Ein Stern genügt Real Life Safety

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Ein Stern genügt Real Life Safety
Real Life Safety

                                     REAL LIFE SAFETY EIN STERN GENÜGT 2/2014
                                                                                Ein Stern genügt

                                                                                UMFASSENDES SICHERHEITSKONZEPT
                                                                                INTELLIGENT DRIVE UND AUTONOMES FAHREN
                                                                                AUF DEM WEG ZUR UNFALLFREIEN MOBILITÄT

Daimler Communications
70546 Stuttgart, Germany
www.daimler.com – www.daimler.mobi
Mercedes-Benz – A Daimler Brand
Ein Stern genügt Real Life Safety
REAL LIFE SAFETY                                                                                                                                    INHALT
                               GRUNDLAGEN                                             8   PRE-SAFE®                                        42 RÜCKHALTESYSTEME 60
Unfälle vermeiden und
Unfallfolgen mindern: Das
ist der ganzheitliche Ansatz
der Mercedes-Benz Sicher-
heitsentwicklung, den das
Unternehmen unter dem
Begriff „Real Life Safety“
zusammenfasst. Dieses
Magazin gibt einen Einblick    10 VERNETZTE SENSORIK                                      44 GRUNDFUNKTIONEN                                  62 KINDERSITZE
                                  360-Grad-Rundumblick                                       Vorsorgliche Schutzmaßnahmen                        Kleine Passagiere, großes Schutzbedürfnis
in die ganze Vielfalt der
                               16 INTERVIEW                                               48 NEUE FUNKTIONEN                                  66 AIRBAGS
Sicherheitsinnovationen,          Dr. Michael Hafner, Leiter Fahrerassistenzsysteme          Augenmerk auf Folgeverkehr                          Zündende Idee

Tests und Entwicklungstools    18 ENTWICKLUNGSTOOLS                                       50 INTERVIEW                                        76 SICHERHEITSGURT
                                  Modernste Methoden                                         Prof. Rodolfo Schöneburg, Michael Fehring,          Lebensretter Nummer eins
von Mercedes-Benz –                                                                          Karl-Heinz Baumann, die Väter von PRE-SAFE®
                               28 UNFALLFORSCHUNG                                                                                             82 HÄTTEN SIE’S GEWUSST
gestern, heute und morgen.        Die Realität ist der Maßstab                            56 DEMONSTRATOR                                        Daten, Fakten, Kurioses
                                                                                             Realitätsnaher Eindruck
                               34 BÉLA BARÉNYI
                                  Der Vater der Sicherheit                                58 HÄTTEN SIE’S GEWUSST
                                                                                             Daten, Fakten, Kurioses
                               36 EXPERIMENTAL-SICHERHEITS-FAHRZEUGE
                                  Die Zukunft erleben

                               40 HÄTTEN SIE’S GEWUSST
                                  Daten, Fakten, Kurioses

2                                                                                                                                                                                            3
Ein Stern genügt Real Life Safety
REAL LIFE SAFETY                                                                                                                                 INHALT
ASSISTENTEN                                      84 KONDITION                                     116   CRASHTEST                      148 AUSBLICK                                                   176

86 ABS/ESP®                                         118 NACHTSICHT-ASSISTENT                            150 TESTVERFAHREN                  178 CAR-TO-X-KOMMUNIKATION
    Fahrdynamik unter Kontrolle                         Bessere Sicht bei Nachtfahrten                      Organisiertes Zerbrechen           Fahrzeuge im Dialog

96 BAS PLUS                                         122 HEAD-UP-DISPLAY                                 164 DUMMYS                         182 AUTONOMES FAHREN
    Gefahren erkennen, den Fahrer unterstützen          Information im Sichtfeld des Fahrers                Die den Kopf hinhalten             Fahrer denkt, Auto lenkt

100 SPURHALTUNG UND TOTWINKEL                       124 SCHEINWERFER                                    170 POST-SAFE                      186 INTERVIEW
    Auf dem rechten Weg                                 Intelligente Licht-Systeme und Historie             Schnelle Rettung                   Prof. Ralf G. Herrtwich, Leiter Fahrerassistenz- und
                                                                                                                                               Fahrwerkssysteme bei der Daimler-Vorentwicklung
104 COLLISION PREVENTION ASSIST                     132 FORSCHUNG                                       174 HÄTTEN SIE’S GEWUSST
    Schutz vor Auffahrunfällen                          Customer Research Center                            Daten, Fakten, Kurioses        188 HÄTTEN SIE’S GEWUSST
                                                                                                                                               Daten, Fakten, Kurioses
106 VERKEHRSZEICHENERKENNUNG                        136 ATTENTION ASSIST
    Orientierung im Schilder-Dschungel                  Hallo wach

108 EINPARKEN                                       138 STOP&GO PILOT
    Automatisch in die Lücke                            Mehr Komfort im Stau

110 DRIVING ACADEMY                                 142 MAGIC BODY CONTROL                                                                  6 EDITORIAL
    Fahrtraining für alle Ansprüche                     Das erste sehende Fahrwerk der Welt
                                                                                                                                           190 MEILENSTEINE
114 HÄTTEN SIE’S GEWUSST                            146 HÄTTEN SIE’S GEWUSST
    Daten, Fakten, Kurioses                             Daten, Fakten, Kurioses                                                            195 IMPRESSUM

4                                                                                                                                                                                                       5
Ein Stern genügt Real Life Safety
MERCEDES-BENZ INTELLIGENT DRIVE EIN STERN GENÜGT

    LIEBE LESER,
    S
          icherheit ist seit jeher eine Kernkompetenz    erstmals in der Serie realisiert) über ABS (1978    für stehen der COLLISION PREVENTION ASSIST,             drohenden Unfall im Voraus erkennen und Fahr-
          von Mercedes-Benz. Davon zeugen die zahl-      in der S-Klasse W 116 eingeführt), den Airbag       der 2011 mit der neuen Kompaktklasse-Generation         zeug und Passagiere auf eine mögliche Kollision
          reichen technischen Innovationen, mit denen    (1981 in der S-Klasse der Baureihe W 126 zunächst   serienmäßig eingeführt wurde, oder der Stop&Go          vorbereiten. Aktive und passive Sicherheitstechnik
    wir seit der Erfindung des Automobils im Jahr 1886   für den Fahrer präsentiert) bis zum Elektroni-      Pilot, den wir nach S- und E-Klasse nun auch in der     arbeiten seitdem synergetisch zusammen.
    immer wieder Maßstäbe in der aktiven und passi-      schen Stabilitäts-Programm ESP ® (1995 in einem     neuen C-Klasse anbieten.                                   Und über zehn Jahre nach der Einführung von
    ven Fahrzeugsicherheit setzen. Die Daimler AG        S-Klasse Coupé der Baureihe C 140 vorgestellt).        Unsere Sicherheitsexperten Béla Barényi und          PRE-SAFE ® gehen wir jetzt noch einen Schritt
    nimmt damit zugleich eine höhere Verantwortung       ABS und ESP ® sind heute Zulassungsstandard für     Hans Scherenberg haben 1966 die Aufteilung in           weiter: Intelligente Assistenzsysteme analysieren
    wahr. Denn sie begreift Sicherheit als umfassendes   alle Pkw in Europa.                                 Aktive und Passive Sicherheit formuliert. Durch         komplexe Situationen und erkennen dank verbes-
    System, das allen dient.                                Jedes neue Modell unserer Marke zeigt mit        das integrale Sicherheitskonzept von Mercedes-          serter Umfeldsensorik Gefahrenpotenzial im Stra-
       Jeder Autofahrer kennt und nutzt die Meilen-      innovativen Lösungen, dass die Fahrzeugsicherheit   Benz greifen heute beide Bereiche optimal inein-        ßenverkehr noch besser. Unfälle können dadurch
    steine dieser kontinuierlichen Arbeit: von der       auch für die Zukunft eines der wichtigsten An-      ander. Denn 2002 begann in der Mercedes-Benz            vermieden oder mögliche Unfallfolgen deutlich
    gestaltfesten Fahrgastzelle (patentiert im Jahr      liegen der Mercedes-Benz Ingenieure ist. Und das    S-Klasse mit PRE-SAFE ® eine neue Ära der Fahr-         verringert werden. Die intelligente Verknüpfung
    1951, 1959 in der Mercedes-Benz Baureihe W 111       quer durch alle Fahrzeugklassen: Beispielhaft da-   zeugsicherheit: Erstmals konnte die Technik einen       von Sensoren und Systemen zu einer neuen Dimen-
                                                                                                                                                                     sion des Autofahrens nennen wir „Mercedes-Benz
                                                                                                                                                                     Intelligent Drive”. Mit Intelligent Drive gehen wir
                                                                                                                                                                     unseren Weg zum unfallfreien Fahren konsequent
                                                                                                                                                                       weiter. Denn Intelligent Drive bedeutet für uns
                                                                                                                                                                         bei Mercedes-Benz auch den Einstieg in das
                                                                                                                                                                          Zeitalter des Autonomen Fahrens. Die intelli-
                                                                                                                                                                          gente Vernetzung von Fahrzeugen unterein-
                                                                                                                                                                          ander und mit der Infrastruktur hat das Poten-
    Jede Fahrt in einem Mercedes-Benz
    ist „Intelligent Drive“ in unzähligen                                                                                                                                zial, die allgemeine Verkehrssicherheit noch
    Fahrsituationen. Hier ein Überblick über
                                                                                                                                                                        weiter zu verbessern.
    die verschiedenen Systeme:
     1 COLLISION PREVENTION ASSIST (PLUS)
                                                                                                                                                                           Mit diesem Magazin möchten wir Ihnen einen
     2 DISTRONIC PLUS mit Lenk-Assistent                                                                                                                                     Überblick über die Sicherheitsphilosophie
       und Stop&Go Pilot
     3 BAS PLUS mit Kreuzungs-Assistent
                                                                                                                                                                                   von Mercedes-Benz geben – von den
     4 PRE-SAFE® Bremse                                                                                                                                                                frühen Grundlagen über ständig
       mit Fußgängererkennung
     5 PRE-SAFE® PLUS                                                                                                                                                                     optimierte Entwicklungstools
     6 PRE-SAFE®                                                                                                                                                                              bis zu wegweisenden Inno-
     7 Aktiver Spurhalte-Assistent
                                                                                                                                                                                                   vationen in allen
     8 Aktiver Totwinkel-Assistent
     9 Adaptiver Fernlicht-Assistent Plus                                                                                                                                                            Sicherheitsbereichen.
    10 Nachtsicht-Assistent Plus
                                                                                                                                                                                                      Viel Spaß beim
    11 Aktiver Park-Assistent mit PARKTRONIC
    12 360°-Kamera                                                                                                                                                                                    Lesen wünscht
    13 Verkehrszeichen-Assistent
    14 ATTENTION ASSIST                                                                                                                                                                                  Ihr Thomas Weber
    15 Intelligent Light System
    16 LED-Scheinwerfer                                                                                                                                            Prof. Dr. Thomas Weber ist Mitglied
    17 Seitenwind-Assistent                                                                                                                                        des Vorstandes der Daimler AG und
    18 ESP®/ABS/BAS                                                                                                                                                verantwortlich für Konzernforschung
    19 4MATIC                                                                                                                                                      und Mercedes-Benz Cars Entwicklung

6                                                                                                                                                                                                                            7
Ein Stern genügt Real Life Safety
Foto: Per-Gunnar Ostby/Getty Images
GRUNDLAGEN
GRUNDLA

                                                   DIE BASIS VONINTELLIGENT
                                                   DRIVE: SENSOREN ERFAS-
                                                   SEN DAS UMFELD, MODERNE

                                                   TOOLS UNTERSTÜTZEN DIE ENT-
                                                   WICKLUNG, DIE UNFALLFOR-

                                                   SCHUNG ANALYSIERT DAS REALE
                                                   GESCHEHEN, FORSCHUNGS-

 ALLES IM BLICK                                    FAHRZEUGE WAGEN EINEN
 Die Augen des CHAMÄLEONS bewegen sich
 unabhängig voneinander. Ihr Blickfeld deckt
                                                   BLICK IN DIE ZUKUNFT.
 342 Grad ab. Es bleibt ein toter Winkel von nur
 18 Grad. Die Tiere sehen auf einen Kilometer
 scharf und können Farben wahrnehmen.

