Einzelbetriebliche Auswirkungen politischer Reformen in der Landwirtschaft: Erste empirische Erkenntnisse
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Einzelbetriebliche Auswirkungen politischer Reformen in der Landwirtschaft – Feil/Mußhoff/Roeren-Wiemers | Essay Einzelbetriebliche Auswirkungen politischer Reformen in der Landwirtschaft: Erste empirische Erkenntnisse Jan-Henning Feil, Oliver Mußhoff, Tobias Roeren-Wiemers Kernaussagen sie die Direktzahlungen weitestgehend von der Produktion entkoppelte und eine fixe Betriebsprämie pro förderfähigem Politikfolgenabschätzungen sind insbesondere im Agrarbe- Hektar einführte. Mit der Einführung des EEG wurde die reich, z.B. in Bezug auf die anstehenden Reformen der bevorzugte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen, gemeinsamen EU-Agrarpolitik, hoch relevant. Für das Feld z.B. Biomasse, Windkraft, Solar, ins Stromnetz geregelt und der Politikberatung stellt sich hierbei vor allem die Frage den Erzeugern feste Einspeisevergütungen garantiert. nach geeigneten und allgemein verwendbaren Methoden, Im Rahmen der anstehenden GAP-Reform in 2014 werden um politische Entscheidungen adäquat zu unterstützen. In die finanziellen Zuwendungen an die Landwirtschaft abermals diesem Beitrag werden die Effekte der EU-Agrarrefomen neu geordnet. So wird nur noch ein Teil der bisherigen fixen der letzten 20 Jahre und der Einführung des Erneuerbare- Betriebsprämie pro förderfähigem Hektar bestehen bleiben. Energien-Gesetzes auf die Höhe der Einkommen landwirt- Ergänzend dazu soll jeder Landwirt unter dem Stichwort schaftlicher Betriebe, auf Überwälzungseffekte auf dem „Greening“ eine Hektarzahlung für die Einhaltung bestimm- Pachtmarkt sowie auf das Einkommensrisiko erstmalig ter dem Klima- und Umweltschutz förderlicher Bewirtschaf- anhand einzelbetrieblicher Daten untersucht. Hierzu steht tungsmethoden, z.B. der Erhalt von Dauergrünland, die Diver- ein Datensatz von landwirtschaftlichen Betrieben aus Nord- sifizierung der Anbaufrüchte und der Erhalt ökologischer Vor- rhein-Westfalen über einen Zeitraum von 1984/85 rangflächen, erhalten. Diese anstehenden Beschlüsse werden 6 bis 2010/11 zur Verfügung, der mit Hilfe einer Paneldaten- Jahre Bestand haben, bis der Finanzrahmen der GAP im Jahr analyse ausgewertet wird. Die Ergebnisse zeigen unter ande- 2020 abermals neu geordnet werden soll. rem, dass die besagten Reformen einen signifikanten Ein- Im Regelwerk der EU ist festgelegt, dass in vielen Politik- fluss auf die Höhe der betrieblichen Einkommen hatten. feldern, insbesondere denen der GAP sowie der ruralen Ent- Durch die Untersuchung wird gleichzeitig ein Modellrah- wicklung, laufend Folgenabschätzungen von bereits umge- men vorgeschlagen, der bei Vorliegen einzelbetrieblicher setzten sowie zukünftigen Reformen vorgenommen werden Daten beliebig reproduzierbar und somit auch auf zukünf- müssen (Europäische Kommission, 2005). Hierbei sollen die tige politische Reformen im Allgemeinen und Agrarrefor- Verantwortlichkeiten politischer Entscheidungsträger sicher- men im Besonderen anwendbar ist. gestellt und die Zielerreichung der Reformen gemessen wer- den. Für das Feld der Politikberatung stellt sich hierbei insbe- sondere die Frage nach geeigneten Methoden der Folgenab- 1 Einleitung schätzung vergangener und zukünftiger Reformen unter Die politischen Rahmenbedingungen, unter denen landwirt- Berücksichtigung der jeweiligen Reformziele der politischen schaftliche Betriebe in Europa und insbesondere in Deutsch- Entscheidungsträger. land produzieren, sind einem stetigen Reformprozess ausge- In Bezug auf die vergangenen Reformen im Agrarsektor setzt. Bezüglich vergangener Reformen sind hierbei vor allem werden seit einiger Zeit die Auswirkungen auf den ökonomi- die Reformen der gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) und schen Erfolg landwirtschaftlicher Unternehmen sowie auf die Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu Überwälzungseffekte – insbesondere auf dem Pachtmarkt – in nennen. Im Rahmen der EU-Agrarpolitik wurden durch die im der Literatur intensiv diskutiert (z.B. Chatzis, 1997; Daugb- Jahr 1992 beschlossene MacSharry Reform die Interventions- jerg und Swinbank, 2007; Kilian und Salhofer, 2009). Darü- preise für landwirtschaftliche Produkte verringert und pro- ber hinaus werden die Effekte politischer Reformen auf Preis- duktionsgebundene Direktzahlungen als Kompensation ein- risiken auf den Agrarmärkten untersucht – insbesondere auf geführt. Mit der Agenda 2000 wurde eine weitere Senkung der den Getreidemärkten (z.B. Sckokai und Moro, 2006; 2009). Interventionspreise und im Gegenzug eine Erhöhung der Hieraus lässt sich die Frage ableiten, ob sich ein verändertes Direktzahlungen beschlossen. Letztere wurden fortan nicht Preisrisiko auch in einem veränderten Einkommensrisiko für mehr ausschließlich an die Produktion, sondern zusätzlich an landwirtschaftliche Betriebe niederschlägt. Bewirtschaftungsauflagen bei der Landschaftspflege und an Wissenschaftliche Analysen haben sich bislang weitestge- die Einhaltung von Mindeststandards beim Umwelt-, Arbeits- hend darauf konzentriert, die betreffenden Auswirkungen und Tierschutz gekoppelt. Die Fischler-Reform im Jahr 2003 politischer Strukturbrüche mit Hilfe modellbasierter Simula- entwickelte die Änderungen der Agenda 2000 weiter, indem tionsrechnungen zu quantifizieren (z.B. Britz et al., 2012; ZPB 3-4/2013 159 https://doi.org/10.5771/1865-4789-2013-3-4-159 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.12.2021, 15:08:20. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
