Dza aktuell deutscher alterssurvey - Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer in der Corona-Pan-demie? - Deutsches Zentrum ...

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Dza aktuell deutscher alterssurvey - Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer in der Corona-Pan-demie? - Deutsches Zentrum ...
dza aktuell
deutscher alterssurvey
Heft 02/2022

Herausgeber:
Deutsches Zentrum für
Altersfragen

                        Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich
                        für Frauen und Männer in der Corona-Pan-
                        demie?
                        Ulrike Ehrlich, Nadiya Kelle & Mareike Bünning
Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer
in der Corona-Pandemie?
Ulrike Ehrlich, Nadiya Kelle und Mareike Bünning

Inhalt
Kernaussagen ....................................................................................................................... 3
Einleitung .............................................................................................................................. 4
Daten und Methoden ............................................................................................................. 8
Befunde ................................................................................................................................10
Fazit     ..................................................................................................................................18
Literatur ................................................................................................................................20
Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?                              3

Kernaussagen
Zu Beginn der Pandemie übernahmen vo-              Gesetzliche Maßnahmen zur besseren
rübergehend mehr Menschen, insbeson-               Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wer-
dere Frauen, private Unterstützung und             den kaum in Anspruch genommen. Nur
Pflege. Somit haben sich während der ers-          jeweils ein Prozent der Pflegenden und Un-
ten Pandemiewelle mehr Personen aus der            terstützungsleistenden nutzen die Möglich-
erwerbsfähigen Bevölkerung an Unterstüt-           keit einer kurzfristigen Freistellung zur
zungs- und Pflegeaufgaben beteiligt. In der        Pflege von Angehörigen oder die Pflegezeit.
zweiten Pandemiewelle war die Beteiligung
an Unterstützungs- und Pflegeaufgaben              Das Belastungsempfinden unterstützen-
dann auf ähnlich hohem Niveau wie vor der          der und pflegender Personen steigt in der
Pandemie.                                          Pandemie im Schnitt nicht. Sowohl vor als
                                                   auch während der Pandemie fühlen sich
Auch während der Pandemie wenden                   zeitlich hoch-intensiv pflegende Personen
Frauen mehr Zeit für die Unterstützung             belasteter als gering-intensiv pflegende Per-
und Pflege auf als Männer. Der Zeitauf-            sonen. Am stärksten belastet fühlten sich im
wand für die Unterstützung und Pflege ver-         Corona-Winter 2020/21 nicht-erwerbstätige
ändert sich in der Pandemie nicht wesent-          Frauen, die mit hohem zeitlichen Aufwand
lich. Ein großer Teil der Unterstützung und        pflegen; gefolgt von Frauen, die Erwerbstä-
Pflege wird von nicht-erwerbstätigen Frauen        tigkeit mit hohem zeitlichen Pflegeaufwand
getragen; dies könnte mit ihren größeren           verbinden.
zeitlichen Kapazitäten zusammenhängen
oder auch ein Hinweis auf die Unvereinbar-
keit zeitintensiver Unterstützung und Pflege
mit Erwerbstätigkeit sein.

Die Erwerbsbeteiligung von Unterstüt-
zungs- und Pflegepersonen bleibt in der
Pandemie stabil. Dies gilt sowohl für Unter-
stützungs- und Pflegepersonen, die zeitlich
gering-intensiv als auch für jene, die zeitlich
hoch-intensiv pflegen. Generell ist der Ver-
einbarkeitskonflikt bei mit hoher zeitlicher In-
tensität Pflegenden am höchsten, was sich
in einer deutlich geringeren Erwerbsbeteili-
gung ausdrückt. In der Pandemie ist die Er-
werbsbeteiligung bei hoch-intensiv-pflegen-
den Frauen besonders niedrig.
4                                    Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?

Einleitung
Die exponentielle Verbreitung des Corona-                   Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie
Virus während der ersten Pandemiewelle                      und der damit verbundenen Maßnahmen ist
Anfang 2020 und die damit verbundenen po-                   zu fragen, wie sich die Situation unterstüt-
litischen Maßnahmen zur Eindämmung des                      zender und pflegender Angehöriger im er-
Virus zwangen viele Angehörige, die Unter-                  werbsfähigen Alter entwickelt hat. Konkret
stützung und Pflege für ihre Familienange-                  wird untersucht, wie sich die Unterstützungs-
hörigen, Nachbar*innen oder Freund*innen                    und Pflege- sowie die Erwerbssituation von
geleistet haben, zur Umorganisation ihrer                   pflegenden Angehörigen im erwerbsfähigen
Tätigkeiten. So mussten Angehörige haus-                    Alter im Verlauf der Pandemie entwickelt ha-
haltsnahe Unterstützungsleistungen wie Put-                 ben. Bisherige Ergebnisse aus der ersten
zen, Kochen oder Abwaschen bei vulnerab-                    Pandemiewelle zeigen, dass der Anteil von
len Gruppen eventuell aus Infektionsschutz-                 Unterstützungs- und Pflegepersonen zuge-
gründen kurzfristig einstellen oder aber auch               nommen hat und das insbesondere unter
neu übernehmen, da professionelle Dienst-                   Frauen (Klaus & Ehrlich, 2021). Anzuneh-
leistende ausgefallen sind (Eggert et al.,                  men ist, dass sich dieses Muster auch für
2020). Auch pflegende Angehörige erfuhren                   Personen im erwerbsfähigen Alter (bis 64
Versorgungsengpässe aufgrund von tempo-                     Jahre) zeigt, da ein Großteil der Unterstüt-
rären Schließungen ambulanter Pflege-                       zung oder Pflege im Erwerbsalter geleistet
dienste oder pandemiebedingter Abwande-                     wird (Ehrlich, 2019). Darüber hinaus ist an-
rung von (semi)professionellen Pflegekräften                zunehmen, dass sich der geleistete Zeitum-
(sog. ausländische „Live-Ins“) (Eggert et al.,              fang für Unterstützungs- und Pflegeaufga-
2020; Wolf-Ostermann et al., 2020).1 Dar-                   ben während der Pandemie erhöht hat. Je-
über hinaus haben viele Pflegeheime einen                   doch wäre erwartbar, dass erwerbstätige
Aufnahmestopp verhängt, um Bewohner*in-                     Personen aufgrund zeitlicher Restriktionen,
nen und Personal vor Infektionen zu schüt-                  die durch das Berufsleben vorgegeben wer-
zen, weshalb sich pflegende Angehörige bei                  den, ihr Engagement bei Unterstützung und
zunehmenden Pflegebedarfen ihrer Angehö-                    Pflege nicht so stark ausgeweitet haben wie
rigen nicht an vollstationäre Einrichtungen                 nicht-erwerbstätige Personen. Anzunehmen
wenden konnten (Eggert& Teubner, 2021;                      ist weiterhin, dass die schon in prä-pandemi-
Rothgang et al., 2020). 2 Nach dem Sommer                   schen Zeiten bestehenden Schwierigkeiten
2020 mit relativ geringen Infektionszahlen                  familiäre Pflege und Erwerbstätigkeit zu ver-
wurden viele Maßnahmen, wie zum Beispiel                    einbaren (Kelle, 2020; Ehrlich et al., 2020),
verschärfte Kontaktbeschränkungen, aus der                  sich durch die Versorgungsengpässe in der
ersten Pandemiewelle mit dem Dezember-                      Pandemie womöglich verstärkt haben und
Lockdown im Winter 2020 wieder aufgenom-                    dazu geführt haben, dass pflegende Ange-
men (Abbildung 1). Darüber hinaus können                    hörige ihre Erwerbsarbeit aufgegeben oder
die im Dezember 2020 in die Höhe schnel-                    reduziert haben. Andererseits können Kurz-
lenden Infektionszahlen abermals dazu ge-                   arbeits- oder Homeoffice-Regelungen unter
führt haben, dass der Einbezug von weiteren                 Erwerbstätigen dazu geführt haben, dass sie
informellen und formellen Unterstützungs-                   mehr Zeit hatten oder Zeit flexibler nutzen
personen nicht mehr sichergestellt war oder                 konnten, um notwendige Unterstützungs-
von pflegenden Angehörigen als zu risiko-                   oder Pflegetätigkeiten aufzunehmen oder
reich eingestuft worden ist (Brandt et al.,                 auszuweiten als vor der Pandemie.
2021).

