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Real Life Safety REAL LIFE SAFETY EIN STERN GENÜGT 2/2014 Ein Stern genügt UMFASSENDES SICHERHEITSKONZEPT INTELLIGENT DRIVE UND AUTONOMES FAHREN AUF DEM WEG ZUR UNFALLFREIEN MOBILITÄT Daimler Communications 70546 Stuttgart, Germany www.daimler.com – www.daimler.mobi Mercedes-Benz – A Daimler Brand
REAL LIFE SAFETY INHALT GRUNDLAGEN 8 PRE-SAFE® 42 RÜCKHALTESYSTEME 60 Unfälle vermeiden und Unfallfolgen mindern: Das ist der ganzheitliche Ansatz der Mercedes-Benz Sicher- heitsentwicklung, den das Unternehmen unter dem Begriff „Real Life Safety“ zusammenfasst. Dieses Magazin gibt einen Einblick 10 VERNETZTE SENSORIK 44 GRUNDFUNKTIONEN 62 KINDERSITZE 360-Grad-Rundumblick Vorsorgliche Schutzmaßnahmen Kleine Passagiere, großes Schutzbedürfnis in die ganze Vielfalt der 16 INTERVIEW 48 NEUE FUNKTIONEN 66 AIRBAGS Sicherheitsinnovationen, Dr. Michael Hafner, Leiter Fahrerassistenzsysteme Augenmerk auf Folgeverkehr Zündende Idee Tests und Entwicklungstools 18 ENTWICKLUNGSTOOLS 50 INTERVIEW 76 SICHERHEITSGURT Modernste Methoden Prof. Rodolfo Schöneburg, Michael Fehring, Lebensretter Nummer eins von Mercedes-Benz – Karl-Heinz Baumann, die Väter von PRE-SAFE® 28 UNFALLFORSCHUNG 82 HÄTTEN SIE’S GEWUSST gestern, heute und morgen. Die Realität ist der Maßstab 56 DEMONSTRATOR Daten, Fakten, Kurioses Realitätsnaher Eindruck 34 BÉLA BARÉNYI Der Vater der Sicherheit 58 HÄTTEN SIE’S GEWUSST Daten, Fakten, Kurioses 36 EXPERIMENTAL-SICHERHEITS-FAHRZEUGE Die Zukunft erleben 40 HÄTTEN SIE’S GEWUSST Daten, Fakten, Kurioses 2 3
REAL LIFE SAFETY INHALT ASSISTENTEN 84 KONDITION 116 CRASHTEST 148 AUSBLICK 176 86 ABS/ESP® 118 NACHTSICHT-ASSISTENT 150 TESTVERFAHREN 178 CAR-TO-X-KOMMUNIKATION Fahrdynamik unter Kontrolle Bessere Sicht bei Nachtfahrten Organisiertes Zerbrechen Fahrzeuge im Dialog 96 BAS PLUS 122 HEAD-UP-DISPLAY 164 DUMMYS 182 AUTONOMES FAHREN Gefahren erkennen, den Fahrer unterstützen Information im Sichtfeld des Fahrers Die den Kopf hinhalten Fahrer denkt, Auto lenkt 100 SPURHALTUNG UND TOTWINKEL 124 SCHEINWERFER 170 POST-SAFE 186 INTERVIEW Auf dem rechten Weg Intelligente Licht-Systeme und Historie Schnelle Rettung Prof. Ralf G. Herrtwich, Leiter Fahrerassistenz- und Fahrwerkssysteme bei der Daimler-Vorentwicklung 104 COLLISION PREVENTION ASSIST 132 FORSCHUNG 174 HÄTTEN SIE’S GEWUSST Schutz vor Auffahrunfällen Customer Research Center Daten, Fakten, Kurioses 188 HÄTTEN SIE’S GEWUSST Daten, Fakten, Kurioses 106 VERKEHRSZEICHENERKENNUNG 136 ATTENTION ASSIST Orientierung im Schilder-Dschungel Hallo wach 108 EINPARKEN 138 STOP&GO PILOT Automatisch in die Lücke Mehr Komfort im Stau 110 DRIVING ACADEMY 142 MAGIC BODY CONTROL 6 EDITORIAL Fahrtraining für alle Ansprüche Das erste sehende Fahrwerk der Welt 190 MEILENSTEINE 114 HÄTTEN SIE’S GEWUSST 146 HÄTTEN SIE’S GEWUSST Daten, Fakten, Kurioses Daten, Fakten, Kurioses 195 IMPRESSUM 4 5
MERCEDES-BENZ INTELLIGENT DRIVE EIN STERN GENÜGT LIEBE LESER, S icherheit ist seit jeher eine Kernkompetenz erstmals in der Serie realisiert) über ABS (1978 für stehen der COLLISION PREVENTION ASSIST, drohenden Unfall im Voraus erkennen und Fahr- von Mercedes-Benz. Davon zeugen die zahl- in der S-Klasse W 116 eingeführt), den Airbag der 2011 mit der neuen Kompaktklasse-Generation zeug und Passagiere auf eine mögliche Kollision reichen technischen Innovationen, mit denen (1981 in der S-Klasse der Baureihe W 126 zunächst serienmäßig eingeführt wurde, oder der Stop&Go vorbereiten. Aktive und passive Sicherheitstechnik wir seit der Erfindung des Automobils im Jahr 1886 für den Fahrer präsentiert) bis zum Elektroni- Pilot, den wir nach S- und E-Klasse nun auch in der arbeiten seitdem synergetisch zusammen. immer wieder Maßstäbe in der aktiven und passi- schen Stabilitäts-Programm ESP ® (1995 in einem neuen C-Klasse anbieten. Und über zehn Jahre nach der Einführung von ven Fahrzeugsicherheit setzen. Die Daimler AG S-Klasse Coupé der Baureihe C 140 vorgestellt). Unsere Sicherheitsexperten Béla Barényi und PRE-SAFE ® gehen wir jetzt noch einen Schritt nimmt damit zugleich eine höhere Verantwortung ABS und ESP ® sind heute Zulassungsstandard für Hans Scherenberg haben 1966 die Aufteilung in weiter: Intelligente Assistenzsysteme analysieren wahr. Denn sie begreift Sicherheit als umfassendes alle Pkw in Europa. Aktive und Passive Sicherheit formuliert. Durch komplexe Situationen und erkennen dank verbes- System, das allen dient. Jedes neue Modell unserer Marke zeigt mit das integrale Sicherheitskonzept von Mercedes- serter Umfeldsensorik Gefahrenpotenzial im Stra- Jeder Autofahrer kennt und nutzt die Meilen- innovativen Lösungen, dass die Fahrzeugsicherheit Benz greifen heute beide Bereiche optimal inein- ßenverkehr noch besser. Unfälle können dadurch steine dieser kontinuierlichen Arbeit: von der auch für die Zukunft eines der wichtigsten An- ander. Denn 2002 begann in der Mercedes-Benz vermieden oder mögliche Unfallfolgen deutlich gestaltfesten Fahrgastzelle (patentiert im Jahr liegen der Mercedes-Benz Ingenieure ist. Und das S-Klasse mit PRE-SAFE ® eine neue Ära der Fahr- verringert werden. Die intelligente Verknüpfung 1951, 1959 in der Mercedes-Benz Baureihe W 111 quer durch alle Fahrzeugklassen: Beispielhaft da- zeugsicherheit: Erstmals konnte die Technik einen von Sensoren und Systemen zu einer neuen Dimen- sion des Autofahrens nennen wir „Mercedes-Benz Intelligent Drive”. Mit Intelligent Drive gehen wir unseren Weg zum unfallfreien Fahren konsequent weiter. Denn Intelligent Drive bedeutet für uns bei Mercedes-Benz auch den Einstieg in das Zeitalter des Autonomen Fahrens. Die intelli- gente Vernetzung von Fahrzeugen unterein- ander und mit der Infrastruktur hat das Poten- Jede Fahrt in einem Mercedes-Benz ist „Intelligent Drive“ in unzähligen zial, die allgemeine Verkehrssicherheit noch Fahrsituationen. Hier ein Überblick über weiter zu verbessern. die verschiedenen Systeme: 1 COLLISION PREVENTION ASSIST (PLUS) Mit diesem Magazin möchten wir Ihnen einen 2 DISTRONIC PLUS mit Lenk-Assistent Überblick über die Sicherheitsphilosophie und Stop&Go Pilot 3 BAS PLUS mit Kreuzungs-Assistent von Mercedes-Benz geben – von den 4 PRE-SAFE® Bremse frühen Grundlagen über ständig mit Fußgängererkennung 5 PRE-SAFE® PLUS optimierte Entwicklungstools 6 PRE-SAFE® bis zu wegweisenden Inno- 7 Aktiver Spurhalte-Assistent vationen in allen 8 Aktiver Totwinkel-Assistent 9 Adaptiver Fernlicht-Assistent Plus Sicherheitsbereichen. 10 Nachtsicht-Assistent Plus Viel Spaß beim 11 Aktiver Park-Assistent mit PARKTRONIC 12 360°-Kamera Lesen wünscht 13 Verkehrszeichen-Assistent 14 ATTENTION ASSIST Ihr Thomas Weber 15 Intelligent Light System 16 LED-Scheinwerfer Prof. Dr. Thomas Weber ist Mitglied 17 Seitenwind-Assistent des Vorstandes der Daimler AG und 18 ESP®/ABS/BAS verantwortlich für Konzernforschung 19 4MATIC und Mercedes-Benz Cars Entwicklung 6 7
