KFW-INTERNATIONALISIERUNGS-BERICHT 2021 CORONA-KRISE LÄSST DAS AUSLANDS-GESCHÄFT DES MITTELSTANDS EIN-BRECHEN - KFW RESEARCH

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KFW-INTERNATIONALISIERUNGS-BERICHT 2021 CORONA-KRISE LÄSST DAS AUSLANDS-GESCHÄFT DES MITTELSTANDS EIN-BRECHEN - KFW RESEARCH
KfW Research

    KfW-Internationalisierungs-
 bericht 2021
 Corona-Krise lässt das Auslands-
 geschäft des Mittelstands ein-
 brechen
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Dr. Jennifer Abel-Koch
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Quelle: Thinkstock/iStock / Rrrainbow

Frankfurt am Main, Mai 2021
Corona-Krise lässt das Auslandsgeschäft des Mittelstands
einbrechen

Nachfragerückgänge im Ausland, Störungen in inter-      Nicht nur auf der Absatz- sondern auch auf der Be-
nationalen Lieferketten, Transportschwierigkeiten       schaffungsseite sind deutsche Unternehmen teils
und Grenzkontrollen haben in der Corona-Krise zu        eng mit dem Ausland verknüpft. Die Corona-Krise,
einem drastischen Einbruch des deutschen Außen-         aber auch jüngste Ereignisse wie die Havarie des
handels geführt. Insgesamt sind die Waren- und          Containerschiffes Ever Given im Suezkanal haben
Dienstleistungsexporte Deutschlands im Jahr 2020        deutlich gemacht, wie sich Störungen in internationa-
um 10,1 % auf rund 1.477 Mrd. EUR zurückgegan-          len Lieferketten fortsetzen und auch im Mittelstand
gen.                                                    zu einer Beeinträchtigung der Produktion führen kön-
                                                        nen. Dies hat die Frage nach der Resilienz von
Auch im deutschen Mittelstand haben die Corona-         Wertschöpfungsketten weiter in den Vordergrund
Pandemie und die damit einhergehenden Eindäm-           rücken lassen.
mungsmaßnahmen im In- und Ausland deutliche
Spuren hinterlassen. Dabei waren kleine und mittlere    Die Bereitschaft des Mittelstands, auf Kostenvorteile
Unternehmen, die einen Teil ihrer Umsätze im Aus-       zu verzichten, um die eigenen Wertschöpfungsbe-
land erzielen, in besonderer Weise betroffen. Sie       ziehungen widerstandsfähiger zu machen, ist jedoch
verzeichneten deutlich häufiger Umsatzrückgänge,        begrenzt. Vor allem größere Unternehmen sprechen
Verkleinerungen des Absatzgebietes und Lieferket-       sich klar gegen eine Stärkung der Resilienz ihrer
tenstörungen als Mittelständler, die ihre gesamten      Wertschöpfungsketten aus, wenn diese zu Lasten
Umsätze im Inland erwirtschaften.                       der Effizienz geht. Drei von zehn Mittelständlern wol-
                                                        len sich zwar auch in der Beschaffung zukünftig stär-
Für das Gesamtjahr 2020 ist mit einem deutlichen        ker auf das Inland fokussieren. Einen kompletten
Rückgang der mittelständischen Auslandsumsätze          oder teilweisen Rückzug aus globalen Wertschöp-
um 17 % auf geschätzt 494 Mrd. EUR zu rechnen,          fungsketten beabsichtigen aber nur die wenigsten.
nach rund 596 Mrd. EUR im Vorkrisenjahr 2019. Vor
allem die kleineren der insgesamt 781.000 im Aus-       Die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung blei-
land aktiven Mittelständler zeigen sich im Hinblick     ben trotz der Corona-Krise erhalten. Ein Nachden-
auf die Entwicklung ihrer Auslandsumsätze pessimi-      ken darüber, wie internationale Wertschöpfungsket-
stisch.                                                 ten gleichzeitig effizient, langfristig krisenfest und vor
                                                        allem nachhaltig gestaltet werden können – und wel-
Die Krisenerfahrungen werden in vielen Bereichen        che Rahmenbedingungen und Anreize es dazu
zu nachhaltigen Veränderungen führen. Das betrifft      braucht – ist dennoch erforderlich.
auch die internationale Vernetzung des Mittelstands.
Dabei ist eine zweigeteilte Entwicklung zu erwarten.
                                                       Pandemie führt zu einem Einbruch des deutschen
Knapp 40 % der Auslandsaktiven wollen sich in den
                                                       Außenhandels
kommenden fünf Jahren stärker auf den inländi-
                                                       Mit der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus und
schen Markt fokussieren – insbesondere Unterneh-
                                                       den teils weit reichenden Eindämmungsmaßnahmen,
men, die auch bisher nur wenige Auslandsmärkte
                                                       die in vielen Ländern zur Bekämpfung der Pandemie
bedient haben. Gleichzeitig beabsichtigen 23 % der
                                                       umgesetzt wurden, haben sich die Rahmenbedingun-
Auslandsaktiven, ihre Exporte zukünftig stärker zu
                                                       gen für den deutschen Außenhandel im Frühjahr des
diversifizieren. Die Erschließung weiterer Auslands-
                                                       vergangenen Jahres deutlich verschlechtert. Nachfra-
märkte ziehen vor allem größere und exporterfahre-
                                                       gerückgänge im Ausland, Störungen in internationalen
nere Unternehmen in Betracht – nicht zuletzt, weil
                                                       Lieferketten, Transportschwierigkeiten und Grenzkon-
sie anders als kleinere Unternehmen über die not-
                                                       trollen haben zu einem drastischen Einbruch der Ex-
wendigen finanziellen und personellen Ressourcen
                                                       porte und Importe Deutschlands geführt.
verfügen. Aus Sicht des Mittelstands an Bedeutung
gewinnen dürften dabei tendenziell Länder in Europa
                                                       So brachen die Warenausfuhren 2020 im März um
– mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs. Aber
                                                       11,7 % und im April um weitere 23,7 % im Vergleich
auch Schwellen- und Entwicklungsländer könnten in
                                                       zum Vormonat ein. Auch die Warenimporte gingen
Zukunft als Absatzmärkte für den Mittelstand eine
                                                       stark zurück, um 4,6 % im März und 16,5 % im April.1
größere Rolle spielen.

                                                                                                             Seite 1
KfW Research

Grafik 1: Deutscher Außenhandel bricht in der Corona-Krise ein

 112,7      110,9      111,0        111,1     112,4
                                                                                                                                   104,3     105,0        106,9     107,3
                                                             99,3                                             98,9     101,9
                                                                                                    94,8
                                                                                        82,2
  92,4       92,2       91,8         92,9      90,7                      75,7                                                                              91,0      90,9
                                                             86,5                                                       86,8        87,5      87,2
                                                                                                    80,3      81,1
                                                                         72,2           75,1

                                                                                                   15,3
                                                                                       8,6             7,0                   7,1
                                                                                             4,0             4,4 0,9   3,0         2,4 0,8                1,8 4,4
 1,3 0,8               0,0          0,4 1,4   1,2                                                                                            0,6                    0,3

           -1,6 -0,2         -0,4                   -2,4                                                                                           -0,4                   -0,1
                                                                -4,6
                                                           -11,7
                                                                               -16,5
                                                                       -23,7

 Okt 19    Nov 19      Dez 19       Jan 20    Feb 20        Mrz 20       Apr 20        Mai 20      Jun 20    Jul 20    Aug 20      Sep 20    Okt 20       Nov 20    Dez 20

   Veränderung der Exporte gegenüber Vormonat (in Prozent)                                   Veränderung der Importe gegenüber Vormonat (in Prozent)
   Exporte (in Mrd. EUR)                                                                     Importe (in Mrd. EUR)

Anmerkung: Warenhandel, kalender- und saisonbereinigte Werte.

Quelle: Deutsches Statistisches Bundesamt.