1
  Im Jahr 2020 ist die Inanspruchnahme der Tages- und       2
                                                              Im Jahr 2020 ist der Trend der Vorjahre, dass die Anzahl
Nachtpflege sowie der Kurzzeitpflege im Vergleich zu 2019   vollstationär betreuter pflegebedürftiger Personen stetig
um 21 bzw. 12 Prozent zurückgegangen (Bundesministe-        zugenommen hat, unterbrochen worden (Bundesministe-
rium für Gesundheit, 2021a, 2021b), was womöglich mit ei-   rium für Gesundheit, 2021b).
ner höheren Betreuungslast bei den pflegenden Angehöri-
gen einhergeht.
Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?                               5

 Der Verlauf der Corona-Pandemie in Deutschland

 Die Corona-Pandemie in Deutschland begann im März 2020 und nahm einen wellenförmigen
 Verlauf (Abbildung 1). Die Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung haben das
 Leben der Menschen in vielen Bereichen verändert. Ab etwa Mitte März 2020 wurden von der
 Bundesregierung und den Landesregierungen weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung
 des Infektionsgeschehens in der ersten Pandemiewelle erlassen. Der Gültigkeitszeitraum der
 einzelnen Maßnahmenpakete variierte dabei teilweise zwischen den Bundesländern (eine de-
 taillierte Übersicht findet sich in der IAB-Datenbasis zu Corona-Eindämmungsmaßnahmen
 unter: http://doku.iab.de/arbeitsmarktdaten/daten_corona-massnahmen.xlsx; (Institut für Ar-
 beitsmarkt und Berufsforschung, 2021). Die Maßnahmen beinhalteten insbesondere Kontakt-
 beschränkungen, die Schließung von Schulen und Kindertagesstätten, der Gastronomie so-
 wie von verschiedenen Dienstleistungseinrichtungen und Betrieben des Einzelhandels („1.
 Lockdown“). Nach Abflauen der ersten Pandemiewelle wurden einzelne Einschränkungen ab
 Ende April 2020 gelockert.

 Nach einer Phase mit niedrigen Infektionszahlen im Sommer 2020 kam es im Herbst 2020 zu
 einem wiederholten Anstieg der Neuinfektionen und einer zweiten Pandemiewelle, der ab An-
 fang November 2020 mit erneuten Kontakteinschränkungen begegnet wurde („Lockdown
 light“). Ab Mitte Dezember wurden die Kontakteinschränkungen verschärft und erneut Schu-
 len, Kindertagesstätten sowie Teile von Einzelhandel und Dienstleistungsbranchen geschlos-
 sen („2. Lockdown“). Ende 2020 fanden die ersten Impfungen gegen COVID-19 statt.

 Einem Rückgang der Infektionszahlen bis Ende Februar 2021 folgte ein weiterer Anstieg
 (dritte Pandemiewelle), der von erneuten bzw. verschärften Kontaktbeschränkungen flankiert
 wurde. Im April 2021 beschloss der Bundestag den Einsatz einer bundeseinheitlichen Rege-
 lung („Bundesnotbremse“), mit einheitlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsge-
 schehens, gekoppelt an regionale Inzidenzwerte.

 Ab Anfang Mai 2021 gingen die Infektionsraten wieder zurück, um ab Juli 2021 bis zum Win-
 ter 2021 wieder zur vierten Pandemiewelle anzusteigen. Zur Begrenzung der Zahl der Neuin-
 fektionen wurden ab August 2021 sogenannte „3-G-Regelungen“ eingeführt (Zugangsbe-
 schränkungen unter Vorlage eines Genesenen-, Geimpften- oder Getestetennachweises),
 teilweise gefolgt von „2-G-Regelungen“ (Zugang nur für genesene oder geimpfte Personen).

 Der Deutsche Alterssurvey ermöglicht die Untersuchung der Auswirkungen der Corona-Pan-
 demie auf das Leben von Menschen im mittleren und höheren Erwachsenenalter bislang bis
 einschließlich zur Phase des zweiten Lockdowns im Winter 2020/21.
6                                      Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?

Abbildung 1: Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) in der Corona-Pandemie

Quellen: Risklayer, CEDIM (KIT), Tagesspiegel, RKI: https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/sars-cov-2-das-virus-in-echtzeit/
(18.11.2021). Eigene Darstellung.

Um möglichen verschärften Vereinbarkeits-                             Da hilfe- oder pflegebedürftige Personen als
konflikten während der Pandemie zu begeg-                             eine besonders ansteckungsgefährdete
nen, wurde der Zugang zu gesetzlichen                                 Gruppe gelten, müssen sich pflegende An-
Maßnahmen wie zum Beispiel der (Familien-                             gehörige in viel höherem Maße vor einer In-
)Pflegezeit, die eine Reduktion der Arbeits-                          fektion schützen, nicht nur, um ihre Rolle als
zeit von Beschäftigten im Falle von Pflegetä-                         Pflegeperson nicht zu gefährden, sondern
tigkeiten gegenüber Arbeitgeber*innen recht-                          auch, um die Weitergabe des Virus an ihre
lich ermöglicht, mit dem „Zweiten Gesetz                              unterstützungs- und pflegebedürftigen An-
zum Schutz der Bevölkerung bei einer epi-                             und Zugehörige zu vermeiden. Ein Infekti-
demischen Lage von nationaler Tragweite“                              onsschutz wird am besten durch strikte sozi-
vereinfacht und flexibilisiert (Bundesministe-                        ale Isolierung erreicht. Je nach Beruf konn-
rium für Familie, Senioren, Frauen und Ju-                            ten soziale Isolationsmaßnahmen von er-
gend, 2020). Diese Angebote könnten somit                             werbstätigen pflegenden Angehörigen nicht
während der Pandemie in besonderem Aus-                               umgesetzt werden, während nicht-erwerbs-
maß genutzt worden sein, da bei einem Vier-                           tätige pflegende Angehörige sich womöglich
tel der pflegenden Angehörigen ein Bedarf                             besser isolieren konnten. Von daher be-
nach unterstützender Hilfe bestand (vgl.                              stünde die Möglichkeit, dass erwerbstätige
dazu auch Klaus & Ehrlich, 2021).                                     pflegenden Angehörigen höheren Belastun-
                                                                      gen und Beeinträchtigungen ausgesetzt wa-
Unabhängig davon, ob entlastende politi-                              ren als nicht-erwerbstätige pflegende Ange-
sche Maßnahmen in Anspruch genommen                                   hörige. Darüber hinaus stehen erwerbstätige
worden sind oder nicht, ist die Corona-Pan-                           pflegende Angehörige unter einer „Doppel-
demie eine belastende Situation für pfle-                             belastung“ von Beruf und Familie, welche für
gende Angehörige (vgl. Brandt et al., 2021;                           Nicht-Erwerbstätige nicht besteht. Anderer-
Budnick et al., 2021; Klaus & Ehrlich, 2021).                         seits bestünde auch die Möglichkeit, dass
Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?                            7