Essay | Feil/Mußhoff/Roeren-Wiemers – Einzelbetriebliche Auswirkungen politischer Reformen in der Landwirtschaft Happe und Balmann, 2002; Kreins und Gömann, 2008). Paneldatenanalyse für den vorliegenden einzelbetrieblichen Dabei wird vielfach von der Verhaltensannahme eines voll- Datensatz getestet werden. ständig informierten und ausschließlich gewinnmaximieren- In Bezug auf die verschiedenen GAP-Reformen war es den homo oeconomicus ausgegangen. Reale Wirtschaftssub- eines der erklärten Ziele der Politik, die Einkommenssituation jekte verfolgen aber in aller Regel Mehrfachziele, die neben landwirtschaftlicher Betriebe nicht zu verschlechtern. So ver- dem Gewinn- auch das Sicherheitsstreben sowie internalisierte sicherte die Europäische Kommission bereits vor der Einfüh- Wertvorstellungen und weitere nicht-monetäre Motivationen rung der MacSharry-Reform, dass die neu eingeführten (z.B. Tradition oder soziale Anerkennung) beinhalten (z.B. Direktzahlungen die verringerten Preisstützungen in voller Benz, 2006). Zudem verhalten sie sich, zumindest teilweise, Höhe kompensieren und keine negativen Einkommenseffekte begrenzt rational (z.B. Simon, 1956). Deshalb besteht bei Poli- entstehen würden (Europäische Kommission, 1991). Wissen- tikfolgenabschätzungen, die auf Simulationsrechnungen schaftliche Beiträge, die die (möglichen) Auswirkungen poli- basieren, die Gefahr, dass Art und Geschwindigkeit des tischer Reformen auf die einzelbetriebliche Einkommenssitua- Anpassungsverhaltens an veränderte Rahmenbedingungen tion anhand von Modellrechnungen quantifizieren, beziehen falsch eingeschätzt werden. Umfangreichere empirische Unter- sich vor allem auf die Entkopplung der Prämien im Zuge der suchungen der tatsächlichen einzelbetrieblichen Effekte ver- Fischler-Reform in 2003. Happe und Balmann (2002) kom- änderter politischer Rahmenbedingungen auf Basis einzelbe- men mit Hilfe des agentenbasierten Agrarstrukturmodells trieblicher Daten liegen bislang nicht vor. AgriPoliS zu dem Ergebnis, dass die Entkopplung der Direkt- Das Ziel dieses Beitrags besteht deshalb darin, die Auswir- zahlungen keinen bedeutenden Einfluss auf die Wettbewerbs- kungen der wichtigsten EU-Agrarreformen der letzten 20 fähigkeit und die Einkommenshöhe landwirtschaftlicher Jahre – der MacSharry-Reform, der Agenda 2000 und der Betriebe hat. Isermeyer (2003) sieht in seiner Bewertung der Fischler-Reform – sowie der Einführung des EEG auf einzel- (damals) vorläufigen Beschlüsse der Fischler Reform durch die betrieblicher Ebene empirisch zu untersuchen. Hierzu stehen Entkopplung tendenzielle Einkommensnachteile für kleine Daten von 22 Marktfruchtbetrieben aus Nordrhein-Westfalen und mittlere Betriebe. Hingegen kommen Kreins und Gömann für den Zeitraum von 1984/85 bis 2010/11 zur Verfügung. (2008) mit Hilfe des Agrar- und Umweltinformationssystems Mittels einer Paneldatenanalyse werden die Effekte der poten- RAUMIS zu dem Schluss, dass viele Regionen Deutschlands ziellen politischen Strukturbrüche auf die Höhe der betriebli- im Zuge der Entkopplung eine Aufstockung ihres Direktzah- chen Einkommen, der Pachtzahlungen sowie des Einkom- lungsvolumens verzeichnen werden. In Verbindung mit wei- mensrisikos quantifiziert. Des Wissens der Autoren nach ist teren Veränderungen der landwirtschaftlichen Rahmenbedin- dies die erste empirische Analyse der Effekte der wichtigsten gungen würde dies zu einem Einkommensanstieg in der Land- Agrarreformen der letzten beiden Jahrzehnte auf einzelbe- wirtschaft führen (Kreins und Gömann, 2008: 204). In Bezug trieblicher Ebene in Deutschland. Hierbei wird ein Modell- auf die Einführung des EEG im Jahr 2000 kommen Gömann rahmen vorgeschlagen, der bei Vorliegen einzelbetrieblicher et al. (2007) zu dem Ergebnis, dass die positiven Ein- Daten beliebig reproduzierbar ist. Er ist somit auch auf aktu- kommenseffekte durch den Energiemaisanbau für die Land- elle Reformvorhaben im Agrarbereich, z.B. die anstehende wirtschaft allenfalls moderat ausfallen. Zusammenfassend GAP Reform in 2014, ex post anwendbar und kann somit wird aus diesen teilweise gegensätzlichen Ergebnissen aus der Politikberatern als Instrument zur Unterstützung politischer Literatur folgende Hypothese abgeleitet: Entscheidungsträger für zukünftige Reformen, z.B. der GAP H1(Einkommenseffekt): Durch die Reformschritte der EU Reform in 2020, dienen. und das EEG wurde die absolute Höhe der Einkommen landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland nicht signifi- Der Beitrag ist wie folgt gegliedert: In Abschnitt 2 werden kant beeinflusst. auf Grundlage bereits vorliegender Literatur die Forschungs- hypothesen abgeleitet. Nach der Charakterisierung der vor- Neben der Höhe der landwirtschaftlichen Einkommen werden handenen Daten in Abschnitt 3 folgt die Erläuterung zur in der Literatur die Auswirkungen politischer Reformen auf methodischen Herangehensweise und der geschätzten mögliche Überwälzungseffekte auf dem Pachtmarkt für Modelle in Abschnitt 4. Die Hypothesen aus Abschnitt 2 wer- Ackerland intensiv diskutiert. Ganz grundsätzlich stellt Chat- den in Abschnitt 5 überprüft. Abschließend werden die Ergeb- zis (1997) in Bezug auf Flächenpachten heraus, dass Überwäl- nisse zusammengefasst und zukünftige Forschungsfelder auf- zungseffekte durch politische Marktinterventionen entstehen gezeigt (Abschnitt 6). und vor der MacSharry-Reform insbesondere durch die Höhe festgelegter Interventionspreise beeinflusst wurden. Im Zuge 2 Hypothesengenerierung der Entkopplung der Direktzahlungen im Rahmen der Fisch- ler-Reform geht Isermeyer (2003) von einem Absinken des Im Folgenden werden drei Hypothesen aus der Literatur her- gesamten Pachtpreisniveaus im Agrarsektor aus. Auch bei geleitet, die sich direkt auf die Einkommens- und Überwäl- Ciaian et al. (2008) kommt es in unterschiedlichen Szenarien zungseffekte der wichtigsten politischen Strukturbrüche der in der Regel zu veränderten Überwälzungseffekten. Happe vergangenen 20 Jahre für landwirtschaftliche Betriebe bezie- und Balmann (2002) untersuchen ebenfalls mittels einer Sze- hen. Diese Hypothesen sollen anschließend anhand einer narioanalyse die Auswirkungen der Agenda 2000 und der 160 ZPB 3-4/2013 https://doi.org/10.5771/1865-4789-2013-3-4-159 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.12.2021, 15:08:20. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