Mit Beginn des Sommers hat sich die Pandemielage in                                                Dabei waren kleine und mittlere Unternehmen, die ei-
Deutschland und anderen Ländern leicht entspannt                                                   nen Teil ihrer Umsätze im Ausland erzielen, in beson-
und eine kräftige Erholung des grenzüberschreitenden                                               derer Weise betroffen (Grafik 2).
Warenhandels eingesetzt. Gegen Ende des Jahres hat
sich das Export- wie Importwachstum allerdings wieder                                              Mehr als drei Viertel von ihnen verzeichneten im April
verlangsamt. Im Dezember 2020 sind die Exporte im                                                  2020 Umsatzeinbußen infolge von Nachfragerückgän-
Vergleich zum Vormonat um 0,3 % gewachsen, die Im-                                                 gen, im Vergleich zu 60 % der allein im Inland tätigen
porte verharrten auf dem Novemberniveau (Grafik 1).                                                Mittelständler. Bei nahezu jedem dritten Auslandsakti-
                                                                                                   ven hat sich das Absatzgebiet durch die Corona-Krise
Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich im Dienstlei-                                                 merklich verkleinert. Dabei dürften es vor allem die
stungshandel, wenngleich die Importe hier deutlich                                                 Auslandsmärkte sein, die weggebrochen sind – von
stärker eingebrochen sind als die Exporte. Während                                                 den Nicht-Auslandsaktiven waren mit 12 % weit weni-
die Dienstleistungsimporte im April 2020 um rund                                                   ger Unternehmen von einer Reduzierung ihres Absatz-
19,2 % im Vergleich zum Vormonat zurückgingen, san-                                                gebietes betroffen.
ken die Dienstleistungsexporte nur um etwa 15,4 %.2
Einen wesentlichen Teil zum Rückgang des Dienstlei-                                                Tatsächlich wurde in vielen Ländern die wirtschaftliche
stungshandels trägt der Tourismus bei, der durch                                                   Aktivität ab Mitte März 2020 deutlich eingeschränkt und
Reise- und Kontaktbeschränkungen in vielen Ländern                                                 Geschäfte, die als nicht wesentlich für die Versorgung
nach wie vor deutlich eingeschränkt ist.                                                           der Bevölkerung eingestuft wurden, mussten teilweise
                                                                                                   schließen. Gemessen an den deutschen Exporten und
Insgesamt sind die Waren- und Dienstleistungsexporte                                               Importen des Jahres 2019, entfielen zwischen Mitte
Deutschlands im Jahr 2020 um 10,1 % auf rund                                                       März und Ende Dezember 2020 mehr als 90 % des
1.477 Mrd. EUR gesunken. Die Waren- und Dienstlei-                                                 deutschen Handelswerts auf Länder, in denen die
stungsimporte beliefen sich im Jahr 2020 auf rund                                                  Schließung von Geschäften oder Heimarbeit zumindest
1.296 Mrd. EUR und lagen damit rund 144 Mrd. EUR                                                   in einzelnen Branchen oder für einzelne Gruppen von
unter dem Vorjahreswert.3                                                                          Arbeitnehmern angeordnet oder empfohlen wurde.
                                                                                                   Darüber hinaus haben viele Länder den internationalen
Auslandsaktive Mittelständler von der Corona-                                                      Reiseverkehr mehr oder weniger stark eingeschränkt.
Krise besonders häufig betroffen                                                                   Ende April gab es geschlossene Grenzen in Ländern,
Auch im deutschen Mittelstand haben die Corona-Krise                                               die insgesamt 36 % des deutschen Handelswerts von
und die damit einhergehenden Eindämmungsmaßnah-                                                    2019 auf sich vereinen.4 Der grenzüberschreitende
men im In- und Ausland deutliche Spuren hinterlassen.                                              Handel wurde damit ungleich stärker durch die Corona-

Seite 2
KfW-Internationalisierungsbericht 2021

Grafik 2: Auslandsaktive häufiger von der Corona-Krise betroffen
Anteil der Unternehmen in Prozent
                                                                                           April 2020                       September 2020

                                                                                                 77                                        63
                         Nachfragerückgang führt zu Umsatzeinbußen                         60                                        44
                                                                                            65                                        50

                                                                                           56                                   32
                                                 Reduzierte Liquidität               39                                         29
                                                                                      44                                        30

                                                                                26                                     10
 Störungen im Geschäftsbetrieb aufgrund des Ausfalls von Mitarbeitern          24                                      8
                                                                                25                                     8

                                                                                 31                                        19
                                       Reduktion des Absatzgebietes       12                                           7
                                                                           18                                          11

                                                                            20                                        7
                  Störungen in der Lieferkette beeinflussen Produktion     15                                          9
                                                                           16                                          8

                                                                          11                                                25
                        Unternehmen von Corona-Krise nicht betroffen           23                                                    42
                                                                            20                                                   36

    Auslandsaktive    Nicht-Auslandsaktive     Mittelstand gesamt

Anmerkung: Anteil der Unternehmen, die im April und im September 2020 in der angegebenen Art und Weise von der Corona-Krise betroffen
waren. Mit der Zahl der Beschäftigten hochgerechnete Werte.

Quelle: Sondererhebungen zum KfW-Mittelstandspanel im April und im September 2020

Krise beeinträchtigt als der Austausch von Waren und                     Die erlittenen Umsatzeinbußen schlagen sich letztlich
Dienstleistungen innerhalb Deutschlands.                                 auch in der Liquiditätssituation der Unternehmen nie-
                                                                         der. Diese hat sich im April bei rund 56 % der Aus-
Ein klarer Zusammenhang zwischen Auslandsaktivität                       landsaktiven verschlechtert, im Vergleich zu 39 % der
und der Wahrscheinlichkeit, von Nachfragerückgängen                      Nicht-Auslandsaktiven.
und Umsatzeinbußen betroffen zu sein, zeigt sich auch
unter Berücksichtigung verschiedener Unternehmens-                       Etwas stärker betroffen waren Unternehmen, die einen
merkmale wie Größe, Branche, oder Innovations- und                       Teil ihrer Produkte oder Dienstleistungen im Ausland
Digitalisierungsaktivtäten. Gleiches gilt für die Wahr-                  absetzen, auch von gestörten Lieferketten. Bei einem
scheinlichkeit, von einer Verkleinerung des Absatzge-                    Fünftel von ihnen, aber nur bei 15 % der allein im In-
bietes betroffen zu sein.                                                land aktiven Mittelständler führten Probleme bei Zulie-
                                                                         ferern im April 2020 zu Beeinträchtigungen in der Pro-
Nicht nur im April, auch im weiteren Verlauf des Jahres                  duktion. Dass gestörte Lieferketten infolge der Corona-
waren Auslandsaktive deutlich häufiger als Nicht-Aus-                    Pandemie bei Exporteuren häufiger auftreten, liegt je-
landsaktive von Nachfragerückgängen betroffen, wenn-                     doch weniger in ihrer Exportaktivität selbst begründet.
gleich die Betroffenheit insgesamt abgenommen hat.                       Vielmehr sind Exporteure besonders häufig auch Im-
Im September verzeichneten 63 % der exportierenden                       porteure und damit stärker von internationalen Wert-
Mittelständler Umsatzeinbußen – rund 19 Prozent-                         schöpfungsketten abhängig als allein auf den deut-
punkte mehr als bei den nicht-exportierenden kleinen                     schen Markt ausgerichtete Unternehmen. 5 Die Produk-
und mittleren Unternehmen. Und auch während des                          tionsrückgänge in China, wo die Pandemie im Frühjahr
zweiten Lockdowns im Januar waren Auslandsaktive                         2020 ihren Ausgang nahm, haben die internationalen
häufiger von Umsatzeinbußen betroffen. Neben den                         Wertschöpfungsketten – und die davon abhängigen
Beschränkungen wirtschaftlicher Aktivität in Deutsch-                    Unternehmen – in besonderer Weise getroffen. Über
land treffen sie auch die Eindämmungsmaßnahmen in                        den Sommer hat sich die Situation in wichtigen Zuliefe-
wichtigen Handelspartnerländern.                                         rermärkten leicht entspannt, sodass es im September

                                                                                                                                                Seite 3
KfW Research

2020 auch bei den Auslandsaktiven deutlich seltener          Grafik 3: Exporterwartungen für das Gesamtjahr
zu Produktionsbeeinträchtigungen infolge von Liefer-         2020 überwiegend negativ
kettenstörungen gekommen ist.                                Anteil der Auslandsaktiven in Prozent