eine Erwerbstätigkeit als entlastender Aus-       Dazu sollen folgende Fragen beantwortet
gleich zur Pflegetätigkeit wahrgenommen           werden:
wird, über den nicht-erwerbstätige pflegende
Angehörige nicht verfügen (Glauber & Day,         1) Beteiligen sich während der Corona-
2018; Moen et al., 1995). Das Hauptaugen-            Pandemie mehr oder weniger erwerbstä-
merk der hier vorgelegten Analysen liegt auf         tige und nicht-erwerbstätige Menschen
der Darstellung der Situation von pflegenden         an der Unterstützung und Pflege von ge-
Angehörigen im erwerbsfähigen Alter wäh-             sundheitlich eingeschränkten Personen
rend der Corona-Pandemie.                            als vor der Corona-Pandemie? Gibt es
                                                     hierbei Unterschiede zwischen Frauen
Aus der Literatur ist bekannt, dass Ge-              und Männern?
schlechterunterschiede in Bezug auf Über-
nahme von Unterstützungs- und Pflegetätig-        2) Wie hat sich der Zeitumfang für Unter-
keiten, Zeitverwendung für Unterstützungs-           stützung und Pflege von erwerbstätigen
und Pflegetätigkeiten (Ehrlich, 2019; Klaus &        und nicht-erwerbstätigen Unterstüt-
Vogel, 2019), Vereinbarkeitsstrategien (Auth         zungs- und Pflegepersonen während der
et al., 2016; Carr et al., 2018; Ehrlich, 2019)      Pandemie im Vergleich zu vor der Pan-
sowie in Bezug auf psycho-soziale Konse-             demie entwickelt? Zeigen sich hier gege-
quenzen von Unterstützungs- und Pflege-              benenfalls Geschlechtsunterschiede?
übernahme (Pinquart & Sörensen, 2006) be-
                                                  3) Wie hat sich während der Corona-Pan-
reits vor der Pandemie bestanden haben.
                                                     demie die Erwerbsbeteiligung pflegender
Daher ist danach zu fragen, ob diese Ge-
                                                     Angehöriger im Vergleich zu vor der
schlechterunterschiede während der Pande-
                                                     Pandemie entwickelt, und gibt es hierbei
mie konstant geblieben oder sie sich ange-
                                                     unterschiedliche Entwicklungen für
glichen haben. Oder haben sich diese Ge-
                                                     Frauen und Männer?
schlechtsunterschiede sogar verstärkt, und
ist es dementsprechend auch im Bereich der        4) Wie hat sich das Belastungsempfinden
privat erbrachten Unterstützung und/oder             von erwerbstätigen und nicht-erwerbstä-
Pflege zu einer Retraditionalisierung der Ge-        tigen pflegenden Angehörigen während
schlechterrollen gekommen, wie sie bereits           der Corona Pandemie entwickelt? Gibt
im Bereich der Kinderbetreuung und der               es im Belastungsempfinden Unter-
Hausarbeit beobachtet worden ist (z. B.              schiede zwischen Frauen und Männern?
Möhring et al., 2020, Kohlrausch & Zucco,
2020; Huebener et al., 2021; Hipp & Bün-          5) Wie hoch ist der Anteil erwerbstätiger
ning, 2021)?                                         pflegender Angehöriger, die gesetzliche
                                                     Angebote zur besseren Vereinbarkeit
                                                     von Pflege und Beruf während der Pan-
                                                     demie in Anspruch genommen haben?
8                                Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?

Daten und Methoden
    Der Deutsche Alterssurvey (DEAS)

    Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) ist eine repräsentative Quer- und Längsschnittbefragung
    von Personen in der zweiten Lebenshälfte. Im Rahmen der Studie werden seit mehr als zwei
    Jahrzehnten Frauen und Männer auf ihrem Weg ins höhere und hohe Alter regelmäßig be-
    fragt (1996, 2002, 2008, 2011, 2014, 2017, 2020/21). Dieser lange Beobachtungszeitraum
    von mehr als zwei Jahrzehnten erlaubt einen umfassenden Einblick in das Älterwerden und
    die Lebenssituationen von Menschen in der zweiten Lebenshälfte. Zudem kann durch das ko-
    hortensequenzielle Design der Studie Älterwerden im sozialen Wandel untersucht werden.
    Der Deutsche Alterssurvey ist daher die zentrale Studie zu Alter und Altern in Deutschland.
    Mehr als 20.000 Personen haben bislang an der Studie teilgenommen. Befragt werden Per-
    sonen, die zum Zeitpunkt der ersten Teilnahme 40 Jahre und älter sind. Die Teilnehmenden
    werden auf Basis einer nach Alter, Geschlecht und Region geschichteten Einwohnermelde-
    amtsstichprobe ausgewählt. Die Daten des Deutschen Alterssurveys sind daher repräsentativ
    für die in Privathaushalten lebende Wohnbevölkerung Deutschlands in der zweiten Lebens-
    hälfte. Durch den Deutschen Alterssurvey können auch die Lebenssituationen in Krisenzeiten
    – wie wir sie aktuell aufgrund der Corona-Pandemie erleben – näher beleuchtet und besser
    verstanden werden.

    Seit Beginn der Corona-Pandemie fanden zwei Erhebungen des Deutschen Alterssurveys
    statt, bei denen jeweils Personen befragt wurden, die zuvor schon mindestens einmal an der
    Studie teilgenommen hatten: Im Sommer 2020 (8. Juni bis 22. Juli 2020) wurde eine schriftli-
    che Befragung durchgeführt, an der 4.823 Personen ab einem Alter von 46 Jahren teilnah-
    men; im Winter 2020/21 (4. November 2020 bis 1. März 2021) fand eine telefonische Befra-
    gung statt, an der 5.402 Personen ebenfalls im Alter ab 46 Jahren teilnahmen. Direkt im An-
    schluss an das telefonische Interview im Winter 2020/21 bekamen die Befragten noch einen
    Fragebogen zugesandt, der von 4.419 Personen schriftlich oder online beantwortet wurde. Im
    Zentrum der Befragungen standen Fragen zur aktuellen Lebenssituation etwa in sozialen Be-
    ziehungen, im Wohlbefinden und in der Erwerbsarbeit.

    In den Analysen werden gewichtete Anteilswerte und gewichtete arithmetische Mittelwerte
    unter Verwendung von Methoden, die die geschichtete Stichprobenziehung berücksichtigen,
    dargestellt. Dabei werden Gruppenunterschiede oder Unterschiede zwischen Erhebungswel-
    len auf statistische Signifikanz getestet. Verwendet wird ein Signifikanzniveau von p < 0,05.
    Ist ein Befund statistisch signifikant, so kann mit mindestens 95-prozentiger Wahrscheinlich-
    keit davon ausgegangen werden, dass ein festgestellter Unterschied nicht nur in der Stich-
    probe, sondern auch in der in Privathaushalten lebenden Bevölkerung in Deutschland vor-
    handen ist. Ist ein Befund statistisch nicht signifikant, ist es möglich, dass beobachtete Unter-
    schiede in der Stichprobe nur zufällig zustande kamen.

    Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Se-
    nioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.

