisch signifi-
(Gosling et al. 2003) sowie die Selbstwirk-              kanten Unterschiede hinsichtlich der fünf Di-
samkeit im Umgang mit Informations- und                  mensionen.
Kommunikationstechnologien (Compeau und
Higgins 1995).

Abbildung 5 zeigt die Werte zu den fünf Di-
mensionen der Persönlichkeit. Die höchste
Ausprägung unter den Befragten hat die Ge-

       Gewissenhaftigkeit                                                               5,55

 Offenheit für Erfahrungen                                                       5,00

           Verträglichkeit                                               4,68

             Extraversion                                               4,60

            Neurotizismus                               3,18

                             1          2           3          4             5                 6   7
                                 Abbildung 5: Persönlichkeit der Befragten

Die Selbstwirksamkeit im Umgang mit In-
formations- und Kommunikationstechnolo-
gien beschreibt, wie sicher sich Personen im
Umgang mit digitalen Technologien fühlen.
Benutzer mit hoher Selbstwirksamkeit können
ohne Hilfe anderer Menschen ihre Aufgaben
unter Einsatz von Programmen und Informati-
onssystemen ordentlich erledigen. Ihnen genü-
gen Handbücher und Systemhilfefunktionen als
Referenz. Für den gesamten DACH-Raum
ergab sich ein Wert von 5,30. Dieser Wert be-
sagt, dass sich die Befragten im Umgang mit
digitalen Technologien im Durchschnitt relativ
sicher fühlen. Zwischen Deutschland, Öster-
reich und der Schweiz gab es keine statistisch
signifikanten Unterschiede hinsichtlich der
Selbstwirksamkeit.

                                                                                                       20
Technologienutzung
                                                       In Bezug auf digitalen Stress sind hierzu zwei
Technologienutzung wurde anhand von drei               Aspekte hervorzuheben. Erstens ist bekannt,
Faktoren untersucht: Häufigkeit der Nutzung,           dass die Nutzung von Smartphone und E-Mail
Art der genutzten Technologien und der Bran-           besonders stressauslösend sein kann (Riedl
che, in welcher eine Person tätig ist.                 2020). Zweitens ist zu beachten, dass die Daten
                                                       der vorliegenden Studie kurz vor dem Corona-
Abbildung 6 zeigt den Anteil jener Befragungs-         Lockdown erhoben wurden. Daraus folgt, dass
teilnehmer, der eine bestimmte Technologie             der Anteil des Einsatzes kollaborativer Techno-
täglich nutzt. Man sieht, dass Netzwerktechno-         logien (insbesondere von Videokonferenz-
logien (88%), Kommunikationstechnologien               Systemen) mit rund einem Fünftel der Befrag-
(81%) und mobile Technologien (78%) die am             ten signifikant unter dem aktuellen Wert liegt.
häufigsten täglich genutzten Technologien sind.        Auf der Basis der Sichtung mehrerer Quellen
Mit anderen Worten, sehr viele Menschen nut-           steht in einer aktuellen Publikation zu lesen:
zen täglich Technologien wie Internet, E-Mail          „Conclusio der aktuellen Diskussion ist, dass
und das Smartphone.                                    die intensive Nutzung von Videokonferenzsys-
                                                       temen großes Potenzial hat, Benutzer auszulau-
Mit deutlichem Abstand folgen generische An-           gen und zu stressen“ (Riedl 2020 S. 192). Es
wendungen wie Programme für Textverarbei-              wurden bereits neue Phänomene, die mit digita-
tung, Tabellenkalkulationen oder zur Erstellung        lem Stress in Zusammenhang stehen, aufgrund
von Präsentationen (43%), Unternehmenssoft-            der intensiven Nutzung von Videokonferenz-
ware wie SAP oder andere spezifische Soft-             Systemen offenkundig. „Zoom Fatigue“ ist ein
ware-Lösungen (42%), arbeitsplatzspezifische           Beispiel (Wiederhold 2020).
Technologien (29%) und kollaborative Techno-
logien wie Chat- oder Videokonferenz-Systeme
(19%).

