Die schalltechnische Überplanung von bebauten Gewerbe- und Industriegebieten mit Emissions-kontingenten

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I+E_4-2011_final      16.08.2011       14:52 Uhr       Seite 163

        I+E 4 2011                                Die schalltechnische Überplanung von bebauten Gewerbe- und Industriegebieten                     163

               Prof. Dr. Andrea Versteyl, Johann Storr und Dr. Gernot Schiller*

               Die schalltechnische Überplanung von bebauten
               Gewerbe- und Industriegebieten mit Emissions-
               kontingenten
        I. Einleitung                                                              stücksfläche ein bestimmter Wert (z. B. tagsüber 60 dB(A)
                                                                                   und nachts 50 dB(A)) festgesetzt wird. Durch das in der
        Bei einer Neuaufstellung von Bebauungsplänen für                           DIN 45691 vorgegebene Rechenverfahren (Abstandsmaß
        Gewerbe- oder Industriegebiete stellt sich oftmals die                     für die Vollkugel) ergibt sich dann für jeden beliebigen
        Frage nach einem wirksamen Lärmschutz für umliegende                       Immissionsort (z. B. Wohnhaus) im Umfeld von diesem
        Wohnnutzungen.1 Um zu verhindern, dass durch die                           Grundstück das Immissionskontingent LIK. Das Immis-
        anzusiedelnden Gewerbebetriebe das zulässige Lärm-                         sionskontingent definiert das zulässige Maß an Lärmim-
        schutzniveau überschritten wird, kann im Bebauungsplan                     missionen, das bei einem späteren Gewerbebetrieb auf
        eine Geräusch-Emissionskontingentierung auf der Grund-                     dem betrachteten Grundstück nicht überschritten werden
        lage der „DIN 45691 Geräuschkontingentierung“2 festge-                     darf. Dabei gilt: Je näher der Immissionsort an dem
        setzt werden. Besondere tatsächliche wie rechtliche Pro-                   betrachteten Grundstück liegt, umso größer ist das Immis-
        bleme ergeben sich, wenn bestehende – festgesetzte oder                    sionskontingent; je mehr Quadratmeter Grundstücksflä-
        faktische – Gewerbe- oder Industriegebiete, die ganz oder                  che mit Emissionskontingenten vorhanden sind, umso
        überwiegend bereits bebaut sind, einer Emissionskontin-                    größer ist das Immissionskontingent. Durch das Emis-
        gentierung unterzogen werden. Hier stellt sich zusätzlich                  sionskontingent wird letztlich also festgelegt, wie viel
        die Aufgabe, die vorhandenen Lärmemissionen der zu                         Lärm von einem Grundstück ausgehen darf. Der Grund-
        überplanenden Betriebe zutreffend zu ermitteln und zu                      stücksnutzer hat das Recht auf Ausschöpfung dieses Lärm-
        bewerten sowie die zulässigen Lärmemissionen so festzu-                    kontingents und die Pflicht, dieses Lärmkontingent nicht
        setzen, dass einerseits die Betriebe nicht unzulässig ein-                 zu überschreiten.
        geschränkt und andererseits den umliegenden schutzbe-                         Als Kehrseite wird zugleich festgelegt, welche Lärmim-
        dürftigen Nutzungen (i.d.R. Wohngebiete) keine zu hohen                    missionen (verursacht durch Betriebe im betrachteten
        Lärmimmissionen zugemutet werden. Zudem können im                          Plangebiet) an den Immissionsorten (z. B. Wohnhaus)
        Plangebiet faktische Gemengelagen aus gewerblichen und                     maximal hinnehmbar sind. Damit sind die Pflicht auf Dul-
        Wohnnutzungen vorliegen, die eine Bestandssicherung                        dung dieser Lärmimmissionen und der Anspruch darauf,
        weiter erschweren. Im folgenden Beitrag sollen einige pra-                 dass diese Lärmimmissionen nicht überschritten werden,
        xisrelevante Punkte näher beleuchtet werden.                               verbunden. Die Bezugsimmissionsorte werden nicht im
                                                                                   Einzelnen festgelegt. Vielmehr erfolgt die Festlegung der
                                                                                   zulässigen Lärmimmissionen in alle Richtungen unabhän-
        II. Funktionsweise und Zulässigkeit                                        gig davon, ob sich hier Immissionsorte befinden oder
            einer Emissionskontingentierung                                        nicht. Ob die Lärmimmission in eine bestimmte Richtung
                                                                                   eines vorhandenen oder geplanten Betriebs tatsächlich ge-
        1. Funktionsweise                                                          prüft wird, erfolgt erst im nachfolgenden Genehmigungs-
                                                                                   verfahren und hängt davon ab, ob sich hier zum Zeitpunkt
        Von einer Emissionskontingentierung nach der DIN 45691                     der Genehmigung ein Immissionsort befindet.
        werden ausschließlich Gewerbelärm-Emissionen und Ge-                          Folgender Sachverhalt mag dies verdeutlichen: Ein
        werbelärm-Immissionen im Sinne der TA Lärm erfasst.                        bestehendes Gewerbegebiet wird überplant. Relevante
        Die Emissionskontingentierung LEK regelt dabei, welche                     Wohngebäude befinden sich nur südlich des Plangebietes.