    Weitere Informationen zum Deutschen Alterssurvey (DEAS) finden sich unter www.deut-
    scher-alterssurvey.de.
Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?                                                      9

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wer-                    schlechten Gesundheitszustandes privat
den die Daten des Deutschen Alterssurveys                    oder ehrenamtlich betreut bzw. gepflegt oder
(DEAS) aus der persönlichen Befragung                        regelmäßig Hilfe geleistet?“. Befragte, die
2017, aus der schriftlichen Kurzbefragung im                 diese Frage mit „Ja“ beantworten, sind Un-
Sommer 2020 sowie aus der telefonischen                      terstützungs- und Pflegeleistende. 3
Befragung im Winter 2020/21 verwendet.
Betrachtet wird der Wandel der Situation von                 Zeitverwendung für Unterstützung und
pflegenden Angehörigen im erwerbsfähigen                     Pflege: Im Anschluss an die Unterstützungs-
Alter zwischen den Erhebungszeitpunkten.                     und Pflege-Frage werden Unterstützungs-
Durch diese Vorgehensweise erhoffen wir                      und Pflegepersonen gefragt: „Wieviel Zeit
uns Hinweise darauf zu erhalten, wie sich                    wenden Sie pro Woche auf, um der/den von
die Situation von unterstützenden und pfle-                  Ihnen unterstützen Person/en zu helfen?
genden Angehörigen im erwerbsfähigen Al-                     Bitte geben Sie die wöchentlich im Durch-
ter während der Corona-Pandemie im Ver-                      schnitt anfallende Zahl der Stunden an.“
gleich zu vor der Pandemie entwickelt hat.                   Diese Frage wurde 2017 und im Winter
Jedoch ist zu berücksichtigen, dass beo-                     2020/21 gestellt, nicht aber in der Kurzbefra-
bachtete Veränderungen auch Folge des all-                   gung vom Sommer 2020. Alle Angaben zur
gemeinen gesellschaftlichen Wandels oder                     wöchentlichen Zeitverwendung für Unterstüt-
anderer historischer Ereignisse zwischen                     zung und Pflege, die die Obergrenze von
2017 und 2021 sein können. Bei der Inter-                    mehr als 80 Stunden pro Woche überschrei-
pretation der Befunde ist dieser Umstand zu                  ten, werden auf den Wert 80 gesetzt.
berücksichtigen.
                                                             Erwerbstätigkeit: Befragte, die zum Zeitpunkt
Für alle Erhebungszeitunkte wird die Stich-                  des Interviews entweder in Teilzeit, in Voll-
probe auf jene Befragte eingegrenzt, die                     zeit, in einem Minijob oder unregelmäßig er-
zum Zeitpunkt des jeweiligen Interviews im                   werbstätig sind, gehen in die Auswertungen
Alter von 46 bis 65 Jahre, also im erwerbsfä-                als „erwerbstätig“ ein. Befragte, die sich zum
higen Alter, sind: 2.900 (2017), 1.649 (2020)                Zeitpunkt eines Interviews in Rente, in einer
und 2.240 (2020/21). Unsere Analysen ba-                     Form der Frühverrentung (EM-Rente, BU-
sieren also auf Informationen von Personen,                  Rente, Frühpension), in der Freistellungs-
die entweder zu allen drei Erhebungszeit-                    phase der Altersteilzeit, in einer Umschu-
punkten (62 Prozent), zu zwei Erhebungs-                     lung, im Mutterschutz oder der Elternzeit be-
zeitpunkten (27 Prozent) oder aber auch nur                  finden, die arbeitslos sind, die als Hausfrau
zu einem Erhebungszeitpunkt (11 Prozent)                     oder -mann tätig sind oder aus anderen
befragt worden sind.                                         Gründen nicht erwerbstätig sind, gehen in
                                                             die Auswertungen als „nicht-erwerbstätig“
Die hier berichteten Informationen werden                    ein.
mittels folgender Fragen erhoben:
                                                             Belastungsempfinden: Befragte, die gesund-
Unterstützungs- und Pflegeleistende: Im                      heitlich eingeschränkte Personen unterstüt-
Deutschen Alterssurvey werden Unterstüt-                     zen oder pflegen, beantworteten 2017 und
zungs- und Pflegepersonen über folgende                      im Winter 2020/21 folgende Frage: „Wenn
Frage identifiziert: „Haben Sie in den letzten               Sie einmal insgesamt diese Hilfen oder Pfle-
12 Monaten (2017, 2020/21)/in den letzten 3                  geleistungen betrachten, wie stark sind Sie
Monaten (2020) Personen aufgrund ihres                       dadurch belastet?“. Befragte hatten folgende

3
 In der Kurzbefragung im Sommer 2020 wurde ein Refe-         Spektrum an Unterstützungsleistungen abgedeckt, das
renzzeitraum von 3 Monaten (gegenüber 12 Monaten im          von regelmäßiger Hilfe über Betreuung bis hin zu Pflege
Jahr 2017 und Winter 2020/21) vorgegeben. Daher ist da-      reicht. Zudem ist der zeitliche Umfang dieser Tätigkeiten
von auszugehen, dass der Anteil der Unterstützungs- und      nicht vordefiniert und neben privat erbrachten Leistungen
Pflegepersonen im Sommer 2020 gegenüber der Erfas-           werden auch solche berücksichtigt, die im Rahmen eines
sung 2017 und im Winter 2020/21 unterschätzt wird. Zu-       Ehrenamts geleistet werden. Entsprechend liegen die hier
sätzlich ist zu berücksichtigen, dass im Deutschen Alters-   ermittelten Anteile über den häufig berichten Pflegequoten,
survey eine vergleichsweise weite Erfassung von Unter-       denen eine engere Definition von Unterstützung und
stützungs- und Pflegepersonen erfolgt. So wird ein breites   Pflege vorausgeht.
10                                   Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?

Antwortmöglichkeiten: (1) gar nicht, (2) eher             verschiedene gesetzliche Angebote zur bes-
wenig, (3) eher stark oder (4) sehr stark.                seren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.
                                                          Nehmen Sie derzeit eines dieser Angebote
Inanspruchnahme gesetzlicher Angebote zur                 in Anspruch?“ Folgende Antwortmöglichkei-
besseren Vereinbarkeit von Pflege und Be-                 ten standen zur Auswahl: die kurzzeitige Ar-
ruf: Erwerbstätige pflegende Angehörige ha-               beitsverhinderung, die Pflegezeit, die Fami-
ben in der DEAS-Befragung 2020/21 erst-                   lienpflegezeit, die Freistellung zur Begleitung
malig die folgende Frage erhalten: „Es gibt               in der letzten Lebensphase, keines von die-
                                                          sen gesetzlichen Angeboten.