               Netzwerktechnologien                                                          88%

        Kommunikationstechnologien                                                     81%

                Mobile Technologien                                                   78%

           Generische Anwendungen                             43%

              Unternehmenssoftware                            42%

 Arbeitsplatzspezifische Technologien                  29%

          Kollaborative Technologien            19%

                                        0%       25%            50%             75%                100%
                              Abbildung 6: Tägliche Nutzung von Technologien

                                                                                                      21
Zuletzt wurde noch die Branche, in der ein          Es zeigt sich, dass die meisten Befragten aus
Benutzer tätig ist, erhoben. Da die Nutzung         dem Gesundheits- und Sozialwesen (N=501)
digitaler Technologien je nach Branche unter-       kommen, gefolgt von verarbeitenden Gewerben
schiedlich ausgeprägt sein kann, ist die Unter-     sowie der Herstellung von Waren (N=322),
suchung eines Zusammenhangs mit digitalem           sonstigen Dienstleistungen (N=301) und der
Stress interessant (vgl. nächster Abschnitt). Ei-   öffentlichen Verwaltung, Verteidigung und So-
ne deskriptive Beschreibung der Verteilung der      zialversicherung (N=300). Die Angabe der
Teilnehmer nach Branche ist in Tabelle 1 dar-       Branche war für die Teilnehmer optional.
gestellt.

Branche                                                       Gesamt       DE     AT       CH
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei                             25          2     11       12
Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden                       7          2      2        3
Verarbeitendes Gewerbe / Herstellung von Waren                  322        103    118      101
Energieversorgung                                                39         19     12        8
Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung und
                                                                 12         2      6         4
Beseitigung von Umweltverschmutzungen
Baugewerbe / Bau                                                152        43      48       61
Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen        192        50     107       35
Verkehr und Lagerei                                             128        45      33       50
Gastgewerbe / Beherbergung und Gastronomie                      165        36      67       62
Information und Kommunikation                                   212        58      86       68
Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen        165        50      53       62
Grundstücks- und Wohnungswesen                                   33         7      10       16
Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und
                                                                154        59      44       51
technischen Dienstleistungen
Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen      190         55     60       75
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung        300        113     96       91
Erziehung und Unterricht                                        218         75     79       64
Gesundheits- und Sozialwesen                                    501        136    172      193
Kunst, Unterhaltung und Erholung                                110         23     47       40
Erbringung von sonstigen Dienstleistungen                       301         95    100      106
Private Haushalte, Tätigkeiten durch private Haushalte           13          3      2        8
Exterritoriale Organisationen und Körperschaften                  9          1      6        2
                           Tabelle 1: Anzahl der Befragten nach Branchen

                                                                                                 22
4.4 Zusammenhänge zwischen digitalem Stress und seinen Konsequenzen sowie
    den personenbezogenen Faktoren
Bis hier erfolgte eine Darstellung der deskriptiven Statistiken zu den einzelnen Faktoren des in Ab-
bildung 1 dargestellten Forschungsmodells. In den folgenden beiden Abschnitten werden wichtige
Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen digitalem Stress und seinen Konsequenzen sowie zum
Zusammenhang zwischen digitalem Stress und personenbezogenen Faktoren berichtet.

4.4.1   Zusammenhang von digitalem Stress und den Konsequenzen

                                                                                                  23
Emotionale Erschöpfung
Emotionale Erschöpfung ist eine zentrale Kom-
ponente von Burnout. Mehrere wissenschaftli-
che Studien konnten nachweisen, dass es einen
Zusammenhang zwischen der Nutzung von In-
formations- und Kommunikationstechnologien
und Burnout gibt (Reinke und Chamorro-
Premuzic 2014; Salanova et al. 2000). In der
vorliegenden Studie wurde untersucht, ob es
einen Zusammenhang zwischen digitalem
Stress und emotionaler Erschöpfung gibt.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen
folgendes: Je höher der digitale Stress, desto
ausgeprägter die emotionale Erschöpfung
(ρS=0,541, p
Reduzierte
Arbeitszufriedenheit
Die Zufriedenheit mit dem eigenen Job und
dem damit verbundenen Arbeitsumfeld ist
wichtig, unter anderem deshalb, weil dies Ge-
sundheit und Wohlbefinden von Mitarbeitern
günstig beeinflusst und auch die Leistung und
Produktivität steigert. Die Arbeitszufriedenheit
wurde in diversen Studien im Kontext der Nut-
zung von digitalen Technologien bereits unter-
sucht – auch aus einer Stressperspektive (Ko-
runka und Vitouch 1999; Nebeker und Tatum
1993). In der vorliegenden Studie wurde analy-
siert, ob es einen Zusammenhang von digitalem
Stress und Arbeitszufriedenheit gibt.