        Lärmemissionen von einem Grundstück ausgehen dürfen.                       Alle Gewerbebetriebe im Plangebiet sind so organisiert,
        Dies wird so gehandhabt, dass pro 1 Quadratmeter Grund-                    dass der Hauptlärm nach Norden abgestrahlt wird. Die

        * Die Autoren Versteyl und Schiller sind Rechtsanwälte der überörtlichen    2007, 323 ff.; Sonntag, Festsetzung von immissionswirksamen flächen-
          Sozietät Redeker Sellner Dahs in Berlin. Der Autor Storr ist Lärm-        bezogenen Schallleistungspegeln und von Immissionsanteilen in
          gutachter bei der BEKON Lärmschutz & Akustik GmbH.                        Bebauungsplänen, ZfL 42 (1995), 143 ff.; Steinebach, Stadtplanung –
                                                                                    Bauleitplanung und Lärmkontingentierung, Lärmminderungspotenziale
        1 S. allgemein dazu etwa Schink, UPR 2011, 41 ff.
                                                                                    der städtebaulichen Nutzungsmischung, ZfL 48 (2001), 63 ff.;
        2 DIN 45691 „Geräuschkontingentierung“, Dezember 2006. Aus der              Storr/Thoma, Flächenbezogene Schallleistungspegel und neue Fest-
          Literatur etwa: Porger, Immissionsschutz in Bebauungsplänen Rechts-       setzungsmöglichkeit zur Immissionswirksamkeit, Lärmbekämpfung
          grundlagen, Planungserfordernisse, Festsetzungsmöglichkeit, 1995;         2004, 86 ff.; Storr, Emissionskontingentierung nach DIN 45691 und
          Tegeder, Geräusch-Immissionsschutz in der Bauleitplanung, UPR 1995,       deren Anwendung im Genehmigungsverfahren, Lärmbekämpfung 2010,
          210 ff.; Fischer/Tegeder, Geräuschkontingentierung – DIN 45691, BauR      196 ff.
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           Gemeinde überplant das Gewerbegebiet und legt die Emis-                   bereits ausschöpfen, eignet sich die Emissionskontingen-
           sionskontingente so fest, dass die Gewerbebetriebe die                    tierung nicht zur Bewältigung bereits bestehender Lärm-
           Immissionskontingente an den Wohngebäuden genau ein-                      konflikte. Hierbei ist nämlich zu beachten, dass die im
           halten können. Später stellt die Gemeinde einen Bebau-                    Bebauungsplan festgesetzten Emissionskontingente keine
           ungsplan für ein allgemeines Wohngebiet nördlich des                      Grundlage dafür bieten, gegen den Gewerbebetrieb im
           Gewerbegebietes auf. Nun stellt sich für die Gewerbebe-                   Wege einer nachträglichen Anordnung gemäß § 17
           triebe das Problem, dass die Emissionskontingente in alle                 BImSchG einzuschreiten. Der Inhalt der Betreiberpflichten
           Richtungen gleich verteilt sind. Da die Betriebe den Lärm                 nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BImSchG bleibt von den Emissions-
           vorwiegend nach Norden abstrahlen, sind nun für die                       kontingenten unberührt und wird insbesondere dadurch
           Betriebe Lärmminderungsmaßnahmen erforderlich, da                         auch nicht verschärft. Die Emissionskontingente bilden
           nun auch in dieser Richtung die Emissionskontingente                      vielmehr nur für zukünftige Betriebsänderungen oder
           eingehalten werden müssen. Um dies zu vermeiden, hät-                     -erweiterungen eine (bauplanungsrechtliche) Genehmi-
           ten die Betriebe schon bei der Überplanung des Gewerbe-                   gungsvoraussetzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG.
           gebietes darauf bestehen müssen, dass nach Norden ein                        Soweit in der DIN 45691 daneben im Anhang B die Fest-
           Zusatzkontingent nach DIN 45691 Anhang A2 festgesetzt                     legung von Immissionskontingenten dargestellt wird, ist
           wird. Dadurch hätte das tatsächliche Emissionsverhalten                   eine solche Festsetzung auf der Grundlage der derzeit gel-
           der Betriebe in etwa nachgebildet werden können. Für das                  tenden BauNVO unzulässig. Eine Vereinbarung kann
           neue Wohngebiet im Norden wäre dann z. B. ein größerer                    daher nur im Wege eines öffentlich-rechtlichen Vertrages
           Schutzabstand erforderlich gewesen.                                       zwischen Gewerbetreibenden und Gemeinde bzw. Immis-
                                                                                     sionsschutzbehörde erfolgen. Ob damit allerdings schon
           2. Die Zulässigkeit der Festsetzung von                                   der Lärmkonflikt umfassend bewältigt worden ist, darf mit
                                                                                     Recht bezweifelt werden, sind die vertraglichen Regelun-
              Emissionskontingenten nach der DIN 45691
                                                                                     gen doch im nachfolgenden Genehmigungsverfahren als
           In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist                   Genehmigungsvoraussetzung nicht zu beachten und ge-
           die Festsetzung sowohl von flächenbezogenen Schallleis-                   währen sie für Drittbetroffene regelmäßig keine subjek-
           tungspegeln (FSP) als auch von immissionswirksamen flä-                   tiven Ansprüche.6
           chenbezogenen Schallleistungspegeln (IFSP) seit langem
           rechtsgrundsätzlich geklärt.3 Zu einer Festsetzung von
           Emissionskontingenten nach der DIN 45691 hat sich das                     III. Die Durchführung der