Keine großen Unterschiede gibt es beim Ausfall von
                                                                                19
Mitarbeitern aufgrund von Krankheit, Quarantäne oder
Engpässen bei der Kinderbetreuung. Hiervon waren                           3
auslandsaktive und heimische Unternehmen in nahezu
gleichem Ausmaß betroffen. Dies liegt nicht zuletzt                        17                     62
daran, dass nur ein sehr kleiner Teil der deutschen Mit-
telständler Vertriebs- oder Produktionsstandorte im
Ausland unterhält. Der allergrößte Teil der Auslands-
umsätze im Mittelstand wird über Exporte erzielt. Kaum        Auslandsumsatz wird voraussichtlich zurückgehen
ein kleines und mittleres Unternehmen beschäftigt Mit-        Auslandsumsatz wird voraussichtlich etwa gleich bleiben
arbeiter im Ausland. Mögliche nationale Unterschiede          Auslandsumsatz wird voraussichtlich steigen
                                                              Kann ich derzeit noch nicht sagen
im Hinblick auf Infektionsgeschehen, Quarantänebe-
stimmungen oder Schul- und Kitaschließungen spielen          Anmerkung: Mit der Zahl der Unternehmen hochgerechnet.
hier deshalb keine besondere Rolle.                          Quelle: Sonderbefragung zum KfW-Mittelstandspanel im September
                                                             2020.
Mehrheit der Auslandsaktiven erwartet einen Rück-
                                                             Dies dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass
gang der Auslandsumsätze
                                                             größere Exporteure in mehr Ländern, auch außerhalb
Angesichts der dargestellten Entwicklungen überrascht
                                                             Europas, aktiv sind. So sind kleinere Exporteure mit
es kaum, dass der exportorientierte deutsche Mittel-
                                                             weniger als 10 Beschäftigten im Durchschnitt in rund
stand für das Gesamtjahr 2020 mehrheitlich mit einem
                                                             drei verschiedenen Zielregionen aktiv, größere Expor-
Rückgang der Auslandsumsätze rechnet (Grafik 3).
                                                             teure mit 50 und mehr Beschäftigten dagegen im Mittel
Knapp 62 % der auslandsaktiven kleinen und mittleren
                                                             in mehr als sechs. Von den auslandsaktiven Mittel-
Unternehmen gingen im September davon aus, dass
                                                             ständlern mit weniger als 10 Beschäftigten erzielt nur
ihre Auslandsumsätze im Jahr 2020 unter denen des
                                                             jeder Zehnte Umsätze in China, von denen mit 50 und
Vorjahres liegen. Etwa 17 % erwarteten, dass ihr Aus-
                                                             mehr Beschäftigten dagegen fast jeder Dritte. Die Er-
landsumsatz auf Jahressicht trotz der Corona-Krise re-
                                                             schließung neuer Auslandsmärkte ist in der Regel mit
lativ stabil bleibt. Nur ein sehr kleiner Teil von 3 % der
                                                             hohen, teils fixen Kosten verbunden – für die Analyse
auslandsaktiven Mittelständler rechnete mit einem An-
                                                             des Marktes, den Aufbau neuer Vertriebswege oder die
stieg der Auslandsumsätze im Vergleich zum Jahr
                                                             Anpassung der Produkte – und lohnt sich nur, wenn
2019. Für rund jedes fünfte exportierende Unterneh-
                                                             entsprechend hohe Umsätze zu erwarten sind. 6
men war die Entwicklung der Auslandsumsätze mit
Sicht auf das Gesamtjahr 2020 zum Zeitpunkt der Be-
                                                             Eine stärkere regionale Diversifizierung ermöglicht es
fragung im September nur schwer abschätzbar. Dies
                                                             größeren Exporteuren, Umsatzrückgänge in einem
zeigt, mit welcher hohen Unsicherheit Prognosen zum
                                                             Auslandsmarkt durch Umsatzsteigerungen in einem
weiteren Verlauf der Pandemie und damit auch zur
                                                             anderen Auslandsmarkt zumindest teilweise zu kom-
wirtschaftlichen Entwicklung im In- und Ausland behaf-
                                                             pensieren. Dies gilt auch für die Corona-Krise, die sich
tet sind.
                                                             zwar weltweit ausgewirkt hat, einzelne Länder jedoch
                                                             in unterschiedlicher Intensität und vor allem zeitversetzt
Größere Exporteure profitieren von stärkerer regio-
                                                             getroffen hat. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte
naler Diversifizierung ihres Auslandsgeschäfts
                                                             2020 war eine regionale Ausdifferenzierung des Pan-
Etwas weniger pessimistisch zeigen sich insbesondere
                                                             demiegeschehens und damit der wirtschaftlichen Ent-
größere Mittelständler. Während mehr als 62 % der Ex-
                                                             wicklung zu beobachten.7 Dies spiegelt sich auch in
porteure mit weniger als zehn Beschäftigten für das
                                                             den deutschen Exporten wider. So sind beispielsweise
Gesamtjahr 2020 sinkende Auslandsumsätze erwarten,
                                                             die Exporte nach Frankreich im vierten Quartal 2020
sind es unter den Exporteuren mit 50 und mehr Be-
                                                             um rund 7,3 % im Vergleich zum Vorjahresquartal ge-
schäftigten etwa 54 %. Der Anteil der Unternehmen,
                                                             fallen, die Exporte in die USA dagegen nur um 2,6 %.
die mit gleich bleibenden oder sogar steigenden Aus-
                                                             Die Ausfuhren nach Polen hingegen stiegen im glei-
landsumsätzen rechnen, ist bei den größeren Expor-
                                                             chen Zeitraum um 6,6 % und die Ausfuhren nach
teuren mit 33 % um rund 15 Prozentpunkte höher als
                                                             China sogar um 8,6 %.
bei den kleineren Exporteuren.

Seite 4
KfW-Internationalisierungsbericht 2021

Neben der Unternehmensgröße spielt auch die Bran-             umsätze aller exportierenden Mittelständler mit 50 und
che eine wichtige Rolle für die Exporterwartungen. Im         mehr Beschäftigten durchschnittlich um gut ein Zehntel
Verarbeitenden Gewerbe gehen 42 % der Auslandsak-             zurück, brechen sie bei Auslandsaktiven mit weniger
tiven von einem Rückgang ihrer Auslandsumsätze aus.           als zehn Beschäftigten um rund ein Drittel ein. Gleich-
Im Dienstleistungssektor, der von den Beschränkungen          zeitig sinken die Auslandsumsätze kleiner und mittlerer
persönlicher Kontakte besonders betroffen ist, rechne-        Unternehmen im Dienstleistungssektor prozentual stär-
ten im September dagegen mehr als 66 % mit geringe-           ker als im Verarbeitenden Gewerbe.
ren Auslandumsätzen im Jahr 2020 als im Vorjahr.
                                                              Der im Vergleich zur Gesamtentwicklung deutscher
Ausmaß des Exporteinbruchs ist erheblich                      Waren- und Dienstleistungsexporte besonders starke
Das Ausmaß des erwarteten Exporteinbruchs ist er-             Rückgang mittelständischer Auslandsumsätze dürfte
heblich, wie die Ergebnisse der Sonderbefragung zum           sich somit vor allem durch Unternehmensgrößeneffekte
KfW-Mittelstandspanel im September 2020 zeigen. Die           erklären lassen, aber auch durch den im Vergleich zur
knapp zwei Drittel der Auslandsaktiven, die sinkende          Gesamtwirtschaft hohen Dienstleistungsanteil im Mittel-
Auslandsumsätze erwarten, rechnen im Durchschnitt             stand.
mit einem Rückgang von 26 % im Gesamtjahr 2020 im
Vergleich zu 2019. Für den Mittelstand insgesamt lässt        Auslandsgeschäft schon vor der Corona-Krise
sich der Rückgang des Auslandsumsatzes auf rund               ohne Impulse
17 % schätzen. Damit könnten die Auslandsumsätze              Schon vor der Corona-Krise hat sich das Auslandsge-
kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland 2020         schäft des deutschen Mittelstands vergleichsweise
um mehr als 100 Mrd. EUR geringer ausfallen als               schwach entwickelt. Im Jahr 2019 lagen die mittelstän-
2019. Setzte der Mittelstand 2019 noch Waren und              dischen Auslandsumsätze bei rund 596 Mrd. EUR und
Dienstleistungen im Wert von rund 596 Mrd. EUR im             damit nur knapp über dem Niveau von 2018. Darin
Ausland ab, dürften es im Jahr 2020 geschätzt nur             spiegelt sich die Entwicklung der deutschen Exporte
etwa 494 Mrd. EUR sein (Grafik 4). Da die zuneh-              insgesamt wider, die im Jahr 2019 zwar einen neuen
mende Infektionsdynamik im vierten Quartal eine er-           Höchststand erreicht haben, aber weitaus weniger dy-
neute Verschärfung der Eindämmungsmaßnahmen er-               namisch gewachsen sind als in den Vorjahren. So be-
forderlich gemacht hat und die wirtschaftliche Aktivität      liefen sich die deutschen Warenausfuhren 2019 auf
in Deutschland und Europa erneut verlangsamt, könn-           rund 1.328 Mrd. EUR und lagen damit um 0,8 % über
ten die tatsächlichen Auslandsumsätze noch hinter die-        dem Wert des Vorjahres. Zum Vergleich: 2018 wuch-
sen Erwartungen zurückbleiben.                                sen die deutschen Warenausfuhren noch um 3 %,
                                                              2017 sogar um 6,2 %.
Grafik 4: Mittelständische Auslandsumsätze
brechen im Jahr 2020 ein                                      Die eher schwache Entwicklung der deutschen Waren-
Gesamte Auslandsumsätze des Mittelstands in Mrd. EUR          ausfuhren wie auch der mittelständischen Auslandsum-
                                                              sätze im Jahr 2019 ist Ausdruck einer Verlangsamung
                                                              des globalen Wirtschaftswachstums und andauernder
 597   584                            577   595   596
             545    534   546   547                           handelspolitischer Unsicherheit. Auch aus Europa, das
                                                        494   für das Auslandsgeschäft kleiner und mittlerer Unter-
                                                              nehmen von besonderer Bedeutung ist, hat es kaum
                                                              Impulse für das deutsche Exportgeschäft gegeben. Zu-
                                                              dem hat die fehlende Einigung im Streit über den Brexit
 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020*           zu weiter rückläufigen Exporten in das Vereinigte Kö-
                                                              nigreich geführt – das bislang zu den fünf wichtigsten
Anmerkung: Mit der Anzahl der Beschäftigten hochgerechnete
Werte. Wert für 2020 prognostiziert.
                                                              Zielländern deutscher Exporte gehört und zu den Um-
                                                              sätzen jedes vierten auslandsaktiven Mittelständlers
Quelle: KfW-Mittelstandspanel 2012–2020.
                                                              beigetragen hat.
Die quantitative Abschätzung der Auslandsumsätze für
einzelne Segmente von Auslandsaktiven unterliegt auf-         Knapp jeder fünfte Mittelständler erzielte im Jahr
grund der Stichprobengröße einer gewissen Schwan-             2019 Auslandsumsätze
kungsbreite. Dennoch zeigt sich in der Tendenz, dass          Der Anteil der Auslandsaktiven an den rund 3,79
kleinere Exporteure nicht nur häufiger von Einbrüchen         Millionen Mittelständlern in Deutschland lag 2019 wie
ihres Auslandsumsatzes betroffen sind, sondern die            schon 2018 bei knapp 21 %. Leicht positiv hat er sich
Verluste relativ zu ihren gesamten Auslandsumsätzen           bei den größeren Unternehmen mit mehr als 50
auch wesentlich höher ausfallen. Gehen die Auslands-          Beschäftigten entwickelt, wenngleich er auch hier hinter
                                                              dem Niveau
                                                                                                                Seite 5
KfW Research