Die Ergebnisse zeigen folgendes: Je höher der
digitale Stress, desto niedriger die Arbeitszu-
friedenheit (ρS=-0,289, p
Arbeitsstress
Digitaler Stress ist eine wesentliche Determi-
nante von Arbeitsstress (Fischer und Riedl
2015). Digitaler Stress erhöht somit den gesam-
ten Stress, den ein Mensch am Arbeitsplatz hat.
Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass
bei einer Reduktion von digitalem Stress ein
signifikanter Rückgang von Arbeitsstress mög-
lich ist. In der vorliegenden Studie wurde daher
auch der Zusammenhang von digitalem Stress
und Arbeitsstress untersucht.

Die Ergebnisse zeigen folgendes: Je höher der
digitale Stress, desto ausgeprägter der Arbeits-
stress (ρS=0,423, p
Mangelnde
Benutzerzufriedenheit
Benutzerzufriedenheit bestimmt sich im Ar-
beitskontext unter anderem durch zwei Fakto-
ren: Beitrag der Anwendungssysteme zur Be-
friedigung der Informationsnachfrage, um die
betrieblichen Aufgaben ordnungsgemäß erledi-
gen zu können und Einfachheit der Systemnut-
zung im Sinne von Usability. Forschungsergeb-
nisse aus Nordamerika konnten bereits nach-
weisen, dass digitaler Stress das Potenzial hat,
Benutzerzufriedenheit ungünstig zu beeinflus-
sen (Tarafdar et al. 2010). In der vorliegenden
Studie wurde daher auch der Zusammenhang
von digitalem Stress und Benutzerzufriedenheit
untersucht.

Die Ergebnisse zeigen folgendes: Je höher der
digitale Stress, desto niedriger die Benutzerzu-
friedenheit (ρS=-0,391, p
Gesundheitsprobleme
Untersuchungen belegen, dass die Nutzung von
Informations- und Kommunikationstechnolo-
gien ungünstige Auswirkungen auf die Gesund-
heit haben kann (Berg-Beckhoff et al. 2017;
Reinecke et al. 2017; Smith et al. 1992; Stadin
et al. 2016). In der vorliegenden Studie wurde
daher auch der Zusammenhang von digitalem
Stress und Gesundheit untersucht. Zu beachten
ist, dass Gesundheit auf der Basis eines Frage-
bogens gemessen wurde und nicht auf der Basis
physiologischer Parameter (zB Blutproben).
Der Fragebogen fokussierte auf mentale Ge-
sundheit (Goldberg et al. 1997).

Die Ergebnisse zeigen folgendes: Je höher der
digitale Stress, desto niedriger die Gesundheit
(ρS=-0,393, p
Depression
Mit Depression wird ein Zustand beschrieben,
der unter anderem durch folgende Merkmale
gekennzeichnet ist: gedrückte Stimmung, ein
Gefühl der Hoffnungslosigkeit sowie fehlender
Antrieb. Depressive Zustände können sich je
nach Schweregrad mehr oder weniger massiv
auf physiologische Gesundheitsparameter aus-
wirken. Es sollten daher jene Umstände im Le-
ben eines Menschen verändert werden, die zu
einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit für De-
pression führen. In der vorliegenden Studie
wurde auch der Zusammenhang von digitalem
Stress und depressiven Zuständen untersucht.
Depression wurde mit einer Version der Hop-
kins-Symptom-Checklist gemessen.