           BVerwG bislang noch nicht geäußert. Da die DIN 45691 im                        Lärmkontingentierung
           Wesentlichen lediglich die Rechenmethode für die Bildung
           von IFSP näher bestimmt, die Funktionsweise im Übrigen                    1. Die Bestimmung der Gesamt-Immissions-
           aber mit der Festsetzung von IFSP übereinstimmt, hat die                     werte
           obergerichtliche Rechtsprechung folgerichtig auch die
           Zulässigkeit der Festsetzung von Emissionskontingenten                    Nach der DIN 45691 muss als erstes festgelegt werden, wel-
           bestätigt.4 Dies gilt auch und gerade in Fällen, in denen das             che Lärmimmissionen im Umfeld maximal ankommen
           Gewerbe- oder Industriegebiet bereits teilweise bebaut ist.               sollen. Diese werden als Gesamt-Immissionswerte LGI defi-
           Gerade in solchen Situationen, in denen das Plangebiet                    niert. Der jeweilige Gesamt-Immissionswert stellt den
           noch nicht „vollgelaufen“ ist, bietet sich eine Emissions-                Wert dar, der von allen Betrieben und Anlagen im Sinne
           kontingentierung an, um ein „Windhundrennen“ der                          der TA Lärm an einem Immissionsort (z. B. Wohnge-
           Eigentümer der noch brach liegenden Gewerbegrund-                         bäude)7 maximal ankommen darf. Er wird von der
           stücke zu verhindern.5 Anders dürfte sich die Situation                   Gemeinde in Ausübung ihres planerischen Gestaltungs-
           bei bereits vollständig bebauten Gewerbe- oder Industrie-                 spielraums für alle relevanten schutzbedürftigen Nutzun-
           gebieten darstellen. Jedenfalls dann, wenn die vorhande-                  gen im Umfeld des Plangebietes festgelegt. Dabei entfällt
           nen Gewerbebetriebe das zulässige Immissionspotenzial                     die Relevanz eines Wohngrundstücks nicht schon deshalb,

           3 So zu FSP BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 – 4 NB 8.90, NVwZ            7 In der DIN 45691 ist nicht geregelt, was ein Immissionsort ist. Daher ist
             1991, 875; zu IFSP BVerwG, Beschluss vom 27.1.1998 – 4 NB 3.97,           von der Definition der TA Lärm auszugehen (ebenso OVG Koblenz,
             NVwZ 1998, 1067.                                                          Urteil vom 2.5.2011 – 8 C 11261/10, juris, Rn. 20). Hier wird unter
                                                                                       Nr. 2.3 i.V.m. A.1.3 der maßgebliche Immissionsort definiert, wobei auf
           4 S. etwa OVG Münster, Urteil vom 13.3.2008 – 7 D 34/07.NE, juris,
                                                                                       die Definition der schutzbedürftigen Räume nach DIN 4109 (Ausgabe
             Rn. 163 ff. (insoweit nicht in ZfBR 2009, 62 abgedruckt); VGH Kassel,
                                                                                       November 1989) verwiesen wird. In der DIN 4109 ist unter 4.1
             Urteil vom 5.7.2007 – 4 N 867/06, NuR 2008, 258 (262 f.).
                                                                                       definiert: Schutzbedürftige Räume sind Aufenthaltsräume, soweit sie
           5 OVG Münster, Urteil vom 27.3.2009 – 7 D 103/08.NE, juris, Rn. 66 f.;      gegen Geräusche zu schützen sind. Dies sind Wohnräume einschließ-
             Urteil vom 30.1.2009 – 7 D 11/08.NE, NuR 2009, 421 (426 f.).              lich Wohndielen, Schlafräume einschließlich Übernachtungsräume
                                                                                       in Beherbergungsstätten und Bettenräume in Krankenhäusern und
           6 S. BVerwG, Beschluss vom 2.12.2009 – 4 B 74.09, BauR 2010, 742;           Sanatorien, Unterrichtsräume in Schulen, Hochschulen und ähnlichen
             OVG Lüneburg, Beschluss vom 4.1.2011 – 1 MN 130/10, BauR 2011,            Einrichtungen, Büroraume (ausgenommen Großraumbüros), Praxis-
             805 (806).                                                                räume, Sitzungsräume und ähnliche Arbeitsräume.
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        weil es dem Plangebiet zwar benachbart ist, derzeit aber                 eines vorbeugenden Lärmschutzes grundsätzlich strengere
        im Eigentum eines Gewerbetreibenden im Plangebiet                        Immissionswerte festlegen.12 Bei der Überplanung von
        steht. Die Eigentumsverhältnisse können sich jederzeit                   bebauten Gewerbe- und Industriegebieten dürfte diese
        ändern, ohne dass die Gemeinde hierauf Einfluss hätte.8                  Möglichkeit allerdings regelmäßig ausscheiden, da ein sol-
        Die Schutzwürdigkeit eines Grundstücks ergibt sich daher                 ches Planungsziel erkennbar mit den Bestandsschutzinter-
        allein aus der typisierten Nutzung und seiner Lage in der                essen der Gewerbetreibenden kollidiert. Der umliegenden
        Umgebung.                                                                Wohnnutzung einen stärkeren Schutzanspruch zu gewäh-
            Probleme können auftreten, wenn im Gewerbe- oder                     ren, als in der DIN 18005 vorgesehen mit der Folge, dass
        Industriegebiet auch Wohnnutzung vorhanden ist, die in                   die Kontingentierung für die Gewerbebetriebe enger aus-
        der Vergangenheit infolge nicht genehmigter Umnutzun-                    fällt, dürfte nur im Ausnahmefall bei entsprechend
        gen von Betriebsleiterwohnungen in allgemeine Wohnun-                    gewichtigen städtebaulichen Gründen zulässig sein.