Befunde
Zu Beginn der Pandemie übernahmen vo-                     Gruppen nicht statistisch signifikant von den
rübergehend mehr Menschen private Un-                     prä-pandemischen Unterstützungs- und Pfle-
terstützung und Pflege                                    gequoten. Somit beteiligten sich in der zwei-
                                                          ten Pandemiewelle Nicht-Erwerbstätige an
Der Anteil an Menschen in der erwerbsfähi-                Unterstützungs- und Pflegeaufgaben wieder
gen Bevölkerung, die Unterstützung und                    auf ähnlich hohem Niveau wie vor der Pan-
Pflege leisten, ist zwischen 2017 und Som-                demie. Die Beteiligung von Erwerbstätigen
mer 2020 von 18 Prozent auf 22 Prozent sig-               an Unterstützungs- und Pflegeaufgaben war
nifikant angestiegen (Abbildung 2). In der                sowohl während der ersten als auch wäh-
zweiten Pandemiewelle war die Unterstüt-                  rend der zweiten Pandemiewelle stets auf ei-
zungs- und Pflegequote wieder rückläufig                  nem ähnlichen Niveau wie vor der Pande-
(2020/21: 20,1 Prozent) und unterschied                   mie.
sich nicht mehr statistisch signifikant von der
Unterstützungs- und Pflegequote 2017. So-                 Unterscheidet man nach Geschlecht, zeigt
mit haben sich während der ersten Pande-                  sich zu allen Zeitpunkten, dass Frauen zu
miewelle mehr Personen aus der erwerbsfä-                 höheren Anteilen Unterstützung und Pflege
higen Bevölkerung an Unterstützungs- und                  leisten als Männer. Weiterhin leisteten insbe-
Pflegeaufgaben beteiligt. In der zweiten Pan-             sondere Frauen im Sommer 2020 häufiger
demiewelle war die Beteiligung an Unterstüt-              Unterstützung und Pflege als noch 2017,
zungs- und Pflegeaufgaben wieder auf ähn-                 während sie in der zweiten Pandemiewelle
lich hohem Niveau wie vor der Pandemie.                   wieder ähnlich häufig unterstützten und
                                                          pflegten wie vor der Pandemie. Werden die
Im Gegensatz zu Erwerbstätigen, haben                     Unterstützungs- und Pflegequoten der
Nicht-Erwerbstätige in der ersten Pandemie-               Frauen und Männer getrennt danach be-
welle häufiger Unterstützungs- und Pflege-                trachtet, ob sie erwerbstätig sind oder nicht,
aufgaben übernommen als noch vor der                      zeigen sich sowohl bei nicht-erwerbstätigen
Pandemie. Während die Unterstützungs-                     Frauen als auch bei nicht-erwerbstätigen
und Pflegequote für die Gruppe der Nicht-Er-              Männern Tendenzen für einen Anstieg.
werbstätigen zwischen 2017 (17,8 Prozent)                 Diese Tendenzen sind jedoch statistisch
und Sommer 2020 (25,0 Prozent) zugenom-                   nicht signifikant; dies könnte an den relativ
men hat, war dieser Anstieg für die Gruppe                geringen Fallzahlen in den Untergruppen lie-
der Erwerbstätigen weniger stark ausgeprägt               gen. 4 Statistisch signifikant ist allerdings der
und statistisch nicht signifikant (2017: 17,8             Anstieg der Unterstützungs- und Pflege-
Prozent; 2020: 21,4 Prozent). In der zweiten              quote von erwerbstätigen Frauen zwischen
Pandemiewelle unterschieden sich die Un-                  2017 und der ersten Pandemiewelle (2017:
terstützungs- und Pflegequoten in beiden                  20,5 Prozent; 2020: 26,8 Prozent). In der

4
  Nicht-erwerbstätige Frauen mit Unterstützungs- und      und Pflegeaufgaben 2017 (n=49), 2020 (n=31) und
Pflegaufgaben 2017 (n=96), 2020 (n=69) und 2020/21        2020/21 (n=48).
(n=102); nicht-erwerbstätige Männer mit Unterstützungs-
Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?                                                                                                                11

zweiten Pandemiewelle unterstützten und                                         vat erbrachter Unterstützung und Pflege ein-
pflegten erwerbstätige Frauen dann wieder                                       herging. Dieser zusätzliche Bedarf äußert
ähnlich häufig wie vor der Pandemie.                                            sich im Anstieg an Unterstützungs- und Pfle-
                                                                                gequoten insbesondere in der ersten Pande-
Insgesamt zeigt sich wie erwartet, dass die                                     miewelle und wurde in der erwerbsfähigen
Pandemie mit einem höheren Bedarf an pri-                                       Bevölkerung insbesondere von (erwerbstäti-
                                                                                gen) Frauen geschultert.

Abbildung 2: Anteile der Personen im Alter von 46 bis 65 Jahren, die gesundheitlich einge-
             schränkte Personen unterstützen oder pflegen, gesamt, nach Erwerbsstatus
             und nach Geschlecht, in den Jahren 2017, 2020 und 2020/21 (in Prozent)

          30
                          Gesamt                                                Frauen                                                Männer

          20
Prozent

                                                                                     28,4
                                                                         27,2

                                                                                                              26,8
                               25,0

                                                                                   24,7

                                                                                                            24,1
                                                                       24,0
                             22,2
                  22,1

                                                     21,4

                                                                    20,6

                                                                                20,6

                                                                                                                                          20,5
                                                                                                         20,5
                20,1

                                                    19,7

          10

                                                                                                                                         19,1
               17,9

                                                   17,8
                          17,8

                                                                                                                              17,1

                                                                                                                                                                16,4
                                                                                                                             16,2

                                                                                                                                                               15,6
                                                                                                                                                               15,5
                                                                                                                            15,2

                                                                                                                                      13,8
          0
                 Gesamt

                             Nicht-Erwerbstätige

                                                    Erwerbstätige

                                                                       Gesamt

                                                                                   Nicht-Erwerbstätige

                                                                                                            Erwerbstätige

                                                                                                                                         Nicht-Erwerbstätige

                                                                                                                                                                Erwerbstätige
                                                                                                                             Gesamt

                                                 2017               2020               2020/21
Quelle: DEAS 2017 (n=2.900), 2020 (n=1.649), 2020/21 (n=2.240) gewichtet, gerundete Angaben.
Statistisch signifikant (p
12                                    Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?

2020/21) festzumachen.5 Festzustellen ist                   Zusammenfassend zeigen sich zwar keine
aber, dass während der zweiten Welle der                    statistisch signifikanten Veränderungen im
Corona-Pandemie erwerbstätige Frauen                        Pflegeumfang in der Pandemie. Es wird aber
mehr Zeit für Unterstützung und Pflege auf-                 deutlich, dass sich die geschlechtsspezifi-
wenden als erwerbstätige Männer (Frauen:                    schen Unterschiede im Zeitaufwand für Un-
9,1 Wochenstunden; Männer: 5,5 Wochen-                      terstützung und Pflege in der zweiten Pan-
stunden) – vor der Pandemie war dieser ge-                  demiewelle im Vergleich zur Prä-Pandemie
schlechtsspezifische Unterschied kleiner                    verschärft haben. Einen großen Umfang an
(Frauen: 7,6 Wochenstunden; Männer: 6,6                     Unterstützungs- und Pflegetätigkeiten über-
Wochenstunden) und statistisch nicht signifi-               nehmen dabei nicht-erwerbstätige Frauen.
kant.                                                       Dieses Ergebnis kann mit höheren zeitlichen
                                                            Kapazitäten zusammenhängen, die nicht-er-
Sowohl 2017 als auch 2020/21 wenden                         werbstätigen Personen zur Verfügung ste-
Nicht-Erwerbstätige mehr Zeit für Unterstüt-                hen könnten. Es dürfte aber auch auf gene-
zung und Pflege auf als Erwerbstätige (Un-                  relle Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit
terschied 2017: 4,0 Wochenstunden; Unter-                   von umfangreichen Unterstützungs- und
schied 2020/21: 9,6 Wochenstunden). Diese                   Pflegeaufgaben mit einer Erwerbstätigkeit
Unterschiede gehen vor allem auf die                        (insbesondere für Frauen) hinweisen, wie sie
Frauen zurück: Nicht-erwerbstätige Frauen                   bereits in zahlreichen Studien dokumentiert
unterstützen und pflegen zu jedem Erhe-                     wurden (z. B. Kelle, 2020; Ehrlich et al.,
bungszeitpunkt in höherem Stundenumfang                     2020). Im nächsten Schritt untersuchen wir
als erwerbstätige Frauen. Zwischen nicht-er-                daher, inwieweit sich in der Pandemie ein
werbstätigen und erwerbstätigen Männern                     Zusammenhang zwischen Unterstützungs-
sind sowohl 2017 als auch 2020/21 keine                     und Pflegeleistungen auf der einen und Er-
statistisch bedeutsamen Unterschiede in der                 werbsquoten auf der anderen Seite zeigt.
Unterstützungszeit zu beobachten.