Die Ergebnisse zeigen folgendes: Je höher der
digitale Stress, desto ausgeprägter die depressi-
ven Symptome (ρS=0,380, p
Innovationsklima
Ein ausgeprägtes Innovationsklima ist für Un-
ternehmen ein wichtiger Erfolgsfaktor, um im
Wettbewerb langfristig bestehen zu können.
Eine experimentierfreudige Haltung von Mitar-
beitern befördert ein solches Innovationsklima.
Zudem lassen sich in einem solchen Umfeld
Ideen besser umsetzen als in streng hierarchisch
organisierten Unternehmen, wo seltener ein
offenes Kommunikationsklima vorherrscht.
Untersuchungen aus Nordamerika konnten be-
reits vor einiger Zeit belegen, dass ein ausge-
prägtes Innovationsklima dazu führen kann,
dass Mitarbeiter weniger digitalen Stress wahr-
nehmen (Tarafdar et al. 2010).

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen
folgendes: Je besser das Innovationsklima in
einem Unternehmen, desto weniger digitaler
Stress wird empfunden (ρS=-0,048, p=0,006).

    „Ein ausgeprägtes
     Innovationsklima
  kann digitalen Stress
          reduzieren“
Ein ausgeprägtes Innovationsklima hat positi-
ven Einfluss auf die Entwicklung neuer Produk-
te und Services. Es ist daher nicht nur wichtig,
um digitalen Stress zu vermeiden, sondern auch
um den Erfolg des Unternehmens langfristig zu
sichern.

Die Ergebnisse zum Zusammenhang von Inno-
vationsklima und digitalem Stress sind für die
Gesamtstichprobe statistisch signifikant, als
auch für die Teilstichprobe Österreich.

                                                   30
4.4.2   Zusammenhang von digitalem Stress und den personenbezogenen Faktoren

                                                                           31
Alter
Eine weit verbreitete Vorstellung weist auf eine
positive Beziehung hin: Je älter eine Person ist,
desto höher ist der digitale Stress. Ein Hauptar-
gument, das dieser Vorstellung zugrunde liegt,
ist, dass die älteren Generationen weder mit
digitalen Technologien aufgewachsen sind,
noch haben sie diese in ihrem Leben häufig
(wenn überhaupt) genutzt. Dies kann die Ein-
stellung zu und die Nutzungserfahrung mit In-
formations- und Kommunikationstechnologien
ungünstig beeinflussen, was mit erhöhtem
Stress einhergehen kann (Riedl und VanMeter
2020).

In der vorliegenden Studie wurde jedoch im
Gegensatz zu dieser Vorstellung folgendes her-
ausgefunden: Je jünger eine Person, desto mehr
digitaler Stress wird empfunden (ρS=-0,080,
p43=3,068, p
Geschlecht
Empirische Evidenz auf der Basis physiologi-
scher Messung zeigt, dass Männer bei der Be-
arbeitung von Aufgaben am Computer unter
Zeitdruck mehr Stress als Frauen haben, wenn
der Computer während der Aufgabenausfüh-
rung plötzlich nicht mehr funktioniert (Riedl et
al. 2013). In der vorliegenden Studie wurde
untersucht, ob dieser auf physiologischer Mes-
sung basierende Befund mit Befragungsdaten
zum gesamten wahrgenommenen digitalen
Stress gestützt werden kann.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen
folgendes: Männer empfinden mehr digitalen
Stress als Frauen (MMänner=3,188, MFrau-
en=3,082, p=0,005).

 „Männer haben mehr
   digitalen Stress als
              Frauen“
Die Ergebnisse zum Zusammenhang von Ge-
schlecht und digitalem Stress sind für die Ge-
samtstichprobe statistisch signifikant, nicht je-
doch für die Teilstichproben Deutschland, Ös-
terreich und Schweiz.