Foto: Per-Gunnar Ostby/Getty Images GRUNDLAGEN GRUNDLA DIE BASIS VONINTELLIGENT DRIVE: SENSOREN ERFAS- SEN DAS UMFELD, MODERNE TOOLS UNTERSTÜTZEN DIE ENT- WICKLUNG, DIE UNFALLFOR- SCHUNG ANALYSIERT DAS REALE GESCHEHEN, FORSCHUNGS- ALLES IM BLICK FAHRZEUGE WAGEN EINEN Die Augen des CHAMÄLEONS bewegen sich unabhängig voneinander. Ihr Blickfeld deckt BLICK IN DIE ZUKUNFT. 342 Grad ab. Es bleibt ein toter Winkel von nur 18 Grad. Die Tiere sehen auf einen Kilometer scharf und können Farben wahrnehmen. 8 9
GRUNDLAGEN VERNETZTE SENSORIK DANK ZWEIER „KAMERAAUGEN“ KANN DIE NEUE STEREOKAMERA IM BEREICH BIS CA. 50 METER VOR DEM FAHRZEUG DREIDIMENSIONAL SEHEN UND ALS „6D-VISION“ OBJEKTE VERNETZTE SENSORIK IN IHRER RÄUMLICHEN LAGE UND BEWEGUNG WAHRNEHMEN. INSGESAMT HAT SIE BIS ZU 360-GRAD-RUNDUMBLICK 360- EINER ENTFERNUNG VON 500 METERN DAS UMFELD VOR DEM FAHRZEUG IM BLICK. DIESE DATEN WERDEN MIT DENEN VON RADAR- UND ULTRASCHALLSENSOREN VERKNÜPFT. RADAR, STEREOKAMERA UND ULTRASCHALL Stereo-Multi-Purpose-Kamera Mehr Sensoren, mehr Schutz 500 m Reichweite, davon 50 m 3D-fähig Fernbereichsradar Multi-Mode-Radar Öffnungswinkel 45° mit Mittelbereichserfassung 80 m Reichweite / Öffnungswinkel 16° und 200 m Reichweite / Öffnungswinkel 18° 30 m Reichweite / Öffnungswinkel 80° 60 m Reichweite / Öffnungswinkel 60° Ultraschallsensoren 1,2 m / 4,5 m Reichweite Nah-/Ferninfrarot-Kamera Nahbereichsradar 160 m Reichweite / Öffnungswinkel 20° 0,2 m - 30 m Reichweite / Öffnungswinkel 80° 10 11
GRUNDLAGEN VERNETZTE SENSORIK Stereokamera: Die Augen des Autos werden möglichst hoch im Bereich PLUS mit Lenk-Assistent, der Einführung der Stereo- Öffnungswinkel von 45° und sehen und hat insgesamt bis des Innenspiegels montiert BAS PLUS und PRE-SAFE® Multi-Purpose-Camera kann querende Objekte und zu einer Entfernung von 500 H ochmoderne Sen- Bremse nutzen bei der (SMPC), kurz Stereokamera. Fußgänger räumlich erfas- Metern das Umfeld vor dem soren und entspre- Sensorfusion die gleiche Analog zur bisherigen Multi- sen und ihre Bahn berech- Fahrzeug im Blick. Die neue chend vernetzte Stereokamera und mehr- Purpose-Camera (MPC) ist nen. Dank zweier „Kamera- Kamera liefert damit Daten, Algorithmen liefern die stufige Radarsensoren. sie hinter der Frontscheibe augen” kann sie im Bereich die von unterschiedlichen Grundlage für neuartige Einen großen Schritt im Bereich des Innenspie- bis ca. 50 Meter vor dem Systemen weiterverarbeitet Funktionen. DISTRONIC macht Mercedes-Benz mit gels platziert. Sie hat einen Fahrzeug dreidimensional werden. AUGEN UND OHREN Die Sensorik im Detail INTELLIGENT DRIVE Eine Vielzahl von Sensoren verleihen Sensoren steigern die Leistungsfähigkeit der Assistenzsysteme den aktuellen Fahrzeugen von Mercedes-Benz gleichsam Augen und Ohren. In der der S-Klasse sind dies zum Beispiel: US Ultraschallsensor NR Nahbereichsradar RADAR US 2 x Nahbereichsradar vorn (30 m, 80°) LS Lenkwinkelsensor FR Fernbereichsradar 1 x Fernbereichsradar vorn (200 m, 18°) RS Regensensor MR Multimoderadar US NR US mit Mittelbereichserfassung (60 m, 60°) 2 x Nahbereichsradar seitlich hinten (30 m, 80°) MR 1 x Multi-Mode-Radar hinten (30 m, 80° und 80 m, 16°) SK Stereokamera K STEREOKAMERA K Kamera K SK Stereo-Multi-Purpose-Camera (SMPC), untergebracht hinter der Frontscheibe im Bereich des Innenspiegels (Reichweite 500 m, US davon ca. 50 Meter 3D-fähig, 45°) 12 ULTRASCHALL-SENSOREN je 4 vorn / hinten + je 2 links / rechts vorn / hinten im Stoßfänger US 4 KAMERAS ALS 360°-KAMERASYSTEM je 1 vorn in der Kühlermaske / hinten in der Griffmulde / unten im NR Seitenspiegelgehäuse, vertikal ca. 130°, horizontal > 180°, Auflösung 1 Megapixel (1280 - 800 px) US US US NR US FR US Bei „Mercedes-Benz K Intelligent Drive“ nutzen die Helfer im Hintergrund US gemeinsam die Sensorik. Fahrzeuge mit Nachtsicht- NR Assistent Plus besitzen darüber hinaus eine Nah- US infrarotkamera in der Front- Radarsensoren: Sowohl in den Stoßfängern scheibe und eine Fern- als auch im Kühlergrill sind die Sende- und US RS LS K infrarotkamera im Kühlergrill Empfangsmodule für die verschiedenen Radar- sensoren unsichtbar untergebracht 12 13
GRUNDLAGEN VERNETZTE SENSORIK Über die räumliche Lage ein Objekt bewegt. In Kombi- selbst nicht auf ein Objekt das Fahrzeug bestimmen Intelligente Algorithmen (3-D) eines erkannten Ob- nation mit der Objektklassi- reagiert. Bedingt durch die- kann, ist es sogar möglich, werten diese Informationen jekts hinaus liefert die Ste- fizierung anhand gemein- se Systemgenauigkeit kann eine Kollisionswarnung aus und können damit in reokamera eine entscheiden- samer Merkmale erreicht die die Stereokamera den Auf- beziehungsweise eine auto- einem großen Sichtbereich de Zusatzinformation für prallort einer möglichen Kol- matische Bremsung früher entgegenkommende, voraus- Systeme der aktiven Fahr- KAMERA ERFASST lision errechnen und die einzuleiten, wenn kein Aus- fahrende und querende sicherheit: Für jedes Pixel verbleibende Zeitspanne op- weichweg zur Verfügung Fahrzeuge, aber auch Fuß- eines erkannten Objekts BEWEGUNG VON timal für Schutzmaßnahmen steht. Dies ist vorteilhaft, gänger sowie verschiedene kann eine Bewegungsrich- OBJEKTEN IM RAUM nutzen. Die Stereokamera weil einige Hundert Milli- Arten von Verkehrszeichen tung auf der horizontalen, unterstützt dabei über den sekunden Zeitgewinn für und Straßenmarkierungen vertikalen und longitudina- Stereokamera mit diesem gesamten Geschwindigkeits- eine Vollbremsung den erkennen und räumlich ein- len Achse bestimmt werden. Verfahren eine so hohe Ent- bereich hinweg. Unterschied zwischen ordnen. Mit dieser sechsdimensiona- scheidungssicherheit, dass Da die Stereokamera in leichten und deutlich schwe- Sind die Objektive der len (6-D) Erkennung ist ein- sie eine Vollbremsung aus- ihrem Sichtbereich auch reren Verletzungen bedeuten Stereokamera die Augen des deutig, ob und wohin sich lösen kann, wenn der Fahrer mögliche Ausweichwege für können. Autos, so dienen die Radar- sensoren gleichsam als die Ohren und liefern zusätz- liche Daten. Die Radarsen- RADARSENSOREN DIENEN ALS DIE OHREN DES AUTOS sorik besteht aus zwei Nah- bereichsradarsensoren im vorderen Stoßfänger mit einer Reichweite von 30 m und einem Öffnungswinkel Labortest: Hardware-in-the-Loop-Prüfstand zum Testen von Komponenten von 80°. Ergänzt wird sie von einem Fernbereichs- radar (200 m, 18°) mit Mit- telbereichserfassung (60 m, 60°). Die Daten von Kamera und Radar werden in einem Steuergerät fusioniert und liefern so systemrelevante AUF DEM WEG ZUM SEHENDEN AUTO Daten für die entsprechen- Acht Jahre Entwicklung den Funktionen. Weitere umfangreiche Schon im Jahr 2005 waren erste Prototypen unter- Sensorik kann den Fahrzu- wegs, die mit Technik zur Erkennung von querendem stand sowie die Reaktionen Verkehr bestückt waren. Die intensiven Entwicklungs- des Fahrers erfassen. Erken- arbeiten im Labor, auf Testgeländen und im Straßen- nen die Sensoren gefährliche verkehr dauerten acht Jahre. Die Serienproduktion Situationen, können sie die startete mit Einführung von E- und S-Klasse im Jahr Algorithmen unterschied- 2013. Ab März sind die neuen Assistenzsysteme erst- lichster Assistenzsysteme mals in der Mittelklasse verfügbar – bei den finalen mit Daten versorgen und so Abstimmungsfahrten gab auch Michael Schumacher für eine situationsgerechte Input aus seinem reichen Erfahrungsschatz. Unterstützung sorgen. ■ Testfahrt 2005: Prototyp zur Erkennung von Querverkehr in einer Mercedes-Benz E-Klasse der Baureihe 211 mit Stereokamera über dem Bildschirm 14 15