5
  Die großen, aber nicht signifikanten, Trendunterschiede   2020/21: n=102) und Männern (2017: n=49; 2020/21:
in der Zeitverwendung für Unterstützungs- und Pflegeauf-    n=48) zwischen 2017 und 2020/21 sind sehr wahrschein-
gaben bei nicht-erwerbstätigen Frauen (2017: n=96;          lich durch die geringen Fallzahlen bedingt.
Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?                                                                                                                                  13

Abbildung 3: Durchschnittliche Zeitverwendung in Wochenstunden für Hilfe, Unterstützung
             oder Pflege von erwerbstätigen und nicht-erwerbstätigen Personen im Alter
             von 46 bis 65 Jahren, gesamt und nach Geschlecht, in den Jahren 2017 und
             2020/21 (arithmetische Mittelwerte)

                                Gesamt                                                     Frauen                                                        Männer
                30
Wochenstunden

                20

                10                                                                                     18,8
                                           17,2
                                                                                                                                                                    14,5
                                                                                      11,5 12,3
                           9,8 11,1                                             9,0                                           9,1                      8,5
                     8,1                               7,1 7,6                                                     7,6                         6,9 7,5                          6,6 5,5

                0
                       Gesamt

                                 Nicht-Erwerbstätige

                                                         Erwerbstätige

                                                                                  Gesamt

                                                                                             Nicht-Erwerbstätige

                                                                                                                     Erwerbstätige

                                                                                                                                                Gesamt

                                                                                                                                                          Nicht-Erwerbstätige

                                                                                                                                                                                  Erwerbstätige
                                                                         2017                                                        2020/21

Quelle: DEAS 2017 (n=550), 2020/21 (n=459) gewichtet, gerundete Angaben.
Statistisch signifikant (p
14                                                                Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?

ohne Unterstützungs- und Pflegeaufgaben.                                                            ohne die Unterstützung eines informellen
Differenziert nach Geschlecht besteht ein                                                           und/oder formellen Netzwerks meistert. Zu-
statistisch signifikanter Unterschied in der                                                        sammen mit den Ergebnissen zur Zeitver-
Erwerbsbeteiligung zwischen hoch-intensiv                                                           wendung kann das Ergebnis aber auch da-
pflegenden und nicht-pflegenden Personen                                                            rauf verweisen, dass Ausfälle von professio-
nur bei Frauen im Winter 2020/21 (-16 Pro-                                                          nellen Dienstleistern dazu geführt haben,
zentpunkte). Die Erwerbsbeteiligung von ge-                                                         dass erwerbstätige pflegende Angehörige in
ring-intensiv Unterstützungs- und Pflegeleis-                                                       der Pandemie womöglich stärker von Nicht-
tenden unterscheidet sich statistisch nicht                                                         Erwerbstätigen aus ihrem informellen Unter-
signifikant von Personen ohne Unterstüt-                                                            stützungsnetzwerk unterstützt worden sind.
zungs- und Pflegeaufgaben.
                                                                                                    Unabhängig von der Pandemie zeigt sich,
Zusammenfassend zeigt sich, dass sich die                                                           dass Personen mit zeitlich hoch-intensiver
Pandemie trotz Einschränkungen bei profes-                                                          Unterstützungs- und Pflegeverantwortung
sionellen Pflegedienstleistungen sowie im                                                           signifikant seltener erwerbstätig sind als Per-
privaten Unterstützungsnetzwerk nicht nega-                                                         sonen ohne Pflegeverantwortung. Dieses Er-
tiv auf die Erwerbsbeteiligung pflegender                                                           gebnis bestätigt bisherige Forschungsergeb-
und unterstützender Angehöriger ausgewirkt                                                          nisse, die darauf verweisen, dass insbeson-
hat. Das Ergebnis kann darauf verweisen,                                                            dere eine Unterstützungs- und oder Pflege-
dass ein Großteil der (erwerbstätigen) pfle-                                                        verantwortung von mehr als 10 Stunden in
genden Angehörigen den Pflegealltag so-                                                             der Woche zu starken Vereinbarkeitsproble-
wohl vor als auch während der Pandemie                                                              men führt.

Abbildung 4: Erwerbstätigenquote von Personen mit/ohne (intensive/n) Unterstützungs- und
             Pflegeaufgaben im Alter von 46 bis 65 Jahren, gesamt und nach Geschlecht,
             in den Jahren 2017 und 2020/21 (in Prozent)

                                 Gesamt                                                             Frauen                                               Männer
          100

           80

           60
Prozent

                                                                                                                                                         87,3
                                                                                                                                                  81,8

                                                                                                                                                                   81,8
                                 81,6

                                                                                                                                        81,5
                                           81,5

                                                                                                               81,1
                          79,1
                77,7

           40
                                                                                                     77,0
                                                                                             76,1
                                                                                   73,6

                                                                                                                                                                          63,4
                                                  63,0

                                                                                                                       62,8

                                                                                                                                 59,8
                                                            59,4

                                                                                                                                                                                    58,2

           20

            0
                  Ohne Pflege

                                   10h Pflege

                                                                                     Ohne Pflege

                                                                                                       10h Pflege

                                                                                                                                          Ohne Pflege

                                                                                                                                                           10h Pflege

                                                                            2017                                      2020/21

Quelle: DEAS 2017 (n=2.874), 2020/21 (n=2.209) gewichtet, gerundete Angaben.
Statistisch signifikant (p
Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?                                                      15

2017 und 2020/21; Frauen: Unterschied zwischen hoch-intensiv Pflegenden und Nicht-Pflegenden 2020/21; Unterschied zwi-
schen gering-intensiv und hoch-intensiv Pflegenden 2020/21; Männer: Unterschied zwischen gering-intensiv Pflegenden und
Nicht-Pflegenden 2017; Unterschied zwischen gering-intensiv und hoch-intensiv Pflegenden 2017.

Gesetzliche Maßnahmen zur besseren                               die Freistellung zur Begleitung in der letzten
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wer-                          Lebensphase wurden gar nicht beansprucht.
den kaum in Anspruch genommen                                    Damit zeigt sich, dass die gesetzlichen Re-
                                                                 gelungen einigen sehr wenigen Personen
In der Pandemie wurde versucht, den Zu-                          durchaus bei der Vereinbarkeit von Pflege
gang zu gesetzlichen Maßnahmen für er-                           und Beruf helfen, von der ganz überwiegen-
werbstätige pflegende Angehörige zu er-                          den Mehrheit der Betroffenen jedoch nicht
leichtern und zu flexibilisieren, um die Ver-                    genutzt werden. 6
einbarkeit von Pflege und Beruf zu verbes-
sern. So wurden etwa die Möglichkeit, sich                       Die Nicht-Inanspruchnahme der gesetzli-
in akuten Pflegesituationen von der Arbeit                       chen Maßnahmen zur Vereinbarkeit von
freistellen zu lassen (kurzzeitige Arbeitsver-                   Pflege und Beruf während der Corona-Pan-
hinderung) sowie die Bezugsdauer von Pfle-                       demie geht einher mit der Beobachtung,
geunterstützungsgeld von 10 auf 20 Tage                          dass auch schon vor der Corona-Pandemie
ausgeweitet. Die Familienpflegezeit und die                      die Freistellungsmaßnahmen selten in An-
Pflegezeit konnten dem Arbeitgeber mit kür-                      spruch genommen worden sind (z. B. Hiel-
zerem Vorlauf angekündigt werden als zuvor                       scher et al., 2017). Als Gründe für eine
und die zuvor geltende Mindestarbeitszeit                        Nicht-Inanspruchnahme der Freistellungs-
von 15 Wochenstunden bei der Familienpfle-                       maßnahmen werden die Unkenntnis über
gezeit durfte vorübergehend unterschritten                       diese Maßnahmen, finanzielle Gründe, die
werden.                                                          geringe Planbarkeit des Pflegeverlaufs oder
                                                                 die Angst vor negativen Konsequenzen am
Es zeigt sich jedoch, dass 98 Prozent der                        Arbeitsplatz genannt (Hielscher et al., 2017;
Betroffenen während der Corona-Pandemie                          Suhr & Naumann, 2016). Darüber hinaus
keine gesetzlichen Maßnahmen in Anspruch                         können auch die Anspruchsvoraussetzun-
genommen haben. Je ein Prozent der er-                           gen (z. B. Pflegegrad, Angestelltenverhält-
werbstätigen, unterstützenden und/oder pfle-                     nis, Betriebsgröße) den Zugang zu diesen
genden Angehörigen nutzte die Regelungen                         gesetzlichen Maßnahmen erschweren (Hiel-
für eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung so-                     scher et al., 2017).
wie die Pflegezeit. Familienpflegezeit und