Der hier gefundene Befund, dass Männer mehr
digitalen Stress als Frauen haben, sollte jedoch
nicht dazu verleiten, stereotyp davon auszuge-
hen, dass unabhängig vom Anwendungskontext
digitaler Technologien Männer immer mehr
digitalen Stress haben als Frauen. Dieser Um-
stand wird durch Aussagen in einer aktuellen
Schrift gestützt (Riedl 2020). Unter Verweis auf
empirische Evidenz steht dort zu lesen, dass
Frauen beim Erlernen und Benutzen neuer
Technologien mehr Stress empfinden als Män-
ner.

                                                    33
Bildung
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bildung.
In der Befragung wurden unterschiedliche Bil-
dungsniveaus abgefragt, um so weitere Er-
kenntnisse zum Zusammenhang mit digitalem
Stress ableiten zu können.

Da die Stichprobengrößen für kein Abschluss
(N=4), Pflichtschulabschluss (N=64) und Sons-
tiges (N=47) klein sind, wurden bei der Unter-
suchung des Zusammenhangs von Bildung und
digitalem Stress folgende Kategorien berück-
sichtigt: Lehre bzw. Berufsbildung (N=1.333),
Abitur bzw. Matura (N=751) und Hochschulab-
schluss (N=1.134).

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen
folgendes: Je höher der Bildungsstand, desto
weniger digitaler Stress wird empfunden (MLeh-
re/Berufsbildung=3,184, MAbitur/Matura=3,128, MHoch-
schulabschluss=3,064, p=0,024).

    „Je höher der Bil-
    dungsstand, desto
 niedriger der digitale
               Stress“
Die Ergebnisse zum Zusammenhang von Bil-
dung und digitalem Stress sind für die Gesamt-
stichprobe statistisch signifikant, als auch für
die Teilstichprobe Schweiz.

                                                       34
Persönlichkeit
Die Persönlichkeit eines Menschen beeinflusst
sein Denken und Handeln. Persönlichkeit ist
auch ein bedeutsamer Faktor bei der Erklärung
des Umgangs mit digitalen Technologien
(McElroy et al. 2007; Sindermann et al. 2020a;
Sindermann et al. 2020b; Svendsen et al. 2013).
Die vorliegende Studie kommt zu zwei zentra-
len Befunden zum Zusammenhang von Persön-
lichkeit und digitalem Stress: (1) Je ausgepräg-
ter die Gewissenhaftigkeit, desto niedriger der
digitale Stress (β=-0,061, p
Selbstwirksamkeit im Umgang
mit Informations- und Kom-
munikationstechnologien
Die Selbstwirksamkeit beschreibt hier den Grad
an Sicherheit eines Menschen im Umgang mit
digitalen Technologien. Im Falle einer hohen
Selbstwirksamkeit fühlt ein Benutzer, dass er
ohne auf die Hilfe anderer Menschen angewie-
sen zu sein Aufgaben unter Einsatz von Pro-
grammen und Informationssystemen ordentlich
erledigen kann.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen
folgendes: Je weniger Selbstwirksamkeit eine
Person im Umgang mit Informations- und
Kommunikationstechnologien hat, desto mehr
digitaler Stress wird empfunden (ρS=-0,175,
p
Häufigkeit und Art der genutz-
ten Technologien
Es wurden zwei Gruppen hinsichtlich der Häu-
figkeit der Technologienutzung gebildet: täglich
versus weniger häufig als täglich. Es wurde für
die verschiedenen Technologiearten analysiert,
ob zwischen den beiden Gruppen ein statistisch
signifikanter Unterschied hinsichtlich digitalem
Stress besteht. Die Ergebnisse der vorliegenden
Studie zeigen, dass es zwischen den beiden
Gruppen keine signifikanten Unterschiede gibt:

      Mobile Technologien: täglich (3,138),
       weniger häufig (3,103), p=0,594.
      Netzwerktechnologien: täglich (3,134),
       weniger häufig (3,095), p=0,366.
      Kommunikationstechnologien: täglich
       (3,127), weniger häufig (3,144),
       p=0,791.
      Unternehmenssoftware: täglich (3,118),
       weniger häufig (3,139), p=0,503.
      Generische Anwendungen: täglich
       (3,115), weniger häufig (3,141),
       p=0,607.
      Kollaborative Technologien: täglich
       (3,126), weniger häufig (3,131)
       p=0,858.
      Arbeitsplatzspezifische Technologien:
       täglich (3,141), weniger häufig (3,125),
       p=0,734.