Einzelbetriebliche Auswirkungen politischer Reformen in der Landwirtschaft – Feil/Mußhoff/Roeren-Wiemers | Essay (zum damaligen Zeitpunkt noch nicht final beschlossenen) 27 Jahre Beobachtungswerte – insgesamt 594 – verfügbar. Für Fischler Reform auf den Pachtmarkt. Bei den von ihnen unter- die Pachtzahlungen sind hingegen bei einigen Betrieben die suchten Szenarien kommt es im Zeitverlauf zu einem leichten Beobachtungen lückenhaft, so dass hier ein unbalancierter Sinken der Pachtpreise durch den Politikwechsel. Damit ergibt Paneldatensatz mit insgesamt 412 Beobachtungswerten vor- sich folgende Hypothese: liegt. H2(Überwälzungseffekt): Durch die Reformschritte der EU Die Politikfolgenabschätzung erfolgt im Rahmen einer werden Überwälzungseffekte auf den Pachtmärkten signi- Paneldatenanalyse. Hierbei wird über eine Dummy-Variable fikant beeinflusst. für den jeweiligen Zeitraum auf einen potenziellen Struktur- bruch getestet. Als hauptsächliche Änderungen der politischen In den letzten Jahren werden in der Literatur vermehrt stei- Rahmenbedingungen für landwirtschaftliche Betriebe in gende Volatilitäten auf den Märkten für Agrarprodukte the- Deutschland sind im Betrachtungszeitraum die MacSharry- matisiert (z.B. Tangermann, 2011). Viele Studien führen die Reform in 1992, die Agenda 2000, die Einführung des EEG in Zunahme von Preisvolatilitäten primär auf die agrarpoliti- 2000 sowie die Fischler-Reform in 2003 zu berücksichtigen. schen Reformen in der EU zurück, durch die der EU-Agrar- Für eine erste Übersicht wird der Betrachtungszeitraum von sektor den Weltmärkten geöffnet wurde (z.B. Thompson et al., 1984/85 bis 2010/11 zunächst in drei Zeitabschnitte unter- 2000; von Ledebur und Schmitz, 2011). Die Vermutung liegt teilt: Der Zeitraum der hohen Interventionspreise vor der nahe, dass sich die steigenden Preisschwankungen für Agrar- MacSharry Reform von 1984/85 bis 1992/93 („Interven- produkte letztlich auch in steigenden Einkommensschwan- tion“), der Zeitraum zwischen der MacSharry Reform und der kungen landwirtschaftlicher Betriebe widerspiegeln. Es lässt Agenda 2000 bzw. der Einführung des EEG von 1993/94 sich demnach folgende Hypothese ableiten: bis 1999/2000 („MacSharry“) sowie der Zeitraum von H3(Einkommensrisiko): Durch die Reformschritte der EU 2000/01 bis 2010/11 („Ag2000/Fischler/EEG“). Tabelle 1 werden die Einkommensschwankungen landwirtschaftli- gibt einen Überblick über die inflationsbereinigten1 minima- cher Betriebe signifikant beeinflusst. len, durchschnittlichen und maximalen Deckungsbeiträge, Pachtzahlungen sowie Standardabweichungen der Deckungs- 3 Datengrundlage beiträge dieser Zeitabschnitte. Die für die Hypothesenüberprüfung verwendeten Daten wur- den von einem nordrhein-westfälischen Arbeitskreis zur Ver- Tabelle 1. Beschreibung der Zeitreihen (in €/ha) fügung gestellt. Die jährliche betriebswirtschaftliche Auswer- tung der Betriebe inklusive eines Betriebsvergleiches wurde von einem Berater vorgenommen. Für die Wirtschaftsjahre 1984/85 bis 2010/11 liegen einzelbetriebliche Daten von 22 Betrieben vor. Nach Definition des Testbetriebsnetzes des BMELVs sind alle Betriebe der Betriebsform „Ackerbau“ zuzuordnen. Das bedeutet, mehr als 2/3 der geldlichen Brut- toleistung entstammt dem Anbau von Getreide, Raps, Rüben oder sonstigen Marktfrüchten. Die betrachteten Betriebe wei- sen eine Flächenausstattung von durchschnittlich 177 ha im a) Geringster bzw. höchster betriebsspezifischer Mittelwert im betrachte- Betrachtungszeitraum auf. Auf dieser Fläche wurde von ten Zeitraum b) Mittelwert aller Betriebe im betrachteten Zeitraum 1984/85 bis 2010/11 hauptsächlich Getreide und Raps ange- baut, wobei 13 Betriebe zusätzlich Zuckerrüben in ihrem Anbauprogramm hatten. Mit Blick auf Tabelle 1 wird deutlich, dass der durchschnitt- Um Effekte der politischen Reformen auf die Höhe (H1) liche Deckungsbeitrag im Zeitablauf gesunken ist. Die durch- und die Schwankungen (H3) der betrieblichen Einkommen zu schnittliche Pachtzahlung pro ha lag nur im zweiten Zeitab- analysieren, muss eine betriebliche Erfolgsgröße betrachtet schnitt höher. Schließlich war durch die deutlich reduzierte werden. Aus Gründen der Datenverfügbarkeit wird hierbei mittlere Standardabweichung des Deckungsbeitrags ein auf den durchschnittlichen jährlichen Deckungsbeitrag pro ha potentiell verringertes Einkommensrisikos nach der Mac- im Ackerbau inklusive der Direktzahlungen zurückgegriffen. Sharry-Reform zu verzeichnen. Die Standardabweichung stieg Im vorhandenen Datensatz ist dieser definiert als Summe aller jedoch im darauf folgenden Zeitabschnitt wieder an. Ob diese Marktleistungen plus der Direktzahlungen abzüglich der zu beobachteten Entwicklungen in Bezug auf die einzelbe- variablen Kosten für Saatgut, Dünger, Pflanzenschutz und triebliche Einkommenshöhe, Überwälzungseffekte und das Sonstiges (Pachten sind hierbei nicht berücksichtigt). Zur Einkommensrisiko signifikant sind, soll die im Folgenden dar- Quantifizierung der Änderung von Überwälzungseffekten gestellte Paneldatenanalyse näher beleuchten. (H2) werden die betriebsspezifischen durchschnittlichen jähr- 1 Die Inflationsrate der Jahre 1985 bis 2011 lag zwischen -1,00 % lichen Pachtzahlungen pro ha herangezogen. Mit Blick auf die und 4,22 % (Bundesbank, 2012). Die um Inflation bereinigten Zeitreihen Deckungsbeiträge sind für jeden der 22 Betriebe für jedes der beziehen sich auf das Jahr 2012. ZPB 3-4/2013 161 https://doi.org/10.5771/1865-4789-2013-3-4-159 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.12.2021, 15:08:20. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