GRUNDLAGEN INTERVIEW D r. Michael Hafner (43) leitet seit Jahresbeginn den Bereich Entwicklung Fahrerassistenzsysteme und Aktive Sicherheit. Zuvor war der promovierte Ingenieur unter anderem mit dem verwandten Bereich Bremsregel- und Die Augen seiner Autos: Fahrwerkssysteme sowie mit Regelungstechnik und neuronalen Netzen befasst. Dr. Hafner und die Stereokame- ra, hier zur Demonstration als Einzelbauteil über dem Einbau- ort im Fahrzeug gehen wir noch einen großen plakative Symbole wie zum auf Sicherheit. Gefährliche Schritt weiter, denn wir lei- Beispiel die Kaffeetasse bei Manöver lassen wir daher Der letzte Quantensprung ten jetzt in bestimmten Situ- ATTENTION ASSIST? tatsächlich vom Fahrroboter bei den Assistenzsystemen ationen eine autonome Brem- Dr. Hafner: Nicht unbedingt. erledigen oder greifen auf gelang Mercedes-Benz 2013 sung ein, wenn der Fahrer Sehr gute Assistenzsysteme unseren Fahrsimulator zu- dank verbesserter Sensorik auf die Warnung vor einer wachen im Normalfall im rück, der zu den modernsten und Sensorfusion. Vor weni- erkannten Kollisionsgefahr Hintergrund oder unterstüt- der Welt gehört. gen Jahren wäre ein Rund- nicht reagiert. Stolz sind wir zen die Fahraufgabe komfor- umblick eines Autos noch auch darauf, dass es kein tabel, ohne dabei zu bevor- Welche Rolle spielen Zu- als Utopie abgetan worden. Jahr gedauert hat, bis die munden. Wichtig ist, dass lieferer bei der Entwicklung Ist das Thema Assistenz- Assistenzsysteme aus der die Assistenten dann unter- von Assistenzsystemen? systeme damit technisch S- und E-Klasse auch in der stützen, wenn sie gebraucht Wie kann man den Vor- ausgereizt, oder wo steckt C-Klasse verfügbar sind. werden. Dies zeigen wir sprung zum Wettbewerb aus Ihrer Sicht noch Zu- bereits durch Symbole oder halten? kunftspotenzial? Gibt es denn bereits Unfall- kleine Grafiken an, sodass Dr. Hafner: Mercedes-Benz Dr. Hafner: In der Tat waren statistiken, die das Sicher- der Fahrer den Eingriff des arbeitet eng und vertrauens- die Einführung der Stereo- heitsplus des radargestütz- Assistenzsystems zuordnen voll mit Zulieferern zusam- kamera und die Fusion der ten Kollisionswarnsystems kann. Wer sich intensiver men, insbesondere auch Daten verschiedener Senso- COLLISION PREVENTION mit der Wirkungsweise be- bei der Hardware. Das Kern- ren entscheidende Schritte, ASSIST in A-, B- und CLA- fassen möchte, hat über die Know-How hinsichtlich der auf die wir gut acht Jahre Klasse belegen? Betriebsanleitung die Mög- Datenfusion, der funktiona- hin entwickelt haben – und Dr. Hafner: Aus der Ein- lichkeit dazu, die ja zum Bei- len Ausprägung unserer die uns heute einen klaren führung von autonomen spiel in der S-Klasse auch di- Systeme und der Integration Vorsprung gegenüber dem Notbremsfunktionen in der gital auf dem Bildschirm im ins Fahrzeug halten wir aber Wettbewerb geben. Zu- DISTRONIC PLUS wissen Auto verfügbar ist. Und Ma- bewusst in-house. Und das kunftsaufgaben sind die wir, dass etwa ein Drittel gazine wie das vorliegende macht uns zuversichtlich, Verfeinerung der Sensorsig- weniger Auffahrunfälle helfen natürlich ebenfalls, dass wir dem Wettbewerb nale und der Algorithmen, verzeichnet wurden und die Systeme zu erklären. auch in Zukunft mindestens mit denen die Assistenz- bei knapp zwei Dritteln die einen Schritt voraus bleiben. systeme zur Unterstützung Unfallschwere gemindert Mit SIM-City verfügt Mer- der Fahrer wirksam werden. werden konnte. Übrigens cedes-Benz ja in Sindelfin- Welches Assistenzsystem Und wir wollen dafür sor- wurde darüber hinaus auf gen über ein spezielles Test- schätzen und benutzen Sie gen, dass die Assistenten derart ausgestattete Fahr- gelände zur Erprobung von persönlich am häufigsten? möglichst breit in allen zeuge auch seltener aufge- Assistenzsystemen. Gibt Dr. Hafner: Ich empfinde be- unseren Modellreihen fahren, da eine rechtzeitige es hier manchmal auch sonders die neue DISTRONIC verfügbar sind. Bremsung dem nachfolgen- Schrott, oder verhindern PLUS mit Lenk-Assistenten den Verkehr mehr Spiel- das gänzlich Erprobungs- als eine äußerst komfortable Das ist Ihnen mit der serien- raum lässt. tools wie Fahrroboter, das Unterstützung, speziell in mäßigen Einführung des Balloon Car für die Simula- Stausituationen durch ihren COLLISION PREVENTION Je zahlreicher und komple- tion von Auffahrunfällen Stop&Go Pilot. Darüber hin- DR. MICHAEL HAFNER ASSIST in der B-Klasse vor drei Jahren ja schon xer Assistenzsysteme wer- den, umso weniger verste- oder die radarreflektierende Polsterung für eine seitliche aus schätze ich vor allem, dass im Hintergrund die „EINEN SCHRITT VORAUS“ gelungen. hen Autofahrer ihre Funkti- Annäherung? PRE-SAFE® Bremsfunktio- Dr. Hafner: Ja, das war ein on und Wirkungsweise im Dr. Hafner: Wir legen bei nen stets wachsam sind, wichtiger Durchbruch. Detail. Braucht es mehr Mercedes-Benz nicht nur obschon man sie im besten Und mit dem COLLISION in unseren Fahrzeugen, son- Fall nie benötigt. ■ PREVENTION ASSIST PLUS dern auch während der Ent- EIN GESPRÄCH MIT DEM LEITER FAHRERASSISTENZSYSTEME wicklung höchsten Wert 16 17
GRUNDLAGEN ENTWICKLUNGSTOOLS MODERNSTE METHODEN DIE WERKZEUGE DER ENTWICKLER „DIE LIEBE ZUM ERFINDEN HÖRET NIMMER AUF” PROPHEZEITE CARL BENZ 1925. DER FIRMENGRÜNDER WÄRE BEGEISTERT, WENN ER DIE AVANTGARDISTISCHEN METHODEN ERLEBEN KÖNNTE, DIE HEUTE BEI MERCEDES-BENZ DER SICHERHEITSENTWICKLUNG DIENEN. fingen zusammengefasst. Produkte“, erläutert Prof. Dr. Forschung, Entwicklung, Thomas Weber, Mitglied des D er Erfinder- und Design, Planung und Pro- Vorstandes der Daimler AG. Pioniergeist bei Mer- duktion sind eng verzahnt: Viele der rund 10.000 cedes-Benz ist unge- „Intensiver kann der Aus- Entwickler sind mit dem brochen: Ein Großteil des tausch zwischen den einzel- Thema Sicherheit befasst – technischen Know-hows der nen Bereichen nicht sein. traditionell eine Kernkompe- Marke wurde im Jahr 2000 Wir verkürzen so die Ent- tenz des Erfinders des Auto- im Mercedes-Benz Technolo- wicklungszeiten und erhö- mobils. Sindelfingen war gy Center (MTC) in Sindel- hen den Reifegrad unserer auch die Arbeitsstätte von Stand der Technik: Der Simulator in Sindelfingen mit 360°-Leinwand, schnellem elektrischen Antrieb sowie zwölf Meter Bewegung in Quer- oder Längsrichtung VIRTUELLE FAHRERPROBUNG Testen im Simulator Hochdynamische Fahrmanöver wie Spurwechsel realistisch nachbilden und das Verhalten von Fahrer und Fahrzeug im Straßenverkehr intensiv erforschen: Seit 2010 dient dazu der neue Fahrsimulator in Sindelfingen. Der Erprobungsraum ist als Hexapod auf sechs beweglichen Stützen auf Schienen unter- gebracht. In ihm befindet sich ein komplettes Auto sowie die 360°-Projektionswand. Elektrik bewegt die Anlage mit einer Geschwindigkeit von maximal zehn Metern pro Sekunde (36 km/h) um bis zu zwölf Meter Realistisches Fahrerlebnis: Im Simulator können neue Assistenzsysteme mit ganz normalen Autofahrern evaluiert werden in Querrichtung, sodass auch Doppelspurwechsel simuliert werden können. Vorreiter: Erster Simulator 1985 in Berlin, im Bild noch ohne Projektionskuppel 18 19