   Ein möglicher Grund für die statistisch nicht
   signifikanten Ergebnisse ist, dass die Häu-
   figkeit der Nutzung nicht granular genug
   gemessen wurde. Zukünftige Forschung
   könnte zB untersuchen, wie häufig jemand
   täglich sein Smartphone entsperrt und nutzt
   und wie diese Häufigkeit mit gefühltem
   Stress korreliert.

                                                   37
Branche                                             Unter jenen Branchen, die eine Stichprobengrö-
                                                    ße N≥100 aufweisen, ist der digitale Stress in
An der vorliegenden Studie nahmen Befragte
                                                    Gastgewerbe, Beherbergung und Gastronomie
aus 21 verschiedenen Branchen teil. Ein Ver-
                                                    am größten und im Gesundheits- und Sozialwe-
gleich der Mittelwerte zum digitalen Stress
                                                    sen am niedrigsten. Interessant ist zudem, dass
zeigt einen statistisch signifikanten Unterschied
                                                    die Daten der vorliegenden Studie nicht bele-
(p=0,033). Die Mittelwerte zum digitalen Stress
                                                    gen, dass in informationsintensiven Branchen
über alle Branchen sind in Tabelle 2 dargestellt.
                                                    wie Information und Kommunikation sowie
Bei der Interpretation der Ergebnisse ist die
                                                    Erbringung von Finanz- und Versicherungs-
jeweils einer Branche zugrunde liegende Stich-
                                                    dienstleistungen (zB Banken) der digitale Stress
probengröße (N) zu beachten. Die Aussagekraft
                                                    höher ist als in weniger informationsintensiven
der Ergebnisse steigt mit zunehmender Stich-
                                                    Branchen.
probengröße.

Branche                                                             N           Digitaler Stress
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei                                25                3,24
Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden                          7                3,24
Verarbeitendes Gewerbe / Herstellung von Waren                     322                3,15
Energieversorgung                                                   39                3,36
Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung und Besei-
                                                                    12               3,37
tigung von Umweltverschmutzungen
Baugewerbe / Bau                                                   152               3,24
Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen           192               3,20
Verkehr und Lagerei                                                128               3,21
Gastgewerbe / Beherbergung und Gastronomie                         165               3,32
Information und Kommunikation                                      212               3,05
Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen           165               3,24
Grundstücks- und Wohnungswesen                                      33               3,17
Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und techni-
                                                                   154               2,98
schen Dienstleistungen
Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen         190               3,10
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung           300               3,13
Erziehung und Unterricht                                           218               3,11
Gesundheits- und Sozialwesen                                       501               2,98
Kunst, Unterhaltung und Erholung                                   110               3,13
Erbringung von sonstigen Dienstleistungen                          301               3,14
Private Haushalte, Tätigkeiten durch private Haushalte              13               3,32
Exterritoriale Organisationen und Körperschaften                     9               2,40
                        Tabelle 2: Digitaler Stress nach Branchen (Skala 1-7)

                                                                                                   38
5 Fazit
Digitaler Stress hat verschiedene Facetten und er ist in unserer Wirtschaft und Gesellschaft ein allge-
genwärtiges Phänomen mit verschiedenen negativen Konsequenzen. Diese negativen Konsequenzen
beziehen sich sowohl auf den Nutzer selbst und in weiterer Konsequenz ergeben sich auch negative
Folgen für die Organisationen, in denen die digital gestressten Personen tätig sind. Ein weiteres Er-
gebnis der vorliegenden Studie ist, dass demographische Faktoren wie das Wesen des Benutzers mit
digitalem Stress zusammenhängen.