        gen entstanden ist. Der Gemeinde ist es nicht verwehrt, sol-                Ferner kann das Vorliegen einer Gemengelage es im
        che Wohnnutzungen mit der Überplanung zu legalisieren                    Einzelfall rechtfertigen, die Gesamt-Immissionswerte über
        und insoweit etwa ein Mischgebiet auszuweisen.9 Voraus-                  den Orientierungswerten der DIN 18005 festzulegen. Ent-
        setzung hierfür ist allerdings, dass die Wohnnutzung ein                 sprechend Nr. 6.7 TA Lärm kann von einer Gemengelage
        gewisses prägendes Gewicht aufweist und sich die Auswei-                 ausgegangen werden, wenn gewerblich oder industriell
        sung eines Mischgebiets nicht von vornherein aufgrund                    genutzte und zum Wohnen genutzte Gebiete aneinander-
        der nicht beabsichtigten Mischung aus Wohn- und Gewer-                   grenzen. Das Bundesverwaltungsgericht hat es auf Geneh-
        benutzung als „Etikettenschwindel“ darstellt. Zudem führt                migungsebene stets für zulässig erachtet, dass eine Wohn-
        dies dazu, dass die Wohnnutzung nunmehr einen Immis-                     nutzung, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer
        sionsort bildet und die Emissionskontingente entspre-                    störenden gewerblichen Nutzung angesiedelt ist, nicht
        chend niedriger festgesetzt werden müssen. Aufgrund der                  den gleichen Schutzanspruch genießt wie ein lärmun-
        Bestandsschutzinteressen der Gewerbetreibenden kann es                   vorbelastetes reines oder allgemeines Wohngebiet. Die
        daher geboten sein, auf eine nachträgliche Legalisierung                 konkrete Schutzwürdigkeit ergibt sich dann aus einer
        solcher Wohnnutzungen zu verzichten.                                     Zwischenwertbildung, wobei meist die Orientierungswerte
            Der Gesamt-Immissionswert wird oft dem Immissions-                   für ein Mischgebiet die Grenze eines maximal der Wohn-
        richtwert der TA Lärm entsprechen, welcher wiederum im                   nutzung noch zumutbaren Immissionsniveaus bilden.13
        Wesentlichen mit den Orientierungswerten des Beiblattes                  Nichts anderes gilt bei der Festsetzung von Emissionskon-
        1 zur DIN 18005 übereinstimmt.10 Bei seiner Festlegung                   tingenten. Auch hier kann es gerechtfertigt sein, für eine
        ist von der Nutzung am jeweiligen Immissionsort entspre-                 umliegende Wohnnutzung, die als WA-Gebiet im Bebau-
        chend dem ggf. vorhandenen Bebauungsplan auszugehen                      ungsplan ausgewiesen ist, „lediglich“ MI-Gebietswerte im
        (s. Nr. 6.6 Satz 1 TA Lärm). Dies gilt grundsätzlich selbst              Rahmen der Emissionskontingentierung anzustreben.14
        dann, wenn die tatsächliche Nutzung von der festgesetzten                Die Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass die Gerichte mit
        Nutzung abweicht. Auf die tatsächliche Nutzung kommt es                  der Annahme einer Gemengelage eher zurückhaltend sind
        nur dann an, wenn der Bebauungsplan aufgrund einer                       und daher deren Vorliegen sorgfältig zu prüfen und zu
        abweichenden dauerhaften und verfestigten tatsächlichen                  begründen ist. Notwendig ist – insoweit abweichend vom
        Nutzung funktionslos geworden ist und damit seine                        Wortlaut – freilich nicht, dass die unterschiedlich schüt-
        Gestaltungskraft für die Zukunft eingebüßt hat.11 Dies                   zenswerten Nutzungen unmittelbar benachbart sind. Auch
        wird allenfalls in Ausnahmefällen angenommen werden                      Abstände von mehreren hundert Metern zwischen den
        können.                                                                  Gebieten können noch eine Gemengelage darstellen. Maß-
            Der Gemeinde ist es nicht verwehrt, von den Orientie-                geblich ist die Reichweite des Rücksichtnahmegebots, die
        rungswerten der DIN 18005 im Einzelfall sowohl nach                      hier durch die Schallausbreitung bestimmt wird. Beide
        unten wie nach oben abzuweichen. Sie kann nach der                       Gebiete müssen noch prägenden wechselseitigen Einfluss
        Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne                    haben.15

        8   BVerwG, Urteil vom 24.3.2010 – 4 CN 3.09, NVwZ 2010, 782 (784);      12 BVerwG, Urteil vom 14.4.1989 – 4 C 52.87, NVwZ 1990, 257.
            OVG Koblenz, Urteil vom 2.5.2011 – 8 C 11261/10, juris, Rn. 21.
                                                                                 13 Zur Zwischenwertbildung zusammenfassend etwa BVerwG, Beschluss
        9   OVG Münster, Urteil vom 27.3.2009 – 7 D 103/08.NE, juris, Rn. 71.       vom 12.9.2007 – 7 B 24.07, juris, Rn. 4 ff.; grdl. schon BVerwG, Urteil
                                                                                    vom 12.12.1975 – 4 C 71.73, BVerwGE 50, 49 (54 f.).
        10 Die wesentlichen Orientierungswerte sind für WR: tagsüber 50 dB(A)
           und nachts 35 dB(A); WA: tagsüber 55 dB(A) und nachts 40 dB(A); MI:   14 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.12.2008 – 2 A 7.08, juris,
           tagsüber 60 dB(A) und nachts 45 dB(A); GE: tagsüber 65 dB(A) und         Rn. 52 (insoweit nicht in ZUR 2009, 429 abgedruckt); VGH München,
           nachts 50 dB(A);                                                         Urteil vom 12.6.2003 – 1 N 01.1044, juris, Rn. 24.
        11 S. etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 14.2.2007 – 12 LC 37/07, juris,      15 Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus, BImSchR, Band 4, Stand: Mai 2011,
           Rn. 40; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV,             Nr. 6 TA Lärm Rn. 60; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umwelt-
           Stand: April 2011, Nr. 6 TA Lärm Rn. 14.                                 recht, Band IV, Stand: April 2011, Nr. 6 TA Lärm Rn. 25.
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           166      Die schalltechnische Überplanung von bebauten Gewerbe- und Industriegebieten                                    I+E 4 2011

           2. Die Ermittlung der Gewerbelärm-                            Auswirkungen durch die Kontingentierung auf die im
              Vorbelastung                                               Plangebiet ansässigen Betriebe zu ermöglichen.21

           Ferner muss an den Immissionsorten die Gewerbelärm-           b. Insbesondere Ermittlung der Lärmemissionen aus
           Vorbelastung Lvor ermittelt werden. Die Vorbelastung             dem Plangebiet
           ergibt sich aus allen tatsächlich vorhandenen und pla-
           nungsrechtlich zulässigen Lärmimmissionen im Sinne der        Die Ermittlung der Emissionssituation im Plangebiet
           TA Lärm. Hierzu zählen die tatsächlichen Lärmimmissio-        erfolgt im Wesentlichen auf Grundlage der Genehmi-
           nen von bestehenden Gewerbebetrieben und die planungs-        gungsbescheide verbunden mit einer rechnerischen und/
           rechtlich zulässigen Gewerbelärmimmissionen aus ande-         oder messtechnischen Ermittlung der Lärmemissionen.