6
  Die Inanspruchnahme von gesetzlichen Maßnahmen be-             dass der Anteil der Unterstützungs- und Pflegepersonen,
zieht sich auf den Zeitpunkt zum Interview. Der Zeitraum,        die gesetzliche Maßnahmen wie zum Beispiel die kurzzei-
für den Unterstützungs- und Pflegetätigkeiten zum Zeit-          tige Arbeitsverhinderung in Anspruch genommen haben,
punkt des Interviews angegeben werden konnten, beläuft           unterschätzt wurde.
sich auf die vergangenen 12 Monate. Daher ist es möglich,
16                            Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?

Kein erhöhtes Belastungsempfinden von              dass ihr mittleres Belastungsempfinden wäh-
pflegenden Angehörigen in der Pandemie             rend der Pandemie sogar signifikant gerin-
                                                   ger ist als vor der Pandemie (2017: 2,7;
Insgesamt betrachtet, ist das mittlere Belas-      2020/21: 1,7; Abbildung 5b). Insgesamt be-
tungsempfinden von pflegenden Angehöri-            trachtet fällt auf, dass sich zu beiden Erhe-
gen während der Pandemie ähnlich hoch              bungszeitpunkten Personen, welche mehr
wie vor der Pandemie (2017: 2,2; 2020/21:          als zehn Stunden in der Woche pflegen,
2,1) (ohne Abbildung). Das heißt im Mittel         durchschnittlich belasteter fühlen als Perso-
fühlten sich die Betroffenen durch die Pfle-       nen, die zeitlich gering-intensiv unterstützen
gesituation sowohl vor als auch während der        oder pflegen – unabhängig vom Erwerbssta-
Pandemie „eher wenig belastet“. Auch auf-          tus (Abbildungen 5a und 5b). Am belastets-
geschlüsselt nach Unterstützungs-/Pflegein-        ten fühlten sich allerdings im Corona-Winter
tensität, Erwerbsstatus und Geschlecht ist         2020/21 nicht-erwerbstätige Frauen mit zeit-
kein statistisch signifikant gestiegenes Be-       lich hoch-intensiven Pflegeaufgaben
lastungsempfinden auszumachen. Auffällig           (2020/21: 3,0); gefolgt von zeitlich hoch-in-
ist jedoch, dass für hoch-intensiv pflegende       tensiv pflegenden erwerbstätigen Frauen
nicht-erwerbstätige Männer festzustellen ist,      (2020/21: 2,7) (Abbildung 5b).
Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?                                                                                                                                                                                                                                                                           17

Abbildung 5: Durchschnittliches Belastungsempfinden von Personen im Alter von 46 bis 65 Jahren, die gesundheitlich eingeschränkte Personen
             unterstützen oder pflegen, nach Erwerbsstatus, Geschlecht und Unterstützungs-/Pflegeintensität in den Jahren 2017 und 2020/21
             (arithmetische Mittelwerte)

                                                                             a) zeitlich gering-intensive                                                                                                                                       b) zeitlich hoch-intensive
                                                                        Unterstützungs- und Pflegeaufgaben                                                                                                                                 Unterstützungs- und Pflegeaufgaben

                                                 Gesamt                                           Frauen                                           Männer                                                           Gesamt                                    Frauen                                            Männer
              (sehr stark belastet) 4                                                                                                                                                                  4

             (eher stark belastet) 3                                                                                                                                                                   3
Mittelwert

                                                                                                                                                                                          Mittelwert
             (eher wenig belastet) 2

                                                                                                                                                                                                                                                              3,0
                                                                                                                                                                                                       2

                                                                                                                                                                                                                                                             2,9
                                                                                                                                                                                                            2,8

                                                                                                                                                                                                            2,8

                                                                                                                                                                                                                                                            2,8

                                                                                                                                                                                                                                                                                                          2,8

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             2,8
                                                                                                                                                                                                           2,7

                                                                                                                                                                                                           2,7
                                                                                                                                                                                                                                           2,7
                                                                                                                                                                                                                                           2,7

                                                                                                                                                                                                                                                           2,7

                                                                                                                                                                                                                                                           2,7
                                                                                                                                                                                                                                                           2,7

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    2,7

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           2,5
                                                                                            2,3

                                                                                                                                                                                                                                                                                                             2,2
                                          2,1

                                                                                           2,1

                                                                                           2,1

                                                                                           2,1
                                         2,0

                                         2,0

                                                                         2,0

                                                                                          2,0

                                                                                                                                           2,0

                                                                                                                                                    2,0
                                        1,9

                                                                        1,9

                                                                                         1,9

                                                                                                                                          1,9

                                                                                                                                                                          1,9
                                                                                                                                                                          1,9
                                                                                                                                                   1,8

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           1,7
               (gar nicht belastet) 1                                                                                                                                                                  1
                                                  Nicht-Erwerbstätige

                                                                         Erwerbstätige
                                        Gesamt

                                                                                         Gesamt

                                                                                                   Nicht-Erwerbstätige

                                                                                                                          Erwerbstätige

                                                                                                                                                    Nicht-Erwerbstätige

                                                                                                                                                                          Erwerbstätige

                                                                                                                                                                                                                     Nicht-Erwerbstätige

                                                                                                                                                                                                                                           Erwerbstätige
                                                                                                                                          Gesamt

                                                                                                                                                                                                                                                                    Nicht-Erwerbstätige

                                                                                                                                                                                                                                                                                          Erwerbstätige
                                                                                                                                                                                                           Gesamt

                                                                                                                                                                                                                                                           Gesamt

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Nicht-Erwerbstätige

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Erwerbstätige
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Gesamt
                                                                                                                         2017                                                                          2020/21

Quelle: DEAS 2017 (n=545), 2020/21 (n=456) gewichtet, gerundete Angaben.
Statistisch signifikant (p
18                            Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?