Essay | Feil/Mußhoff/Roeren-Wiemers – Einzelbetriebliche Auswirkungen politischer Reformen in der Landwirtschaft 4 Methodik Grundsätzlich ist es nicht möglich, alle Variablen im Modell mit zu berücksichtigen, die einen Einfluss auf die Zur Auswertung von Paneldaten stehen mehrere Modelle zur abhängige Variable haben. Dies liegt zum einen daran, dass Verfügung (z.B. Baltalgi, 2009; Hsiao, 2003; Wooldridge, viele Einflussfaktoren nicht beobachtbar sind oder schlicht 2010). Ein einfaches gepooltes Modell kann wie folgt nicht mit erhoben wurden. In diesen Fällen besteht unbeob- beschrieben werden (z.B. Baltagi, 2009: 12): achtete Heterogenität, die in den Fehlerterm in Gleichung (1) einfließt. Dieser setzt sich dadurch wie folgt zusammen (z.B. (1) Baltagi, 2009: 12): (2) Wobei yi,t i,t die abhängige Variable und xxkki,ti,t die k-te unabhän- gigen Variable des Individuums i zum Zeitpunkt t darstellt, Hierbei bezeichnet μμii einen individuellen Fehler und ηi,t einen α ist eine Konstante, βk der Parameter der k-ten unabhängigen i,t allgemeinen Fehler. Sofern unbeobachtete Heterogenität Variable und εi,t den Fehlerterm, für den angenommen wird, i,t besteht, sind die geschätzten Koeffizienten gemäß Gleichung dass er unabhängig und identisch normalverteilt ist über i und (1) nicht mehr effizient, da εi,t noch einen Erklärungsgehalt in t mit einem Erwartungswert von Null und einer Varianz von i,t Bezug auf die zu erklärende Variable in Höhe von μii hat. Für σ2ε2.. den vorhandenen Datensatz mit den beschriebenen Variablen Als abhängige Variable wird zur Untersuchung von H1 zeigt ein nach Breusch und Pagan (1979) entwickeltes Test- (Einkommenseffekt) für den vorliegenden Datensatz der jähr- verfahren, dass unbeobachtete Heterogenität vorliegt. Um die liche ackerbauliche Deckungsbeitrag DBi,ti,t in € pro ha ver- unbeobachtete Heterogenität abzubilden, stehen zwei Ansätze wendet, der die ab dem Jahr 1993 gezahlte flächenspezifische zur Verfügung: das Fixed-Effects- und das Random-Effects- Betriebsprämie beinhaltet. Für die Analyse der Überwälzungs- Modell (FE-Modell und RE-Modell). Die Entscheidung für effekte auf dem Pachtmarkt (H2) wird die individuell gezahlte eines der beiden Modelle kann anhand eines nach Hausmann jährliche Pacht Pai,t i,t in € pro ha gewählt. Um die Veränderung (1978) entwickelten Tests zur Spezifikation von Panelmodel- des Einkommensrisikos (H3) zu untersuchen, werden – in len erfolgen. Wenn die individuellen und zeitlichen Fehler μμii Anlehnung an die grundsätzliche Vorgehensweise von Mini- mit den unabhängigen Variablen Xxkki,ti,t nicht korreliert sind, mization of Total Absolute Deviations- bzw. MOTAD- kann durch die Schätzung eines RE-Modells die Schätzeffizi- Modellen (z.B. Hazell, 1971) – die absoluten Abweichungen enz erhöht werden. Besteht jedoch eine solche Korrelation, der Deckungsbeiträge |DB i,t-1| herangezogen. Der Ein- DBi,ti,t – DBi,t-1 verliert der RE-Schätzer seine Konsistenz und es ist ein FE- fluss der politischen Reformen wird über eine Dummy-Varia- Modell zu verwenden. Bei einem FE-Modell wird für die unbe- ble für die MacSharry-Reform (Wirtschaftsjahr 1993/94) obachtete Heterogenität kontrolliert, indem für jedes Indivi- sowie eine gemeinsame Dummy-Variable für die Agenda duum bzw. für jeden Betrieb eine Dummy-Variable ins Modell 2000, Einführung des EEG und die Fischler-Reform (Wirt- aufgenommen wird. Dadurch kann μii aus dem zusammenge- schaftsjahr 2000/01) abgebildet.2 setzten Fehlerterm eliminiert werden und die oben genannten Außerdem werden Kontrollvariablen berücksichtigt: Ska- Annahmen zum Fehlerterm wieder Gültigkeit erlangen. Für leneffekte haben einen bedeutenden Einfluss auf den Erfolg den vorliegenden Datensatz ist gemäß Hausmann-Test (Haus- von Unternehmen (z.B. Christensen und Greene, 1976). Für mann, 1978) ein FE-Modell zu verwenden. Das FE-Modell hat die vorliegende Untersuchung wird somit die Betriebsgröße in die Form (z.B. Baltagi, 2009: 13): ha auf ihren Erklärungsgehalt hin untersucht. Des Weiteren verweisen wissenschaftliche Untersuchungen auf die Bedeu- tung der Kapitalintensität für den unternehmerischen Erfolg (3) (z.B. Morck, 2000). Folglich wird die Kapitalausstattung pro ha, verstanden als Summe von Gebäude-, Maschinen- und Um das Problem einer möglichen Verzerrung der Koeffizien- Umlaufkapital, ebenfalls als erklärende Variable in das ten der vorliegenden unabhängigen Variablen durch Heteros- Modell aufgenommen. Außerdem wird in der agrarökonomi- kedastizität und Autokorrelation zu vermeiden, werden bei schen Literatur vielfach der Einfluss des Zuckerrübenanbaus der Auswertung robuste Standardfehler nach Arellano (1987) auf betriebliche Einkommen, Überwälzungseffekte und Ein- verwendet. kommensschwankungen diskutiert (z.B. Schmidt, 2005). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass einige der vorlie- genden Betriebe über den Betrachtungszeitraum Zuckerrüben anbauten und andere nicht, geht der Rübenanbau als unab- 2 Zum Wirtschaftsjahr 2000/01 traten lediglich die Reformbeschlüsse der Agenda 2000 auf EU-Ebene sowie das EEG in Deutschland in Kraft. hängige Variable in Form einer Dummy-Variable in das Die im Rahmen der Fischler Reform beschlossene Entkopplung der Modell ein. Weiterhin wird ein Zeittrend als erklärende Varia- Direktzahlungen wurde erst zum Jahr 2005 deutschlandweit imple- ble in das Modell aufgenommen. Hierdurch sollen allgemeine mentiert. Es wird jedoch im Rahmen der Untersuchung von einer zusätzlichen, dritten Dummy-Variable in 2005/06 abgesehen, da der Effekte in den Preisen für landwirtschaftliche Produkte oder Zeitraum zwischen 2000/01 und 2005/06 für eine aussagekräftige auch technischer Fortschritt berücksichtigt werden. ökonometrische Auswertung zu kurz erscheint. 162 ZPB 3-4/2013 https://doi.org/10.5771/1865-4789-2013-3-4-159 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.12.2021, 15:08:20. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
Einzelbetriebliche Auswirkungen politischer Reformen in der Landwirtschaft – Feil/Mußhoff/Roeren-Wiemers | Essay 5 Ergebnisdiskussion weist vor allem auf den weltweiten Abbau von Lagerbestän- den für Agrarrohstoffe sowie das zuvor nicht vorhandene Für den Test der drei Hypothesen werden im Folgenden die Engagement großer institutioneller Investoren an Warenter- Ergebnisse der Paneldatenanalyse dargestellt und diskutiert. minbörsen hin. Die Konstante gibt hierbei aus Gründen der Übersichtlichkeit Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse des vorliegenden den Durchschnitt der betriebsindividuellen Konstanten aller Modells, dass in den Jahren 1993/94 sowie 2000/01 zwei 22 Betriebe wieder. Strukturbrüche in der Entwicklung der einzelbetrieblichen Einkommen vorliegen, die auf politische Reformen zurückzu- Tabelle 2. Ergebnisse des FE-Modells zur Überprüfung von H1 führen sein könnten. So wurden die ackerbaulichen Deckungs- (Einkommenseffekt) mit dem ackerbaulichen Deckungsbei- beiträge der vorliegenden Betriebe einerseits durch die Mac- trag als abhängige Variable Sharry Reform signifikant negativ und andererseits durch die Agenda 2000, die Fischler Reform und das EEG signifikant positiv beeinflusst. Die aufgestellte Hypothese H1 der unver- änderten Einkommensentwicklung durch politische Reformen kann somit abgelehnt werden. Alternativ zum Jahr 2000/01 wurde für den zweiten Strukturbruch die Dummy-Variable Ag2000/Fischler/EEG erst in 2005/06 eingeführt, da erst zu diesem Zeitpunkt die Entkopplung der Direktzahlungen im Zuge der Fischler Reform deutschlandweit implementiert 594 Beobachtungen mit 22 Individuen, *** Irrtumswahrscheinlichkeit = 1%,** wurde (vgl. Fußnote 2). Dies führte zu qualitativ gleichwerti- Irrtumswahrscheinlichkeit = 5%, * Irrtumswahrscheinlichkeit = 10%, R² = 0,687 gen Ergebnissen. Tabelle 3. Ergebnisse des FE-Modells zur Überprüfung von H2 In Tabelle 2 sind die Ergebnisse zu H1 (Einkommenseffekt) (Überwälzungseffekt) mit der durchschnittlich gezahlten dargestellt. Dabei wird ersichtlich, dass Änderungen in der Pacht als abhängige Variable Betriebsgröße offensichtlich keinen signifikanten Einfluss auf die absolute Höhe des Deckungsbeitrags pro ha eines Betriebes hatten.3 Dies deutet darauf hin, dass in den untersuchten Marktfruchtbetrieben keine bzw. nur sehr begrenzt Skalenef- fekte erzielt werden konnten. Auch die Tatsache, dass ein Betrieb über den Betrachtungszeitraum mit Rübenanbau star- tete, resultierte nicht in einem signifikant höheren Deckungs- beitrag. Hingegen führte eine zunehmende Kapitalausstattung pro ha über den Betrachtungszeitraum zu einem signifikanten 412 Beobachtungen mit 22 Individuen, *** Irrtumswahrscheinlichkeit = 1%,** Irrtumswahrscheinlichkeit = 5%, * Irrtumswahrscheinlichkeit = 10%, R² Anstieg des Deckungsbeitrags. Des Weiteren weist die Höhe = 0,713 der einzelbetrieblichen Deckungsbeiträge einen signifikant negativen Zeittrend auf. In Tabelle 3 sind die Ergebnisse zu H2 (Überwälzungseffekt) Im Rahmen der Paneldatenanalyse beschreiben die Varia- dargestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass Betriebe signifikant blen MacSharry und Ag2000/Fischler/EEG zwei potentielle geringere Pachtpreise zahlten, je mehr ihre Flächenausstattung Strukturbrüche. Das Ergebnis für die Dummy-Variable der im Betrachtungszeitraum anstieg. Diese Beobachtung könnte MacSharry-Reform deutet darauf hin, dass die vorgenom- generell auf einen geringeren Anreiz für Betriebe hindeuten, mene stufenweise Reduzierung der Interventionspreise und höhere Pachten zu zahlen, welche bereits in den Vorjahren gleichzeitige Einführung gekoppelter Direktzahlungen ab dem verstärkt Fläche hinzugewonnen haben. Im Gegensatz zu Jahr 1993 eine signifikante Reduzierung des ackerbaulichen Betrieben mit lediglich Getreide und Raps, zahlten Betriebe, Deckungsbeitrages um ca. 410 € pro ha und Jahr bedingte. die während des Betrachtungszeitraums zusätzlich mit dem Hingegen führten die Agenda 2000, die Fischler Reform sowie Anbau von Zuckerrüben starteten, signifikant höhere Pach- die Einführung des EEG im Vergleich zur MacSharry Reform tentgelte. Dies könnte mit einer höheren Profitabilität von zu einem signifikanten Anstieg des Deckungsbeitrages um ca. Zuckerrüben gegenüber Getreide und Raps erklärt werden. 120 € pro ha. Letzterer könnte unter anderem durch die preis- Obwohl durch die MacSharry Reform die Einkommens- erhöhenden Effekte des sich ausweitenden Energiemaisanbaus entwicklung der betrachteten Betriebe negativ beeinflusst für andere Agrarrohstoffe infolge der Einführung des EEGs wurde (siehe H1), stiegen die Pachtzahlungen in dem Zeit- verursacht worden sein (vgl. Gömann et al., 2007). Zusätzlich muss jedoch beachtet werden, dass es weitere Marktein- 3 Es muss hierbei beachtet werden, dass durch die Verwendung eines schnitte seit der Jahrtausendwende gab, die einen potenziellen FE-Modells lediglich Within-Effekte berücksichtigt werden können, d.h. das Modell kann im vorliegenden Fall nicht zwischen kleinen und indirekten Einfluss über den Preis auf die betriebliche Ein- großen Betrieben unterscheiden; geschätzt wird lediglich der Effekt kommenssituation gehabt haben könnten. Die OECD (2010) der Größenänderung eines Betriebes im Betrachtungszeitraum. ZPB 3-4/2013 163 https://doi.org/10.5771/1865-4789-2013-3-4-159 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.12.2021, 15:08:20. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