           ren Plangebieten (z. B. Gewerbe- oder Industriegebiete).16    Eine messtechnische Ermittlung der Lärmimmissionen an
           Damit entspricht die Vorbelastung in etwa der Vorbelas-       den Immissionsorten ist für sich genommen keinesfalls
           tung im Sinne der Nr. 2.4 TA Lärm17 zuzüglich der planeri-    ausreichend, da selbst bei einer Langzeitmessung nicht
           schen Vorbelastung. Die zulässigen Lärmimmissionen aus        ermittelt werden kann, ob tatsächlich alle Betriebe in
           dem Plangebiet werden als Immissionskontingente LIKj          dem genehmigten maximalen Betriebszustand gearbeitet
           bezeichnet. Diese Definition kann analog zur Zusatzbelas-     haben. Der VGH Kassel22 hat etwa die Zulässigkeit von
           tung im Sinne der Nr. 2.4 TA Lärm interpretiert werden.       Lärmmessungen zur Ermittlung von Gewerbelärmimmis-
                                                                         sionen in einem neuen Wohngebiet abgelehnt, da hier-
           3. Die Festsetzung der Geräusch-                              durch die abwägungsrelevanten Tatsachen nicht hinrei-
                                                                         chend ermittelt würden. Durch die nur punktuellen Mes-
              kontingentierung
                                                                         sungen könne die tatsächlich zulässige Immissionssitua-
           Die Festsetzung von Geräuschkontingentierungen ist nach       tion nicht zutreffend abgebildet werden. Entsprechendes
           derzeitiger Rechtslage nur auf Basis einer horizontalen       gilt bei der Festsetzung von Emissionskontingenten. Lärm-
           Gliederung des Gewerbe- oder Industriegebiets i.S.v. § 1      immissionsmessungen sind für sich genommen unzurei-
           Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO zulässig. Dies setzt voraus,       chend und können lediglich als grober Anhalt heran-
           dass für das Plangebiet mehr als ein Emissionskontingent      gezogen werden. Ebenso ist es nicht sachgerecht, allein
           festgesetzt wird, da ansonsten eine Gliederung des Plange-    auf die in der DIN 18005 unter Punkt 5.2.3 angegebenen
           biets nicht gegeben ist.18 Ausnahmsweise genügt auch die      flächenbezogenen Schallleistungspegel für Gewerbe- und
           Festsetzung nur eines Emissionskontingents, wenn in der       Industriegebiete (60 bzw. 65 dB(A)) abzustellen. Diese
           Gemeinde ein anderes Gewerbe- oder Industriegebiet vor-       können nur als Orientierung für unbebaute Grundstücke
           handen ist und dort keine oder jeweils unterschiedliche       herangezogen werden. Als Grundlage für eine Lärmkon-
           Emissionskontingente festgesetzt worden sind (§ 1 Abs. 4      tingentierung bestehender Betriebe sind sie ungeeignet.23
           Satz 2 BauNVO).19 Unabdingbare Voraussetzung für die             Wenig sachgerecht dürfte auch der Ansatz sein, als
           Festlegung der einzelnen Emissionskontingente ist in          Basis einer Lärmkontingentierung an die Schutzwürdig-
           jedem Falle ein genauer Überblick über die Bestandssitua-     keit von in einem Gewerbegebiet ausnahmsweise zuläs-
           tion und der damit verbundenen Lärmemissionen.                sigen Wohnungen anzuknüpfen. Dabei wird bei diesem

           a. Allgemeine Anforderungen an die Bestandsaufnahme
              der Lärmemissionen                                         16 Zur notwendigen Bildung von Summenpegeln bei der Bildung
                                                                            der Emissionskontingente etwa VGH München, Beschluss vom
                                                                            20.12.2010 – 15 NE 10.2377, juris, Rn. 15.
           Bei der Ermittlung der Vorbelastung von Betrieben im
           Umfeld des Plangebietes reicht es regelmäßig aus, die         17 Nach der TA Lärm sind nur tatsächlich vorhandene Geräusch-
                                                                            immissionen von anderen Anlagen zu berücksichtigen.
           Lärmemissionen in einer „worst-case-Betrachtung“ über-
                                                                         18 OVG Koblenz, Urteil vom 2.5.2011 – 8 C 11261/10, juris, Rn. 16;
           schlägig abzuschätzen, um die Gesamtlärmimmissionen
                                                                            VGH München, Urteil vom 14.7.2009 – 1 N 07.2977, NVwZ-RR
           bewerten zu können. Dies lässt sich damit begründen, dass        2010, 54.
           für diese Betriebe keine Festsetzungen der zulässigen         19 S. BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 – 4 N 6.88, NVwZ 1991,
           Lärmemissionen erfolgen. Bei der Ermittlung der Lärm-            881 (882); OVG Koblenz, Urteil vom 8.6.2011 – 1 C 11199/10, juris,
           emissionen der Betriebe im Plangebiet selbst wird in der         Rn. 23; Urteil vom 2.5.2011 – 8 C 11261/10, juris, Rn. 17.
           Regel eine sorgfältigere Erhebung der Lärmemissionen          20 Zur Bestandsaufnahme bei der Überplanung einer Gemengelage
           erforderlich sein, da auf dieser Grundlage die Zulässigkeit      allgemein etwa OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.9.2009 –
                                                                            2 A 2.06, juris, Rn. 40; VGH Mannheim, Urteil vom 6.5.2009 –
           der Lärmemissionen dauerhaft festgesetzt werden soll und         3 S 3037/07, BauR 2009, 1870; OVG Münster, Urteil vom 8.3.1993 –
           die Ermittlung somit einen wesentlichen Bestandteil der          11a NE 53/89, UPR 1993, 349.