GRUNDLAGEN ENTWICKLUNGSTOOLS 2003: Über zwei Millionen Elemente liefern ein getreues Abbild der Abläufe beim Crash. Die Ingenieure können sich jedes Detail millisekundengenau auf den Bildschirm holen und die Konstruktion entsprechend anpassen Béla Barényi, des „Vaters Jahre holte man Kunden auf der automobilen Sicherheit“ die Teststrecke, um ihren (siehe Seite 34). Doch was Umgang mit dem Auto zu der geniale Ingenieur mit beobachten: „Mit diesen leichter Hand auf dem Block Menschen machen wir das skizzierte, ist aufgrund der Spiel ,Unverhofft kommt oft’. 1989: Die E-Klasse W 124 wird mit 25.000 finiten Elementen berechnet Komplexität heute nur mit Alles, was sie zu tun haben, ausgeklügelten Versuchs- ist, mit 60 km/h geradeaus einrichtungen und Berech- ZERSTÖRUNGSFREI CRASHEN nungsmethoden weiter vor- Detailgetreue Computersimulationen „UNVERHOFFT anzubringen. Nicht nur viele grundle- KOMMT OFT“ VOR Crashtests finden zunehmend im Computer statt. gende Elemente des sicheren ÜBER 40 JAHREN Was Mitte der 80er Jahre mit groben Modellen Automobils wurden bei Mer- begann, gibt heute detaillierten Einblick, was genau cedes-Benz entwickelt und zu fahren. Und zu reagieren. 1994: Bei der E-Klasse W 210 bewältigt passiert, wenn ein Unfall ein Auto verformt. Das der Rechner schon 75.000 Elemente zur Serienreife gebracht. Auf spielende Kinder oder flächige Netz der virtuellen Fahrzeugstruktur setzt Auch viele der Methoden unaufmerksame Fußgänger. sich inzwischen aus winzigen Rechtecken und Drei- und Entwicklungstools ge- Die schießen wir in Form ecken zusammen, über zwei Millionen an der Zahl. hen auf das Unternehmen von Gummipuppen plötzlich Pro Jahr finden über 50.000 virtuelle Crashtest zurück. über die Fahrbahn. Und was statt, sie beschäftigen eines der weltgrößten EDV- Dabei hat Mercedes-Benz dann geschieht, interessiert Netzwerke: 5.000 Prozessoren brauchen einen Tag, immer den Kunden im Blick. uns. Wir messen es. Jeder bis sie die 320.000 Millionen Rechenoperationen Schon Anfang der 1970er Fahrer wird von vielen Mess- eines kompletten virtuellen Crashs erledigt haben. 2008: Die Simulation erlaubt Einblick in alle Abläufe beim Crash 20 21
GRUNDLAGEN ENTWICKLUNGSTOOLS Transparenter Körper: Beim virtuellen geräten begleitet, die jede Seit 1985 finden die Pro- Mensch-Modell werden am Rechner die biomechanischen Eigenschaften seiner Reaktionen aufzeich- bandenversuche auch im im Detail nachgebildet und untersucht, nen: Lenkt oder bremst er Saale statt: Da eröffnete welche Belastungen im virtuellen zuerst? Gibt er Vollgas, ver- Mercedes-Benz den ersten Crashtest entstehen reißt er den Wagen? Und Fahrsimulator – selbst ent- wir messen, wie der Wagen wickelt, da es damals zwar auf den Fahrer reagiert: das Flugzeugsimulatoren gab, Ausbrechen, Querstellen aber keine für Autos. Seit oder Schleudern. (Im Test ist 2010 ist der neue Fahrsimu- das ungefährlich.) So erfah- lator im MTC in Sindelfingen in Betrieb. Die Aufgabe blieb DAS FAHRZEUG die gleiche. Normale Auto- fahrer können sich gefahr- SOLL DEN FAHRER los dem fahrphysikalischen UNTERSTÜTZEN Grenzbereich nähern und so den Ingenieuren Aufschluss ren wir, wie Menschen in geben über Akzeptanz und bestimmten Situationen Bedienung neuer Sicher- beim Autofahren immer wie- heitssysteme. Gleichzeitig der reagieren. Das müssen können die Ingenieure Sys- wir bei der Konstruktion teme und Komponenten unserer Autos berücksichti- künftiger Modelle in allen gen, um menschliche Fehler Entwicklungsphasen erpro- aufzufangen. Unsere Art, ben. Ein anderer, hochmo- Autos zu bauen, verlangt derner Prüfstand im MTC das.“ So schilderte es eine ist der „Ride-Simulator“. Er Anzeige. wird mit den Fahrzeugdaten Gläsernes Auto: Dreidimensional projizierte digitale Prototypen erlauben den Ingenieuren, das Zusammenspiel VIRTUELLER DUMMY DUMM aller Details und Komponenten im Biomechanisches Mensch-Modell Dialog zu analysieren Virtuelle Mensch-Modelle geben genauer als ein Crashtest- Dummy Aufschluss, was mit den Fahrzeuginsassen bei einem Unfall geschieht. Denn diese digitalen Modelle simu- lieren auch die inneren Strukturen wie Knochen und Weich- teile. „Gelenke, Muskeln, Sehnen, Bänder, Knochen – all das, was den Menschen biologisch ausmacht, können wir mit Dummys nur sehr grob nachempfinden“, erläutert Sicher- heitsingenieur Dr. Hakan Ipek. „Einige Sitzpositionen, wenn beispielsweise der Fondpassagier schlummert und der Gurt nicht korrekt über das Becken verläuft, sind mit einem Dummy schlichtweg nicht darstellbar.“ 22 23
GRUNDLAGEN ENTWICKLUNGSTOOLS Kontakt ohne Folgen: Für die Erprobung von Fahrassistenzsystemen nutzen die Ingenieure bei Mercedes-Benz das „Soft Crash Target“ und den Fahrbahnoberflä- Wiederholgenauigkeit: Fährt ein Fahrzeug einen chen realer Teststrecken pro- vorgeplanten Kurs mehrfach, grammiert, sodass die Inge- weichen die Fahrspuren aller nieure das neue Mercedes- Umläufe weniger als zwei Benz Modell bereits in einer Zentimeter voneinander ab sehr frühen Projektphase auf dem Prüfstand „fahren“ können. Frühzeitiger Erprobung dient auch das Konzept des digitalen Prototyps. Alle Komponenten des Autos sind 30 JAHRE BIS ZUM VIRTUELLEN Fahren ohne Fahrer: Route und Manöver sind einprogrammiert, CRASHTEST Lenken, Bremsen und Gasgeben übernehmen Roboter in ein flächiges Netz einer virtuellen Fahrzeugstruktur zerlegt. Es setzt sich aus über zwei Millionen winzi- AUTOPILOT AM STEUER gen Rechtecken und Drei- Automatisch fahrende Testwagen ecken zusammen. Dadurch ist eine weitaus präzisere Mercedes-Benz ist der erste Hersteller, der sicherheitskritische und detaillierte Verfor- und von Menschen nicht präzise reproduzierbare Fahrmanöver mungsanalyse möglich als mit Autopiloten auf geschlossenen Testgeländen ausführt. Das in den 1980er Jahren, als die „Automatisierte Fahren“ unterstützt die Entwicklung, Prüfung Ingenieure der damaligen und Absicherung von Assistenzsystemen, aber auch zum Beispiel Daimler-Benz AG begannen, Missbrauchstests für Airbags. Tests im Grenzbereich können so an der Vision des virtuellen ohne Gefahr und gesundheitliche Belastung für die Entwickler Crashtests zu arbeiten und durchgeführt werden. Die Versuchsträger sind Serienfahrzeuge, die Elemente mit 25 Millime- die mit Robotern für Lenkung, Gas und Bremse versehen sind. tern noch wesentlich größer 24 25