Fazit
Bereits vor der Pandemie war die Vereinbar-        Wahrscheinlichkeit einer Aufgabe der Er-
keit von Pflege und Erwerbsarbeit oft schwer       werbsarbeit erhöht (Kelle, 2020; Ehrlich,
und stellte insbesondere Frauen vor große          2022).
Herausforderungen. Frauen, die zeitlich
stark in die Pflege von Angehörigen einge-         Vor dem Hintergrund des zeitweise gestie-
bunden waren, wiesen stark erhöhte Wahr-           genen Anteils an Unterstützenden und Pfle-
scheinlichkeiten gegenüber nicht-pflegenden        genden im erwerbsfähigen Alter bei zeit-
Frauen auf, ihre Erwerbsarbeit aufzugeben          gleich stabil gebliebenem zeitlichen Unter-
(Kelle, 2020). Diejenigen, die in geringerem       stützungs- und Pflegeumfang war die Frage
Umfang Unterstützung und Pflege leisteten,         nach möglichen Veränderungen in der Er-
wechselten verstärkt in Teilzeit – zumindest,      werbsbeteiligung von Unterstützenden und
wenn sie es sich finanziell leisten konnten        Pflegenden in der Pandemie von weiterem
(Kelle, 2020; Ehrlich, 2022).                      Erkenntnisinteresse. Die Erwerbsbeteiligung
                                                   von pflegenden Angehörigen ist stabil ge-
Wir finden jedoch nur wenige Hinweise da-          blieben – sowohl bei jenen Personen, die in
rauf, dass sich die Unterstützungs- und            einem geringen als auch bei jenen, die in ei-
Pflege- sowie die Erwerbssituation in der er-      nem hohen zeitlichen Umfang unterstützen
werbsfähigen Bevölkerung während der               oder pflegen. Zu jedem Erhebungszeitpunkt
Pandemie verändert hat. Insgesamt zeigt            sind jedoch zeitlich hoch-intensiv pflegende
sich zwar, dass in der ersten Pandemiewelle        Unterstützungs- und Pflegepersonen deut-
mehr Personen Unterstützungs- und Pflege-          lich seltener erwerbstätig als Personen ohne
aufgaben übernahmen als vor der Pande-             Unterstützungs- und Pflegaufgaben. Die ge-
mie; wahrscheinlich als Antwort auf die Pan-       ringere Erwerbsbeteiligung von zeitlich hoch-
demie-bedingten Einschränkungen. In der            intensiv pflegenden Personen im Vergleich
zweiten Welle war das Unterstützungsniveau         zu nicht-pflegenden Personen untermauert
dann wieder auf ähnlichem Niveau wie vor           den Vereinbarkeitskonflikt zwischen (zeitlich
der Pandemie. Dabei stieg der durchschnitt-        hoch-intensiver) Pflege und Erwerbsarbeit.
liche zeitliche Umfang der Unterstützungs-         Der Zusammenhang zwischen zeitlich hoch-
und Pflegeaufgaben in der Pandemie nicht.          intensiver Pflege und geringerer Erwerbsbe-
Insgesamt leisten auch in der Pandemie wei-        teiligung gilt für Männer wie Frauen. Jedoch
terhin Frauen häufiger und tendenziell auch        sind Frauen hiervon stärker betroffen, da sie
zeitintensivere Unterstützung und/oder             häufiger Unterstützung und Pflege für Ange-
Pflege als Männer. Insbesondere nicht-er-          hörige übernehmen als Männer.
werbstätige Frauen leisten in der Corona-
Pandemie in einem hohen Zeitumfang Un-             Im Einklang mit dem stabilen zeitlichen Un-
terstützungs- und Pflegeaufgaben. Die in           terstützungs- und Pflegeumfang als auch mit
diesem Bericht dargestellten deskriptiven          der stabilen Erwerbsbeteiligung, hat auch
Befunde lassen jedoch keine Rückschlüsse           das durchschnittliche Belastungsempfinden
darüber zu, ob die Unterschiede im zeitli-         von pflegenden Angehörigen – unabhängig
chen Pflegeumfang zwischen nicht-erwerb-           vom zeitlichen Umfang der Pflegeaufgaben
stätigen und erwerbstätigen Frauen darauf          – im Vergleich Prä-Pandemie/Pandemie im
zurückzuführen sind, dass nicht-erwerbstä-         Schnitt nicht zugenommen. Jedoch sind zu
tige Frauen über größere zeitliche Kapazitä-       jedem Erhebungszeitpunkt deutliche Unter-
ten verfügen oder ob sie Resultat dessen           schiede im Belastungsempfinden zwischen
sind, dass sich zeitlich hoch-intensive Pflege     zeitlich gering- und hoch-intensiv pflegenden
kaum mit der Erwerbstätigkeit vereinbaren          Personen auszumachen – und das unab-
lässt. Jedoch ist aus anderen Studien be-          hängig von der Erwerbsbeteiligung: Perso-
kannt, dass zeitlich hoch-intensive Pflege die     nen mit zeitlich hoch-intensiven Pflegeaufga-
                                                   ben fühlten sich durch ihre Unterstützungs-
Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?                              19

und Pflegetätigkeiten belasteter als Perso-      Die vorhandenen gesetzlichen Maßnahmen
nen mit zeitlich gering-intensiven Pflegeauf-    zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und
gaben. Darüber hinaus fühlten sich insbe-        Beruf werden nur von sehr wenigen er-
sondere Frauen mit Pflegeaufgaben im             werbstätigen, pflegenden Angehörigen ge-
hoch-intensiven Umfang belasteter als            nutzt. Mögliche Gründe hierfür könnten sein,
männliche Pflegepersonen, die hoch-intensiv      dass die Maßnahmen nicht hinreichend be-
pflegen.                                         kannt oder zu kompliziert zu beantragen
                                                 sind. Ein weiterer Grund könnte sein, dass
Ein weiteres Augenmerk dieses Beitrags lag       bisher keine Einkommensersatzleistung
auf der möglichen Verschärfung von Ge-           während einer Pflege- oder Familienpflege-
schlechterunterschieden im Bereich Unter-        zeit gezahlt wird und sich nicht alle pflegen-
stützung und/oder Pflege und dementspre-         den Angehörige Lohneinbußen leisten kön-
chend auf einer möglichen Corona-beding-         nen. Wie eine aktuelle Studie (Ehrlich 2022)
ten Retraditionalisierung der Geschlechter-      zeigt, wechselten pflegende Angehörige mit
rollen. Eine Retraditionalisierung der Ge-       niedrigem Haushaltseinkommen seltener
schlechterrollen während der Corona-Pan-         von Vollzeit in Teilzeit als diejenigen mit hö-
demie ist bisher vor allem für Eltern mit min-   herem Haushaltseinkommen. Die Einführung
derjährigen Kindern diskutiert worden. Hier      einer Lohnersatzleistung, wie sie im Koaliti-
zeigen verschiedene Studien, dass Mütter in      onsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP
der Pandemie die Hauptlast der Care-Arbeit       geplant ist (Sozialdemokratische Partei
trugen und dementsprechend auch von stär-        Deutschlands (SPD), 2021), könnte dazu
keren Belastungen und Beeinträchtigungen         beitragen, dass mehr pflegende Angehörige
im Wohlbefinden berichteten (Kreyenfeld &        von den gesetzlichen Regelungen profitieren
Zinn, 2021; Hank & Steinbach, 2020; Möh-         als bisher.
ring et al., 2020; Kohlrausch & Zucco, 2020;
Huebener et al., 2021; Hipp & Bünning,           Jedoch können die geplanten Reformen we-
2021; Li et al., 2021). Während eine Nieder-     nig daran ändern, dass zeitlich hoch-inten-
ländische Studie zu dem Ergebnis kamen,          sive Unterstützung und Pflege kaum mit Er-
dass sich Geschlechterungleichheiten in der      werbsarbeit (auch nicht in Teilzeit) vereinbar
Pflege während der Pandemie angeglichen          ist (Kelle, 2020; Ehrlich et al., 2020; Ehrlich,
haben (Raiber & Verbakel, 2021), deuten          2022). Somit wäre zusätzlich ein Ausbau der
unsere Befunde sowie andere deutsche Stu-        ambulanten Betreuungsinfrastruktur hilfreich,
dien (z. B. Klaus & Ehrlich, 2021) darauf hin,   um pflegende Angehörige zu entlasten und
dass Frauen während der Pandemie häufi-          die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu
ger Unterstützungs- und Pflegeaufgaben           verbessern.
übernommen haben als Männer. Darüber
hinaus zeigen unsere Befunde, dass er-
werbstätige Frauen im größeren Stunden-
umfang andere unterstützt und/oder gepflegt
haben als erwerbstätige Männer. Somit deu-
ten unsere Befunde darauf hin, dass eine
Retraditionalisierungstendenz auch im Be-
reich der Unterstützung und Pflege besteht.
20                            Pflege und Erwerbsarbeit: Was ändert sich für Frauen und Männer?

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