           Satzung darstellt. Daher stellen sich hier hohe Anforderun-   21 VGH München, Urteil vom 14.7.2009 – 1 N 07.2977, juris, Rn. 46.
           gen an die Tatsachenermittlung.20 Die Bestandsaufnahme        22 Urteil vom 22.4.2010 – 4 C 246/09.N, juris, Rn. 93.
           muss sowohl umfassend sein als auch das tatsächliche
                                                                         23 Zur Zulässigkeit einer gebietbezogenen Lärmermittlung durch tatsäch-
           Emissionsgeschehen zutreffend abbilden, um der                   liche Emissionskontingente dagegen VGH Mannheim, Urteil vom
           Gemeinde eine zumindest überschlägige Abschätzung der            9.6.2009 – 3 S 1108/07, juris, Rn. 50.
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        I+E 4 2011                               Die schalltechnische Überplanung von bebauten Gewerbe- und Industriegebieten        167

        Abbildung 1: Differenzbildung der Lärmbelastung Punkt- oder Flächenschallquelle

        Ansatz unterstellt, dass durch die ausnahmsweise Zulässig-               gewerblichen Nutzung untergeordnet ist. Ihnen kommt
        keit von Wohnnutzung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO in                     ein nur verminderter Schutzstandard zu, wie sich an den
        Gewerbegebieten für alle dortigen Gewerbebetriebe die                    Immissionsrichtwerten der TA Lärm für Gewerbe- und
        Verpflichtung besteht, entlang der Grundstücksgrenze die                 Industriegebiete ablesen lässt und der regelmäßig auch
        im Gewerbegebiet vorgegebenen Immissionsrichtwerte                       geringer ist als bei Wohnnutzungen im Außenbereich.24
        der TA Lärm von tagsüber 65 dB(A) und nachts 50 dB(A)                       Um die Frage zu beantworten, welche Lärmemissionen
        einhalten zu müssen. Dies ist schon deshalb verfehlt, weil               einem Betrieb „zustehen“, bedarf es regelmäßig einer Aus-
        die TA Lärm einen Anspruch auf Einhaltung der Immis-                     wertung der Genehmigungsbescheide des Betriebs. Diese
        sionsrichtwerte an der Grundstücksgrenze nicht kennt.                    können bei den Genehmigungsbehörden – ggf. über einen
        Vielmehr müssen die Immissionsrichtwerte bei bebauten                    UIG-Antrag – eingesehen werden. Regelmäßig werden sich
        Grundstücken am entsprechenden Gebäude mit schutz-                       aus den Inhaltsbestimmungen oder den Bescheiden beige-
        bedürftigen Nutzungen eingehalten werden (s. Nr. A.1.3                   fügten Auflagen Vorgaben für das maximal genehmigte
        TA Lärm). Ferner verkennt dieser Ansatz, dass nicht alle                 Immissionsniveau ergeben. Allerdings können nur Auf-
        Betriebe ein auf das Grundstück gleichmäßig verteiltes                   lagen herangezogen werden, die unmittelbare Vorgaben
        Lärmaufkommen haben. Bei einem großen Betriebsgrund-                     für den zu betrachtenden Betrieb haben. Diese müssen
        stück kann z. B. dann, wenn sich die Hauptlärmquelle in                  hinreichend bestimmt sein und könnten in etwa wie folgt
        der Mitte des Grundstückes befindet, der sich durch die                  lauten:
        Lärmkontingentierung ergebende Beurteilungspegel stark                      „Die Beurteilungspegel der von allen Anlagen ein-
        von dem tatsächlichen Beurteilungspegel abweichen. Folge                    schließlich des Fahrverkehrs auf dem Gesamtbetriebsge-
        wäre eine falsche Bewertung dieses Betriebs.                                lände ausgehenden Geräusche dürfen an den Immis-
           Wie die Abbildung 1 anschaulich zeigt, beträgt die Dif-                  sionsorten die folgenden Immissionsrichtwerte nicht
        ferenz der Lärmbelastung in dem abgebildeten Beispiel 7                     überschreiten:
        dB(A), obwohl der Schallleistungspegel der Punkt- oder                      Wohngebäude an der A-Straße: tagsüber 52 dB(A)
        Flächenschallquelle vollkommen identisch ist. Schließlich                   nachts 38 dB(A)
        führt die ausnahmsweise Zulässigkeit von Wohnnutzun-                        Wohngebäude an der B-Straße: tagsüber 58 dB(A)
        gen im Gewerbegebiet auch nicht dazu, dass diese die                        nachts 44 dB(A)
        Schutzbedürftigkeit einer Wohnnutzung in einem WR-                          usw.“
        oder WA-Gebiet genießt. Bei den in Gewerbegebieten
        zulässigen Wohnnutzungen handelt es sich lediglich um                    Auflagen wie „Es sind die Bestimmungen der TA Lärm
        sog. betriebsbezogenes Wohnen, das funktional der                        einzuhalten.“ oder „Es sind die Immissionsrichtwerte von
                                                                                 tagsüber 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) in der Summe
                                                                                 aller einwirkenden Gewerbebetriebe einzuhalten.“ sind
                                                                                 dagegen zu unbestimmt und können nicht herangezogen
        24 OVG Koblenz, Urteil vom 12.4.2011 – 8 C 10056/11, juris, Rn. 52 ff.   werden.
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           Beauflagte Immissionsrichtwerte dürfen nur in der Form         eine Mitwirkung durch genauere Angaben zum Betriebs-
           verwendet werden, dass diese sich auf eine bestimmte           ablauf, ist die Gemeinde nicht gehindert, den jeweiligen
           (Himmels-)Richtung beziehen. Wenn sich im o.g. Beispiel        Betrieb auf der Grundlage der Genehmigungslage gewis-
           die A-Straße nördlich des betrachteten Betriebs befindet,      sermaßen typisierend in der Abwägung einer Emissions-
           so hat diese Einschränkung auch nur für die Lärmemissio-       kontingentierung zu berücksichtigen.27 Auf Besonderhei-
           nen nach Norden Auswirkungen. Keinesfalls kann aus der         ten in der Betriebssituation muss dann nicht näher einge-
           Tatsache, dass ein Betrieb z. B. nach Osten dahingehend        gangen werden.
