Einführung- und Überblick der zentralen Inhalten der EU-Richtlinie - Dr. Nico Herold LMU-München, Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie Prof ...

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Einführung- und Überblick der
   zentralen Inhalten der EU-Richtlinie

Dr. Nico Herold
LMU-München, Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie
Prof. Dr. Ralf Kölbel
Aufbau

 Block I:                        Anwendungsbereich + Begrifflichkeiten
                                  Folien 3- 7

 Block II:                       Melde-Erlaubnis, -Kanäle
                                  Folien 8-14

 Block III:                      Schutz, Sanktionen, Beweislast
                                  Folien 14-17

 Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie       #2
Eckpunkte
                                    /Orientierung

 Grundsatz: Erlaubt nach RL sind nur geschützte Meldungen
   Voraussetzungen:
   • Person                                    i.S.d. RL = persönlicher Anwendungsbereich
   • Informationen über Verstöße i.S.d. RL = sachlicher Anwendungsbereich
   • Meldung                                   i.S.d. RL = erfasste Vorgehensweisen
 Einrichtungsverpflichtung von Meldekanälen
   • private Organisationen
   • öffentliche Einrichtungen/Behörden
 Schutzwirkungen und Durchsetzungsmaßnahmen
 Sanktionen für Zuwiderhandlungen von Organisationen +
  Meldenden
Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie                          #3
Art. 5
                                Begrifflichkeiten

Nr. 1    "Verstöße" Handlungen oder Unterlassungen, die
         i) rechtswidrig sind und mit den Rechtsakten der Union und den Bereichen in
         Zusammenhang stehen, die in den sachlichen Anwendungsbereich gemäß Artikel 2
         fallen, oder
         ii) dem Ziel oder dem Zweck der Vorschriften der Rechtsakte der Union und der
         Bereiche, die in den sachlichen Anwendungsbereich gemäß Artikel 2 fallen,
         zuwiderlaufen;
         Kritik:       keine klare Konturierung            (Garden/Hiéramente, BB 2019, S. 963)
Nr. 2    "Informationen über Verstöße" Informationen, einschließlich begründeter
         Verdachtsmomente, in Bezug auf tatsächliche oder potenzielle Verstöße, die in der
         Organisation, in der der Hinweisgeber tätig ist oder war, oder in einer anderen
         Organisation, mit der der Hinweisgeber aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im
         Kontakt steht oder stand, bereits begangen wurden oder sehr wahrscheinlich erfolgen
         werden, sowie in Bezug auf Versuche der Verschleierung solcher Verstöße;
         Kritik:       Sorgfaltsmaßstab?                   (Garden/Hiéramente, BB 2019, S. 964)
  Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie                              #4
Art. 2 - Sachlicher
                            Anwendungsbereich
 Abs. 1 a) - Hauptbereiche erfasster Verstöße
  • öffentliches Auftragswesen; Finanzdienstleistungen/-produkte/-Märkte +
    Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung
  • Produktsicherheit und -konformität
  • Verkehrssicherheit
  • Umweltschutz; Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit
  • Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit/-schutz
  • öffentliche Gesundheit
  • Verbraucherschutz
  • Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von
    Netz- und Informationssystemen
 Abs. 2 – Erweiterungsmöglichkeit
  Mitgliedstaaten dürfen über nationales Recht den Schutz auf „auf Bereiche oder
  Rechtsakte“     ausdehnen,     „die    nicht    unter   Absatz     1    fallen“
 Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie            #5
Art. 4 - Persönlicher
                           Anwendungsbereich
 Abs. 1 i.V.m. Art 5 Nr. 7: "Hinweisgeber" eine natürliche Person, die im
  Zusammenhang mit ihren Arbeitstätigkeiten erlangte Informationen über
  Verstöße meldet oder offenlegt;
  mindestens:
  • Arbeitnehmer, Beamte, Selbstständige
  • Anteilseigner, Angehörige von Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan
    eines Unternehmens; auch nicht geschäftsführende Mitglieder + Praktikanten
  • Personen, die für (Unter-)Auftragnehmern und Lieferanten arbeiten
 Abs. 2 + 3
  Vor (Einstellungsverfahren/vorvertragliche Verhandlungen) und nach
  Beendigung des Arbeitsverhältnisses
 Abs. 4
  Mittler; mit den Hinweisgebern in Verbindung stehende Dritte, z.B.
  Kollegen/Verwandte (!); juristische Personen im Eigentum, als Angestellter
  oder mit denen er beruflich in Verbindung steht
 Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie          #6
Art. 5
                               Begrifflichkeiten