zu Beginn des letzten Jahrzehnts zurückbleibt (Gra-                          jahresniveau. Allerdings machten die Auslandsumsätze
fik 5). Bei den ganz kleinen Mittelständlern mit weniger                     nur noch rund 24 % ihrer Gesamtumsätze aus. Insge-
als fünf Beschäftigten lag der Anteil der Auslandsakti-                      samt beliefen sich die Auslandsumsätze kleiner und
ven im Jahr 2019 mit 18 % etwas unter dem Ver-                               mittlerer Dienstleistungsunternehmen 2019 auf etwa
gleichswert des Vorjahres. Insgesamt erzielten vor Be-                       192 Mrd. EUR, rund 18 Mrd. EUR weniger als im Jahr
ginn der Corona-Krise rund 781.000 Mittelständler Um-                        zuvor. Das Wachstum des Dienstleistungshandels legt
sätze im Ausland.                                                            damit zumindest im deutschen Mittelstand eine Pause
                                                                             ein.
Grafik 5: Anteil auslandsaktiver Unternehmen sta-
gniert                                                                       Grafik 6: Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamt-
Anteil der Auslandsaktiven in Prozent                                        umsatz sinkt

      59
                                                                             Anteil des Auslands- am Gesamtumsatz in Prozent
               58     58
60                                     55
                             54              54                        53                                                             39
                                                     51        51            40    37                              38                        38     37
                                                                                          37      36        37             37
50
               40     41
                                                     39                            30     29                                          29
40    38                     37              37                36      37    30                   28                       27                28
                                       36                                                                   27     27                               26
                                                                                   24     26                                                 29
                                                                                                  26        26     21
30    26       27     26     26                                                    25     24                               24         24
                                                     26                      20                                                                     24
                             23        24    24                        23                         23
               23                            21                22
       21                                            21                21                                          20      20         20
                      20               20                      21                                           18                                      18
20                                                                                        17                                                 18
                             21                                                    16                                      15
      19       20                            19                19                                 14        14
                                       18            19                18    10                                    13                 13
                      17                                                                                                                     11     11
10

 0                                                                            0
     2011    2012    2013   2014   2015     2016    2017      2018    2019        2011   2012   2013       2014   2015    2016       2017   2018   2019
                                                                                  Verarbeitendes Gewerbe          Bau
     Weniger als 5           5 bis 9                      10 bis 49
                                                                                  Handel                          Dienstleistungen
     50 und mehr             Gesamter Mittelstand
                                                                                  Gesamter Mittelstand
Anmerkung: Größenklassen nach Vollzeitäquivalent-Beschäftigten.              Anmerkung: Nur auslandsaktive Unternehmen. Mit der Anzahl der
Mit der Anzahl der Unternehmen hochgerechnete Werte.                         Beschäftigten hochgerechnete Werte.
Quelle: KfW-Mittelstandspanel 2012–2020.                                     Quelle: KfW-Mittelstandspanel 2012–2020.
Anteil der Auslands- an den Gesamtumsätzen des                               Außereuropäische Umsätze entwickelten sich im
Mittelstands im Jahr 2019 rückläufig                                         Vorkrisenjahr 2019 besonders schwach
Weiter rückläufig entwickelte sich im Jahr 2019 der An-                      Das Auslandsgeschäft des deutschen Mittelstands in-
teil der Auslandsumsätze an den Gesamtumsätzen der                           nerhalb von Europa ist 2019 nur leicht gewachsen.
Auslandsaktiven (Grafik 6). Machten die grenzüber-                           Die in der wichtigsten Exportregion kleiner und mittlerer
schreitend abgesetzten Waren oder Dienstleistungen                           Unternehmen erzielten Auslandsumsätze legten im
zu Beginn des letzten Jahrzehnts noch rund 30 % der                          Vergleich zum Vorjahr um knapp 1 % auf rund
Gesamtumsätze exportierender Unternehmen aus, wa-                            406 Mrd. EUR zu. Mehr als 68 % der gesamten mittel-
ren es 2019 nur rund 26 %.                                                   ständischen Auslandsumsätze entfielen damit 2019 auf
                                                                             Europa. Schwächer hat sich das außereuropäische
Im Branchenvergleich sticht nach wie vor das Verarbei-                       Geschäft entwickelt: Hier konnte der deutsche Mittel-
tende Gewerbe als besonders exportstark hervor.                              stand 2019 rund 191 Mrd. EUR Umsätze erzielen, im
Daran hat auch der globale Industrieabschwung im                             Vergleich zu 193 Mrd. EUR im Jahr zuvor.
Jahr 2019 wenig geändert. Im Verarbeitenden Ge-
werbe ist mehr als jeder dritte Mittelständler im Ausland                    Gemessen an den Gesamtumsätzen der in der jeweili-
aktiv und erzielt dort durchschnittlich rund 37 % seiner                     gen Region aktiven Mittelständler haben sowohl das
gesamten Umsätze – weit mehr als in jeder anderen                            europäische als auch das außereuropäische Auslands-
Branche. Schlusslicht ist nach wie vor der Bau. Gerade                       geschäft 2019 etwas an Bedeutung verloren. Die in Eu-
einmal 3 % der kleinen und mittleren Unternehmen                             ropa erzielten Auslandsumsätze machten weniger als
sind hier grenzüberschreitend aktiv. Der Anteil der Aus-                     18 % der Gesamtumsätze der in andere Länder Euro-
lands- an ihren Gesamtumsätzen beschränkt sich da-                           pas exportierenden Mittelständler aus. Die Umsätze,
bei auf insgesamt 11 %.                                                      die kleine und mittlere Unternehmen außerhalb Euro-
                                                                             pas erzielten, machten gerade einmal 14 % der gesam-
Im Dienstleistungssektor lag der Anteil der Auslands-                        ten Umsätze dieser Unternehmen aus (Grafik 7).
aktiven 2019 bei rund 19 % und damit etwa auf Vor-