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Ein Stern genügt Real Life Safety
GRUNDLAGEN VERNETZTE SENSORIK

                                                                                                            DANK ZWEIER „KAMERAAUGEN“ KANN DIE NEUE STEREOKAMERA IM BEREICH BIS
                                                                                                            CA. 50 METER VOR DEM FAHRZEUG DREIDIMENSIONAL SEHEN UND ALS „6D-VISION“ OBJEKTE
                VERNETZTE SENSORIK                                                                          IN IHRER RÄUMLICHEN LAGE UND BEWEGUNG WAHRNEHMEN. INSGESAMT HAT SIE BIS ZU

                360-GRAD-RUNDUMBLICK
                360-                                                                                        EINER ENTFERNUNG VON 500 METERN DAS UMFELD VOR DEM FAHRZEUG IM BLICK. DIESE
                                                                                                            DATEN WERDEN MIT DENEN VON RADAR- UND ULTRASCHALLSENSOREN VERKNÜPFT.

     RADAR, STEREOKAMERA
     UND ULTRASCHALL                                                                                Stereo-Multi-Purpose-Kamera
     Mehr Sensoren, mehr Schutz                                                                     500 m Reichweite, davon 50 m 3D-fähig                  Fernbereichsradar
                                                        Multi-Mode-Radar                            Öffnungswinkel 45°                                     mit Mittelbereichserfassung
                                                        80 m Reichweite / Öffnungswinkel 16° und                                                           200 m Reichweite / Öffnungswinkel 18°
                                                        30 m Reichweite / Öffnungswinkel 80°                                                                60 m Reichweite / Öffnungswinkel 60°

                                                                                                   Ultraschallsensoren
                                                                                                   1,2 m / 4,5 m Reichweite

                                                                                                                                            Nah-/Ferninfrarot-Kamera
                                         Nahbereichsradar                                                                                   160 m Reichweite / Öffnungswinkel 20°
                                         0,2 m - 30 m Reichweite / Öffnungswinkel 80°

10                                                                                                                                                                                                 11
Ein Stern genügt Real Life Safety
GRUNDLAGEN VERNETZTE SENSORIK

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                                                                                                                                                                                                                       werden möglichst hoch im Bereich
                                   PLUS mit Lenk-Assistent,   der Einführung der Stereo-       Öffnungswinkel von 45° und   sehen und hat insgesamt bis                                                                      des Innenspiegels montiert
                                   BAS PLUS und PRE-SAFE®     Multi-Purpose-Camera             kann querende Objekte und    zu einer Entfernung von 500

     H
             ochmoderne Sen-       Bremse nutzen bei der      (SMPC), kurz Stereokamera.       Fußgänger räumlich erfas-    Metern das Umfeld vor dem
             soren und entspre-    Sensorfusion die gleiche   Analog zur bisherigen Multi-     sen und ihre Bahn berech-    Fahrzeug im Blick. Die neue
             chend vernetzte       Stereokamera und mehr-     Purpose-Camera (MPC) ist         nen. Dank zweier „Kamera-    Kamera liefert damit Daten,
     Algorithmen liefern die       stufige Radarsensoren.     sie hinter der Frontscheibe      augen” kann sie im Bereich   die von unterschiedlichen
     Grundlage für neuartige          Einen großen Schritt    im Bereich des Innenspie-        bis ca. 50 Meter vor dem     Systemen weiterverarbeitet
     Funktionen. DISTRONIC         macht Mercedes-Benz mit    gels platziert. Sie hat einen    Fahrzeug dreidimensional     werden.

                                                                                                                                                             AUGEN UND OHREN
                                                                                                                                                             Die Sensorik im Detail
           INTELLIGENT DRIVE                                                                                                                                 Eine Vielzahl von Sensoren verleihen
           Sensoren steigern die Leistungsfähigkeit der Assistenzsysteme                                                                                     den aktuellen Fahrzeugen von Mercedes-Benz
                                                                                                                                                             gleichsam Augen und Ohren. In der der S-Klasse sind dies zum Beispiel:
            US Ultraschallsensor      NR Nahbereichsradar                                                                                                    RADAR
                                                                                                                                                  US          2 x Nahbereichsradar vorn (30 m, 80°)
            LS Lenkwinkelsensor       FR Fernbereichsradar
                                                                                                                                                              1 x Fernbereichsradar vorn (200 m, 18°)
            RS Regensensor            MR Multimoderadar                                              US        NR                                 US          mit Mittelbereichserfassung (60 m, 60°)
                                                                                                                                                              2 x Nahbereichsradar seitlich hinten (30 m, 80°)
                                                                                                                                                  MR          1 x Multi-Mode-Radar hinten (30 m, 80° und 80 m, 16°)
            SK Stereokamera
                                                                                                                                                    K        STEREOKAMERA
             K Kamera
                                                     K                      SK                                                                                 Stereo-Multi-Purpose-Camera (SMPC), untergebracht hinter der
                                                                                                                                                               Frontscheibe im Bereich des Innenspiegels (Reichweite 500 m,
                                                                                                                                                  US
                                                                                                                                                               davon ca. 50 Meter 3D-fähig, 45°)
                                                                                                                                                             12 ULTRASCHALL-SENSOREN
                                                                                                                                                               je 4 vorn / hinten + je 2 links / rechts vorn / hinten im Stoßfänger
                                                                                                                                                  US         4 KAMERAS ALS 360°-KAMERASYSTEM
                                                                                                                                                               je 1 vorn in der Kühlermaske / hinten in der Griffmulde / unten im
                                                                                                                                                  NR           Seitenspiegelgehäuse, vertikal ca. 130°, horizontal > 180°,
                                                                                                                                                               Auflösung 1 Megapixel (1280 - 800 px)
                                                                                                                                                  US
            US

            US

            NR

            US

            FR

            US
                                                                                                                            Bei „Mercedes-Benz
             K                                                                                                              Intelligent Drive“ nutzen
                                                                                                                            die Helfer im Hintergrund
            US                                                                                                              gemeinsam die Sensorik.
                                                                                                                            Fahrzeuge mit Nachtsicht-
            NR                                                                                                              Assistent Plus besitzen
                                                                                                                            darüber hinaus eine Nah-
            US                                                                                                              infrarotkamera in der Front-    Radarsensoren: Sowohl in den Stoßfängern
                                                                                                                            scheibe und eine Fern-          als auch im Kühlergrill sind die Sende- und
            US                                                                   RS           LS       K                    infrarotkamera im Kühlergrill   Empfangsmodule für die verschiedenen Radar-
                                                                                                                                                            sensoren unsichtbar untergebracht

12                                                                                                                                                                                                                                                        13
Ein Stern genügt Real Life Safety
GRUNDLAGEN VERNETZTE SENSORIK

        Über die räumliche Lage            ein Objekt bewegt. In Kombi-          selbst nicht auf ein Objekt            das Fahrzeug bestimmen                                                                                   Intelligente Algorithmen
     (3-D) eines erkannten Ob-             nation mit der Objektklassi-          reagiert. Bedingt durch die-           kann, ist es sogar möglich,                                                                           werten diese Informationen
     jekts hinaus liefert die Ste-         fizierung anhand gemein-              se Systemgenauigkeit kann              eine Kollisionswarnung                                                                                aus und können damit in
     reokamera eine entscheiden-           samer Merkmale erreicht die           die Stereokamera den Auf-              beziehungsweise eine auto-                                                                            einem großen Sichtbereich
     de Zusatzinformation für                                                    prallort einer möglichen Kol-          matische Bremsung früher                                                                              entgegenkommende, voraus-
     Systeme der aktiven Fahr-             KAMERA ERFASST                        lision errechnen und die               einzuleiten, wenn kein Aus-                                                                           fahrende und querende
     sicherheit: Für jedes Pixel                                                 verbleibende Zeitspanne op-            weichweg zur Verfügung                                                                                Fahrzeuge, aber auch Fuß-
     eines erkannten Objekts
                                           BEWEGUNG VON                          timal für Schutzmaßnahmen              steht. Dies ist vorteilhaft,                                                                          gänger sowie verschiedene
     kann eine Bewegungsrich-              OBJEKTEN IM RAUM                      nutzen. Die Stereokamera               weil einige Hundert Milli-                                                                            Arten von Verkehrszeichen
     tung auf der horizontalen,                                                  unterstützt dabei über den             sekunden Zeitgewinn für                                                                               und Straßenmarkierungen
     vertikalen und longitudina-           Stereokamera mit diesem               gesamten Geschwindigkeits-             eine Vollbremsung den                                                                                 erkennen und räumlich ein-
     len Achse bestimmt werden.            Verfahren eine so hohe Ent-           bereich hinweg.                        Unterschied zwischen                                                                                  ordnen.
     Mit dieser sechsdimensiona-           scheidungssicherheit, dass                Da die Stereokamera in             leichten und deutlich schwe-                                                                             Sind die Objektive der
     len (6-D) Erkennung ist ein-          sie eine Vollbremsung aus-            ihrem Sichtbereich auch                reren Verletzungen bedeuten                                                                           Stereokamera die Augen des
     deutig, ob und wohin sich             lösen kann, wenn der Fahrer           mögliche Ausweichwege für              können.                                                                                               Autos, so dienen die Radar-
                                                                                                                                                                                                                              sensoren gleichsam als die
                                                                                                                                                                                                                              Ohren und liefern zusätz-
                                                                                                                                                                                                                              liche Daten. Die Radarsen-

