Einstein denkt anders - Das Prinzip der kleinsten Wirkung - Max Camenzind Heidelberg 2019 - LSW Heidelberg
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Quiz zum Jahresbeginn • Die Mutter eines berühmten Astronomen wurde als Hexe verurteilt. Um wen handelt es sich dabei? • In welchem Jahr wurde Galilei vom Papst als Ketzer rehabilitiert? • 1992 von Papst Paul II. • Was hat Galilei beim Pendel herausgefunden? • Was hat Galilei bei der schiefen Ebene heraus- gefunden? • Welchen Asteroiden besucht Osiris-Rex gerade?
Isaac Newton oder Albert Einstein? 3 Dimensionen oder 4 Dimensionen ? • Isaac Newton hatte im 17. Jahrhundert als erster eine umfassende mathematische Formulierung der Gravitation gefunden. Vor über 300 Jahren ersann er sein Gravitationsgesetz und zeigte, dass sich die Keplerschen Gesetze der Planetenbewegung daraus herleiten lassen. Für Newton waren Raum und Zeit getrennt. Beide galten ihm als absolute, unveränderliche Größen. Die Zeit betrachtete er als grundlegende Eigenschaft, die dem Universum innewohnt. Sie schreitet unbeeinflussbar und gleichmäßig fort und erstreckt sich aus einer ewigen Vergangenheit in eine ewige Zukunft.
Raum und Zeit bei Newton • Die Frage nach der Natur von Raum und Zeit hat die größten Geister der Geschichte beschäftigt: • Raum und Zeit könnten echte reale Dinge sein wie Masse und Ladung. Nach Newton fließt die Zeit wie ein Fluss von Sekunde zu Sekunde und Ereignisse sind nacheinander angeordnet. Die Zeit würde auch weiterfließen, wenn das Universum vollkommen leer wäre. • Genauso ist der Raum: Objekte sind darin eingebettet wie Schmuckstücke in einem Regal oder wie Puppen im Puppentheater. Newton stellte sich Raum und Zeit wie ein absolutes Gerüst für das Universum vor. • Doch die Tatsache, dass Raum und Zeit nicht wahrnehmbar sind, brachte ihn in ein Dilemma – eine Idee ohne Messung ist nicht wissenschaftlich!
RaumZeit = Zeit + Raum + Materie • Erst Einstein überwand Newtons Weltbild mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie. Sie verbindet Zeit, Raum und Materie zu einem unauflösbaren Ganzen. Alle Massen, ob riesige Galaxis oder winziger Asteroid, krümmen mit ihrer Schwerkraft diese RaumZeit. Die Verformung wiederum bestimmt, wie sich die Materie und auch das Licht durch das All bewegen. Anders als bei Newton ist die RaumZeit nicht nur die Bühne des kosmischen Geschehens, sondern durch die Gravitation der im All vorhandenen Materie auch teilnehmender Akteur.
Inhalt • Das Hamiltonsche Prinzip der Newtonschen Mechanik: • Kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten in der Ebene. • Was ist ein Funktional? • Das Galilei-Bernoulli Problem. • Was ist Variationsrechnung? • Die Euler-Lagrange-Gleichungen.
Das Hamiltonsche Prinzip • Wenn Teilchen und (Kraft-)Felder miteinander interagieren, resultieren daraus Bewegungen und Änderungen der Felder in berechenbarer Weise. Die Bewegungen können sehr komplex sein. • Warum aber sind die Bewegungen und Änderungen in der Natur genau so und nicht anders? • Welche grundlegende Gesetzmässigkeit liegt vor, dass von allen möglichen Bewegungen und Feldänderungen nur genau die in der Natur beobachteten eintreten? • Wie kann man dieses Naturgesetz mathematisch formulieren? Was ist an der Lösung, welche die Natur verwendet, so speziell?