Essay | Feil/Mußhoff/Roeren-Wiemers – Einzelbetriebliche Auswirkungen politischer Reformen in der Landwirtschaft raum nach dieser Reform signifikant um ca. 88 € pro ha an. sondern vor allem auch durch eine fortschreitende Öffnung Diese Erkenntnis bestätigt die Argumentation von Chatzis der Märkte im Zuge der Globalisierung bedingt (OECD, (1997), der eine Reduzierung von Pachtpreisen unter die im 2010). Durchschnitt der EU gezahlten Beihilfen ausschließt. Flächen- Der Koeffizient für die Dummy-Variable MacSharry deu- eigentümer bekamen auch ohne eine Bewirtschaftung der eige- tet darauf hin, dass diese einen stabilisierenden Einfluss auf die nen Flächen durch die MacSharry-Reform einen Teil der betrieblichen Einkommen hatte: Die jährlichen absoluten Betriebsprämien. Die Agenda 2000, die Fischler Reform und Abweichungen der Deckungsbeiträge verringerten sich ab dem die Einführung des EEG führten hingegen zu keiner signifi- Jahr 1993/94 signifikant um ca. 268 € pro ha. Es ist zu ver- kanten Veränderung der Pachtpreise. Eine von Experten vor- muten, dass die Erlösschwankungen nach der Absenkung der ausgesagte signifikante Senkung von Pachtzahlungen durch Interventionspreise im Zuge der MacSharry-Reform ceteris die Agenda 2000 und die Fischler Reform kann also nicht paribus angestiegen sind. Preisschwankungen auf der Kosten- nachgewiesen werden. Eine Ursache hierfür könnten ver- seite, z.B. für Dünger und Saatgut, waren hingegen sowohl vor stärkte Investitionen in die flächenabhängige Tierhaltung ab als auch nach der MacSharry Reform vergleichsweise hoch, da diesem Zeitpunkt sein. Zusätzlich müssen auch die pacht- es hier keine staatlichen Preiseingriffe gab. Nach Abschaffung preiserhöhenden Effekte eines verstärkten finanziellen Enga- der Preisstützungssysteme auf der Erlösseite könnte ein natür- gements außerlandwirtschaftlicher Investoren im Agrarsektor licher Hedge von Input- und Outputpreisen gewirkt haben, so berücksichtigt werden (OECD, 2010). dass Einkommensschwankungen verringert wurden. Wie die Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass im Jahr Ergebnisse für die Dummy-Variable Ag2000/Fischler/EEG 1993/94 ein Strukturbruch in der Höhe der Pachtzahlungen zeigen, war ab dem Jahr 2000/01 keine zusätzliche signifi- vorlag und somit Überwälzungseffekte auf dem Pachtmarkt kante Veränderung der absoluten Abweichungen der durch die MacSharry Reform signifikant beeinflusst wurden. Deckungsbeiträge zu verzeichnen, die durch die betreffenden H2 kann somit nicht abgelehnt werden. Analog zur Überprü- Reformen hätten verursacht werden können. fung von H1 wurde das Jahr 2005/06, alternativ zum Jahr Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass im Jahr 2000/01, auf einen Strukturbruch in den Pachtzahlungen hin 1993/94 ein Strukturbruch in den absoluten Abweichungen überprüft. In diesem Falle konnte weder für das Jahr 1993/94 der Deckungsbeiträge vorlag, der durch die MacSharry- noch für das Jahr 2005/2006 ein signifikanter Strukturbruch Reform ausgelöst wurde. Dementsprechend kann H3, welche verzeichnet werden. auf ein sich veränderndes Einkommensrisiko abstellt, nicht abgelehnt werden.4 Testet man – alternativ zum Jahr 2000/01 Tabelle 4. Ergebnisse des FE-Modells zur Überprüfung von H3 – das Jahr 2005/06 auf einen Strukturbruch in den Einkom- (Einkommensrisiko) mit den absoluten Abweichungen der mensschwankungen, so führt dies zu qualitativ gleichwertigen Deckungsbeiträge als abhängige Variable Ergebnissen. 6 Fazit und Ausblick Politikfolgenabschätzungen sind insbesondere auf dem Feld der Agrarpolitik hoch relevant und im Regelwerk der EU vor- gegeben. Hierbei werden die Auswirkungen politischer Refor- men der vergangenen Jahre auf die Einkommenshöhe, Über- wälzungseffekte und das Einkommensrisiko in der Landwirt- 571 Beobachtungen mit 22 Individuen, *** Irrtumswahrscheinlichkeit = 1%,** Irrtumswahrscheinlichkeit = 5%, * Irrtumswahrscheinlichkeit = 10%, R² schaft seit längerer Zeit intensiv diskutiert. Umfangreichere = 0,127 empirische Untersuchungen auf Basis einzelbetrieblicher Daten lagen hierzu jedoch bislang nicht vor. Ziel dieser Unter- In Tabelle 4 sind die Ergebnisse zu H3 (Einkommensrisiko) suchung war es deshalb, mit Hilfe einer Paneldatenanalyse den dargestellt. Bei der Verwendung der absoluten Abweichungen Einfluss der wichtigsten EU-Agrarreformen sowie der Einfüh- der Deckungsbeiträge als abhängige Variable ist das rung des EEG auf die betriebliche Einkommenshöhe, die Bestimmtheitsmaß mit R2 = 0,127 erwartungsgemäß ver- gezahlten Pachtpreise und das Einkommensrisiko zu analysie- gleichsweise gering. Für den Fall, dass ein Betrieb über den ren. Hierzu wurden Deckungsbeitrags- und Pachtpreiszeitrei- Betrachtungszeitraum mit dem Zuckerrübenanbau startete, hen für 22 nordrhein-westfälische Marktfruchtbetriebe für verursachte dies eine signifikante Verringerung der absoluten den Zeitraum von 1984/85 bis 2010/11 herangezogen. Mit