                                                                                                                                                                                                                              RADARSENSOREN
                                                                                                                                                                                                                              DIENEN ALS DIE
                                                                                                                                                                                                                              OHREN DES AUTOS

                                                                                                                                                                                                                              sorik besteht aus zwei Nah-
                                                                                                                                                                                                                              bereichsradarsensoren im
                                                                                                                                                                                                                              vorderen Stoßfänger mit
                                                                                                                                                                                                                              einer Reichweite von 30 m
                                                                                                                                                                                                                              und einem Öffnungswinkel
                                                                                                                                                       Labortest: Hardware-in-the-Loop-Prüfstand zum Testen von Komponenten   von 80°. Ergänzt wird sie
                                                                                                                                                                                                                              von einem Fernbereichs-
                                                                                                                                                                                                                              radar (200 m, 18°) mit Mit-
                                                                                                                                                                                                                              telbereichserfassung (60 m,
                                                                                                                                                                                                                              60°). Die Daten von Kamera
                                                                                                                                                                                                                              und Radar werden in einem
                                                                                                                                                                                                                              Steuergerät fusioniert und
                                                                                                                                                                                                                              liefern so systemrelevante
                                                                                                                                                       AUF DEM WEG ZUM SEHENDEN AUTO                                          Daten für die entsprechen-
                                                                                                                                                       Acht Jahre Entwicklung                                                 den Funktionen.
                                                                                                                                                                                                                                 Weitere umfangreiche
                                                                                                                                                       Schon im Jahr 2005 waren erste Prototypen unter-                       Sensorik kann den Fahrzu-
                                                                                                                                                       wegs, die mit Technik zur Erkennung von querendem                      stand sowie die Reaktionen
                                                                                                                                                       Verkehr bestückt waren. Die intensiven Entwicklungs-                   des Fahrers erfassen. Erken-
                                                                                                                                                       arbeiten im Labor, auf Testgeländen und im Straßen-                    nen die Sensoren gefährliche
                                                                                                                                                       verkehr dauerten acht Jahre. Die Serienproduktion                      Situationen, können sie die
                                                                                                                                                       startete mit Einführung von E- und S-Klasse im Jahr                    Algorithmen unterschied-
                                                                                                                                                       2013. Ab März sind die neuen Assistenzsysteme erst-                    lichster Assistenzsysteme
                                                                                                                                                       mals in der Mittelklasse verfügbar – bei den finalen                   mit Daten versorgen und so
                                                                                                                                                       Abstimmungsfahrten gab auch Michael Schumacher                         für eine situationsgerechte
                                                                                                                                                       Input aus seinem reichen Erfahrungsschatz.                             Unterstützung sorgen. ■

     Testfahrt 2005: Prototyp zur Erkennung von Querverkehr in einer Mercedes-Benz E-Klasse der Baureihe 211 mit Stereokamera über dem Bildschirm

14                                                                                                                                                                                                                                                           15
Ein Stern genügt Real Life Safety
GRUNDLAGEN INTERVIEW

                                                                              D
                                                                                     r. Michael Hafner (43) leitet seit Jahresbeginn den Bereich Entwicklung
                                                                                     Fahrerassistenzsysteme und Aktive Sicherheit. Zuvor war der promovierte
                                                                                     Ingenieur unter anderem mit dem verwandten Bereich Bremsregel- und
     Die Augen seiner Autos:                                                   Fahrwerkssysteme sowie mit Regelungstechnik und neuronalen Netzen befasst.
     Dr. Hafner und die Stereokame-
     ra, hier zur Demonstration als
     Einzelbauteil über dem Einbau-
     ort im Fahrzeug

                                                                                                  gehen wir noch einen großen      plakative Symbole wie zum        auf Sicherheit. Gefährliche
                                                                                                  Schritt weiter, denn wir lei-    Beispiel die Kaffeetasse bei     Manöver lassen wir daher
                                                                  Der letzte Quantensprung        ten jetzt in bestimmten Situ-    ATTENTION ASSIST?                tatsächlich vom Fahrroboter
                                                                  bei den Assistenzsystemen       ationen eine autonome Brem-      Dr. Hafner: Nicht unbedingt.     erledigen oder greifen auf
                                                                  gelang Mercedes-Benz 2013       sung ein, wenn der Fahrer        Sehr gute Assistenzsysteme       unseren Fahrsimulator zu-
                                                                  dank verbesserter Sensorik      auf die Warnung vor einer        wachen im Normalfall im          rück, der zu den modernsten
                                                                  und Sensorfusion. Vor weni-     erkannten Kollisionsgefahr       Hintergrund oder unterstüt-      der Welt gehört.
                                                                  gen Jahren wäre ein Rund-       nicht reagiert. Stolz sind wir   zen die Fahraufgabe komfor-
                                                                  umblick eines Autos noch        auch darauf, dass es kein        tabel, ohne dabei zu bevor-      Welche Rolle spielen Zu-
                                                                  als Utopie abgetan worden.      Jahr gedauert hat, bis die       munden. Wichtig ist, dass        lieferer bei der Entwicklung
                                                                  Ist das Thema Assistenz-        Assistenzsysteme aus der         die Assistenten dann unter-      von Assistenzsystemen?
                                                                  systeme damit technisch         S- und E-Klasse auch in der      stützen, wenn sie gebraucht      Wie kann man den Vor-
                                                                  ausgereizt, oder wo steckt      C-Klasse verfügbar sind.         werden. Dies zeigen wir          sprung zum Wettbewerb
                                                                  aus Ihrer Sicht noch Zu-                                         bereits durch Symbole oder       halten?
                                                                  kunftspotenzial?                Gibt es denn bereits Unfall-     kleine Grafiken an, sodass       Dr. Hafner: Mercedes-Benz
                                                                  Dr. Hafner: In der Tat waren    statistiken, die das Sicher-     der Fahrer den Eingriff des      arbeitet eng und vertrauens-
                                                                  die Einführung der Stereo-      heitsplus des radargestütz-      Assistenzsystems zuordnen        voll mit Zulieferern zusam-
                                                                  kamera und die Fusion der       ten Kollisionswarnsystems        kann. Wer sich intensiver        men, insbesondere auch
                                                                  Daten verschiedener Senso-      COLLISION PREVENTION             mit der Wirkungsweise be-        bei der Hardware. Das Kern-
                                                                  ren entscheidende Schritte,     ASSIST in A-, B- und CLA-        fassen möchte, hat über die      Know-How hinsichtlich der
                                                                  auf die wir gut acht Jahre      Klasse belegen?                  Betriebsanleitung die Mög-       Datenfusion, der funktiona-
                                                                  hin entwickelt haben – und      Dr. Hafner: Aus der Ein-         lichkeit dazu, die ja zum Bei-   len Ausprägung unserer
                                                                  die uns heute einen klaren      führung von autonomen            spiel in der S-Klasse auch di-   Systeme und der Integration
                                                                  Vorsprung gegenüber dem         Notbremsfunktionen in der        gital auf dem Bildschirm im      ins Fahrzeug halten wir aber
                                                                  Wettbewerb geben. Zu-           DISTRONIC PLUS wissen            Auto verfügbar ist. Und Ma-      bewusst in-house. Und das
                                                                  kunftsaufgaben sind die         wir, dass etwa ein Drittel       gazine wie das vorliegende       macht uns zuversichtlich,
                                                                  Verfeinerung der Sensorsig-     weniger Auffahrunfälle           helfen natürlich ebenfalls,      dass wir dem Wettbewerb
                                                                  nale und der Algorithmen,       verzeichnet wurden und           die Systeme zu erklären.         auch in Zukunft mindestens
                                                                  mit denen die Assistenz-        bei knapp zwei Dritteln die                                       einen Schritt voraus bleiben.
                                                                  systeme zur Unterstützung       Unfallschwere gemindert          Mit SIM-City verfügt Mer-
                                                                  der Fahrer wirksam werden.      werden konnte. Übrigens          cedes-Benz ja in Sindelfin-      Welches Assistenzsystem
                                                                  Und wir wollen dafür sor-       wurde darüber hinaus auf         gen über ein spezielles Test-    schätzen und benutzen Sie
                                                                  gen, dass die Assistenten       derart ausgestattete Fahr-       gelände zur Erprobung von        persönlich am häufigsten?
                                                                  möglichst breit in allen        zeuge auch seltener aufge-       Assistenzsystemen. Gibt          Dr. Hafner: Ich empfinde be-
                                                                  unseren Modellreihen            fahren, da eine rechtzeitige     es hier manchmal auch            sonders die neue DISTRONIC
                                                                  verfügbar sind.                 Bremsung dem nachfolgen-         Schrott, oder verhindern         PLUS mit Lenk-Assistenten
                                                                                                  den Verkehr mehr Spiel-          das gänzlich Erprobungs-         als eine äußerst komfortable
                                                                  Das ist Ihnen mit der serien-   raum lässt.                      tools wie Fahrroboter, das       Unterstützung, speziell in
                                                                  mäßigen Einführung des                                           Balloon Car für die Simula-      Stausituationen durch ihren
                                                                  COLLISION PREVENTION            Je zahlreicher und komple-       tion von Auffahrunfällen         Stop&Go Pilot. Darüber hin-

             DR. MICHAEL HAFNER                                   ASSIST in der B-Klasse
                                                                  vor drei Jahren ja schon
                                                                                                  xer Assistenzsysteme wer-
                                                                                                  den, umso weniger verste-
                                                                                                                                   oder die radarreflektierende
                                                                                                                                   Polsterung für eine seitliche
                                                                                                                                                                    aus schätze ich vor allem,
                                                                                                                                                                    dass im Hintergrund die

        „EINEN SCHRITT VORAUS“
                                                                  gelungen.                       hen Autofahrer ihre Funkti-      Annäherung?                      PRE-SAFE® Bremsfunktio-
                                                                  Dr. Hafner: Ja, das war ein     on und Wirkungsweise im          Dr. Hafner: Wir legen bei        nen stets wachsam sind,
                                                                  wichtiger Durchbruch.           Detail. Braucht es mehr          Mercedes-Benz nicht nur          obschon man sie im besten
                                                                  Und mit dem COLLISION                                            in unseren Fahrzeugen, son-      Fall nie benötigt. ■
                                                                  PREVENTION ASSIST PLUS                                           dern auch während der Ent-
             EIN GESPRÄCH MIT DEM LEITER FAHRERASSISTENZSYSTEME                                                                    wicklung höchsten Wert

16                                                                                                                                                                                                  17
Ein Stern genügt Real Life Safety
GRUNDLAGEN ENTWICKLUNGSTOOLS

     MODERNSTE METHODEN

     DIE WERKZEUGE
     DER ENTWICKLER
     „DIE LIEBE ZUM ERFINDEN HÖRET NIMMER AUF” PROPHEZEITE
     CARL BENZ 1925. DER FIRMENGRÜNDER WÄRE BEGEISTERT, WENN ER
     DIE AVANTGARDISTISCHEN METHODEN ERLEBEN KÖNNTE, DIE
     HEUTE BEI MERCEDES-BENZ DER SICHERHEITSENTWICKLUNG DIENEN.