Seite 6
KfW-Internationalisierungsbericht 2021

Das Verhältnis von Auslands- zu Gesamtumsätzen                                        Bruttoinlandsprodukt von 51 auf 44 % im Jahr 2019 zu-
dürfte sich im von der Corona-Krise gezeichneten Jahr                                 rückgegangen. In Deutschland belief sich der Waren-
2020 weiter verschoben haben. Während die Unter-                                      handel im Jahr 2019 auf rund 71 % des Bruttoinlands-
nehmen im vergangenen September mit Blick auf ihre                                    produkts und war damit genauso hoch wie im Jahr
Gesamtumsätze mit einem Verlust von rund 12 % für                                     2008. An die dynamische Entwicklung vor der Finanz-
das Gesamtjahr 2020 rechneten, fiel der erwartete                                     krise konnte aber auch der deutsche Außenhandel
Rückgang der mittelständischen Auslandsumsätze mit                                    nicht wieder anknüpfen – zwischen 1993 und 2008
17 % deutlich stärker aus. Und in Zukunft könnten in-                                 hatte sich der Warenhandel relativ zum Bruttoinlands-
ländische Kunden noch weiter in den Vordergrund rük-                                  produkt noch mehr als verdoppelt. Eine von KfW Rese-
ken – denn viele Mittelständler beabsichtigen, ihre Ex-                               arch in Auftrag gegebenen und in Kürze erscheinende
portstrategie infolge der Krisenerfahrungen anzupas-                                  Studie, die verschiedene Globalisierungsszenarien bis
sen.                                                                                  zum Jahr 2030 untersucht und mögliche Anpassungs-
                                                                                      strategien für Unternehmen entwickelt, kommt eben-
Corona-Krise führt zukünftig zu einer stärkeren Fo-                                   falls zu dem Schluss, dass ein verstärkter Blick auf den
kussierung auf den inländischen Markt …                                               inländischen Markt zukünftig lohnen könnte.
Nahezu vier von zehn Auslandsaktiven wollen sich in
den kommenden fünf Jahren stärker auf Kunden im In-                                   … aber auch zu einer stärkeren Diversifizierung
land fokussieren (Grafik 8). Dies dürfte in den wenig-                                des Auslandsgeschäfts
sten Fällen mit einem vollständigen Rückzug aus dem                                   Eine stärkere Fokussierung auf den inländischen Markt
Auslandsgeschäft gleichzusetzen sein. Viele bislang                                   könnte dazu beitragen, dass kleinere und mittlere Un-
erfolgreiche Exportbeziehungen dürften die Corona-                                    ternehmen mögliche Krisen von globalem Ausmaß in
Krise überdauern und bei einem Abflauen der Pande-                                    der Zukunft besser überstehen. So zeigen Wagner et
mie und einer Erholung der Wirtschaft im In- und Aus-                                 al. (2013) für Deutschland, dass exportierende Unter-
land wieder intensiviert werden. Dennoch lässt dieses                                 nehmen in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise
Ergebnis zukünftig eine eher abnehmende Bedeutung                                     eine geringere Überlebenswahrscheinlichkeit hatten als
des Auslandsgeschäftes für kleine und mittlere Unter-                                 nicht-exportierende Unternehmen.8 Und auch in der
nehmen erwarten.                                                                      Corona-Pandemie, die nahezu alle Länder der Welt er-
                                                                                      fasst hat, sind auslandsaktive Unternehmen insgesamt
Diese Entwicklung dürfte nicht allein eine Folge der Co-                              deutlich häufiger und stärker von Nachfragerückgän-
rona-Krise sein, sondern auch in der schon vor Beginn                                 gen und Umsatzeinbrüchen betroffen als Mittelständler,
der Pandemie nachlassenden Globalisierungsdynamik                                     die nur auf dem heimischen Markt aktiv sind.
begründet liegen. Seit Beginn der Finanzkrise im Jahr
2008 ist der weltweite Warenhandel als Summe von                                      Allerdings sind Krisen von globalem Ausmaß wie die
Exporten und Importen im Verhältnis zum globalen                                      Finanz- und Wirtschaftskrise oder die Corona-

Grafik 7: Anteil des Auslands- am Gesamtumsatz geht für alle Absatzregionen zurück
Anteil des Auslands- am Gesamtumsatz nach Absatzregionen in Prozent

               Im Ausland aktiv                                          In Europa aktiv                               Im außereuropäischen Ausland aktiv

 29,5 29,2
             28,3                      28,6 28,2
                                27,4
                    26,5 26,7                      25,9

                                                          20,3 19,8
                                                                      19,1 18,9                    19,6
                                                                                  18,3 18,9 18,7          17,7
                                                                                                                              16,7
                                                                                                                  15,5 15,3                                    15,7
                                                                                                                                     14,4          13,9 14,0          14,1
                                                                                                                                            13,2

 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019             2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019            2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

Anmerkung: Die ausgewiesenen Werte beziehen sich jeweils auf diejenigen Unternehmen, die in der entsprechenden Region Auslandsum-
sätze erzielt haben. Die Einzelangaben für die in Europa aktiven und die im außereuropäischen Ausland aktiven addieren sich folglich nicht zur
Angabe für alle im Ausland aktiven Unternehmen. Mit der Anzahl der Beschäftigten hochgerechnete Werte.

Quelle: KfW-Mittelstandspanel 2012–2020.

                                                                                                                                                                  Seite 7
KfW Research

Pandemie vergleichsweise selten. Viel häufiger sind                    außereuropäischen Märkten aktiven Unternehmen se-
dagegen länderspezifische Schocks.9 Und bei diesen                     hen das mit 33 % deutlich weniger als eine Option.
kommt dem Auslandsgeschäft eine wichtige Versiche-                     Eine Ursache für diese unterschiedlichen Reaktionen
rungsfunktion zu. Denn wenn ein Unternehmen auf                        dürfte in den unterschiedlichen Krisenerfahrungen der
mehreren Märkten im Inland und Ausland aktiv ist, kön-                 Unternehmen liegen. Eine große Rolle dürfte auch
nen Nachfragerückgänge in einem Markt zumindest                        spielen, dass die Erschließung weiterer Exportmärkte
teilweise durch Umsatzsteigerungen auf anderen Märk-                   finanzielle und personelle Ressourcen benötigt, über
ten kompensiert werden. Das Risiko hoher Umsatzver-                    die kleinere Exporteure mit weniger Exporterfahrung
luste infolge regionaler Schocks ist geringer. 10 Auch in              oftmals nicht verfügen.
der Corona-Krise, die einzelne Länder zu unterschiedli-
chen Zeitpunkten unterschiedlich stark getroffen hat,                  Insgesamt lassen die Ergebnisse eine zweigeteilte Ent-
dürfte eine stärkere Diversifizierung letztlich dazu bei-              wicklung erwarten. Während sich einige, insbesondere
getragen haben, die vergleichsweise hohen Umsatz-                      kleinere Auslandsaktive zukünftig stärker dem Inland
verluste exportierender Unternehmen zu begrenzen.                      zuwenden werden, dürften andere, vor allem größere
                                                                       und bereits stärker diversifizierte Auslandsaktive wei-
Grafik 8: Viele Mittelständler wollen Exportstrategie                  tere Exportmärkte erschließen und neue Kunden im
anpassen                                                               Ausland akquirieren. Dabei könnten europäische Län-
Anteil der Auslandsaktiven, die in den kommenden fünf Jahren die je-   der tendenziell an Bedeutung gewinnen – mit Aus-
weilige Anpassung vornehmen wollen, in Prozent                         nahme des Vereinigten Königreichs.
50           44
                                                                       Europäische Länder rücken als Exportmärkte
                            39
40
                     33
                                                                       weiter in den Vordergrund
                                                   31
                                                                       So gehen etwa 24 % der Auslandsaktiven davon aus,
30
                                                           23          dass West- und Nordeuropa in den kommenden fünf
20                                        15                           Jahren als Absatzmarkt für ihr Unternehmen wichtiger
10                                                                     werden wird. Dass diese Region an Attraktivität verliert,
                                                                       erwarten dagegen nur rund 16 % der Auslandsaktiven.
 0                                                                     Im Saldo rechnen damit knapp 8 % der exportierenden
          Stärkere Fokussierung auf   Stärkere Diversifizierung der
              Kunden im Inland                  Exporte                Mittelständler mit einem Bedeutungszuwachs dieser
  Im europäischen Ausland Aktive                                       Region (Grafik 9).
  (Auch) im außereuropäischen Ausland Aktive
  Auslandsaktive insgesamt                                             Allerdings gehen auch rund 33 % der Auslandsaktiven
                                                                       davon aus, dass sich die Bedeutung West- und Nord-
Anmerkung: Mit der Anzahl der Unternehmen hochgerechnete
Werte.                                                                 europas als Exportziel nicht ändert. Weitere 28 % se-
                                                                       hen in West- und Nordeuropa weder heute noch in Zu-
Quelle: Sonderbefragung zum KfW-Mittelstandspanel im September
2020.
                                                                       kunft einen relevanten Absatzmarkt für ihr Unterneh-
                                                                       men. Die regionale Ausrichtung des mittelständischen
Eine bessere Risikostreuung dürfte auch ein zentrales                  Auslandsgeschäfts wird sich mittelfristig also nicht
Motiv der Mittelständler sein, die ihre Exporte zukünftig              grundlegend ändern.
stärker diversifizieren wollen. Knapp ein Viertel der
Auslandsaktiven beabsichtigt in den kommenden fünf                     Einen leichten Bedeutungszuwachs sieht der Mittel-
Jahren weitere Exportmärkte zu erschließen oder wei-                   stand auch bei Absatzmärkten in Mittel- und Osteu-
tere Kunden im Ausland hinzuzugewinnen (Grafik 8).                     ropa. Vor der Corona-Krise ist der Außenhandel insbe-
Vielfach sind dies Unternehmen, die bereits Erfahrun-                  sondere mit Polen dynamisch gewachsen. Die sechst-
gen auf außereuropäischen Märkten gesammelt ha-                        größte Volkswirtschaft der EU gehört mittlerweile zu
ben. Von diesen Unternehmen – die rund 46 % aller                      den wichtigsten Handelspartnern Deutschlands.
Auslandsaktiven ausmachen – will fast jedes Dritte wei-                Kommt es infolge der Corona-Pandemie zu einer Ver-
tere Exportmärkte erschließen. Von den Unternehmen,                    lagerung von Produktionskapazitäten von Asien nach
die bislang nur auf dem europäischen Markt aktiv wa-                   Europa – auch als Nearshoring bezeichnet – dürfte
ren, ziehen diese Möglichkeit dagegen nur 15 % in Be-                  dies Polen und anderen mittel- und osteuropäischen
tracht.                                                                Ländern erneut Aufschwung verleihen und die Nach-
                                                                       frage nach Investitionsgütern beflügeln.
Umgekehrt wollen sich rund 44 % der nur im europäi-
schen Ausland aktiven, eher kleineren Exporteure zu-                   Noch positiv, aber geringer ist der Saldo für Südeu-
künftig stärker auf das Inland fokussieren. Von den auf                ropa. Spanien, Italien und Portugal gehören zu den