Nr. 3 "Meldung" oder "melden" die mündliche oder schriftliche
      Mitteilung von Informationen über Verstöße;
Nr. 4 "interne Meldung" die mündliche oder schriftliche Mitteilung
      von Informationen über Verstöße innerhalb einer juristischen
      Person des privaten oder öffentlichen Sektors;
Nr. 5 "externe Meldung" die mündliche oder schriftliche
      Mitteilung von Informationen über Verstöße an die
      zuständigen Behörden;
Nr. 6 "Offenlegung"   oder    "offenlegen"   das    öffentliche
      Zugänglichmachen von Informationen über Verstöße;

Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie   #7
Welche Meldungen sind
                           geschützt und damit erlaubt?

                                                                                hinreichenden Grund
                                              Person mit                         zur Annahme, dass
                                         "Informationen über                       zum Meldungs-
                                              Verstöße"                         zeitpunkt wahr + im
                                                (s.o. Folie 4)
                                           gegen EU-Recht                       Anwendungsbereich
                                                (s.o. Folie 5)                   der RL gem. Art. 6

Interne Meldekanäle                            und/oder                      Externe Meldekanäle
   der Organisation                        echtes Wahlrecht                     der zuständigen
gem. Art. 7 Abs. 1; 10              gleichwohl: grds. möglichst interne      Behörden gem. Art. 10
                                   Kanäle zuerst nutzen, Art. 7 Abs. 1, 2;
zuvor intern +                             Erwägungsgrund 33.                            zuvor extern +
keine geeigneten                                                                       keine geeigneten
Maßnahmen innerhalb                        Offenlegung                           Maßnahmen innerhalb
von max. 3 Monaten ab                z.B. Medien gem. Art. 15                von max. 3 bzw. 6 Monaten
Eingangsbestätigung                                                             ab Eingangsbestätigung
gem. Art. 15 Abs. 1 a) +                 direkt bei Sonder-                     gem. Art. 15 Abs. 1 a) +
Art. 9 Abs. 1 f)                       konstellationen (Folie 9)                       Art. 11 Abs. 2 d)
Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie                                         #8
Welche Meldungen sind
                         geschützt und damit erlaubt?

 interne + externe Meldungen
    grds. nur bei Eingang über die nach der RL eingerichteten Kanäle geschützt
        gem. Art. 6 Abs. 1 b) i.V.m. Art. 7/8/10/11/12! (vgl. aber Art. 12. Abs. 3)
 offen vs. anonym
   •    völlig anonyme Meldungen erfasst die RL (logischerweise) nicht
   •    nachträglich identifizierte Personen, die Repressalien erleiden dagegen schon
        gem. Art. 6 Abs. 3.
   •    keine Verpflichtung zur Entgegennahme/Weiterverfolgung anonymer
        Meldungen → Mitgliedsstaaten können das regeln gem. Art. 6 Abs. 2
 Motivlage
    irrelevant
    auch Meldungen rein aus Schädigungsabsicht erfasst, solange
     Voraussetzungen der RL erfüllt
 Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie                   #9
Offenlegung
 direkte Offenlegung gegenüber z.B. Medien gem. Art 15 Abs. 1 b)
   i) „der Verstoß eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des
      öffentlichen Interesses darstellen kann, so z. B. in einer Notsituation
      oder bei Gefahr eines irreversiblen Schadens; oder“
   ii) „im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befürchten sind
       oder aufgrund der besonderen Umstände des Falls geringe Aussichten
       bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird“
       • z.B. wenn Beweismittel unterdrückt/vernichtet werden könnten
       • oder Absprachen zwischen Verantwortlichen und Behörde bestehen
         könnten
       • oder Behörde selbst beteiligt sein könnte

 Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie             # 10
Einrichtungsverpflichtung
                             von Meldekanälen

 Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle gem. Art. 8
  • juristische Personen des privaten Sektors
       Abs. 1 + 6: mit 50 oder mehr Arbeitnehmern, mit 50 – 249
        Arbeitnehmern können sich Melde- und Untersuchungsressourcen teilen
       Abs. 3: „Meldekanäle können intern von einer hierfür benannten Person
        oder Abteilung betrieben oder extern von einem Dritten bereitgestellt
        werden.“
       Abs. 7: nach einer geeigneten Risikobewertung ggf. auch unter 50
        Arbeitnehmer
  • juristische Personen des öffentlichen Sektors (Abs. 9)
       analog s.o. Abs. 1
       Gemeinden unter 10.000 Einwohner oder weniger als 50 Arbeitnehmer
        können ausgenommen werden
       gemeinsames Betreiben von internen Meldekanälen möglich

 Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie         # 11
Verfahren/Folgemaßnahmen für
                            interne Meldungen, Art. 9

 interner Meldekanal
    • sichere Konzipierung  Vertraulichkeit des Hinweisgebers und erwähnter
      Dritter  kein Zugriff Unbefugter
    • schriftliche und mündliche (telefonisch bzw. auf Wunsch pers.) Meldungen
    • Eingangsbestätigung innerhalb von 7 Tagen
    • max. 3 Monate nach Eingang/Ablauf  Rückmeldung an den Hinweisgeber
    • ordnungsgemäße Folgemaßnahmen der benannten Person
    • klare und leicht zugängliche „Informationen über die Verfahren für
      externe Meldungen an die zuständigen Behörden nach Art. 10 und
      gegebenenfalls an Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union“
        → de facto müssen Unternehmen wegen des Wahlrechts also auf die
          konkurrierenden Meldekanäle hinweisen!

 Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie          # 12
Einrichtungsverpflichtung
                          von Meldekanälen gem. Art. 11

 Pflicht zur Einrichtung externer Meldekanäle
   Mitgliedstaaten benennen zuständigen Behörden (Meldung, Rückmeldung,
   Folgemaßnahmen), und statten diese mit angemessenen Ressourcen aus
   • unabhängige und autonome externe Meldekanäle
   • Eingangs-Bestätigung innerhalb von 7 Tagen, max. 3, ggf. 6 Monate nach
     Eingang/Ablauf  Rückmeldung an den Hinweisgeber
   • Ergreifen ordnungsgemäße Folgemaßnahmen

 Folgemaßnahmen
   • Mitgliedsstaaten können festlegen, dass nach ordnungsgemäßer Prüfung
     wegen Geringfügigkeit Verstöße mit Ausnahme des Abschlusses des
     Verfahrens keine weiteren Folgemaßnahmen gem. der RL erfordern (ggf.
     aber anderweitig)
   • Mitteilung des abschließenden Ergebnisses an Hinweisgeber
 Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie      # 13
externe Meldekanäle

 Gestaltung externer Meldekanäle gem. Art. 12
  • Unabhängig und autonom, wenn
       Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen gewährleistet 
        kein Zugriff Unbefugter
       sie ermöglichen die dauerhafte Speicherung von Informationen gemäß Artikel 18,
        um weitere Untersuchungen zu ermöglichen
   • schriftlicher und mündlicher Form
   • Sicherstellung einer Weiterleitung bei Eingang über andere Kanäle

 Behörden-Webseite: Informationen u.a. über
  • die Bedingungen für den Schutz nach Maßgabe der RL
  • insb. E-Mail-Adresse/Postanschrift/Tel.-Nummer
  • Verfahren, insb. Zeitraum, Art und Inhalt der Rückmeldung
  • Abhilfemöglichkeiten/Schutz/Unterstützung

 Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie                  # 14
Schutz
 Art. 19 – Verbot von Repressalien
  • jede Form von Repressalien, inklusive Androhung/Versuch
      z.B.: negative Leistungsbeurteilung/schlechtes Arbeitszeugnis; Nötigung,
        Einschüchterung, Mobbing oder Ausgrenzung
 Art. 20 – Unterstützende Maßnahmen
  • Sicherstellung des Zugangs durch Mitgliedsstaaten, u.a.
      umfassende + unabhängige Information/Beratung über verfügbare
        Abhilfemöglichkeiten + Verfahren gegen Repressalien + Rechte der
        betroffenen     Person;     Prozesskostenhilfe     in   Strafverfahren    +
        grenzüberschreitenden Zivilverfahren + (Mitgliedsstaatenoption): in
        gerichtlichen Verfahren finanzielle Hilfen + unterstützende Maßnahmen,
        einschließlich psychologischer Betreuung
 Art. 21/22 – Schutz vor Repressalien/betroffener Personen, u.a.
  • weiter Haftungsausschluss für geschützte Meldungen/Offenlegungen
  • Zugang zu geeigneten Abhilfemaßnahmen gegen Repressalien inkl.
     einstweiligen     Rechtsschutzes    während      laufender   Gerichtsverfahren
 Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie              # 15
Art. 23 - Sanktionen

 Mitgliedstaaten legen wirksame, angemessene + abschreckende Sanktionen
  fest für
    •   Natürliche oder juristische Personen bez.
         Meldungsbehinderung oder Versuch
         Repressalien (s.o.)
         Mutwilliges Anstrengen von Gerichtsverfahren
         Verstoß gegen Vertraulichkeitswahrung
    •   Hinweisgeber
         denen nachgewiesen wird, dass sie wissentlich falsche Informationen
          gemeldet oder offengelegt haben
         Wiedergutmachung von Schäden, die durch diese Meldungen oder
          Offenlegungen entstanden sind
 Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie             # 16
Beweislast
 hinreichenden Grund zur Annahme, dass die Informationen über Verstöße
  zum Meldungszeitpunkt wahr + im Anwendungsbereich der RL
    →       Beweislast trägt der Hinweisgeber
        →     Beschaffung und Inhalt/Deutung fallen in dessen Sphäre
 Benachteiligungen
    → Gem. Art. 21 Abs. 5
        → der Hinweisgeber kann in einem Benachteiligungsverfahren geltend
          machen, die betreffende Benachteiligung sei eine Reaktion auf seine
          Meldung/Offenlegung
        → dann wird vermutet, dass das der Fall ist und die benachteiligende
          Person muss nachweisen, dass diese Maßnahme auf hinreichend
          gerechtfertigten Gründen basierte (Beweislastumkehr)

 Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie        # 17
Literatur
Dilling, J. (2019): Der Schutz von Hinweisgebern und betroffenen Personen nach der EU-
    Whistleblower-Richtlinie, Corporate Compliance Zeitschrift, 12 (5), S. 214–224.
Federmann, B./Racky, F./Kalb, M./Modrzyk (2019): Die Whistleblowing-Richtlinie der EU:
    Die neuen Regeln und deren Auswirkungen auf Unternehmen des privaten Sektors, Der
    Betrieb (30), S. 1665–1671.
Garden, F./Hiéramente, M. (2019): Die neue Whistleblowing-Richtlinie der EU –
    Handlungsbedarf für Unternehmen und Gesetzgeber, Betriebs Berater, 74 (18), S. 963–
    969.
Gerdemann, S. (2019): Überlegungen zur nationalen Umsetzung der Richtlinie zum Schutz
    von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden („Whistleblowing-
    Richtlinie“).
Herold, N. (2018): Zur Kontroll-Funktionalität von Whistleblowing-Systemen im Lichte
    aktueller empirischer Erkenntnisse. In: Boers, K./Schaerff, M. (Hg.): Kriminologische
    Welt in Bewegung. Forum Verlag Godesberg GmbH, S. 228–242.
Schmolke, K. U. (2019): Whistleblowing als Regelungsaufgabe. – Grundlagen und aktuelle
    Diskussionsfelder –, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, 48 (5),
    S. 876–922.
  Dr. N. Herold: Einführung/Überblick zur EU-Hinweisgeber-Richtlinie                  # 18
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