                                           fingen zusammengefasst.               Produkte“, erläutert Prof. Dr.
                                           Forschung, Entwicklung,               Thomas Weber, Mitglied des

     D
            er Erfinder- und               Design, Planung und Pro-              Vorstandes der Daimler AG.
            Pioniergeist bei Mer-          duktion sind eng verzahnt:               Viele der rund 10.000
            cedes-Benz ist unge-           „Intensiver kann der Aus-             Entwickler sind mit dem
     brochen: Ein Großteil des             tausch zwischen den einzel-           Thema Sicherheit befasst –
     technischen Know-hows der             nen Bereichen nicht sein.             traditionell eine Kernkompe-
     Marke wurde im Jahr 2000              Wir verkürzen so die Ent-             tenz des Erfinders des Auto-
     im Mercedes-Benz Technolo-            wicklungszeiten und erhö-             mobils. Sindelfingen war
     gy Center (MTC) in Sindel-            hen den Reifegrad unserer             auch die Arbeitsstätte von

                                                                                                                            Stand der Technik: Der Simulator in Sindelfingen mit 360°-Leinwand, schnellem elektrischen Antrieb sowie zwölf Meter Bewegung in Quer- oder Längsrichtung

                                                                                                                                                                                                                     VIRTUELLE FAHRERPROBUNG
                                                                                                                                                                                                                     Testen im Simulator

                                                                                                                                                                                                                     Hochdynamische Fahrmanöver wie Spurwechsel
                                                                                                                                                                                                                     realistisch nachbilden und das Verhalten von Fahrer
                                                                                                                                                                                                                     und Fahrzeug im Straßenverkehr intensiv erforschen:
                                                                                                                                                                                                                     Seit 2010 dient dazu der neue Fahrsimulator in
                                                                                                                                                                                                                     Sindelfingen. Der Erprobungsraum ist als Hexapod
                                                                                                                                                                                                                     auf sechs beweglichen Stützen auf Schienen unter-
                                                                                                                                                                                                                     gebracht. In ihm befindet sich ein komplettes Auto
                                                                                                                                                                                                                     sowie die 360°-Projektionswand. Elektrik bewegt die
                                                                                                                                                                                                                     Anlage mit einer Geschwindigkeit von maximal zehn
                                                                                                                                                                                                                     Metern pro Sekunde (36 km/h) um bis zu zwölf Meter
     Realistisches Fahrerlebnis: Im Simulator können neue Assistenzsysteme mit ganz normalen Autofahrern evaluiert werden                                                                                            in Querrichtung, sodass auch Doppelspurwechsel
                                                                                                                                                                                                                     simuliert werden können.
                                                                                                                            Vorreiter: Erster Simulator 1985 in Berlin, im Bild noch ohne Projektionskuppel

18                                                                                                                                                                                                                                                                                19
GRUNDLAGEN ENTWICKLUNGSTOOLS

                                                                                                             2003: Über zwei Millionen Elemente liefern ein getreues Abbild der Abläufe
                                                                                                             beim Crash. Die Ingenieure können sich jedes Detail millisekundengenau auf
                                                                                                             den Bildschirm holen und die Konstruktion entsprechend anpassen

     Béla Barényi, des „Vaters      Jahre holte man Kunden auf
     der automobilen Sicherheit“    die Teststrecke, um ihren
     (siehe Seite 34). Doch was     Umgang mit dem Auto zu
     der geniale Ingenieur mit      beobachten: „Mit diesen
     leichter Hand auf dem Block    Menschen machen wir das
     skizzierte, ist aufgrund der   Spiel ,Unverhofft kommt oft’.   1989: Die E-Klasse W 124 wird mit
                                                                    25.000 finiten Elementen berechnet
     Komplexität heute nur mit      Alles, was sie zu tun haben,
     ausgeklügelten Versuchs-       ist, mit 60 km/h geradeaus
     einrichtungen und Berech-                                                                                                                                                            ZERSTÖRUNGSFREI CRASHEN
     nungsmethoden weiter vor-                                                                                                                                                            Detailgetreue Computersimulationen
                                    „UNVERHOFFT
     anzubringen.
        Nicht nur viele grundle-
                                    KOMMT OFT“ VOR                                                                                                                                        Crashtests finden zunehmend im Computer statt.
     gende Elemente des sicheren    ÜBER 40 JAHREN                                                                                                                                        Was Mitte der 80er Jahre mit groben Modellen
     Automobils wurden bei Mer-                                                                                                                                                           begann, gibt heute detaillierten Einblick, was genau
     cedes-Benz entwickelt und      zu fahren. Und zu reagieren.    1994: Bei der E-Klasse W 210 bewältigt                                                                                passiert, wenn ein Unfall ein Auto verformt. Das
                                                                    der Rechner schon 75.000 Elemente
     zur Serienreife gebracht.      Auf spielende Kinder oder                                                                                                                             flächige Netz der virtuellen Fahrzeugstruktur setzt
     Auch viele der Methoden        unaufmerksame Fußgänger.                                                                                                                              sich inzwischen aus winzigen Rechtecken und Drei-
     und Entwicklungstools ge-      Die schießen wir in Form                                                                                                                              ecken zusammen, über zwei Millionen an der Zahl.
     hen auf das Unternehmen        von Gummipuppen plötzlich                                                                                                                             Pro Jahr finden über 50.000 virtuelle Crashtest
     zurück.                        über die Fahrbahn. Und was                                                                                                                            statt, sie beschäftigen eines der weltgrößten EDV-
        Dabei hat Mercedes-Benz     dann geschieht, interessiert                                                                                                                          Netzwerke: 5.000 Prozessoren brauchen einen Tag,
     immer den Kunden im Blick.     uns. Wir messen es. Jeder                                                                                                                             bis sie die 320.000 Millionen Rechenoperationen
     Schon Anfang der 1970er        Fahrer wird von vielen Mess-                                                                                                                          eines kompletten virtuellen Crashs erledigt haben.
                                                                    2008: Die Simulation erlaubt Einblick
                                                                    in alle Abläufe beim Crash

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GRUNDLAGEN ENTWICKLUNGSTOOLS

                                                                                               Transparenter Körper: Beim virtuellen
                               geräten begleitet, die jede        Seit 1985 finden die Pro-    Mensch-Modell werden am Rechner
                                                                                               die biomechanischen Eigenschaften
                               seiner Reaktionen aufzeich-     bandenversuche auch im
                                                                                               im Detail nachgebildet und untersucht,
                               nen: Lenkt oder bremst er       Saale statt: Da eröffnete       welche Belastungen im virtuellen
                               zuerst? Gibt er Vollgas, ver-   Mercedes-Benz den ersten        Crashtest entstehen
                               reißt er den Wagen? Und         Fahrsimulator – selbst ent-
                               wir messen, wie der Wagen       wickelt, da es damals zwar
                               auf den Fahrer reagiert: das    Flugzeugsimulatoren gab,
                               Ausbrechen, Querstellen         aber keine für Autos. Seit
                               oder Schleudern. (Im Test ist   2010 ist der neue Fahrsimu-
                               das ungefährlich.) So erfah-    lator im MTC in Sindelfingen
                                                               in Betrieb. Die Aufgabe blieb
                               DAS FAHRZEUG                    die gleiche. Normale Auto-
                                                               fahrer können sich gefahr-
                               SOLL DEN FAHRER                 los dem fahrphysikalischen
                               UNTERSTÜTZEN                    Grenzbereich nähern und so
                                                               den Ingenieuren Aufschluss
                               ren wir, wie Menschen in        geben über Akzeptanz und
                               bestimmten Situationen          Bedienung neuer Sicher-
                               beim Autofahren immer wie-      heitssysteme. Gleichzeitig
                               der reagieren. Das müssen       können die Ingenieure Sys-
                               wir bei der Konstruktion        teme und Komponenten
                               unserer Autos berücksichti-     künftiger Modelle in allen
                               gen, um menschliche Fehler      Entwicklungsphasen erpro-
                               aufzufangen. Unsere Art,        ben. Ein anderer, hochmo-
                               Autos zu bauen, verlangt        derner Prüfstand im MTC
                               das.“ So schilderte es eine     ist der „Ride-Simulator“. Er
                               Anzeige.                        wird mit den Fahrzeugdaten

      Gläsernes Auto: Dreidimensional
      projizierte digitale Prototypen erlauben
      den Ingenieuren, das Zusammenspiel
                                                                                                                                        VIRTUELLER DUMMY
                                                                                                                                                    DUMM
      aller Details und Komponenten im                                                                                                  Biomechanisches Mensch-Modell
      Dialog zu analysieren

                                                                                                                                        Virtuelle Mensch-Modelle geben genauer als ein Crashtest-
                                                                                                                                        Dummy Aufschluss, was mit den Fahrzeuginsassen bei
                                                                                                                                        einem Unfall geschieht. Denn diese digitalen Modelle simu-
                                                                                                                                        lieren auch die inneren Strukturen wie Knochen und Weich-
                                                                                                                                        teile. „Gelenke, Muskeln, Sehnen, Bänder, Knochen – all das,
                                                                                                                                        was den Menschen biologisch ausmacht, können wir mit
                                                                                                                                        Dummys nur sehr grob nachempfinden“, erläutert Sicher-
                                                                                                                                        heitsingenieur Dr. Hakan Ipek. „Einige Sitzpositionen, wenn
                                                                                                                                        beispielsweise der Fondpassagier schlummert und der
                                                                                                                                                                Gurt nicht korrekt über das Becken
                                                                                                                                                                  verläuft, sind mit einem Dummy
                                                                                                                                                                  schlichtweg nicht darstellbar.“

22                                                                                                                                                                                               23
GRUNDLAGEN ENTWICKLUNGSTOOLS

                                        Kontakt ohne Folgen: Für die Erprobung von Fahrassistenzsystemen nutzen die Ingenieure bei Mercedes-Benz das „Soft Crash Target“

                                                                                                                                                           und den Fahrbahnoberflä-
         Wiederholgenauigkeit:
         Fährt ein Fahrzeug einen                                                                                                                          chen realer Teststrecken pro-
         vorgeplanten Kurs mehrfach,                                                                                                                       grammiert, sodass die Inge-
         weichen die Fahrspuren aller                                                                                                                      nieure das neue Mercedes-
         Umläufe weniger als zwei                                                                                                                          Benz Modell bereits in einer
         Zentimeter voneinander ab
                                                                                                                                                           sehr frühen Projektphase
                                                                                                                                                           auf dem Prüfstand „fahren“
                                                                                                                                                           können.
                                                                                                                                                              Frühzeitiger Erprobung
                                                                                                                                                           dient auch das Konzept des
                                                                                                                                                           digitalen Prototyps. Alle
                                                                                                                                                           Komponenten des Autos sind