Seite 8
KfW-Internationalisierungsbericht 2021

Grafik 9: Europäische Länder gewinnen für Auslandsaktive an Bedeutung
Entwicklung der Bedeutung verschiedener Regionen als Absatzmärkte in den kommenden fünf Jahren

West- und Nordeuropa (ohne Vereinigtes Königreich)                                                                                  7,8

                             Mittel- und Osteuropa                                                                          4,7

                                      Sürdeuropa                                                                      3,0

                            Vereinigtes Königreich           -14,3

                                             USA                     -12,8

                                            China                                                    -1,2

   Schwellen- und Entwicklungsländer (ohne China)                                                                                  7,3

                                                     -20       -15              -10          -5             0               5              10

Anmerkung: Saldo der Anteile der Auslandsaktiven, die mit stark / eher zunehmen und stark / eher abnehmen auf die Frage „Wie wird sich Ihrer
Einschätzung nach die Bedeutung der folgenden Regionen für den Absatz Ihres Unternehmens in den kommenden fünf Jahren entwickeln?“
geantwortet haben. Mit der Anzahl der Unternehmen hochgerechnete Werte.

Quelle: Sondererhebung zum KfW-Mittelstandspanel im September 2020.

EU-Ländern, deren Wirtschaft von der Corona-Krise                            geht der Mittelstand im Saldo nicht von einem weiteren
am heftigsten getroffen wurde – nicht zuletzt aufgrund                       Bedeutungsgewinn aus. Anders stellt sich dies für die
des stark einbrechenden internationalen Tourismus.                           übrigen Schwellen- und Entwicklungsländer dar. Knapp
Insbesondere in Italien, wo weiterhin dringender Re-                         16 % der Auslandsaktiven erwarten, dass diese Länder
formbedarf besteht und die Staatsverschuldung in                             in den kommenden fünf Jahren eine wichtigere Rolle
enorme Höhen geklettert ist, sind die Wachstumsaus-                          für den Absatz ihres Unternehmens spielen werden als
sichten vergleichsweise schwach.                                             heute. Einen Bedeutungsverlust sehen hier nur gut
                                                                             8 %. Vor allem für erfahrenere Exporteure bieten
Im Saldo deutlich negativer bewerten exportierende                           Schwellen- und Entwicklungsländer bei einer sonst
Mittelständler das Vereinigte Königreich. Rund 21 %                          schwachen Globalisierungsdynamik noch
der Auslandsaktiven rechnen mit einer abnehmenden,                           Wachstumschancen.
nur 7 % mit einer zunehmenden Bedeutung des Verei-
nigten Königreichs als Absatzmarkt für ihr Unterneh-                         Mittelständische Wertschöpfungsbeziehungen auf
men. Mit dem Brexit, der nach langen Verhandlungen                           dem Prüfstand
im Januar 2021 vollzogen wurde, ist das Vereinigte Kö-                       Die Absatzbeziehungen sind nur ein Aspekt der Wert-
nigreich nicht mehr Teil des EU-Binnenmarkts. Kompli-                        schöpfungsverflechtungen des deutschen Mittelstands
ziertere Zollvorschriften und logistische Schwierigkeiten                    im In- und Ausland. Auch auf der Beschaffungsseite
machen den Export gerade für kleinere Exporteure un-                         sind kleine und mittlere Unternehmen direkt oder indi-
attraktiv. Die Befragungsergebnisse vom September                            rekt von Zulieferern in Deutschland, Europa und der
2020 dürften dies vorweggenommen haben.                                      Welt abhängig. Die Corona-Krise hat sehr deutlich ge-
                                                                             macht, wie sich Ausfälle und Störungen in den interna-
Ähnlich negativ sieht der deutsche Mittelstand die Ent-                      tionalen Lieferketten fortsetzen und auch im Mittelstand
wicklung der USA als Exportziel. Diese Erwartung ist                         zu einer Beeinträchtigung der Produktion führen kön-
von der konfliktreichen Handelspolitik des ehemaligen                        nen.
US-Präsidenten Donald Trump geprägt. Mit Joe Biden
an der Spitze der US-Regierung gewinnt der Multilate-                        Wie stark einzelne Ereignisse die globalen Wertschöp-
ralismus wieder an Raum und die Handelspolitik wird                          fungsketten beeinflussen können, hat zuletzt die Hava-
verlässlicher. Einen deutlich freieren Marktzugang für                       rie des Containerschiffes Ever Given im Suezkanal ge-
europäische Exporteure wird es so schnell dennoch                            zeigt. Das Schiff mit einer Ladekapazität von über
nicht geben.                                                                 20.000 Containern hatte den Kanal tagelang blockiert
                                                                             und dazu geführt, dass mehrere Hundert Frachter tage-
China und andere Schwellen- und Entwicklungsländer                           lang auf ihre Weiterfahrt warten mussten. Rund 13 %
bleiben Märkte, die nur für wenige Mittelständler rele-                      des Welthandels werden durch den Kanal befördert.
vant sind. Etwa ein Drittel aller Auslandsaktiven sieht                      Die Verluste durch eine einwöchige Blockade werden
hier aktuell oder zukünftig Absatzmöglichkeiten für die                      auf 6 bis 10 Mrd. USD geschätzt.11 Auch deutsche
eigenen Produkte oder Dienstleistungen. Für China                            Wertschöpfungsketten hängen am Suezkanal, insbe-

                                                                                                                                         Seite 9
KfW Research

Grafik 10: Verzicht auf Kostenvorteile zur Stärkung der Resilienz von Wertschöpfungsketten
Wir werden auf Kostenvorteile verzichten, um unsere Wertschöpfungsketten widerstandsfähiger zu machen.
Anteil der Unternehmen in Prozent
                                                                                                                                               Nicht relevant
Verarbeitendes Gewerbe                                   10            16                      32                     31                  10         26

                       Bau                    10        10                           51                     12             17                        61

                    Handel                         17             10                      42                 18                 13                  46

           Dienstleistungen                                  17             11                 31                21                  20             54

           Weniger als 10                                    16        10                      34                21                  19             53

                  10 bis 49                   19                  19                       37                16            9                        39

              50 und mehr                16                   24                           37                18            5                         28

      Mittelstand gesamt                                 16            12                      34                21                  17             51

   Stimme überhaupt nicht zu        Stimme eher nicht zu               Teils teils         Stimme eher zu         Stimme voll und ganz zu

Anmerkung: Anteil der Unternehmen, die der Aussage „Wir werden auf Kostenvorteile verzichten, um unsere Wertschöpfungsketten wider-
standsfähiger zu machen“ mit Blick auf die kommenden fünf Jahre zustimmen, bezogen auf alle Unternehmen, für die das Thema relevant ist.
Größenklassen nach Vollzeitäquivalent-Beschäftigten. Mit der Anzahl der Unternehmen hochgerechnete Werte.