Das Integral als Funktional
Länge einer Kurve als Funktional
Variationsrechnung allgemein
Minimale Länge einer Kurve in E² Kurvenlänge: ds² = dx² + dy² = dx²(1 + dy²/dx²) = dx²(1 + y´²)
Historische Einblendung
Galileo Galilei – der erste Experimentalphysiker
Historische Einblendung: Bernoulli
Problem: Variationsrechnung
Begriff der Variation
Beispiele von Variationen
Einparametrige Variation
Variationen kürzeste Verbindung
Bedingung der Variation
Bedingung der Variation II
Euler-Lagrange-Gleichungen
Ad Prinzip der geringsten Wirkung In den letzten 300 Jahren wurde sehr viel über das Prinzip der geringsten Wirkung diskutiert. Dieses Prinzip wurde zum ersten Mal von Maupertius um 1750 formuliert. Es hat sehr viele Kontroversen ausgelöst über Kausalität und Teleologie (zweckorientierte Handlungen; nach Leukipp: „Nichts geschieht zufällig, sondern alles aus einem Grunde und mit Notwendigkeit.“ ). Man hat erwartet, dass das Prinzip der kleinsten Wirkung einen tieferen philosophischen Hintergrund hat; denn es suggeriert, dass physikalische Systeme durch finale Ursachen bestimmt werden. Es sollte also in der Natur ein Prinzip geben, wonach physikalische Systeme geleitet werden. Maupertius sah im Prinzip der kleinsten Wirkung “the grand scheme of the universe”. Leibniz erkannte zum ersten Mal die Herleitung aus Maxima und Minima. Für Helmholtz wurde dieses Prinzip zu einem “Leitmotiv” zur Herleitung neuer Gesetze. Auch Planck betrachtete dieses Prinzip als einen wesentlichen Schritt zu einem tieferen Naturverständnis.
Beispiel 1: Kurve in Ebene
Geraden sind die Geodäten Euklidisch Geraden-Gleichung
Beispiel 2: Bernoulli Problem
Lösung Brachistochronen-Problems Zykloide x(q) = r (q – sinq) y(q) = r (1 – cosq) t=q Lösung s. Anhang
Lagrange-Gleichungen der Mechanik L=T-V
Die Lagrange-Gleichungen als Ausdruck der Newtonschen Bewegung
Extremalprinzip Wirkungsfunktional
Hamiltonsches Prinzip der Mechanik
Das Hamiltonsche Prinzip der Mechanik
Warum gerade L = T – V ?
Beispiel 3: Das Kepler Problem 2 Parameter (a, e) bestimmen eine Ellipse Planet r Perihel q Aphel Schnellste Langsamste Bewegung Bewegung Perihel Aphel Distanz Distanz
Schwerpunkt-Koordinaten Sonne r2 Planet r1
Massenmittelpunkt & CM Koordinaten • Dazu führen wir relative Koordinaten ein: m1r1 m2 r2 r r1 r2 ; R m1 m2 • R Massenmittelpunkt • m2 r r1 R m1 m2 r2 m1r r2 R • m1 m2 r1 2 2 2 m2 r 2 m1r (r1 ) R ; (r2 ) R m1 m 2 m1 m 2
Bewegung des Schwerpunktes • Der Lagrange in den neuen Koordinaten: 2 2 (m1 m2 )( R) V r m1m2 (r ) L 2 2(m1 m2 ) • Potenzial hängt nicht von CM ab! • Die Euler-Lagrange-Gleichungen einfach L d L L const (m1 m2 ) Ri Pi Ri dt R i Ri • Totaler Impuls des Systems P = MV ist erhalten: Bewegungsintegral CM bewegt sich linear.
Das Reduzierte 2-Körper-Problem m1m2 • Der neue Lagrange: m 2 2 m1 m2 V r V r m1m2 (r ) m( r ) L' 2(m1 m2 ) 2 • Damit haben wir das ursprüngliche 2-Körper- Problem auf ein 1-Körper Problem in einem Zentral- potenzial (Potenzial, das nur vom Abstand r zwischen den Körpern abhängt) reduziert. • m = µ = m1m2/(m1+m2): reduzierte Masse • Anzahl Freiheitsgrade nur noch: 3 • Energie E und Drehimpuls J sind erhalten!