GRUNDLAGEN ENTWICKLUNGSTOOLS Weiche Landung für Dummys: Die aktuelle A-Klasse beim Crashtest waren. Und doch dauerte es damals noch gute fünf Tage, bis bei einer Crashtest- simulation der Großrechner die Berechnung fertig hatte Dachfalltest: Die Simulation – heute vergeht zwischen eines Überschlags muss jeder Aus- und Eingabe der unver- Mercedes-Benz bestehen – gleichlich komplexeren einer der Tests, die nicht Daten kaum noch ein Tag. gesetzlich vorgesehen sind Und selbst der Crashtest- Dummy (siehe Seite 164), seit 50 Jahren das Symbol wissenschaftlicher Unfall- versuche, kommt langsam aufs Altenteil. Seit rund Doch bei allen ausgeklü- ellen Testgelände in Sindel- 15 Jahren beschäftigt sich gelten Simulations- und Be- fingen zur Erprobung von ORGANISIERTES ZERBRECHEN Mercedes-Benz mit virtuel- rechnungsmethoden bleiben Assistenzsystemen. Auch Crashtests bei Daimler seit 1959 ler Biomechanik. Virtuelle Versuche mit realen Auto- hier haben die Ingenieure Mensch-Modelle bilden die mobilen unverzichtbar. Sei des Unternehmens Pionier- Die ersten Aufprallversuche, die Mercedes-Benz inneren Strukturen des Kör- es bei Crashtests, die von arbeit geleistet: Als erster bereits Ende der 1950er Jahre durchführte, pers nach. Er besteht in dem Hersteller setzt das Unter- waren spektakulär: Seilwinden oder Heißwasser- Berechnungsmodell aus nehmen Fahrroboter ein, Raketenunfall: Das Triebwerk hat sich nicht vom Versuchsträger gelöst FAHRROBOTER raketen trieben die Autos an. Crashtests bilden etwa 1.400 unterschiedli- um Fahrmanöver reprodu- chen Materialien mit unter- ALS TESTFAHRER zierbar und ohne gesund- immer noch die Grundlage der Sicherheitsent- wicklung bei Mercedes-Benz. Heute werden die schiedlichen biomechani- IN SIM-CITY heitliche Belastungen für Fahrzeuge allerdings von einer High-Tech-Seilzug- schen Eigenschaften. Um die Entwickler durchführen anlage beschleunigt. Im Sindelfinger Entwick- dies nachzubilden, wird das Mercedes-Benz schon seit zu können. Wobei auf das lungszentrum finden jährlich rund 500 solcher Modell einmal aus Millionen über 50 Jahren systematisch menschliche Beurteilungs- Aufprallversuche statt. Insgesamt müssen neue finiter Elemente bestehen. betrieben werden und ab vermögen keineswegs ver- Mercedes-Benz Personenwagen aktuell fast vier Heute sind es erst rund Seite 148 dieser Broschüre zichtet werden kann. Herz- Dutzend verschiedene Crashtests absolvieren – 100.000. Laufend fließen ausführlich dargestellt stück der Entwicklung bleibt viele davon sind nicht gesetzlich vorgeschrieben. medizinische und gerichts- werden. immer die reale Erprobung medizinische Erkenntnisse Oder sei es bei Fahrversu- mit realen Autos und realen ein, um es zu verfeinern. chen in SIM-City, dem spezi- Testern. ■ Korkenzieher: Überschlag nach der Fahrt über die spezielle Rampe 26 27
GRUNDLAGEN UNFALLFORSCHUNG UNFALLFORSCHUNG DIE REALITÄT IST DER MASSSTAB SEIT 45 JAHREN SAMMELN DIE UNFALLFORSCHER VON MERCEDES- BENZ INFORMATIONEN ÜBER ART UND ABLAUF VON UNFÄLLEN, DAS VERFORMUNGSVERHALTEN DER KAROSSERIEN SOWIE DIE VERLETZUNGS- URSACHEN. DIE ERKENNTNISSE FLIESSEN IN DIE KONSTRUKTION NEUER MODELLE EIN UND DIENEN ALS BASIS ZUR ENTWICKLUNG PRAXISGERECHTER PRÜFVERFAHREN UND NORMEN. ren des Automobilunterneh- sem Gebiet hatte Daimler- mens: die Bitte um Polizei- Benz bereits zwei Jahre D er 29. Januar 1969 unterstützung bei der Re- zuvor bei einem sechsmona- ist ein kalter, grauer konstruktion und Analyse tigen Pilotversuch gesam- Wintertag. Im Innen- von Verkehrsunfällen, melt: Von Januar bis Juni ministerium des Landes an denen Mercedes-Benz 1967 untersuchten Mitarbei- Baden-Württemberg treffen Modelle beteiligt sind. ter des Automobilherstellers sich Regierungsbeamte und Auf diese Weise wollen in Zusammenarbeit mit der Polizeikommissare mit Ver- die Entwicklungsingenieure Polizei schwere Verkehrs- tretern der damaligen Daim- Erkenntnisse aus der Unfall- unfälle, die sich im Land- ler-Benz AG zu einer mehr- praxis gewinnen und für die kreis Böblingen und auf der stündigen Sitzung. Auf der weitere Verbesserung der Autobahn 8 ereignet hatten. Detektivisch ermitteln Unfallforscher Tagesordnung steht ein Insassensicherheit nutzen. Bei der Konferenz im wie Roland Krajewski unter anderem, wie die außergewöhnliches Begeh- Erste Erfahrungen auf die- Ministerium will das Unter- Insassen von den Airbags geschützt wurden 80 bis 100 Mal pro Jahr rücken die Unfallforscher von Mercedes-Benz aus, um schwere Karambolagen zu untersuchen „IN JEDEM ANDEREN WAGEN WÄRE ICH WAHRSCHEINLICH NICHT „IM INNENRAUM DES AUTOS WAR MEHR AUF DIESER WELT.“ SO GUT WIE KEIN SCHADEN.“ PETER ITEN überlebte am 9.4.2008 in einer JANA BERGNER wurde am 20.8.2010 Mercedes-Benz M-Klasse eine Massenkarambolage mit in seiner CLS-Klasse von einem sechs Tonnen 73 Fahrzeugen zwischen Lausanne und Vevey schweren Traktor überrollt 28 29
GRUNDLAGEN UNFALLFORSCHUNG -35 Schwerverletzte und Getötete -20 Leichtverletzte nehmen dieses Forschungs- projekt auf eine breitere und -40 -30 -20 -10 0 vor allem dauerhafte Basis Reduktion des Verletzungsrisikos in Prozent stellen. Mit Erfolg: Die Leiter Untersuchungszeitraum 2003-2007 Quelle: GIDAS der Polizeidienststellen sig- nalisieren erneut Kooperati- onsbereitschaft. Per Schnell- brief werden sofort die nach- geordneten Behörden infor- miert und um Unterstützung gebeten. Am 29. April 1969 fällt schließlich der offizielle Startschuss für das Projekt Unfallforschung. Nachdem weitere Einzelheiten geklärt sind, verfügt das Innenmi- nisterium unter dem Akten- zeichen III 5304/126, dass die Polizeidienststellen den Autohersteller künftig telefo- DETAILANALYSE Moderne Assistenzsysteme nisch über Verkehrsunfälle reduzieren das Verletzungsrisiko SCHWERE UNFÄLLE 2009 wurde erneut der Nachweis erbracht, dass Mercedes- Benz Fahrer mit modernen Assistenzsystemen sicherer unter- IM UMKREIS VON wegs sind. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung der 200 KILOMETERN Mercedes-Benz Unfallforschung auf Basis von GIDAS-Unfall- daten und einer Ersatzteilabfrage. Dabei wurden Fahrzeuge informieren, dass Vertreter betrachtet, die zum einen mit und zum anderen ohne Assistenz- des Unternehmens die Un- system unterwegs waren. Das Ergebnis ist eindeutig: DISTRO- fallakten einsehen und die NIC PLUS mit BAS PLUS und PRE-SAFE® Bremse reduzieren zuständigen Polizisten zum das Risiko, bei Frontalkollisionen im auffahrenden Fahrzeug Unfallhergang befragen schwer verletzt oder getötet zu werden, um 35 Prozent. dürfen. Begründung: „Das Innenministerium unter- stützt die werkseigenen For- schungsarbeiten der Daim- ler-Benz AG, da sie von all- Dutzende von Fotos, Skizzen sowie am Unfallort erhobene Daten und Messwerte gemeiner Bedeutung für die helfen bei der systematischen Rekonstruktion der Kollision Verkehrssicherheit sind.