                                                                                                     39
Es wurde eine Online-Fragebogenstudie durch-             2. Eine gestörte Work-Life Balance,
geführt. An dieser Studie nahmen 3.333 Perso-               sozialer Druck in der Kommunikation
nen aus Deutschland (N=1.012), Österreich                   (zB rasch auf E-Mails antworten zu
(N=1.187) und der Schweiz (N=1.134) teil. Die               müssen) und die daraus resultierende
befragten Erwerbstätigen stammten aus einer                 Kommunikationsmisere      sowie   die
Vielzahl von Branchen. Es wurde zudem darauf                mangelnde Nützlichkeit von digitalen
geachtet, dass die Geschlechterverteilung in                Technologien sind jene Facetten von
etwa ausgeglichen ist und dass Personen ver-                digitalem Stress, die mit den größten
schiedener Altersgruppen befragt werden.                    Stresswahrnehmungen einhergehen.
                                                         3. Durch Technologie ersetzt zu werden ist
In der Gesamtschau der Befunde ergeben sich                 die am schwächsten ausgeprägte Facette
folgende Kernaussagen:                                      von digitalem Stress. Die Sorge,
                                                            aufgrund von Künstlicher Intelligenz,
   1. Digitaler Stress ist im deutschsprachigen             Automatisierung und Maschinen den
      Raum ein existierendes Phänomen.                      Job zu verlieren, ist daher – aktuell
                                                            zumindest – im deutschsprachigen
   Eine wie hier berichtete Fragebogenstudie                Raum keine große Problematik.
   gibt Aufschluss über die Wahrnehmungen
   zum digitalen Stress, die der Introspektion           4. Digitaler Stress geht mit folgenden
   zugänglich sind. Wissenschaftliche Arbeiten              Konsequenzen      einher:   emotionale
   geben an, dass vor dem Bewusstwerden von                 Erschöpfung, reduzierte Zufriedenheit
   Belastungen und Stress bereits signifikante              mit dem Job, generellem Job-Stress,
   physiologische Veränderungen auftreten                   reduzierte       Benutzerzufriedenheit,
   können (zB Anstieg von Stresshormonen                    reduzierter mentaler Gesundheit und
   wie Adrenalin und Kortisol, Erhöhung von                 ausgeprägteren depressiven Symptomen.
   Blutdruck, Reduktion von Herzratenvariabi-            5. Ein ausgeprägteres Innovationsklima in
   lität). Dies ist bei der Interpretation der hier         einem Unternehmen kann einen
   vorgestellten Befunde zu berücksichtigen.                wirksamen Beitrag zur Reduktion von
                                                            digitalem Stress leisten.
   Weiter ist zu beachten, dass die Daten der
   vorliegenden Studie kurz vor dem Be-                  6. Jüngere Menschen empfinden mehr
   kanntwerden der Corona-Krankheit, Ende                   digitalen Stress als ältere Menschen.
   2019, erhoben wurden. Ausgelöst durch die             7. Männer empfinden mehr digitalen Stress
   Corona-Krise ergab sich für viele Menschen               als Frauen.
   die Notwendigkeit, auf der Basis von Home
   Office und Home Schooling digitale Tech-              8. Weniger Selbstwirksamkeit im Umgang
   nologien häufiger und länger als zuvor zu                mit digitalen Technologien geht mit
   verwenden. Insbesondere wurden Video-                    höherem digitalen Stress einher.
   konferenzsysteme wie Zoom, Cisco Webex,               9. Eine durch niedrige Gewissenhaftigkeit
   Microsoft Teams oder Skype benutzt. Be-                  und       hohem           Neurotizismus
   reits kurz nach dem coronabedingten Lock-                gekennzeichnete Persönlichkeit geht mit
   down im Frühjahr 2020 wurde in Fachjour-                 höherem digitalen Stress einher.
   nalen als auch in der Tagespresse über Phä-
                                                         10. Ein höherer Bildungsstand geht mit
   nomene wie „video call fatigue“ berichtet.
                                                             niedrigerem digitalen Stress einher.
   Daraus folgt, dass die hier berichteten Werte
   zum digitalen Stress heute vermutlich höher
   ausfallen würden.                                  Bei der Interpretation der hier beschriebenen
                                                      Befunde sind die berichteten statistischen
                                                      Kennwerte und die daraus ableitbaren und vari-
                                                      ierenden Effektstärken zu beachten.

                                                                                                  40
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