Bewegung in der q-Ebene Drehimpuls L' m(r 2 r 2q 2 r 2 sin 2 q 2 ) / 2 V (r ) • Euler-Lagrange Gleichung für θ d L' L' 0 dt q q • Die θ Koordinate ist also zyklisch. • Der entsprechende Impuls zur θ Koordinate L pq r 2 mq const q • Drehimpuls in der Bewegungsebene relativ zum Ursprung ist erhalten r 2mq rmr rmv rp J const
Sphärische Koordinaten 2 m(rx ry rz ) 2 2 2 V r V rx ry rz m( r ) L' 2 2 2 2 2 • Zentralpotenzial ist sphärisch symmetrisch • Günstig in sphärischen Koordinaten zu arbeiten rx r sin q cos ; ry r sin q sin ; rz r cos q m(r 2 r 2q 2 r 2 sin 2 q 2 ) L' V (r ) 2
Das Effektive Potenzial pq J const 2 2 pr pq E 2 V (r ) 2m 2mr J2 • effektives Potenzial Veff ( r ) 2 V (r) 2mr • Die Hamilton-Funktion hängt effektiv nur von 1 Koordinate ab, der Koordinate r. • Damit reduzierten wir das 2-Körper-Problem auf ein 1-Körper-Problem eines Teilchens mit reduzierter Masse m im effektiven Potenzial Veff(r). • Anzahl Freiheitsgrade: 1 • Dimension des Phasenraumes: 2 Da 2 Erhaltungsgrößen existieren, totale Energie und Drehimpuls J, ist das Problem integrabel !
Die totale Energie E im reduzierten 2-Körper-Problem ist zeitlich erhalten
Das effektive Potenzial Veff(r) ungebunden E = 0 Parabelbahn rmin gebunden Abb.: Effektives Potenzial Veff(r) bei der Bewegung in einem Zentralfeld
Das Kepler-Problem – radiale Lösung 1 km 2 km 2 1 1 2 Epq cos(q q ) C 1/ p r pq pq 2 0 2 mk C 1 e cos(q q 0 ) 2 1 2 Epq 1 e r mk 2 • Damit haben wir die radiale Bahnform erhalten, parametrisiert durch totale Energie E und Drehimpuls. • Abhängig von den Konstanten C und e nimmt die Form der Bahn verschiedene Gestalt an. e < 1, falls E < 0, d.h. für gebundene Bahnen! e = 0 Kreisbahn. • Für ein positives C (Attraktion) repräsentieren die Bahnen Kegelschnitte: Ellipsen, Parabel und Hyperbel.
Polarform: r() = p/(1 + e cos()) p
Aktuelle Astronomie Bennu – Rendezvous mit Urmaterie Asteroid Bennu: Apollo! Große Halbachse: 1,126 AE Exzentrizität: 0,204 Perihel: 0,897 AE Aphel: 1,356 AE Inklination: 6,035° Sid. Umlaufzeit: 436,5 d ------------------------------------- Durchmesser: 492 m Masse: 60 Mio t Rotation: 4,29 h Absol. Helligkeit: 20 mag
Osiris-Rex im Anflug auf Bennu Nach mehr als zwei Jahren Reise hat die Raumsonde Osiris-Rex am 3. Dezember 2018 ihr Ziel, den Asteroiden Bennu erreicht. Zunächst umkreist sie ihn mit einem Abstand von circa zwanzig Kilometern. Nach und nach wird sich die Raumsonde dann noch näher an Bennu heranwagen und ihn sogar "anfassen". Durchmesser von Bennu: 492 m.
Blick der NASA-Sonde Origins, OSIRIS-Rex, auf den Asteroiden Bennu, aus einer Entfernung von 24 km am 2.12.2018
Osiris-Rex tastet Bennu ab
Urwasser auf Bennu Um Bennu zu erforschen hat Osiris-Rex neben Kameras und einem Höhenmesser auch Spektrometer an Bord. Zwei von ihnen, die Instrumente Ovirs und Otes, registrierten auf Bennu Moleküle, in denen Wasserstoffatome an Sauerstoffatome gebunden sind. Das NASA-Team vermutet, dass diese sogenannten Hydroxyl-Gruppen auf dem ganzen Asteroiden zu finden sind. Daraus folgern die Wissenschaftler, dass das Material, aus dem Bennu besteht, einmal mit Wasser in Kontakt gekommen sein muss. Bennu ist allerdings so klein, dass auf ihm nie flüssiges Wasser existieren konnte. Daraus ziehen die NASA- Forscher den Schluss, dass Bennu einst Teil eines größeren Asteroiden war, auf dem es Wasser gab.