“ Dank der guten Zusam- „WENN MAN NACH EINEM menarbeit mit Behörden und Kilometer im Umkreis von Lupe zu nehmen. Seit Grün- ge nach dem Aufprall? Gibt SOLCHEN CRASH SIEHT, DASS Polizeistationen vergrößerte Sindelfingen. dung der Abteilung Unfall- es Brems- oder Schleuder- sich das Einsatzgebiet der 45 Jahre Mercedes-Benz forschung haben die Mitar- spuren? Wie stark hat sich „ICH BIN ÜBERZEUGT, DASS DER MERCEDES-FAHRER Mercedes-Benz Unfallfor- Unfallforschung, das bedeu- beiter insgesamt bereits über die Karosserie verformt? MIR MERCEDES-BENZ MEIN LEBEN SELBSTSTÄNDIG AUSSTEIGT, DANN schung in den folgenden Jah- tet 45 Jahre akribische De- 4.200 Verkehrsunfälle unter- Haben Airbag und Gurtstraf- GERETTET HAT.“ IST DAS SCHON BEEINDRUCKEND.“ ren mehrmals. Heute er- tailarbeit und Datensamm- sucht und rekonstruiert. fer ausgelöst? Gibt es Auffäl- streckt es sich von Baden- lung. Heute sind die Unfall- Die Arbeit der Forscher ligkeiten im Innenraum des Baden bis Ulm, von Mann- forscher jährlich rund 80 bis beginnt meist am Ort des verunglückten Mercedes- BERND VAN HUSEN erlitt am 10.6.2008 bei einer Kollision mit DAVID HEINKELE, Feuerwehr Böblingen heim bis Freiburg und von 100 Mal auf Achse, um Geschehens: Wie hat sich Benz Modells? Welche Ver- einem Geisterfahrer auf der A81 in seiner C-Klasse nur Prellungen Tauberbischofsheim bis schwere Karambolagen un- der Unfall ereignet? Welche letzungen erlitten die Insas- Freudenstadt – rund 200 ter ihre wissenschaftliche Stellung hatten die Fahrzeu- sen? Welche Fahrassistenz- 30 31
GRUNDLAGEN UNFALLFORSCHUNG systeme hätten zu einer Un- der jeweiligen Brems- oder nieure im Laufe der Zeit ein fallvermeidung oder Minde- Schleuderspuren mit den genaues Bild über typische rung der Unfallschwere bei- Konstruktions- und Fahr- Verletzungen bekommen getragen? Fragen über Fra- dynamikdaten des verun- und Erkenntnisse für die gen, deren Antworten per glückten Fahrzeugs und Entwicklung neuer, noch Tablet-PC elektronisch fest- rekonstruiert auf diese wirksamerer Schutzsysteme gehalten werden. Hinzu Weise den Unfallhergang. gewinnen. Mit Hilfe der so kommen Dutzende von Fo- genannten prospektiven tos, Laserscans, Skizzen und RUND 80 SEITEN Effizienzanalyse finden die Verletzungsprotokollen. Unfallforscher außerdem Wenn schließlich alle Infor- UNFALLBERICHT heraus, welche Folgen ein mationen vorliegen, erfolgt MIT VIELEN FOTOS Unfall gehabt hätte, wäre die systematische Rekonst- eine bestimmte Sicherheits- ruktion der Kollision. Am Bildschirm erkennen die einrichtung an Bord gewe- Dabei hilft den Forschern Fachleute dann, wie sich das sen. Die Unfallforschung ist eine spezielle Software, die Auto vor, während und nach ein wesentlicher Baustein die am Unfallort erhobenen der Kollision bewegte. für die Sicherheitsphiloso- Daten und Messwerte in be- Die Ergebnisse werden phie „Real Life Safety“ – wegte Bilder verwandelt. schließlich mit den Daten der Orientierung am realen Dazu kombiniert der Rech- anderer Unfälle verglichen, Unfallgeschehen, nicht an ner beispielsweise die Länge sodass die Automobilinge- Laborprüfungen allein. ■ Alle Informationen über den Crash werden gespeichert und später für die Computersimulation des Unfallhergangs genutzt Alle Informationen über den Crash werden gespeichert – hier vom Leiter der Unfallanalyse Heiko Bürkle – und später für die Rekonstruktion des Unfallhergangs genutzt „JE MEHR INFORMATIONEN WIR HABEN, UMSO BESSER „BEI JEDEM UNFALL KÖNNEN WIR DAS PUZZLE GIBT ES ETWAS ZU LERNEN.“ ZUSAMMENSETZEN.“ Frühe Untersuchungen: Schon vor der systematischen Unfallforschung schauten sich die Ingenieure Unfallwagen kritisch an – hier ein Mercedes-Benz 300 UWE NAGEL, seit über 20 Jahren Unfallforscher bei Mercedes-Benz DIRK OCKEL, Leiter Mercedes-Benz Unfallforschung 32 33
GRUNDLAGEN BÉLA BARÉNYI Blick fürs Detail: Konstrukteur Barényi (Bildmitte) begutachtet ein Fahrzeug aus dem Crashversuch. Bis 1974 leitete er die Vorentwicklung bei Daimler-Benz BÉLA BARÉNYI DER VATER DER SICHERHEIT DER GENIALE INGENIEUR BARÉNYI (1907-1997) ARBEITETE VON 1939 BIS 1974 BEI DAIMLER. ER WAR DER URHEBER VON ÜBER 2.500 ANGEMELDETEN PATENTEN, VIELE DAVON ZU GRUNDLAGEN DER AUTO- MOBILEN SICHERHEIT. ER ERFAND DIE SICHERHEITSZELLE, DIE VON KNAUTSCHZONEN GESCHÜTZT WIRD. genieur bei Daimler-Benz ten Passagierzelle mit gastzelle geschützt. Seither der Verbesserung von Per- Knautschzonen. Das 1951 hat sich dieser Aufbau von W egweisende Ideen sonenwagen-Karosserien. angemeldete Patent setzt Personenwagen weltweit Bleibendes Vermächtnis: Die Sicherheitskarosserie mit hatte Béla Baré- Daraus entsteht 1941 das Pa- Daimler-Benz erstmals in durchgesetzt. stabiler Fahrgastzelle und nyi schon früh: tent auf einen verbesserten der Baureihe W 111 („Heck- Auch Barényis Sicher- definierten Knautschzonen hat Während des Studiums in Plattformrahmen, der durch flosse“) des Jahres 1959 heitslenkwelle, die beim Mercedes-Benz Konstrukteur den 1920er Jahren arbeitete besondere Verwindungsstei- um. Die Knautschzonen ver- Frontalaufprall definiert Béla Barényi erfunden. Sie er am Konzept eines moder- figkeit „Dröhn- und Schüttel- formen sich bei einem Unfall nachgibt, setzt sich durch. wurde 1951 patentiert und 1959 im Mercedes-Benz 220 nen Automobils mit Zentral- erscheinungen“ minimiert. und bauen kontrolliert die 1963 wird sie patentiert, SE umgesetzt rohrrahmen und luftgekühl- Aus seinen Studien von kinetische Energie aus der als vollständiges System hat tem Boxermotor, das Porsche Automobilen in Zellenbau- Kollision ab. Die Insassen diese Sicherheitslenkung später beim VW realisierte. weise entwickelt Barényi des Wagens werden gleich- 1976 im E-Klasse-Vorgänger Ab 1939 widmet sich der In- das Konzept der gestaltfes- zeitig von der stabilen Fahr- W 123 Premiere. ■ 34 35
GRUNDLAGEN EXPERIMENTAL-SICHERHEITS-FAHRZEUGE Aufblasbare Metallstrukturen, die Strukturbauteilen in Sekundenbruchteilen mehr Stabilität geben, zählen zu den Highlights des ESF 2009 ESF 2009 DIE ZUKUNFT ERLEBEN DAS ESF IST 2009 DAS ERSTE EXPERIMENTAL-SICHERHEITS-FAHRZEUG VON MERCEDES-BENZ SEIT 1974. WIE SEINE HISTORISCHEN VORGÄNGER FASST ES WEGWEISENDE INNOVATIONEN AUF DEM GEBIET DER FAHR- ZEUGSICHERHEIT ANSCHAULICH ZUSAMMEN UND MACHT DEN FORT- SCHRITT SO ERLEBBAR. EINIGE SEINER INNOVATIONEN WIE DER BELTBAG SIND BEI MERCEDES-BENZ INZWISCHEN IN SERIE GEGANGEN. 36 37