der Abweichungen der Deckungsbeiträge. Auch ist ein signifikan- ter positiver Zeittrend zu verzeichnen; das heißt, dass die 4 Folgende alternative Vorgehensweisen für die Messung des Einkom- mensrisikos liefern qualitativ übereinstimmende Ergebnisse: Erstens, Schwankungen der Deckungsbeiträge über den gesamten die absoluten Abweichungen der Deckungsbeiträge werden für alle Betrachtungszeitraum zunahmen. Gründe hierfür könnten in drei Zeitabschnitte berechnet. Im Anschluss werden die Residuen im den allgemein ansteigenden Preisvolatilitäten auf den Agrar- Rahmen eines Panelmodells analysiert. Zweitens, es werden für alle Betriebe Standardabweichungen der Deckungsbeiträge für die drei märkten ab diesem Zeitpunkt bestehen. Diese waren nicht nur Zeiträume berechnet (also pro Betrieb drei Standardabweichungen) durch eine Veränderung der politischen Rahmenbedingungen, und diese dann im Rahmen eines Panelmodells verglichen. 164 ZPB 3-4/2013 https://doi.org/10.5771/1865-4789-2013-3-4-159 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.12.2021, 15:08:20. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
Einzelbetriebliche Auswirkungen politischer Reformen in der Landwirtschaft – Feil/Mußhoff/Roeren-Wiemers | Essay Analyse wird ferner ein Modellrahmen vorgeschlagen, der bei könnten somit zusätzlich verbessert werden. Des Weiteren Vorliegen einzelbetrieblicher Daten beliebig reproduzierbar wäre eine vertiefende Analyse der Fragestellung mit diversifi- und damit z.B. auch auf zukünftige Reformen im Agrarbereich zierteren landwirtschaftlichen Unternehmen von Interesse. anwendbar ist. Auch könnte eine größere Anzahl von Betrieben aus geogra- Die vorliegende Analyse ist insbesondere für Politikberater phisch unterschiedlichen Regionen die vorhandenen Ergeb- für die adäquate Unterstützung politischer Entscheidungsträ- nisse ergänzen. ger bei Politikfolgenabschätzungen von hoher praktischer Relevanz. So zeigen die Ergebnisse, dass die Einkommen der Literaturverzeichnis betrachteten landwirtschaftlichen Betriebe durch die Verrin- Arellano, M. (1987): PRACTITIONERS’CORNER: Computing Robust gerung der Interventionspreise und die Einführung gekoppel- Standard Errors for Within-groups Estimators. In: Oxford Bulletin of ter Direktzahlungen im Zuge der MacSharry-Reform signifi- Economics and Statistics 49: 431-434. Baltagi, B. (2009): Econometric Analysis of Panel Data. 4. Auflage. Wiley, kant gesunken sind. Durch die Agenda 2000, die Fischler Chichester. Reform und die Einführung des EEG konnte hingegen ein wie- Benz, M. (2006): Entrepreneurship as a Non-profit-seeking Activity. In: derum signifikant steigendes Einkommensniveau verzeichnet International Entrepreneurship and Management Journal 5: 23-44. werden. Dies könnte unter anderem in den preissteigernden Breusch, T. und A. Pagan (1979): A Simple Test for Heteroscedasticity Effekten für Agrarrohstoffe im Allgemeinen begründet sein, and Random Coefficient Variation. In: Journal of the Econometric Society 47: 1287-1294. welche durch die sich ausbreitende Energiemaisproduktion im Britz, W., A. Gocht, I.P. Domínguez, T. Jansson, S. Grosche und N. Zhao Zuge des EEG bedingt wurden. Des Weiteren wurden beste- (2012): EU-weite (Regional- und Betriebsgruppen-) Effekte durch Prä- hende Überwälzungseffekte auf dem Pachtmarkt durch die mienentkopplung und Harmonisierung in Folge der Health-Check- politischen Reformen beeinflusst. So stiegen die Pachtpreise Reform. In: German Journal of Agricultural Economics 61: 44-56. für die betrachteten Betriebe mit der Einführung von Direkt- Bundesbank (2012): VBI – Verbraucherpreisindex. Internet: http:// www.bundesbank.de. zahlungen im Zuge der MacSharry Reform signifikant an. Im Chatzis, A. (1997): Flächenbezogene Ausgleichszahlungen der EU-Agrar- Zusammenhang mit den sinkenden Einkommen für die Land- reform: Pachtmarktwirkungen und Quantifizierung der Überwälzungsef- wirte deutet dies darauf hin, dass der Wechsel von Preisstüt- fekte. In: Agrarwirtschaft, Sonderheft. zungssystemen hin zu flächenbezogenen Direktzahlungen Christensen, L. und W. Greene (1976): Economies of Scale in U.S. Electric Power Generation. In: Journal of Political Economy 84: 655-676. ceteris paribus einen Einkommenstransfer von den Landwir- Ciaian, P., D. Kancs und J.F.M. Swinnen (2008): Static and Dynamic ten hin zu den Landeigentümern bewirkt haben könnte. Distributional Effects of Decoupled Payments: Single Farm Payments in Außerdem lassen die Ergebnisse eine Verringerung des the European Union. In: LICOS Discussion Papers 207/2008. LICOS – betrieblichen Einkommensrisikos durch die MacSharry- Centre for Institutions and Economic Performance, K.U. Leuven, Leuven. Reform, also durch die Verringerung der Interventionspreise Daugbjerg, C. und A. Swinbank (2007): The Politics of CAP Reform: Trade Negotiations, Institutional Settings and Blame Avoidance. In: Jour- und die Einführung von Direktzahlungen, vermuten. Dies nal of Common Market Studies 45: 1-22. erscheint auf den ersten Blick kontraintuitiv, könnte aber Europäische Kommission (1991): The development and future of the durch einen natürlichen Hedge mit den ebenfalls schwanken- CAP. COM(91)100. CEC, Brüssel. den Inputpreisen begründet sein. Dies könnte umgekehrt Europäische Kommission (2005): Council Regulation (EC) No bedeuten, dass die betrieblichen Einkommen durch die Min- 1698/2005. Official Journal of the European Union L, 277. desteinspeisevergütungen in der sich ausweitenden Biogaspro- Gömann, H., P. Kreins und T. Breuer (2007): Deutschland – Energie- Corn-Belt Europas? In: German Journal of Agricultural Economics 56: duktion in Zukunft stärker