New Horizons erforscht das Ende der Welt Grafik: SuW / 2019/1
• Dreieinhalb Jahre nach ihrer extrem erfolgreichen Passage am Zwergplaneten Pluto im Juli 2015 hat die Raumsonde New Horizons ein neues Zielobjekt im Visier: Am 1. Januar 2019 um 6:33 Uhr MEZ wird sie in einem Abstand von nur 3500 Kilometern am Kuipergürtelobjekt (486958) 2014 MU69 vorbeifliegen. Da diese Katalogbezeichnung nicht gerade eingängig ist, gaben die an der Mission beteiligten Planer und Wissenschaftler dem Objekt den inoffiziellen Namen Ultima Thule. Nach einem altgriechischen Mythos lässt er sich sowohl zeitlich als auch räumlich gesehen mit dem »Ende der Welt« umschreiben. • Mit den Untersuchungen von New Horizons gerät erstmals ein kleines Mitglied des Kuipergürtels ins Blickfeld der Planetenforscher – und zwar eines, das sich seit seiner Entstehung vor rund 4,6 Milliarden Jahren kaum verändert hat.
So könnte Ultima Thule aussehen
• Was die Forscher am 1. Januar 2019 erwartet, ist noch ziemlich ungewiss. Denn was man bisher über Ultima Thule herausgefunden hat, stellt Astronomen vor Rätsel. Im Juli 2017 stellten sie bei einer Sternokkultation fest, dass Ultima Thule eher länglich als rund und maximal 30 Kilometer gross ist. Der Körper könnte sogar aus zwei Teilen bestehen, die sich gerade eben berühren. Da davon auszugehen ist, dass Ultima Thule rotiert, würde man erwarten, dass seine Helligkeit periodisch schwankt. Doch dafür gibt es keine Anzeichen. • Möglich ist auch, dass Ultima Thule von kleinen Monden umkreist wird, deren Helligkeit ebenfalls periodisch schwankt.
Ultima Thule 2014 MU69 im Kuiper- Gürtel aus 137.000 km - 14 km 19 km rötliche Farbe
Ultima Thule / NASA 3.1.2019
Anhang 1: Lösung des Bernoulli Problems
Bernoulli Problem II
Bernoulli Problem III
Bernoulli Problem IV
Bernoulli Problem Zykloide
Anhang 2: Lösung Kepler-Problem Die Kepler-Ellipse hat unter allen möglichen Bahnkurven um die Sonne die geringste Wirkung (Hamilton). Sie ist allein durch 2 Parameter bestimmt: Drehimpuls und Energie, die eindeutig die große Halbachse a und die Exzentrizität e bestimmen.
Die Radiale Bewegungsgleichung 2 2 pr pq H 2 V (r ) E 2m 2mr • Energieerhaltung: totale Energie ist erhalten dH H H const E 0 dt t L' pr mr r pq 2 pr 2m E 2 V (r ) 2mr
Die Bahngleichung nicht lösbar als f(t) 2 pq 2 r E V ( r ) m 2mr 2 dr dt pq q 2 2 pq 2 E V ( r ) mr m 2mr 2 mr dq 2 dt pq mr 2 dq dr pq 2 pq 2 E V ( r ) m 2mr 2
Die Bahn-Anomalie q als Func(r) r pq dr q q0 pq 2 2m E r0 r 2 2 V ( r ) 2 mr • Diese Bahngleichung kann integriert werden für Potenziale der Form (sog. Potenzgesetze) V (r ) ar n Falls n = 2, - 1, - 2, kann das Integral als trigonometrische Funktion ausgedrückt werden. • Falls n = 6, 4, 1, - 3, - 4, - 6, kann das Integral als elliptische Funktion ausgedrückt werden.
Das Kepler-Problem 1 • Kepler Potenzial: V (r ) r • beschreibt gravitative und elektrostatische Johannes Kepler Wechselwirkung (1571-1630) k • Attraktiv: V ( r ) ; k Gm1m 2 0 r • Repulsiv: k V (r ) ; k 0 r Jdr • Integral: q q0 J 2 k r 2m E 2 2 2mr r
Das Kepler-Problem – radiale Lösung 1 km 2 km 2 1 1 2 Epq cos(q q ) C 1/ p r pq pq 2 0 2 mk C 1 e cos(q q 0 ) 2 1 2 Epq 1 e r mk 2 • Damit haben wir die radiale Bahnform erhalten, parametrisiert durch totale Energie E und Drehimpuls. • Abhängig von den Konstanten C und e nimmt die Form der Bahn verschiedene Gestalt an. e < 1, falls E < 0, d.h. für gebundene Bahnen! e = 0 Kreisbahn. • Für ein positives C (Attraktion) repräsentieren die Bahnen Kegelschnitte: Ellipsen, Parabel und Hyperbel.
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