           beschränkt ist, dass er einen bestimmten Immissionsricht-          Bei der Auswertung kann auch auf Lärmgutachten
           wertanteil einhalten muss, dem Betrieb ein bestimmtes          zurückgegriffen werden, die im Rahmen der Genehmi-
           Emissionskontingent zugeordnet werden. Eine solche             gungsplanung erstellt wurden. Sofern sich die im Plange-
           Emissionskontingentierung kann nicht auf andere Him-           biet vorhandenen Betriebe bei der Befragung oder im Plan-
           melsrichtungen übertragen werden.25                            aufstellungsverfahren im Rahmen der Öffentlichkeitsbe-
              Lärmschutzauflagen in Genehmigungen können auch             teiligung nicht anderweitig äußern, kann die planende
           dann herangezogen werden, wenn sie sich auf ein benach-        Gemeinde davon ausgehen, dass die Daten aus der Geneh-
           bartes Grundstück im Gewerbegebiet beziehen. Dies ist          migungsplanung noch aktuell sind. Bei der Ausarbeitung
           zwar in gewissem Maße paradox, da die Lärmkontingentie-        der Dokumentation kann es sinnvoll sein, die Betreiberan-
           rung nicht zum Schutz von Immissionsorten im Plange-           gaben in einem separaten Dokument aufzuführen. Dieses
           biet bestimmt ist, sondern ausschließlich zum Schutz von       Dokument kann dann in einer nicht öffentlichen Sitzung
           Immissionsorten außerhalb des Plangebietes herangezo-          dem Gemeinderat vorgestellt werden. Bei der öffentlichen
           gen werden soll. Da aber durch die Auflage eine Schallab-      Auslegung kann auf dieses Dokument verwiesen werden,
           strahlung in eine bestimmte Himmelsrichtung beschränkt         ohne dass es selbst öffentlich ausgelegt werden muss.
           wird, kann die Auflage auch zur Ermittlung der zulässigen      Somit können Probleme hinsichtlich Betriebsgeheimnisse
           Lärmemissionen des Betriebs herangezogen werden. Dabei         usw. vermieden werden.
           ist aber zu berücksichtigen, inwiefern eine mehr oder              Falls sich Betriebe in einem Gebiet befinden, für das
           weniger homogene Schallabstrahlung vorhanden ist (siehe        schon eine Lärmkontingentierung durchgeführt und diese
           Abbildung 1). Ist dies nicht der Fall, muss eine differen-     in einem Bebauungsplan in rechtlich zulässiger Weise fest-
           ziertere Lärmbetrachtung durchgeführt werden.                  gesetzt wurde, kann in der Regel auf diese Lärmkontin-
              Heranzuziehen ist stets der aktuellste Genehmigungsbe-      gentierung zurückgegriffen werden. Es ist aber stets zu
           scheid. Bildet er den genehmigten Anlagenbestand nur           prüfen, ob einzelne (oder alle) Betriebe von dieser Fest-
           teilweise ab, müssen ergänzend auch die älteren Bescheide      setzung befreit wurden. In diesem Fall ist von den Lärm-
           ausgewertet werden. Dies gilt insbesondere für Ände-           emissionen auszugehen, die sich aufgrund der Befreiung
           rungsgenehmigungen gemäß § 16 BImSchG, die oftmals             ergeben.
           nur einen Teil des genehmigten Anlagenbestands betref-             Liegen die tatsächlichen Lärmemissionen eines Betriebs
           fen.                                                           über dem Niveau, wie es sich nach der Genehmigungslage
              Kündigt ein Gewerbetreibender im Plangebiet die Still-      ergibt, ist letztere maßgeblich. Die Gemeinde muss nur sol-
           legung seines Gewerbebetriebs an, rechtfertigt dies für sich   che Lärmimmissionen eines vorhandenen Gewerbebetrie-
           genommen nicht die Annahme, dass von dem Betriebs-             bes berücksichtigen, die sich im Rahmen des bundesim-
           grundstück künftig keine Lärmemissionen mehr ausgehen          missionsschutzrechtlich zulässigen Maßes halten. Denn
           werden. Eine Fortführung des Betriebs durch einen Dritten      gegen Lärmimmissionen, die dieses Maß überschreiten,
           im Rahmen des Bestandsschutzes ist jederzeit möglich.          steht dem Betroffenen ein Anspruch auf Einschreiten der
           Zudem kann der Gebietscharakter des Betriebsgrund-             zuständigen Behörde gegenüber dem Betrieb zu.28 Dies
           stücks auch nach Erlöschen des Bestandsschutzes durch          dürfte regelmäßig auch in Fällen gelten, in denen die
           die vorangegangene Nutzung und durch seine Umgebung            Immissionsschutzbehörde über Jahre nicht eingeschritten
           derart geprägt sein, dass eine andere lärmemittierende         ist.
           gewerbliche Nutzung nicht verhindert werden kann.26                Für im Plangebiet noch unbebaute und/oder ungenutzte
              Neben der Auswertung der Genehmigungslage sollte            Grundstücke sind fiktive Lärmkontingente so festzulegen,
           ergänzend für die Erhebung der Lärmemissionen auch             dass eine übliche gewerbliche Nutzung möglich ist. Dies
           eine Befragung der Betriebe erfolgen. Hierzu ist der           richtet sich nach den Lärmkontingenten benachbarter
           Betriebsablauf möglichst genau zu ermitteln. Die sich hier-    Grundstücke und auch nach dem noch „freien“ Kontingent
           aus ergebenden Lärmemissionen und Lärmimmissionen
           sind zu berechnen. Dabei wird die Berechnungsgenauig-
           keit regelmäßig nicht derjenigen entsprechen müssen, die       25 S. VGH München, Urteil vom 4.5.1998, juris, Rn. 44.