                                                                                                                                                           30 JAHRE BIS
                                                                                                                                                           ZUM VIRTUELLEN
                                        Fahren ohne Fahrer: Route und Manöver sind einprogrammiert,                                                        CRASHTEST
                                        Lenken, Bremsen und Gasgeben übernehmen Roboter

                                                                                                                                                           in ein flächiges Netz einer
                                                                                                                                                           virtuellen Fahrzeugstruktur
                                                                                                                                                           zerlegt. Es setzt sich aus
                                                                                                                                                           über zwei Millionen winzi-
                                        AUTOPILOT AM STEUER                                                                                                gen Rechtecken und Drei-
                                        Automatisch fahrende Testwagen                                                                                     ecken zusammen. Dadurch
                                                                                                                                                           ist eine weitaus präzisere
                                        Mercedes-Benz ist der erste Hersteller, der sicherheitskritische                                                   und detaillierte Verfor-
                                        und von Menschen nicht präzise reproduzierbare Fahrmanöver                                                         mungsanalyse möglich als
                                        mit Autopiloten auf geschlossenen Testgeländen ausführt. Das                                                       in den 1980er Jahren, als die
                                        „Automatisierte Fahren“ unterstützt die Entwicklung, Prüfung                                                       Ingenieure der damaligen
                                        und Absicherung von Assistenzsystemen, aber auch zum Beispiel                                                      Daimler-Benz AG begannen,
                                        Missbrauchstests für Airbags. Tests im Grenzbereich können so                                                      an der Vision des virtuellen
                                        ohne Gefahr und gesundheitliche Belastung für die Entwickler                                                       Crashtests zu arbeiten und
                                        durchgeführt werden. Die Versuchsträger sind Serienfahrzeuge,                                                      die Elemente mit 25 Millime-
                                        die mit Robotern für Lenkung, Gas und Bremse versehen sind.                                                        tern noch wesentlich größer

24                                                                                                                                                                                         25
GRUNDLAGEN ENTWICKLUNGSTOOLS

     Weiche Landung für Dummys: Die aktuelle A-Klasse beim Crashtest

                       waren. Und doch dauerte
                       es damals noch gute fünf
                       Tage, bis bei einer Crashtest-
                       simulation der Großrechner
                       die Berechnung fertig hatte
                                                                                                                                                                                                                    Dachfalltest: Die Simulation
                       – heute vergeht zwischen
                                                                                                                                                                                                                    eines Überschlags muss jeder
                       Aus- und Eingabe der unver-                                                                                                                                                                  Mercedes-Benz bestehen –
                       gleichlich komplexeren                                                                                                                                                                       einer der Tests, die nicht
                       Daten kaum noch ein Tag.                                                                                                                                                                     gesetzlich vorgesehen sind
                          Und selbst der Crashtest-
                       Dummy (siehe Seite 164),
                       seit 50 Jahren das Symbol
                       wissenschaftlicher Unfall-
                       versuche, kommt langsam
                       aufs Altenteil. Seit rund               Doch bei allen ausgeklü-     ellen Testgelände in Sindel-
                       15 Jahren beschäftigt sich           gelten Simulations- und Be-     fingen zur Erprobung von                                                                               ORGANISIERTES ZERBRECHEN
                       Mercedes-Benz mit virtuel-           rechnungsmethoden bleiben       Assistenzsystemen. Auch                                                                                Crashtests bei Daimler seit 1959
                       ler Biomechanik. Virtuelle           Versuche mit realen Auto-       hier haben die Ingenieure
                       Mensch-Modelle bilden die            mobilen unverzichtbar. Sei      des Unternehmens Pionier-
                                                                                                                                                                                                   Die ersten Aufprallversuche, die Mercedes-Benz
                       inneren Strukturen des Kör-          es bei Crashtests, die von      arbeit geleistet: Als erster
                                                                                                                                                                                                   bereits Ende der 1950er Jahre durchführte,
                       pers nach. Er besteht in dem                                         Hersteller setzt das Unter-
                                                                                                                                                                                                   waren spektakulär: Seilwinden oder Heißwasser-
                       Berechnungsmodell aus                                                nehmen Fahrroboter ein,        Raketenunfall: Das Triebwerk hat sich nicht vom Versuchsträger gelöst
                                                            FAHRROBOTER                                                                                                                            raketen trieben die Autos an. Crashtests bilden
                       etwa 1.400 unterschiedli-                                            um Fahrmanöver reprodu-
                       chen Materialien mit unter-
                                                            ALS TESTFAHRER                  zierbar und ohne gesund-
                                                                                                                                                                                                   immer noch die Grundlage der Sicherheitsent-
                                                                                                                                                                                                   wicklung bei Mercedes-Benz. Heute werden die
                       schiedlichen biomechani-             IN SIM-CITY                     heitliche Belastungen für
                                                                                                                                                                                                   Fahrzeuge allerdings von einer High-Tech-Seilzug-
                       schen Eigenschaften. Um                                              die Entwickler durchführen
                                                                                                                                                                                                   anlage beschleunigt. Im Sindelfinger Entwick-
                       dies nachzubilden, wird das          Mercedes-Benz schon seit        zu können. Wobei auf das
                                                                                                                                                                                                   lungszentrum finden jährlich rund 500 solcher
                       Modell einmal aus Millionen          über 50 Jahren systematisch     menschliche Beurteilungs-
                                                                                                                                                                                                   Aufprallversuche statt. Insgesamt müssen neue
                       finiter Elemente bestehen.           betrieben werden und ab         vermögen keineswegs ver-
                                                                                                                                                                                                   Mercedes-Benz Personenwagen aktuell fast vier
                       Heute sind es erst rund              Seite 148 dieser Broschüre      zichtet werden kann. Herz-
                                                                                                                                                                                                   Dutzend verschiedene Crashtests absolvieren –
                       100.000. Laufend fließen             ausführlich dargestellt         stück der Entwicklung bleibt
                                                                                                                                                                                                   viele davon sind nicht gesetzlich vorgeschrieben.
                       medizinische und gerichts-           werden.                         immer die reale Erprobung
                       medizinische Erkenntnisse               Oder sei es bei Fahrversu-   mit realen Autos und realen
                       ein, um es zu verfeinern.            chen in SIM-City, dem spezi-    Testern. ■

                                                                                                                           Korkenzieher: Überschlag nach der Fahrt über die spezielle Rampe

26                                                                                                                                                                                                                                                     27
GRUNDLAGEN UNFALLFORSCHUNG

     UNFALLFORSCHUNG

     DIE REALITÄT
     IST DER MASSSTAB
     SEIT 45 JAHREN SAMMELN DIE UNFALLFORSCHER VON MERCEDES-
     BENZ INFORMATIONEN ÜBER ART UND ABLAUF VON UNFÄLLEN, DAS
     VERFORMUNGSVERHALTEN DER KAROSSERIEN SOWIE DIE VERLETZUNGS-
     URSACHEN. DIE ERKENNTNISSE FLIESSEN IN DIE KONSTRUKTION
     NEUER MODELLE EIN UND DIENEN ALS BASIS ZUR ENTWICKLUNG
     PRAXISGERECHTER PRÜFVERFAHREN UND NORMEN.

                                          ren des Automobilunterneh-          sem Gebiet hatte Daimler-
                                          mens: die Bitte um Polizei-         Benz bereits zwei Jahre

     D
             er 29. Januar 1969           unterstützung bei der Re-           zuvor bei einem sechsmona-
             ist ein kalter, grauer       konstruktion und Analyse            tigen Pilotversuch gesam-
             Wintertag. Im Innen-         von Verkehrsunfällen,               melt: Von Januar bis Juni
     ministerium des Landes               an denen Mercedes-Benz              1967 untersuchten Mitarbei-
     Baden-Württemberg treffen            Modelle beteiligt sind.             ter des Automobilherstellers
     sich Regierungsbeamte und               Auf diese Weise wollen           in Zusammenarbeit mit der
     Polizeikommissare mit Ver-           die Entwicklungsingenieure          Polizei schwere Verkehrs-
     tretern der damaligen Daim-          Erkenntnisse aus der Unfall-        unfälle, die sich im Land-
     ler-Benz AG zu einer mehr-           praxis gewinnen und für die         kreis Böblingen und auf der
     stündigen Sitzung. Auf der           weitere Verbesserung der            Autobahn 8 ereignet hatten.    Detektivisch ermitteln Unfallforscher
     Tagesordnung steht ein               Insassensicherheit nutzen.             Bei der Konferenz im        wie Roland Krajewski unter anderem, wie die
     außergewöhnliches Begeh-             Erste Erfahrungen auf die-          Ministerium will das Unter-    Insassen von den Airbags geschützt wurden

        80 bis 100 Mal pro Jahr rücken die Unfallforscher von Mercedes-Benz
        aus, um schwere Karambolagen zu untersuchen

                                                                                                                   „IN JEDEM ANDEREN WAGEN
                                                                                                                 WÄRE ICH WAHRSCHEINLICH NICHT                           „IM INNENRAUM DES AUTOS WAR
                                                                                                                     MEHR AUF DIESER WELT.“                                SO GUT WIE KEIN SCHADEN.“

                                                                                                                     PETER ITEN überlebte am 9.4.2008 in einer           JANA BERGNER wurde am 20.8.2010
                                                                                                                     Mercedes-Benz M-Klasse eine Massenkarambolage mit   in seiner CLS-Klasse von einem sechs Tonnen
                                                                                                                     73 Fahrzeugen zwischen Lausanne und Vevey           schweren Traktor überrollt

28                                                                                                                                                                                                                     29
GRUNDLAGEN UNFALLFORSCHUNG

                                                                                                                                                                                                                        -35                            Schwerverletzte und Getötete

                                                                                                                                                                                                                                                   -20                   Leichtverletzte
     nehmen dieses Forschungs-
     projekt auf eine breitere und
                                                                                                                                                                                                                  -40         -30             -20             -10                0
     vor allem dauerhafte Basis                                                                                                                                                                                                        Reduktion des Verletzungsrisikos in Prozent
     stellen. Mit Erfolg: Die Leiter                                                                                                                                                                                                   Untersuchungszeitraum 2003-2007         Quelle: GIDAS
     der Polizeidienststellen sig-
     nalisieren erneut Kooperati-
     onsbereitschaft. Per Schnell-
     brief werden sofort die nach-
     geordneten Behörden infor-
     miert und um Unterstützung
     gebeten. Am 29. April 1969
     fällt schließlich der offizielle
     Startschuss für das Projekt
     Unfallforschung. Nachdem
     weitere Einzelheiten geklärt
     sind, verfügt das Innenmi-
     nisterium unter dem Akten-
     zeichen III 5304/126, dass
     die Polizeidienststellen den
     Autohersteller künftig telefo-                                                                                                                                                                                     DETAILANALYSE Moderne Assistenzsysteme
     nisch über Verkehrsunfälle                                                                                                                                                                                         reduzieren das Verletzungsrisiko