Quelle: Sondererhebung zum KfW-Mittelstandspanel im September 2020.

sondere im Kraftfahrzeug- und Maschinenbau. Insge-                                   fungsverflechtungen weniger komplex. Die Frage nach
samt passieren bis zu 9 % der Exporte und Importe                                    ihrer Resilienz ist daher für weniger Unternehmen rele-
Deutschlands die Wasserstraße, rund 98 % aller Con-                                  vant. Ein Teil von ihnen ist bereit, für widerstandsfähi-
tainerschiffe zwischen Deutschland und China fahren                                  gere Wertschöpfungsketten auf Kostenvorteile zu ver-
hier hindurch.12                                                                     zichten – im Dienstleistungsbereich bis zu 41 %. Aber
                                                                                     auch in diesen Branchen gibt es einen signifikanten
Die Stromausfälle in Texas infolge einer Frostperiode                                Anteil von Unternehmen, die sich gegen effizienzmin-
zu Beginn des Jahres, der Brand einer Fabrik in Japan                                dernde Anpassungen aussprechen.
und die jüngste Dürre in Taiwan, die vor allem die
Halbleiterindustrie getroffen und zu einer Verknappung                               Sehr deutliche Unterschiede gibt es zwischen Unter-
von Mikrochips geführt haben, dürften die Frage nach                                 nehmen unterschiedlicher Größe. Je größer das Unter-
der Resilienz von Wertschöpfungsbeziehungen noch                                     nehmen, desto eher ist die Resilienz von Wertschöp-
weiter in den Vordergrund gerückt haben.                                             fungsketten ein relevantes Thema. Je größer das Un-
                                                                                     ternehmen, desto geringer ist allerdings auch die Be-
Nur ein Teil des Mittelstands will für eine höhere                                   reitschaft, für eine höhere Widerstandsfähigkeit der ei-
Resilienz auf Kostenvorteile verzichten                                              genen Wertschöpfungskette auf Kostenvorteile zu ver-
Im Mittelstand ist die Resilienz von Wertschöpfungsket-                              zichten. Ein hoher Wettbewerbsdruck, insbesondere
ten vor allem ein Thema für das Verarbeitenden Ge-                                   auf internationalen Märkten und der kurzfristige Zwang
werbe. Für knapp drei Viertel der Unternehmen ist die                                zur Gewinnerzielung dürften hier wesentliche Treiber
Frage hier relevant (Grafik 10). Ihre Bereitschaft, zu                               sein.
Gunsten einer höheren Widerstandsfähigkeit auf Ko-
stenvorteile zu verzichten fällt allerdings sehr unter-                              Viele Unternehmen wollen sich stärker auf Liefe-
schiedlich aus. Rund 41 % der Unternehmen wollen                                     ranten im Inland konzentrieren
Effizienzverluste in Kauf nehmen, um die Krisenanfäl-                                Konkret denken viele kleine und mittlere Unternehmen
ligkeit ihrer Lieferketten zu reduzieren. Weitere 32 %                               bei einer Anpassung ihrer Wertschöpfungsketten in-
ziehen dies zumindest in Betracht. Jeder vierte be-                                  folge der Corona-Krise vor allem an eine stärkere Fo-
troffene Mittelständler aus dem Verarbeitenden Ge-                                   kussierung auf Lieferanten aus dem Inland. Knapp
werbe lehnt dies dagegen ab.                                                         30 % aller Mittelständler haben sich dies für die näch-
                                                                                     sten fünf Jahre vorgenommen, für weitere 10 % der
In anderen Branchen wie im Bau, aber auch im Handel                                  Unternehmen kommt dies zumindest infrage.
und im Dienstleistungsbereich, sind die Wertschöp-

Seite 10
KfW-Internationalisierungsbericht 2021

Grafik 11: Mittelständler wollen ihre Wertschöpfungsbeziehungen anpassen
Anteil der Unternehmen in Prozent
                                                                                                                                               Nicht relevant

  Wir werden uns stärker auf Lieferanten im Inland fokussieren                     7       5           10                   12            17         50

  Wir werden wichtige Vorleistungen häufiger selbst herstellen                    9        5            9               7            10              49

Wir werden unsere Einkäufe im Ausland stärker diversifizieren                      7           7            8       4        6                       68

                    Wir werden unsere Lagerhaltung erhöhen                16           8               11               7        4                   54

       Wir werden uns ganz oder teilweise aus internationalen                                                                                        69
                                                                                  14               6            5   3 3
               Wertschöpfungsketten zurückziehen

  Stimme überhaupt nicht zu      Stimme eher nicht zu      Teils teils   Stimme eher zu            Stimme voll und ganz zu

Anmerkung: Anteil der Unternehmen, die der jeweiligen Aussage mit Blick auf die kommenden fünf Jahre zustimmen. Mit der Anzahl der Un-
ternehmen hochgerechnete Werte.

Quelle: Sondererhebung zum KfW-Mittelstandspanel im September 2020.

Krisenfester macht eine Konzentration auf das Inland                     Lagerhaltung geht jedoch mit höheren Lagerkosten ein-
ihre Lieferketten nicht zwangsläufig, denn damit steigt                  her – beispielsweise für notwendige Lagerflächen, aber
die Anfälligkeit gegenüber regionalen Schocks – wie                      auch für das in den Lagerbeständen gebundene Kapi-
auch auf der Absatzseite. Eine stärkere, auch geografi-                  tal. Diese Überlegungen dürfte für die rund 24 % der
sche, Diversifizierung der Lieferantenbasis hat dage-                    Mittelständler ausschlaggebend sein, die eine höhere
gen eine risikomindernde Wirkung. Sie ist allerdings mit                 Lagerhaltung ablehnen. In dieses Ergebnis dürften
zusätzlichen Kosten für das Lieferantenmanagement                        auch die Erfahrungen vieler mittelständischer Einzel-
verbunden. Zudem sinken die jeweiligen Abnahme-                          händler hineinspielen, die infolge von coronabedingten
mengen und damit die Verhandlungsspielräume ge-                          Geschäftsschließungen auf ihren Lagerbeständen an
genüber einzelnen Lieferanten.13                                         saisonaler Ware sitzen geblieben sind.

Eine stärkere Diversifizierung ihrer Einkäufe im Aus-                    Ein breiter Rückzug aus globalen Wertschöpfungs-
land wollen dementsprechend nur 10 % der Mittel-                         ketten ist nicht absehbar
ständler angehen, mehr als 14 % lehnen dies ab. Viele                    Wenngleich sich einige Mittelständler stärker auf Liefe-
Mittelständler haben keine direkten Lieferbeziehungen                    ranten im Inland fokussieren wollen – einen kompletten
ins Ausland. Für rund 68 % der kleinen und mittleren                     oder teilweisen Rückzug aus internationalen Wert-
Unternehmen ist die Frage einer stärkeren Diversifizie-                  schöpfungsketten ziehen nur sehr wenige Unterneh-
rung ihrer Einkäufe im Ausland daher nicht relevant.                     men in Betracht. Nur rund 6 % wollen zukünftig nicht
                                                                         mehr auf globale Lieferketten setzen. Dagegen spricht
Eine denkbare Reaktion auf die Erfahrungen in der Co-                    sich jedes fünfte Unternehmen klar gegen einen Rück-
rona-Pandemie ist auch die Verlagerung bisher ausge-                     zug aus internationalen Wertschöpfungsketten aus.
lagerter Produktionsschritte in das eigene Unterneh-                     Von Relevanz für das eigene Unternehmen ist das
men, also eine Erhöhung der Wertschöpfungstiefe.                         Thema auch nur für knapp ein Drittel der Mittelständler
Wichtige Vorleistungen zukünftig selbst herstellen wol-                  – insbesondere größere Unternehmen aus dem Verar-
len rund 17 % der Mittelständler. Damit ist das Unter-                   beitenden Gewerbe.
nehmen weniger abhängig von Lieferanten. Auf ent-
sprechende Rohstoffe, auch aus dem Ausland, ist es                       Ausblick
allerdings nach wie vor angewiesen. Gleichzeitig dürfte                  Die Corona-Krise hat die Wirtschaft weltweit hart ge-
die Effizienz der Vorleistungserstellung allein aufgrund                 troffen und zu einem Einbruch des Außenhandels ge-
der geringeren Stückzahlen zurückgehen.                                  führt. Kleine und mittlere Exporteure spüren die Auswir-
                                                                         kungen der Pandemie besonders heftig, viele verzeich-
Weniger anfällig für Störungen in den Lieferketten wird                  nen teils drastische Rückgänge ihrer Auslandsum-
die Produktion auch durch eine Erhöhung der Lager-                       sätze. Im Jahr 2020 dürften die Auslandsumsätze des
haltung. Rund 11 % der Mittelständler wollen dies in                     Mittelstands im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 um
den kommenden fünf Jahren umsetzen. Eine höhere                          17 % oder mehr gesunken sein – und damit deutlich