GRUNDLAGEN EXPERIMENTAL-SICHERHEITS-FAHRZEUGE PRE-SAFE® Structure: Die- Interactive Vehicle Com- prallrichtung. Dadurch kön- se aufblasbaren Metallstruk- munication: Das ESF 2009 nen das Verletzungsrisiko A nhand des Experi- turen sparen Gewicht oder kann mit anderen Fahrzeu- und die Verletzungsschwere Auf Strich-8-Basis mental-Sicherheits- erhöhen die Stabilität von gen direkt oder über Relais- bei Frontalcrashs erheblich steht das ESF 5 (1971), Fahrzeugs ESF 2009 Strukturbauteilen. Im Ruhe- stationen kommunizieren. reduziert werden. ausgestattet unter ande- rem mit Fahrer- und Bei- enthüllte Mercedes-Benz zustand ist das Metallprofil Über „Ad hoc“-Netzwerke Spotlight-Lichtfunktion: fahrer-Airbag und zwei auf der 21. Internationalen platzsparend gefaltet. Wird und WLAN-Funktechnik Das partielle LED-Fernlicht Airbags in den Rücken- Fahrzeug-Sicherheitskonfe- seine schützende Wirkung kann es beispielsweise strahlt potenzielle Gefahren- lehnen der Vordersitze renz in Stuttgart, woran die benötigt, sorgt ein Gasgene- Schlecht wetter- oder Hinder- stellen an. Erkennt die Infra- für die Fondpassagiere Sicherheitsexperten seiner- niswarnungen empfangen rot-Kamera des Nachtsicht- zeit forschten und arbeiteten ZEITHORIZONT und senden. Assistenten Plus Personen – mit einem Zeithorizont, PRE-SAFE® Pulse: Diese auf der Fahrbahn, können der zum Teil viele Jahre in WEIST OFT WEIT PRE-SAFE® Weiterent wick- diese wie mit einem Richt- Zum Schutz von Fußgängern und Zweirad- fahrern sind Front- und Heckstoßfänger des die Zukunft wies. Einige IN DIE ZUKUNFT lung kann die Oberkörperbe- scheinwerfer kurz ange- ESF 13 (1972) mit geschäumten Seitenteilen Innovationen indes fanden lastung der Insassen beim strahlt werden. Auch dies ist ausgerüstet, die Türgriffe sind abgerundet schon den Weg in die Serie: rator in Sekundenbruchtei- Seitencrash um rund ein inzwischen Realität. 2013 debütierte der Beltbag len für einen Innendruck Drittel reduzieren, indem Mit dem ESF 2009 greift in der neuen S-Klasse, eben- von 10 bis 20 bar, das Profil diese vorher präventiv um Mercedes-Benz eine langjäh- so im selben Jahr die Inter- wird entfaltet und erhält bis zu 50 Millimeter durch rige Tradition auf: Für die active Vehicle Communi- deutlich mehr Stabilität. Aufblasen der Luftkammern ESV-Sicherheitskonferenzen cation (siehe Seite 178). Mit Braking Bag: Diese im in den Sitzwangen zur Fahr- der Jahre 1971 bis 1975 bau- Active Multibeam LED (siehe Fahrzeugboden unterge- zeugmitte bewegt werden. ten die Stuttgarter Sicher- Seite 128) folgt in diesem brachte Zusatzbremse ist Ein ähnliches System ist in heitsexperten über 30 Ver- Jahr auch bei der Lichttech- eine neuartige Komponente. suchsfahrzeuge und erprob- nologie der nächste Schritt. Wird ein Aufprall von Sen- VIELE VISIONEN ten sie bei Crashtests, um Entwickelt und realisiert sorik und Steuergerät als die seit jeher visionären Si- wurde das ESF 2009 kom- sicher prognostiziert, entfal- FANDEN SCHON DEN cherheitsanforderungen von plett in der Versuchsfahr- tet sich der „Braking Bag“ WEG IN DIE SERIE Mercedes-Benz zu erreichen. zeug-Werkstatt in Sindel- kurz vor der Kollision und Vier dieser ESF (Experimen- fingen. Das Experimental- stützt das Fahrzeug über der aktuellen S-Klasse reali- tal-Sicherheits-Fahrzeug) Sicherheits-Fahrzeug auf einen Reibbelag gegen die siert: Bei PRE-SAFE® Impuls wurden der Öffentlichkeit Basis eines Mercedes-Benz Fahrbahn ab. Das Brems- bewegt der Sicherheitsgurt vorgestellt, viele der revoluti- S 400 HYBRID zeigt über ein nicken des Fahrzeuges er- Fahrer und Beifahrer in ei- onären Ideen wie ABS oder Dutzend Sicherheitsinnova- höht die Reibung und bremst ner frühen Crashphase noch Airbag gingen in den folgen- tionen. Zu den Highlights es bis zum Aufprall zusätz- vor dem Anstieg der auf- den Jahren dann bei Merce- des ESF 2009 zählen diese lich ab (siehe auch Seite 73 prallbedingten Insassenver- des-Benz als erstem Herstel- fünf Innovationen: in diesem Magazin). zögerung entgegen der Auf- ler in Serie. ■ Eine Vorbauverlängerung um 15 Zentimeter mit hydraulischen Pralldämpfern besitzt das ESF 22 (1971). Zur Ausstattung zählen vier Dreipunktgurte mit je drei Kraftbegrenzern und einem Gurtstraffer Mit ABS, Fahrer-Airbag, Gurtstraffer und Gurtkraftbegrenzer besitzt das ESF 24 (1974) moderne Rückhalte- systeme. Entstanden ist es auf Basis der S-Klasse (W 116) 38 39
GRUNDLAGEN DATEN, FAKTEN, KURIOSES 60 LENKRÄDER Hätten Sie’s Schon seit den 1930er Jahren beschäftigte sich Erfinder Béla Barényi mit Lenkrädern und Lenksäulen – sie waren die Hauptursache für schwere und tödliche Verletzungen von Autofahrern. Mit einer Reihe von Patenten sicherte er seine Er- GEWUSST? kenntnisse ab. Für eine Publikation („Wege zum ausgewogenen Alltags- auto von morgen“; 1976) analysierte Barényi 60 auf dem Markt angebo- tene Lenkräder und kam zu einem harschen Urteil: „Bei gut 90 Prozent aller derzeit im Weltautobau eingesetzten Lenkräder handelt es sich um ausgemacht kriminelle Instrumente.“ Und weiter: „Bei relativ harm- losen Auffahrunfällen entstehen entsetzliche Verletzungen, weil die Lenkeinrichtungen in das Wageninnere eindringen können … und die seit Jahrzehnten bekannten Maßnahmen … nicht angewendet werden.“ 300 KILOGRAMM 4.200 Die von Mercedes-Benz in den Jahren 1971 bis 1974 in mehr als 30 Exempla- ren gebauten Experimental-Sicherheits- Fahrzeuge (ESF) erfüllten zwar die von 1.500 der amerikanischen National Highway Traffic Safety Administration gestellten UNFÄLLE Anforderungen (im Bild: ESF 21 nach einem Offset-Crash). Sie hatten aber Bereits 1969 begann Daimler mit der bis zu 300 Kilogramm zusätzliche Ver- systematischen Untersuchung realer stärkungen an Bord und erwiesen sich SIMULATIONEN Unfälle von Mercedes-Benz Personen- als zu schwer. Eine realitätsnahere Ziel- wagen, ein Jahr darauf zogen die Last- setzung (Senkung der Aufprallgeschwin- Die C-Klasse der Baureihe 203 war im Jahr wagen-Kollegen nach. Bis zu hundert digkeit gegen eine feste Barriere von 2000 eines der ersten Autos, bei dem Crash- Mal im Jahr rücken die Forscher aus, 80 auf 65 km/h) und intensive weitere test-Simulationen eine ernsthafte Rolle in der um Unfälle akribisch zu dokumentieren Grundlagenforschung waren greifbare Entwicklung spielten – über 1.500 Simulationen und zu analysieren. Dazu gehören auch Ergebnisse der ESF-Aktivitäten. wurden durchgeführt. Der 2007 vorgestellte Fotos aus der Vogelperspektive. Inzwi- Nachfolger war dann das weltweit erste Serien- schen umfasst die Datenbank über auto, das nach der zukunftsweisenden Methode 4.200 Verkehrsunfälle. eines Digitalen Prototyps (DPT) entwickelt wur- 250.000 de. Erstmals wurden alle Simulationsmethoden gebündelt und auf diese Weise ein komplettes virtuelles Auto erzeugt. Neben der hohen Ent- EURO wicklungsgeschwindigkeit liegt der entscheiden- de Vorteil der Computersimulation gegenüber Die ersten speziell für Sicherheitsversuche konstruierten Puppen wurden 1949 in den realen Crashtests nicht nur darin, dass die Fahr- USA zur Erprobung von Düsenjäger-Schleudersitzen eingesetzt und später auch von zeuge dabei nicht zerstört werden. Noch wichti- der Autoindustrie übernommen. Erste Crashtest-Dummys speziell für die automobile ger ist, dass die Ingenieure im Detail erkennen Sicherheitsforschung wurden Ende der 60er Jahre entwickelt. Seither entstanden und verfolgen können, was bei einem Aufprall immer ausgefeiltere Puppen. Ein aktueller Dummy kostet bis zu 250.000 Euro. tatsächlich passiert. 40 41