     SCHWERE UNFÄLLE                                                                                                                                                                                                    2009 wurde erneut der Nachweis erbracht, dass Mercedes-
                                                                                                                                                                                                                        Benz Fahrer mit modernen Assistenzsystemen sicherer unter-
     IM UMKREIS VON                                                                                                                                                                                                     wegs sind. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung der
     200 KILOMETERN                                                                                                                                                                                                     Mercedes-Benz Unfallforschung auf Basis von GIDAS-Unfall-
                                                                                                                                                                                                                        daten und einer Ersatzteilabfrage. Dabei wurden Fahrzeuge
     informieren, dass Vertreter                                                                                                                                                                                        betrachtet, die zum einen mit und zum anderen ohne Assistenz-
     des Unternehmens die Un-                                                                                                                                                                                           system unterwegs waren. Das Ergebnis ist eindeutig: DISTRO-
     fallakten einsehen und die                                                                                                                                                                                         NIC PLUS mit BAS PLUS und PRE-SAFE® Bremse reduzieren
     zuständigen Polizisten zum                                                                                                                                                                                         das Risiko, bei Frontalkollisionen im auffahrenden Fahrzeug
     Unfallhergang befragen                                                                                                                                                                                             schwer verletzt oder getötet zu werden, um 35 Prozent.
     dürfen. Begründung: „Das
     Innenministerium unter-
     stützt die werkseigenen For-
     schungsarbeiten der Daim-
     ler-Benz AG, da sie von all-                 Dutzende von Fotos, Skizzen sowie am Unfallort erhobene Daten und Messwerte
     gemeiner Bedeutung für die                   helfen bei der systematischen Rekonstruktion der Kollision

     Verkehrssicherheit sind.“
        Dank der guten Zusam-                                                                                                                                                                                                      „WENN MAN NACH EINEM
     menarbeit mit Behörden und         Kilometer im Umkreis von           Lupe zu nehmen. Seit Grün-           ge nach dem Aufprall? Gibt                                                                                      SOLCHEN CRASH SIEHT, DASS
     Polizeistationen vergrößerte       Sindelfingen.                      dung der Abteilung Unfall-           es Brems- oder Schleuder-
     sich das Einsatzgebiet der            45 Jahre Mercedes-Benz          forschung haben die Mitar-           spuren? Wie stark hat sich          „ICH BIN ÜBERZEUGT, DASS                                                        DER MERCEDES-FAHRER
     Mercedes-Benz Unfallfor-           Unfallforschung, das bedeu-        beiter insgesamt bereits über        die Karosserie verformt?         MIR MERCEDES-BENZ MEIN LEBEN                                                 SELBSTSTÄNDIG AUSSTEIGT, DANN
     schung in den folgenden Jah-       tet 45 Jahre akribische De-        4.200 Verkehrsunfälle unter-         Haben Airbag und Gurtstraf-
                                                                                                                                                          GERETTET HAT.“                                                      IST DAS SCHON BEEINDRUCKEND.“
     ren mehrmals. Heute er-            tailarbeit und Datensamm-          sucht und rekonstruiert.             fer ausgelöst? Gibt es Auffäl-
     streckt es sich von Baden-         lung. Heute sind die Unfall-          Die Arbeit der Forscher           ligkeiten im Innenraum des
     Baden bis Ulm, von Mann-           forscher jährlich rund 80 bis      beginnt meist am Ort des             verunglückten Mercedes-
                                                                                                                                                  BERND VAN HUSEN erlitt am 10.6.2008 bei einer Kollision mit                   DAVID HEINKELE, Feuerwehr Böblingen
     heim bis Freiburg und von          100 Mal auf Achse, um              Geschehens: Wie hat sich             Benz Modells? Welche Ver-         einem Geisterfahrer auf der A81 in seiner C-Klasse nur Prellungen
     Tauberbischofsheim bis             schwere Karambolagen un-           der Unfall ereignet? Welche          letzungen erlitten die Insas-
     Freudenstadt – rund 200            ter ihre wissenschaftliche         Stellung hatten die Fahrzeu-         sen? Welche Fahrassistenz-

30                                                                                                                                                                                                                                                                                             31
GRUNDLAGEN UNFALLFORSCHUNG

                              systeme hätten zu einer Un-            der jeweiligen Brems- oder            nieure im Laufe der Zeit ein
                              fallvermeidung oder Minde-             Schleuderspuren mit den               genaues Bild über typische
                              rung der Unfallschwere bei-            Konstruktions- und Fahr-              Verletzungen bekommen
                              getragen? Fragen über Fra-             dynamikdaten des verun-               und Erkenntnisse für die
                              gen, deren Antworten per               glückten Fahrzeugs und                Entwicklung neuer, noch
                              Tablet-PC elektronisch fest-           rekonstruiert auf diese               wirksamerer Schutzsysteme
                              gehalten werden. Hinzu                 Weise den Unfallhergang.              gewinnen. Mit Hilfe der so
                              kommen Dutzende von Fo-                                                      genannten prospektiven
                              tos, Laserscans, Skizzen und           RUND 80 SEITEN                        Effizienzanalyse finden die
                              Verletzungsprotokollen.                                                      Unfallforscher außerdem
                              Wenn schließlich alle Infor-
                                                                     UNFALLBERICHT                         heraus, welche Folgen ein
                              mationen vorliegen, erfolgt            MIT VIELEN FOTOS                      Unfall gehabt hätte, wäre
                              die systematische Rekonst-                                                   eine bestimmte Sicherheits-
                              ruktion der Kollision.                 Am Bildschirm erkennen die            einrichtung an Bord gewe-
                              Dabei hilft den Forschern              Fachleute dann, wie sich das          sen. Die Unfallforschung ist
                              eine spezielle Software, die           Auto vor, während und nach            ein wesentlicher Baustein
                              die am Unfallort erhobenen             der Kollision bewegte.                für die Sicherheitsphiloso-
                              Daten und Messwerte in be-               Die Ergebnisse werden               phie „Real Life Safety“ –
                              wegte Bilder verwandelt.               schließlich mit den Daten             der Orientierung am realen
                              Dazu kombiniert der Rech-              anderer Unfälle verglichen,           Unfallgeschehen, nicht an
                              ner beispielsweise die Länge           sodass die Automobilinge-             Laborprüfungen allein. ■

                                                                                                                                                                                                                                                                                   Alle Informationen über den
                                                                                                                                                                                                                                                                                   Crash werden gespeichert und
                                                                                                                                                                                                                                                                                   später für die Computersimulation
                                                                                                                                                                                                                                                                                   des Unfallhergangs genutzt

                                                                                                                                                            Alle Informationen über den Crash werden gespeichert – hier vom Leiter der Unfallanalyse Heiko Bürkle – und später für die Rekonstruktion des Unfallhergangs genutzt

                                                                                                                                                                                                                                                                 „JE MEHR INFORMATIONEN
                                                                                                                                                                                                                                                                 WIR HABEN, UMSO BESSER
                                                                                                                                                                            „BEI JEDEM UNFALL                                                                    KÖNNEN WIR DAS PUZZLE
                                                                                                                                                                        GIBT ES ETWAS ZU LERNEN.“                                                                   ZUSAMMENSETZEN.“
     Frühe Untersuchungen: Schon vor der systematischen Unfallforschung schauten sich die Ingenieure Unfallwagen kritisch an – hier ein Mercedes-Benz 300
                                                                                                                                                                      UWE NAGEL, seit über 20 Jahren Unfallforscher bei Mercedes-Benz                        DIRK OCKEL, Leiter Mercedes-Benz Unfallforschung

32                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          33
GRUNDLAGEN BÉLA BARÉNYI

                                                                                            Blick fürs Detail: Konstrukteur Barényi (Bildmitte)
                                                                                            begutachtet ein Fahrzeug aus dem Crashversuch. Bis
                                                                                            1974 leitete er die Vorentwicklung bei Daimler-Benz

     BÉLA BARÉNYI

     DER VATER DER SICHERHEIT
     DER GENIALE INGENIEUR BARÉNYI (1907-1997) ARBEITETE VON 1939 BIS 1974 BEI DAIMLER. ER WAR DER
     URHEBER VON ÜBER 2.500 ANGEMELDETEN PATENTEN, VIELE DAVON ZU GRUNDLAGEN DER AUTO-
     MOBILEN SICHERHEIT. ER ERFAND DIE SICHERHEITSZELLE, DIE VON KNAUTSCHZONEN GESCHÜTZT WIRD.

                                   genieur bei Daimler-Benz        ten Passagierzelle mit           gastzelle geschützt. Seither
                                   der Verbesserung von Per-       Knautschzonen. Das 1951          hat sich dieser Aufbau von

     W
                egweisende Ideen   sonenwagen-Karosserien.         angemeldete Patent setzt         Personenwagen weltweit                        Bleibendes Vermächtnis:
                                                                                                                                                  Die Sicherheitskarosserie mit
                hatte Béla Baré-   Daraus entsteht 1941 das Pa-    Daimler-Benz erstmals in         durchgesetzt.
                                                                                                                                                  stabiler Fahrgastzelle und
                nyi schon früh:    tent auf einen verbesserten     der Baureihe W 111 („Heck-          Auch Barényis Sicher-                      definierten Knautschzonen hat
     Während des Studiums in       Plattformrahmen, der durch      flosse“) des Jahres 1959         heitslenkwelle, die beim                      Mercedes-Benz Konstrukteur
     den 1920er Jahren arbeitete   besondere Verwindungsstei-      um. Die Knautschzonen ver-       Frontalaufprall definiert                     Béla Barényi erfunden. Sie
     er am Konzept eines moder-    figkeit „Dröhn- und Schüttel-   formen sich bei einem Unfall     nachgibt, setzt sich durch.                   wurde 1951 patentiert und
                                                                                                                                                  1959 im Mercedes-Benz 220
     nen Automobils mit Zentral-   erscheinungen“ minimiert.       und bauen kontrolliert die       1963 wird sie patentiert,
                                                                                                                                                  SE umgesetzt
     rohrrahmen und luftgekühl-       Aus seinen Studien von       kinetische Energie aus der       als vollständiges System hat
     tem Boxermotor, das Porsche   Automobilen in Zellenbau-       Kollision ab. Die Insassen       diese Sicherheitslenkung
     später beim VW realisierte.   weise entwickelt Barényi        des Wagens werden gleich-        1976 im E-Klasse-Vorgänger
     Ab 1939 widmet sich der In-   das Konzept der gestaltfes-     zeitig von der stabilen Fahr-    W 123 Premiere. ■

34                                                                                                                                                                       35
GRUNDLAGEN EXPERIMENTAL-SICHERHEITS-FAHRZEUGE

                                                                               Aufblasbare Metallstrukturen, die Strukturbauteilen in Sekundenbruchteilen
                                                                               mehr Stabilität geben, zählen zu den Highlights des ESF 2009

             ESF 2009

             DIE ZUKUNFT
             ERLEBEN
             DAS ESF IST 2009 DAS ERSTE EXPERIMENTAL-SICHERHEITS-FAHRZEUG
             VON MERCEDES-BENZ SEIT 1974. WIE SEINE HISTORISCHEN VORGÄNGER
             FASST ES WEGWEISENDE INNOVATIONEN AUF DEM GEBIET DER FAHR-
             ZEUGSICHERHEIT ANSCHAULICH ZUSAMMEN UND MACHT DEN FORT-
             SCHRITT SO ERLEBBAR. EINIGE SEINER INNOVATIONEN WIE DER BELTBAG
             SIND BEI MERCEDES-BENZ INZWISCHEN IN SERIE GEGANGEN.