                                                                                                                                                     Seite 11
KfW Research

stärker als die Waren- und Dienstleistungsexporte          Unternehmen, die ihre Einkäufe im Ausland zukünftig
Deutschlands insgesamt.                                    breiter diversifizieren wollen, sind es 46 %. Im Mittel-
                                                           stand insgesamt erwarten dagegen nur 27 % mittelfri-
In vielen Bereichen werden die Krisenerfahrungen zu        stig steigende Umsätze. Ein starkes Auslandsgeschäft
nachhaltigen Veränderungen führen. Dies betrifft auch      bleibt damit – ähnlich wie Innovations- und Digitalisie-
die internationale Vernetzung des deutschen Mittel-        rungsaktivitäten – ein wichtiger Wachstumstreiber.
stands. Vor allem kleinere Exporteure werden sich zu-
künftig wieder stärker auf den inländischen Markt fo-      Ein Nachdenken darüber, wie internationale Wert-
kussieren. Und auch in der Beschaffung wollen einige       schöpfungsbeziehungen nicht nur effizient, sondern
Mittelständler nationale Lieferanten wieder stärker in     auch langfristig krisenfest gestaltet werden können, ist
den Blick nehmen. Mit einem Rückzug aus dem Aus-           dennoch erforderlich. Ein besonderes Risiko stellen da-
landsgeschäft in der Breite ist allerdings kaum zu rech-   bei zunehmend umweltbezogene Ereignisse wie ex-
nen. Denn gerade stark exportorientierte und in globale    treme Wetterereignisse oder Naturkatastrophen infolge
Wertschöpfungsketten eingebundene Mittelständler se-       eines fortschreitenden Klimawandels dar.14 Dies wirft
hen die Chancen, die eine geografisch diversifizierte      auch die Frage auf, wie grenzüberschreitende Liefer-
Absatz- und Beschaffungsstrategie bietet. Die Vorteile     ketten ökologisch nachhaltig gestaltet werden können
der internationalen Arbeitsteilung gehen durch die Co-     – und welche Rahmenbedingungen und Anreize die
rona-Krise nicht verloren. Durch die Einbindung in glo-    Politik – auf nationaler, europäischer und globaler
bale Wertschöpfungsketten lassen sich Effizienzge-         Ebene – hier setzen muss.
winne erzielen, die zur Sicherung der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen beitra-         In den kommenden Monaten wird es in Deutschland
gen – und damit auch zu Wachstum und Wohlstand.            und wichtigen Handelspartnerländern vor allem darum
                                                           gehen, Fortschritte beim Impfen und Testen zu erzielen
Auslandsaktive Unternehmen waren von dieser globa-         und die wirtschaftliche Erholung voranzutreiben. Mit ei-
len Krise in besonderem Ausmaß betroffen. Ihre Ex-         ner schrittweisen Aufhebung der Eindämmungsmaß-
porttätigkeit dürfte aber auch wesentlich dazu beitra-     nahmen dürfte auch der Außenhandel und damit auch
gen, dass sie sich schnell und umfassend von diesem        das Auslandsgeschäft im Mittelstand wieder zulegen.
Schock erholen. Dies gilt vor allem für Unternehmen,       Über die kurzfristigen Notwendigkeiten der Pandemie
die ihr Auslandsgeschäft möglichst breit aufstellen.       sollten die langfristigen Herausforderungen für den in-
Rund 53 % der Unternehmen, die ihre Exporte zukünf-        ternationalen Handel und die globalen Wertschöp-
tig stärker diversifizieren wollen, rechnen in den näch-   fungsbeziehungen aber keinesfalls aus dem Blick gera-
sten drei Jahren mit steigenden Umsätzen. Von den          ten.

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KfW-Internationalisierungsbericht 2021

KfW-Mittelstandspanel

Das KfW-Mittelstandspanel wird seit dem Jahr 2003 als schriftliche Wiederholungsbefragung der kleinen und
mittleren Unternehmen in Deutschland mit einem Umsatz von bis zu 500 Mio. EUR im Jahr durchgeführt.

Mit einer Datenbasis von bis zu 15.000 Unternehmen pro Jahr stellt das KfW-Mittelstandspanel die einzige re-
präsentative Erhebung im deutschen Mittelstand und damit die wichtigste Datenquelle für mittelstandsrelevante
Fragestellungen dar. Durch die Repräsentativität für sämtliche mittelständische Unternehmen aller Größenklas-
sen und Branchen in Deutschland bietet das KfW-Mittelstandspanel die Möglichkeit, Hochrechnungen auch für
Kleinstunternehmen mit weniger als fünf Beschäftigten durchzuführen. In der aktuellen Welle haben sich 9.889
mittelständische Unternehmen beteiligt.

Auf Basis des KfW-Mittelstandspanels werden Analysen zur langfristigen strukturellen Entwicklung des Mittel-
stands durchgeführt. Das KfW-Mittelstandspanel liefert ein repräsentatives Abbild der gegenwärtigen Situation,
der Bedürfnisse und der Pläne mittelständischer Unternehmen in Deutschland. Den Schwerpunkt bilden jährlich
wiederkehrende Informationen zum Unternehmenserfolg, zur Investitionstätigkeit und zur Finanzierungsstruktur.
Dieses Instrument bietet die einzigartige Möglichkeit, quantitative Kennziffern mittelständischer Unternehmen,
wie Investitionsausgaben, Kreditnachfrage oder Eigenkapitalquoten zu bestimmen.

Zur Grundgesamtheit des KfW-Mittelstandspanels gehören alle mittelständischen Unternehmen in Deutschland.
Hierzu zählen private Unternehmen sämtlicher Wirtschaftszweige, deren jährlicher Umsatz die Grenze von
500 Mio. EUR nicht übersteigt. Ausgeschlossen sind der öffentliche Sektor, Banken sowie Non-Profit Organisa-
tionen. Derzeit existiert keine amtliche Statistik, die die Anzahl mittelständischer Unternehmen und die Zahl ih-
rer Beschäftigten adäquat abbildet. Zur Bestimmung der Grundgesamtheit mittelständischer Unternehmen für
das Jahr 2019 wie auch für die Grundgesamtheit der Beschäftigten in mittelständischen Unternehmen im Jahr
2019 wurden im Erhebungsjahr 2020 das Unternehmensregister sowie die Erwerbstätigenrechnung als Aus-
gangsbasis verwendet.

Die Stichprobe des KfW-Mittelstandspanels ist so konzipiert, dass repräsentative und verlässliche Aussagen
generiert werden. Die Stichprobe wird dazu in vier Schichtgruppen unterteilt: Fördertyp, Branchenzugehörigkeit,
Beschäftigtengrößenklasse, Region. Um von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit schließen zu können,
werden die Befragungsergebnisse gewichtet bzw. hochgerechnet. Für die Bestimmung der Hochrechnungsfak-
toren werden die vier zentralen Schichtungsmerkmale verwendet: Die Hochrechnungsfaktoren setzen dabei die
Verteilung der Nettostichprobe (entsprechend den vier Schichtungsmerkmalen) ins Verhältnis zur Verteilung in
der Grundgesamtheit. Insgesamt werden zwei Hochrechnungsfaktoren ermittelt: Ein ungebundener Faktor zur
Hochrechnung qualitativer Größen auf die Anzahl mittelständischer Unternehmen in Deutschland und ein ge-
bundener Faktor zur Hochrechnung quantitativer Größen auf die Anzahl der Beschäftigten in mittelständischen
Unternehmen in Deutschland.

Durchgeführt wird die Befragung von der GfK SE, Bereich Financial Services, im Auftrag der KfW Banken-
gruppe. Wissenschaftlich beraten wurde das Projekt vom Zentrum für Europäische Wirtschafsforschung (ZEW)
in Mannheim. Der Befragungszeitraum der Hauptbefragung der 18. Welle des KfW-Mittelstandspanels lief vom
10.02.2020 bis zum 19.06.2020.

Corona-Sonderbefragungen KfW-Mittelstandspanel

Die Analysen zur Auswirkung der Corona-Krise auf den Mittelstand basieren auf vier Sonderbefragungen im
Rahmen des KfW-Mittelstandspanels. Hierzu wurden durch die GfK SE, Bereich Financial Services, im Auftrag
der KfW Bankengruppe, mittelständische Unternehmen repräsentativ zu den aktuellen Auswirkungen der Co-
rona-Krise online befragt (2.–14. April 2020, 2.–12. Juni 2020, 1.–14. September 2020 und 12.–22. Januar
2021).

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