schwanken könnten, sofern die 263-271. betreffenden Betriebe gleichzeitig keine Maßnahmen zur lang- Happe, K. und A. Balmann (2002): Struktur-, Effizienz- und Einkom- fristigen Absicherung ihrer Inputpreise ergreifen. menswirkungen von Direktzahlungen. In: German Journal of Agricultural Economics 51: 366-388. Zu den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung muss Hausmann, J. (1978): Specification Tests in Econometrics. In: Econome- einschränkend hinzugefügt werden, dass es seit der Jahrtau- trica 46: 1251-1271. sendwende neben den EU-Agrarreformen und der Einführung Hazell, P.B.R. (1971): A Linear Alternative to Quadratic and Semivari- des EEG weitere Veränderungen in den allgemeinen Markt- ance Programming for Farm Planning under Uncertainty. In: American Journal of Agricultural Economics 53: 53-62. bedingungen gab, die die Höhe der betrieblichen Einkommen, Hsiao, C. (2003): Analysis of Panel Data. Cambridge University Press, der Pachtpreise und das Einkommensrisiko ebenfalls beein- New York. flusst haben könnten. Hierzu zählt unter anderem das zuneh- Isermeyer, F. (2003): Umsetzung des Luxemburger Beschlusses zur EU- mende Engagement außerlandwirtschaftlicher Investoren im Agrarreform in Deutschland: eine erste Einschätzung. Arbeitsbericht Agrarbereich. In Bezug hierauf könnten ökonomische Expe- 3/2003. Johann-Heinrich von Thünen-Institut, Braunschweig. rimente die vorliegende Untersuchung ergänzen. Diese haben Kilian, S. und K. Salhofer (2009): Entkoppelte Prämien, Bodenpreise und Wettbewerbsfähigkeit. In: German Journal of Agricultural Economics 58: gegenüber empirischen Vorgehensweisen den Vorteil, Daten 141-143. unter kontrollierten Bedingungen zu erheben und somit die Kreins, P. und H. Gömann (2008): Modellgestütze Abschätzung der Auswirkungen der Veränderungen bestimmter Variablen (z.B. regionalen landwirtschaftlichen Landnutzung und Produktion in Deutschland vor dem Hintergrund der „Gesundheitsüberprüfung“ der einem Politikwechsel) auf die Zielgröße (z.B. der Deckungs- GAP. In: German Journal of Agricultural Economics 57: 195-206. beitragshöhe) ceteris paribus zu quantifizieren. Politikfolgen- Morck, R. (2000): Concentrated Corporate Ownership. University of abschätzungen für konkrete zukünftige Reformvorhaben Chicago Press, Chicago. ZPB 3-4/2013 165 https://doi.org/10.5771/1865-4789-2013-3-4-159 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.12.2021, 15:08:20. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
Essay | Feil/Mußhoff/Roeren-Wiemers – Einzelbetriebliche Auswirkungen politischer Reformen in der Landwirtschaft OECD (2010): The OECD-FAO Agricultural Outlook: 2010-2019. Orga- nization for Economic Co-operation and Development, Paris. Prof. Dr. Oliver Mußhoff leitet den Schmidt, E. (2005): Der Kommissionsvorschlag zur Reform der EU- Zuckermarktordnung: „Schnellschuss“ und „überzogene Reform“ oder Arbeitsbereich Landwirtschaftliche sorgfältig erarbeitetes Konzept für den Einstieg in ein schrittweises „Ende Betriebslehre des Departments für des Sozialismus“ auch im Zuckersektor? In: German Journal of Agricul- tural Economics 54: 145-147. Agrarökonomie und Rurale Entwick- Sckokai, P. und D. Moro (2006): Modeling the Reforms of the Common lung an der Georg-August-Universi- Agricultural Policy for Arable Crops under Uncertainty. In: American tät Göttingen. Er studierte Agrarwis- Journal of Agricultural Economics 88: 43-56. senschaften und promovierte im Sckokai, P. und D. Moro (2009): Modelling the impact of the CAP Single Farm Payment on farm investment and output. In: European Review of Bereich Agrarökonomie an der Agricultural Economics 36: 395-423. Humboldt-Universität zu Berlin. Simon, H.A. (1956): Rational Choice and the Structure of Environments. Seine Forschungsinteressen umfas- In: Psychological Review 63: 129-138. sen quantitative Planungsmetho- Tangermann, S. (2011): Policy Solutions to Agricultural Market Volati- lity: A Synthesis. ICTSD 65, Genf. den und die Analyse des unterneh- Thompson, S.R., R. Hermann und W. Gohout (2000): Agricultural Mar- merischen Entscheidungsverhal- ket Liberalization and Instability of Domestic Agricultural Markets: The tens. Email: oliver.muss- Case of the CAP. In: American Journal of Agricultural Economics 82: 718-726. hoff@agr.uni-goettingen.de von Ledebur, E.O. und J. Schmitz (2011): Preisvolatilität auf landwirt- schaftlichen Märkten. Arbeitsberichte aus der VTI-Agrarökonomie Tobias Roeren-Wiemers ist selbst- Nr. 05/2011, Internet: http://hdl.handle.net/10419/45374. ständiger Landwirt im Kreis Pader- Wooldridge, J.M. (2010): Econometric analysis of cross section and panel data. 2. Auflage. MIT Press, Cambridge. born. Er studierte Agrarwissen- schaften an der Georg-August Uni- Dr. Jan-Henning Feil ist wissen- versität Göttingen mit dem Schwer- schaftlicher Mitarbeiter am Arbeits- punkt Wirtschafts- und Sozialwis- bereich Landwirtschaftliche senschaften des Landbaus. Email: Betriebslehre des Departments für Tobias@Roeren-Wiemers.de Agrarökonomie und Rurale Entwick- lung an der Georg-August-Universi- tät Göttingen. Er studierte Betriebs- wirtschaftslehre und promovierte im Bereich Agrarökonomie eben- falls an der Georg-August-Universi- tät Göttingen. Seine Forschungsin- teressen umfassen den Bereich der Investition und Finanzierung sowie die einzelbetriebliche Politikfolgen- abschätzung. Email: jan-hen- ning.feil@agr.uni-goettingen.de 166 ZPB 3-4/2013 https://doi.org/10.5771/1865-4789-2013-3-4-159 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 22.12.2021, 15:08:20. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
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