Foto: Herbert Spichtinger/Corbis PRE-SAFE MIT DEM PRÄVENTIVEN INSASSENSCHUTZ- SYSTEM PRE-SAFE ® STARTETE MERCEDES- BENZ 2002 IN EINE NEUE ÄRA DER FAHR- ZEUGSICHERHEIT. PRE-SAFE ® KANN VORSORGLICH SCHUTZMASSNAHMEN FÜR DIE AUTO-PASSAGIERE AKTIVIEREN. ZIEL IST ES, INSASSEN UND AUTO AUF DEN DROHEN- DEN ZUSAMMENSTOSS VORZUBEREITEN, SODASS GURTE UND AIRBAGS BEIM AUF- PRALL IHRE VOLLE SCHUTZWIRKUNG ENT- SIEBEN LEBEN KATZEN sind wahre Überlebenskünstler: Selbst wenn sie aus großer Höhe abstürzen, treten Seh- und Gleichgewichtssinn FALTEN KÖNNEN. blitzschnell in Aktion, sodass sie sicher auf ihren Pfoten landen. 42 43
PRE-SAFE GRUNDFUNKTIONEN VORSORGLICHE SCHUTZMASSNAHMEN AUTO MIT SCHUTZREFLEXEN VOR ÜBER ZEHN JAHREN GING PRE-SAFE ® BEI MERCEDES-BENZ IN SERIE. DIE SCHUTZMASSNAHMEN DER ERSTEN GENERATION: REGISTRIERT DAS AUTO MIT HILFE DER ESP ® SENSORIK EINE FAHRKRITISCHE SITUATION, WERDEN DIE SICHERHEITSGURTE VON FAHRER UND BEIFAHRER VORSORGLICH GESTRAFFT, DER BEIFAHRERSITZ MIT MEMORY-PAKET (SONDERAUSSTATTUNG) IN EINE UNTER UNFALLBEDINGUNGEN BESSERE POSITION GEBRACHT UND DAS SCHIEBEDACH AUTOMATISCH GESCHLOSSEN. Pfeile veranschaulichen die PRE-SAFE ® Grundfunktionen, hier am Beispiel einer C-Klasse (W 204) von 2006: Die Sicherheitsgurte von Fahrer und Beifahrer werden vorsorglich gestrafft (rote Pfeile), die Seitenscheiben sowie das Schiebedach geschlossen (blau) und der elektrisch verstellbare Beifahrersitz automatisch in eine für den Crashfall günstigere Position gebracht (orange) 44 45
PRE-SAFE GRUNDFUNKTIONEN Wie viele Leben PRE- Und wie wichtig und SAFE ® inzwischen gerettet wirksam der präventive In- Ü ber zehn Jahre nach und wie viele Verletzungen sassenschutz ist, zeigen der Weltpremiere es verhindert oder gemildert Untersuchungen bei Crash- des vorbeugenden hat, lässt sich statistisch versuchen. Beispiel Gurt- Insassenschutzsystems nicht ermitteln. Aber die straffung: Weil Fahrer und PRE-SAFE ® im Herbst 2002 Mercedes-Benz Unfallfor- Beifahrer durch diese vor- in der S-Klasse (W 220) schung hat analysiert, dass sorgliche Maßnahme best- ist PRE-SAFE ® in aktuell über zwei Dritteln aller möglich in ihren Sitzen ge- 16 Baureihen quer durch halten sind und sich zum das Modellprogramm von IN INSGESAMT Beispiel als Folge einer Not- Mercedes-Benz Cars von der bremsung nicht schon vor A- bis zur S-Klasse verfüg- 16 BAUREIHEN dem Aufprall weit nach vor- bar und kann aktuell in VERFÜGBAR ne bewegen, verringern sich bis zu 13 unfallträchtigen die Belastungen. Der Kopf Szenarien vorbeugende Maß- Verkehrsunfälle kritische des Dummys wird bei diesen nahmen ergreifen. Mehr als Fahrsituationen vorausge- Tests um rund 30 Prozent die Hälfte aller Mercedes- hen, die bereits Rückschlüs- weniger belastet, und am Benz Pkw-Baureihen besit- se auf eine Gefahr oder eine Hals haben die Mercedes- zen PRE-SAFE ® serienmä- drohende Kollision erlauben. Benz Ingenieure eine rund ßig. In der neuen S-Klasse PRE-SAFE ® ist somit ein we- 40 Prozent geringere Belas- hat Mercedes-Benz das sentliches Element der ganz- tung festgestellt. PRE-SAFE ® System um neue heitlichen Sicherheitsphilo- PRE-SAFE ® kann vorsorg- Funktionen erweitert (siehe sophie „Real Life Safety“ lich Schutzmaßnahmen für nächste Doppelseite). von Mercedes-Benz. die Auto-Passagiere aktivie- ren. Ziel ist es, Insassen und Auto auf den drohenden Zwei Dritteln aller Unfälle gehen kritische Fahrsituationen voraus, hat die Mercedes-Benz Unfallforschung analysiert Zusammenstoß vorzuberei- DIE HISTORIE von PRE-SAFE ® ten, sodass Gurte und Air- bags beim Aufprall ihre 2002 Einführung in der S-Klasse (W 220); Funk- volle Schutzwirkung entfal- lich, weil PRE-SAFE ® mit In Kombination mit DISTRO- Belastungen von Fahrer und tionen: vorsorgliche Straffung der Sicher- ten können. Die PRE-SAFE ® dem Brems-Assistenten und NIC PLUS nutzt PRE-SAFE ® Beifahrer beim nachfolgen- heitsgurte von Fahrer und Beifahrer, bessere Schutzmaßnahmen sind re- ESP ® vernetzt ist. Deren auch die Informationen der den Crash zu vermindern. Position des elektrischen Beifahrersitzes, versibel: Wird der Unfall Sensoren erkennen potenzi- Nahbereichs-Radarsensoren Diese PRE-SAFE ® Funktion automatische Schließung des Schiebedachs verhindert, lässt beispiels- ell fahrdynamisch kritische im vorderen Stoßfänger, um ist buchstäblich die „ultima (Sonderausstattung) weise die präventive Straf- Situationen und senden mil- im allerletzten Augenblick ratio“ des präventiven Insas- fung des Gurtbandes auto- lisekundenschnell entspre- vor einem unvermeidbaren senschutzes – rund 150 Mil- 2005 Kombination mit dem Brems-Assistenten matisch nach und die Passa- chende Informationen an die Unfall die vorderen Gurte lisekunden später passiert PLUS; erweiterte Funktionen: automatisches giere können Sitze und elektronischen Steuergeräte. straff zu ziehen und so die der Unfall. ■ Schließen der Seitenscheiben, Aufblasen Schiebedach in ihre Aus- der Stützpolster der Multikontur-Vordersitze gangspositionen zurückstel- (Sonderausstattung) len. Danach ist der präventi- 2006 PRE-SAFE ® Aktivierung durch weitere ve Insassenschutz sofort DAS SIND DIE VON PRE-SAFE ® AUSGELÖSTEN VORSORGEMASSNAHMEN Assistenzsysteme mit Radartechnologie wieder einsatzbereit. PRE-SAFE ® bei längsdynamisch PRE-SAFE ® bei querdynamisch 2009 PRE-SAFE Bremse mit teilautonomer ® Die Aktivierung von kritischen Situationen kritischen Situationen** Bremsung (siehe Seite 98) PRE-SAFE ® erfolgt beispiels- Die Gurte von Fahrer und Beifahrer Die Seitenscheiben werden weise bei einer Not- oder werden gestrafft. bis auf einen Restspalt geschlossen. 2011 Debüt in der Kompaktklasse Panikbremsung, starkem Längs- und Höheneinstellung, Kissen- und Lehnen- Das Schiebedach* wird (B-Klasse W 246) neigung des Beifahrersitzes* werden in unter bis auf einen Restspalt geschlossen. Über- oder Untersteuern, Unfallbedingungen günstigere Positionen gebracht. 2013 Einführung neuer Funktionen in der S-Klasse: kritischen Lenkbewegungen PRE-SAFE ® PLUS und PRE-SAFE ® Impuls oder der Aktivierung des Stützpolster in den Sitzkissen und Rückenlehnen der Multikontur-Vordersitze* werden aufgeblasen. (siehe nächste Doppelseite), Verknüpfung mit Bremsassistenten. Die Un- * je nach Ausstattung, **zusätzlich zu den Maßnahmen bei Notbremsungen der Stereo-Kamera fall-Früherkennung ist mög- 46 47
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