36                                                                                                                                                          37
GRUNDLAGEN EXPERIMENTAL-SICHERHEITS-FAHRZEUGE

                                             PRE-SAFE® Structure: Die-        Interactive Vehicle Com-      prallrichtung. Dadurch kön-
                                           se aufblasbaren Metallstruk-     munication: Das ESF 2009        nen das Verletzungsrisiko

     A
              nhand des Experi-            turen sparen Gewicht oder        kann mit anderen Fahrzeu-       und die Verletzungsschwere                                                      Auf Strich-8-Basis
              mental-Sicherheits-          erhöhen die Stabilität von       gen direkt oder über Relais-    bei Frontalcrashs erheblich                                                     steht das ESF 5 (1971),
              Fahrzeugs ESF 2009           Strukturbauteilen. Im Ruhe-      stationen kommunizieren.        reduziert werden.                                                               ausgestattet unter ande-
                                                                                                                                                                                            rem mit Fahrer- und Bei-
     enthüllte Mercedes-Benz               zustand ist das Metallprofil     Über „Ad hoc“-Netzwerke           Spotlight-Lichtfunktion:
                                                                                                                                                                                            fahrer-Airbag und zwei
     auf der 21. Internationalen           platzsparend gefaltet. Wird      und WLAN-Funktechnik            Das partielle LED-Fernlicht                                                     Airbags in den Rücken-
     Fahrzeug-Sicherheitskonfe-            seine schützende Wirkung         kann es beispielsweise          strahlt potenzielle Gefahren-                                                   lehnen der Vordersitze
     renz in Stuttgart, woran die          benötigt, sorgt ein Gasgene-     Schlecht wetter- oder Hinder-   stellen an. Erkennt die Infra-                                                  für die Fondpassagiere
     Sicherheitsexperten seiner-                                            niswarnungen empfangen          rot-Kamera des Nachtsicht-
     zeit forschten und arbeiteten         ZEITHORIZONT                     und senden.                     Assistenten Plus Personen
     – mit einem Zeithorizont,                                                PRE-SAFE® Pulse: Diese        auf der Fahrbahn, können
     der zum Teil viele Jahre in
                                           WEIST OFT WEIT                   PRE-SAFE® Weiterent wick-       diese wie mit einem Richt-
                                                                                                                                               Zum Schutz von Fußgängern und Zweirad-
                                                                                                                                               fahrern sind Front- und Heckstoßfänger des
     die Zukunft wies. Einige              IN DIE ZUKUNFT                   lung kann die Oberkörperbe-     scheinwerfer kurz ange-            ESF 13 (1972) mit geschäumten Seitenteilen
     Innovationen indes fanden                                              lastung der Insassen beim       strahlt werden. Auch dies ist      ausgerüstet, die Türgriffe sind abgerundet
     schon den Weg in die Serie:           rator in Sekundenbruchtei-       Seitencrash um rund ein         inzwischen Realität.
     2013 debütierte der Beltbag           len für einen Innendruck         Drittel reduzieren, indem          Mit dem ESF 2009 greift
     in der neuen S-Klasse, eben-          von 10 bis 20 bar, das Profil    diese vorher präventiv um       Mercedes-Benz eine langjäh-
     so im selben Jahr die Inter-          wird entfaltet und erhält        bis zu 50 Millimeter durch      rige Tradition auf: Für die
     active Vehicle Communi-               deutlich mehr Stabilität.        Aufblasen der Luftkammern       ESV-Sicherheitskonferenzen
     cation (siehe Seite 178). Mit            Braking Bag: Diese im         in den Sitzwangen zur Fahr-     der Jahre 1971 bis 1975 bau-
     Active Multibeam LED (siehe           Fahrzeugboden unterge-           zeugmitte bewegt werden.        ten die Stuttgarter Sicher-
     Seite 128) folgt in diesem            brachte Zusatzbremse ist         Ein ähnliches System ist in     heitsexperten über 30 Ver-
     Jahr auch bei der Lichttech-          eine neuartige Komponente.                                       suchsfahrzeuge und erprob-
     nologie der nächste Schritt.          Wird ein Aufprall von Sen-       VIELE VISIONEN                  ten sie bei Crashtests, um
        Entwickelt und realisiert          sorik und Steuergerät als                                        die seit jeher visionären Si-
     wurde das ESF 2009 kom-               sicher prognostiziert, entfal-
                                                                            FANDEN SCHON DEN                cherheitsanforderungen von
     plett in der Versuchsfahr-            tet sich der „Braking Bag“       WEG IN DIE SERIE                Mercedes-Benz zu erreichen.
     zeug-Werkstatt in Sindel-             kurz vor der Kollision und                                       Vier dieser ESF (Experimen-
     fingen. Das Experimental-             stützt das Fahrzeug über         der aktuellen S-Klasse reali-   tal-Sicherheits-Fahrzeug)
     Sicherheits-Fahrzeug auf              einen Reibbelag gegen die        siert: Bei PRE-SAFE® Impuls     wurden der Öffentlichkeit
     Basis eines Mercedes-Benz             Fahrbahn ab. Das Brems-          bewegt der Sicherheitsgurt      vorgestellt, viele der revoluti-
     S 400 HYBRID zeigt über ein           nicken des Fahrzeuges er-        Fahrer und Beifahrer in ei-     onären Ideen wie ABS oder
     Dutzend Sicherheitsinnova-            höht die Reibung und bremst      ner frühen Crashphase noch      Airbag gingen in den folgen-
     tionen. Zu den Highlights             es bis zum Aufprall zusätz-      vor dem Anstieg der auf-        den Jahren dann bei Merce-
     des ESF 2009 zählen diese             lich ab (siehe auch Seite 73     prallbedingten Insassenver-     des-Benz als erstem Herstel-
     fünf Innovationen:                    in diesem Magazin).              zögerung entgegen der Auf-      ler in Serie. ■

     Eine Vorbauverlängerung um 15 Zentimeter
     mit hydraulischen Pralldämpfern besitzt das
     ESF 22 (1971). Zur Ausstattung zählen vier
     Dreipunktgurte mit je drei Kraftbegrenzern
     und einem Gurtstraffer

                                                                                                                                                                                            Mit ABS, Fahrer-Airbag,
                                                                                                                                                                                            Gurtstraffer und
                                                                                                                                                                                            Gurtkraftbegrenzer
                                                                                                                                                                                            besitzt das ESF 24 (1974)
                                                                                                                                                                                            moderne Rückhalte-
                                                                                                                                                                                            systeme. Entstanden
                                                                                                                                                                                            ist es auf Basis der
                                                                                                                                                                                            S-Klasse (W 116)

38                                                                                                                                                                                                                      39
GRUNDLAGEN DATEN, FAKTEN, KURIOSES

                                                                                                                                       60                 LENKRÄDER

             Hätten Sie’s
                                                                                                                                       Schon seit den 1930er Jahren beschäftigte sich Erfinder
                                                                                                                                       Béla Barényi mit Lenkrädern und Lenksäulen – sie waren
                                                                                                                                       die Hauptursache für schwere und tödliche Verletzungen
                                                                                                                                       von Autofahrern. Mit einer Reihe von Patenten sicherte er seine Er-

                GEWUSST?
                                                                                                                                       kenntnisse ab. Für eine Publikation („Wege zum ausgewogenen Alltags-
                                                                                                                                       auto von morgen“; 1976) analysierte Barényi 60 auf dem Markt angebo-
                                                                                                                                       tene Lenkräder und kam zu einem harschen Urteil: „Bei gut 90 Prozent
                                                                                                                                       aller derzeit im Weltautobau eingesetzten Lenkräder handelt es sich
                                                                                                                                       um ausgemacht kriminelle Instrumente.“ Und weiter: „Bei relativ harm-
                                                                                                                                       losen Auffahrunfällen entstehen entsetzliche Verletzungen, weil die
                                                                                                                                       Lenkeinrichtungen in das Wageninnere eindringen können … und die
                                                                                                                                       seit Jahrzehnten bekannten Maßnahmen … nicht angewendet werden.“

     300                      KILOGRAMM

                                                                                                                                                                                                               4.200
                                                                                           Die von Mercedes-Benz in den Jahren
                                                                                           1971 bis 1974 in mehr als 30 Exempla-
                                                                                           ren gebauten Experimental-Sicherheits-
                                                                                           Fahrzeuge (ESF) erfüllten zwar die von

                                                                                                                                       1.500
                                                                                           der amerikanischen National Highway
                                                                                           Traffic Safety Administration gestellten                                                                            UNFÄLLE
                                                                                           Anforderungen (im Bild: ESF 21 nach
                                                                                           einem Offset-Crash). Sie hatten aber                                                                                Bereits 1969 begann Daimler mit der
                                                                                           bis zu 300 Kilogramm zusätzliche Ver-                                                                               systematischen Untersuchung realer
                                                                                           stärkungen an Bord und erwiesen sich        SIMULATIONEN                                                            Unfälle von Mercedes-Benz Personen-
                                                                                           als zu schwer. Eine realitätsnahere Ziel-                                                                           wagen, ein Jahr darauf zogen die Last-
                                                                                           setzung (Senkung der Aufprallgeschwin-      Die C-Klasse der Baureihe 203 war im Jahr                               wagen-Kollegen nach. Bis zu hundert
                                                                                           digkeit gegen eine feste Barriere von       2000 eines der ersten Autos, bei dem Crash-                             Mal im Jahr rücken die Forscher aus,
                                                                                           80 auf 65 km/h) und intensive weitere       test-Simulationen eine ernsthafte Rolle in der                          um Unfälle akribisch zu dokumentieren
                                                                                           Grundlagenforschung waren greifbare         Entwicklung spielten – über 1.500 Simulationen                          und zu analysieren. Dazu gehören auch
                                                                                           Ergebnisse der ESF-Aktivitäten.             wurden durchgeführt. Der 2007 vorgestellte                              Fotos aus der Vogelperspektive. Inzwi-
                                                                                                                                       Nachfolger war dann das weltweit erste Serien-                          schen umfasst die Datenbank über
                                                                                                                                       auto, das nach der zukunftsweisenden Methode                            4.200 Verkehrsunfälle.
                                                                                                                                       eines Digitalen Prototyps (DPT) entwickelt wur-

     250.000
                                                                                                                                       de. Erstmals wurden alle Simulationsmethoden
                                                                                                                                       gebündelt und auf diese Weise ein komplettes
                                                                                                                                       virtuelles Auto erzeugt. Neben der hohen Ent-
                                                          EURO                                                                         wicklungsgeschwindigkeit liegt der entscheiden-
                                                                                                                                       de Vorteil der Computersimulation gegenüber
     Die ersten speziell für Sicherheitsversuche konstruierten Puppen wurden 1949 in den                                               realen Crashtests nicht nur darin, dass die Fahr-
     USA zur Erprobung von Düsenjäger-Schleudersitzen eingesetzt und später auch von                                                   zeuge dabei nicht zerstört werden. Noch wichti-
     der Autoindustrie übernommen. Erste Crashtest-Dummys speziell für die automobile                                                  ger ist, dass die Ingenieure im Detail erkennen
     Sicherheitsforschung wurden Ende der 60er Jahre entwickelt. Seither entstanden                                                    und verfolgen können, was bei einem Aufprall
     immer ausgefeiltere Puppen. Ein aktueller Dummy kostet bis zu 250.000 Euro.                                                       tatsächlich passiert.

40                                                                                                                                                                                                                                                      41
Foto: Herbert Spichtinger/Corbis
PRE-SAFE

           MIT DEM PRÄVENTIVEN INSASSENSCHUTZ-

           SYSTEM PRE-SAFE ® STARTETE MERCEDES-

           BENZ 2002 IN EINE NEUE ÄRA DER FAHR-

           ZEUGSICHERHEIT.   PRE-SAFE ® KANN
           VORSORGLICH SCHUTZMASSNAHMEN FÜR

           DIE AUTO-PASSAGIERE AKTIVIEREN. ZIEL IST

           ES, INSASSEN UND AUTO AUF DEN DROHEN-

           DEN ZUSAMMENSTOSS VORZUBEREITEN,

           SODASS GURTE UND AIRBAGS BEIM AUF-

           PRALL IHRE VOLLE SCHUTZWIRKUNG ENT-        SIEBEN LEBEN
                                                      KATZEN sind wahre Überlebenskünstler: Selbst wenn sie aus
                                                      großer Höhe abstürzen, treten Seh- und Gleichgewichtssinn
           FALTEN KÖNNEN.                             blitzschnell in Aktion, sodass sie sicher auf ihren Pfoten landen.

 42                                                                                                                        43
PRE-SAFE GRUNDFUNKTIONEN
                                                                                        VORSORGLICHE
                                                                                        SCHUTZMASSNAHMEN

                                                                                        AUTO MIT
                                                                                        SCHUTZREFLEXEN
                                                                                        VOR ÜBER ZEHN JAHREN GING PRE-SAFE ® BEI MERCEDES-BENZ
                                                                                        IN SERIE. DIE SCHUTZMASSNAHMEN DER ERSTEN GENERATION:
                                                                                        REGISTRIERT DAS AUTO MIT HILFE DER ESP ® SENSORIK EINE
                                                                                        FAHRKRITISCHE SITUATION, WERDEN DIE SICHERHEITSGURTE
                                                                                        VON FAHRER UND BEIFAHRER VORSORGLICH GESTRAFFT, DER
                                                                                        BEIFAHRERSITZ MIT MEMORY-PAKET (SONDERAUSSTATTUNG) IN
                                                                                        EINE UNTER UNFALLBEDINGUNGEN BESSERE POSITION GEBRACHT
                                                                                        UND DAS SCHIEBEDACH AUTOMATISCH GESCHLOSSEN.

     Pfeile veranschaulichen die PRE-SAFE ® Grundfunktionen, hier am Beispiel
     einer C-Klasse (W 204) von 2006: Die Sicherheitsgurte von Fahrer und
     Beifahrer werden vorsorglich gestrafft (rote Pfeile), die Seitenscheiben sowie
     das Schiebedach geschlossen (blau) und der elektrisch verstellbare Beifahrersitz
     automatisch in eine für den Crashfall günstigere Position gebracht (orange)

44                                                                                                                                               45
PRE-SAFE GRUNDFUNKTIONEN

                                               Wie viele Leben PRE-           Und wie wichtig und
                                            SAFE ® inzwischen gerettet     wirksam der präventive In-

             Ü
                      ber zehn Jahre nach   und wie viele Verletzungen     sassenschutz ist, zeigen
                      der Weltpremiere      es verhindert oder gemildert   Untersuchungen bei Crash-
                      des vorbeugenden      hat, lässt sich statistisch    versuchen. Beispiel Gurt-
             Insassenschutzsystems          nicht ermitteln. Aber die      straffung: Weil Fahrer und
             PRE-SAFE ® im Herbst 2002      Mercedes-Benz Unfallfor-       Beifahrer durch diese vor-
             in der S-Klasse (W 220)        schung hat analysiert, dass    sorgliche Maßnahme best-
             ist PRE-SAFE ® in aktuell      über zwei Dritteln aller       möglich in ihren Sitzen ge-
             16 Baureihen quer durch                                       halten sind und sich zum
             das Modellprogramm von         IN INSGESAMT                   Beispiel als Folge einer Not-
             Mercedes-Benz Cars von der                                    bremsung nicht schon vor
             A- bis zur S-Klasse verfüg-
                                            16 BAUREIHEN                   dem Aufprall weit nach vor-
             bar und kann aktuell in        VERFÜGBAR                      ne bewegen, verringern sich
             bis zu 13 unfallträchtigen                                    die Belastungen. Der Kopf
             Szenarien vorbeugende Maß-     Verkehrsunfälle kritische      des Dummys wird bei diesen
             nahmen ergreifen. Mehr als     Fahrsituationen vorausge-      Tests um rund 30 Prozent
             die Hälfte aller Mercedes-     hen, die bereits Rückschlüs-   weniger belastet, und am
             Benz Pkw-Baureihen besit-      se auf eine Gefahr oder eine   Hals haben die Mercedes-
             zen PRE-SAFE ® serienmä-       drohende Kollision erlauben.   Benz Ingenieure eine rund
             ßig. In der neuen S-Klasse     PRE-SAFE ® ist somit ein we-   40 Prozent geringere Belas-
             hat Mercedes-Benz das          sentliches Element der ganz-   tung festgestellt.
             PRE-SAFE ® System um neue      heitlichen Sicherheitsphilo-      PRE-SAFE ® kann vorsorg-
             Funktionen erweitert (siehe    sophie „Real Life Safety“      lich Schutzmaßnahmen für
             nächste Doppelseite).          von Mercedes-Benz.             die Auto-Passagiere aktivie-
                                                                           ren. Ziel ist es, Insassen und
                                                                           Auto auf den drohenden           Zwei Dritteln aller Unfälle gehen kritische Fahrsituationen voraus, hat die Mercedes-Benz Unfallforschung analysiert
                                                                           Zusammenstoß vorzuberei-
             DIE HISTORIE von PRE-SAFE ®                                   ten, sodass Gurte und Air-
                                                                           bags beim Aufprall ihre
              2002    Einführung in der S-Klasse (W 220); Funk-            volle Schutzwirkung entfal-                           lich, weil PRE-SAFE ® mit                 In Kombination mit DISTRO-             Belastungen von Fahrer und
                      tionen: vorsorgliche Straffung der Sicher-           ten können. Die PRE-SAFE ®                            dem Brems-Assistenten und                 NIC PLUS nutzt PRE-SAFE ®              Beifahrer beim nachfolgen-
                      heitsgurte von Fahrer und Beifahrer, bessere         Schutzmaßnahmen sind re-                              ESP ® vernetzt ist. Deren                 auch die Informationen der             den Crash zu vermindern.
                      Position des elektrischen Beifahrersitzes,           versibel: Wird der Unfall                             Sensoren erkennen potenzi-                Nahbereichs-Radarsensoren              Diese PRE-SAFE ® Funktion
                      automatische Schließung des Schiebedachs             verhindert, lässt beispiels-                          ell fahrdynamisch kritische               im vorderen Stoßfänger, um             ist buchstäblich die „ultima
                      (Sonderausstattung)                                  weise die präventive Straf-                           Situationen und senden mil-               im allerletzten Augenblick             ratio“ des präventiven Insas-
                                                                           fung des Gurtbandes auto-                             lisekundenschnell entspre-                vor einem unvermeidbaren               senschutzes – rund 150 Mil-
              2005    Kombination mit dem Brems-Assistenten
                                                                           matisch nach und die Passa-                           chende Informationen an die               Unfall die vorderen Gurte              lisekunden später passiert
                      PLUS; erweiterte Funktionen: automatisches
                                                                           giere können Sitze und                                elektronischen Steuergeräte.              straff zu ziehen und so die            der Unfall. ■
                      Schließen der Seitenscheiben, Aufblasen
                                                                           Schiebedach in ihre Aus-
                      der Stützpolster der Multikontur-Vordersitze
                                                                           gangspositionen zurückstel-
                      (Sonderausstattung)
                                                                           len. Danach ist der präventi-
              2006    PRE-SAFE ® Aktivierung durch weitere                 ve Insassenschutz sofort                              DAS SIND DIE VON PRE-SAFE ® AUSGELÖSTEN VORSORGEMASSNAHMEN
                      Assistenzsysteme mit Radartechnologie                wieder einsatzbereit.                                 PRE-SAFE ® bei längsdynamisch                                  PRE-SAFE ® bei querdynamisch
              2009    PRE-SAFE Bremse mit teilautonomer
                                ®                                             Die Aktivierung von                                kritischen Situationen                                         kritischen Situationen**
                      Bremsung (siehe Seite 98)                            PRE-SAFE ® erfolgt beispiels-                         Die Gurte von Fahrer und Beifahrer                             Die Seitenscheiben werden
                                                                           weise bei einer Not- oder                             werden gestrafft.                                              bis auf einen Restspalt geschlossen.
              2011    Debüt in der Kompaktklasse
                                                                           Panikbremsung, starkem                                Längs- und Höheneinstellung, Kissen- und Lehnen-               Das Schiebedach* wird
                      (B-Klasse W 246)                                                                                           neigung des Beifahrersitzes* werden in unter                   bis auf einen Restspalt geschlossen.
                                                                           Über- oder Untersteuern,
                                                                                                                                 Unfallbedingungen günstigere Positionen gebracht.
              2013    Einführung neuer Funktionen in der S-Klasse:         kritischen Lenkbewegungen
                      PRE-SAFE ® PLUS und PRE-SAFE ® Impuls                oder der Aktivierung des                              Stützpolster in den Sitzkissen und Rückenlehnen
                                                                                                                                 der Multikontur-Vordersitze* werden aufgeblasen.
                      (siehe nächste Doppelseite), Verknüpfung mit         Bremsassistenten. Die Un-
                                                                                                                                 * je nach Ausstattung, **zusätzlich zu den Maßnahmen bei Notbremsungen
                      der Stereo-Kamera                                    fall-Früherkennung ist mög-

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