           für eine Genehmigungsplanung erforderlich ist. Die             26 BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 – 4 N 6.88, NVwZ 1991, 881
           Berechnung sollte aber so präzise sein, dass das Lärmemis-        (882 f.).
           sionsverhalten aller Betriebe mit einem einheitlichen Mus-     27 OVG Münster, Urteil vom 27.3.2009 – 7 D 103/08.NE, juris, Rn. 81.
           ter ermittelt wird, da hierauf die nachfolgende Verteilung     28 VGH Mannheim, Urteil vom 9.2.2010 – 3 S 3064/07, juris, Rn. 129
           der Lärmkontingente aufbaut. Verweigern die Betriebe              (insoweit nicht in NuR 2010, 736 abgedruckt).
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        an den umliegenden Immissionsorten. Bedenken im Hin-                    ein wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr möglich ist und ein
        blick auf eine fehlerfreie Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB)                  konkretes Schutzbedürfnis umliegender Wohnnutzung im
        bestehen etwa dann, wenn auf den noch unbebauten                        Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans nicht besteht.
        Grundstücken Lärmemissionen in der Nacht vollständig                    Ergibt die Berechnung, dass die Summe aller Gewerbelär-
        ausgeschlossen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn                  mimmissionen31 kleiner ist als die vorgegebenen Orientie-
        aufgrund der bisherigen Ansiedlungen im Gewerbe- oder                   rungswerte, kann die Lärmkontingentierung auf Basis der
        Industriegebiet und der absehbaren Nachfrage damit zu                   Lärmerhebung erfolgen.
        rechnen ist, dass auch in der Nacht produzierende Gewer-                   Ggf. muss den Betrieben auch ein Zuschlag für betrieb-
        bebetriebe angesiedelt werden können. Die Gemeinde                      liche Erweiterungsmaßnahmen zugebilligt werden. Nach
        muss stets prüfen, ob ein wirtschaftlicher Anlagenbetrieb               der Rechtsprechung müssen Betriebserweiterungen zwar
        trotz der Emissionskontingentierung noch möglich ist.29                 nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie hinreichend
                                                                                konkret sind und vom Betrieb entweder in seiner Stellung-
        c. Die Bestimmung der festzusetzenden Emissions-                        nahme vorgetragen worden oder der Gemeinde aus ande-
           kontingente                                                          ren Gründen bekannt sind.32 Dies bedeutet allerdings
                                                                                nicht, dass bei der Festlegung der Emissionskontingentie-
        Auf Basis der Lärmemissionserhebung werden die Lärm-                    rung naheliegende Erweiterungen nicht in den Blick zu
        immissionen in Form von Beurteilungspegeln an den rele-                 nehmen sind.33 Es kann sich daher anbieten, für solche
        vanten Immissionsorten nach den Maßgaben der TA Lärm                    Erweiterungen pauschal eine Lärmzuwachsreserve von
        berechnet. Sodann werden die Emissionskontingente so                    etwa 1 dB(A) zu berücksichtigen.34 Eine solche Typisie-
        festgelegt, dass die für die einzelnen Betriebe sich ergeben-           rung ist allerdings nur dann ausreichend, wenn keine kon-
        den Immissionskontingente gleich oder größer sind als die               kreten Erweiterungsmaßnahmen einzelner Betriebe beste-
        jeweiligen Beurteilungspegel. Dies hat sich an den konkre-              hen.
        ten Planungsabsichten der Gemeinde zu orientieren. Hier-
        bei ist zu beachten, dass das Emissionskontingent einen                 d. Zulassung einer Summation
        Eingriff in die ausgeübte Grundstücksnutzung darstellt,
        wenn es geringer liegt als die derzeitige Lärmemittierung               Die DIN 45691 sieht die Möglichkeit vor, dass ein Grund-
        des Betriebs. Auch wenn die Emissionskontingente keine                  stückseigentümer die Immissionskontingente aller seiner
        Grundlage für den Erlass einer nachträglichen Anordnung                 Teilflächen summiert und damit eine räumliche Konzen-
        bilden, werden Betriebsänderungen oder -erweiterungen                   tration seiner Emissionsquelle auf dem Betriebsgrund-
        gleichwohl in der Zukunft unmöglich gemacht bzw. einge-                 stück erreicht. Die Gemeinde kann diese Summationsmög-
        schränkt. Der bei Eigentumseingriffen stets zu beachtende               lichkeit grundsätzlich durch eine entsprechende textliche
        Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird es daher regelmäßig                  Festsetzung ausschließen (s. Nr. 4.6 DIN 45691). Bei der
        unmöglich machen, einem Betrieb im Plangebiet ein gerin-                Überplanung bebauter Gebiete dürfte eine solche Festset-
        geres Emissionskontingent als das derzeit genehmigte                    zung regelmäßig abwägungsfehlerhaft sein. Der Gewerbe-
        Emissionsverhalten zuzuweisen.30 Es ist durchaus mög-                   treibende hat ein Interesse am Fortbestand der bestehen-
        lich oder gar geboten, dass für jedes Betriebsgelände ein               den Verhältnisse, d. h. an der gewerblichen Nutzung ohne
        eigenes Lärmkontingent in unterschiedlicher Höhe festge-                Kontingentierung der Emissionen. Dieses Interesse hat bei
        legt werden muss. Dabei werden oft auch Zusatzkontin-                   der Überplanung bestehender Gewerbe- oder Industrie-
        gente für die verschiedenen Himmelsrichtungen erforder-                 gebiete erhebliches Gewicht, das entsprechend in die
        lich sein. Auch diese müssen oft für verschiedene Betriebe              Abwägung einzustellen ist.35 Städtebauliche Gründe, die
        separat festgesetzt werden. Auf die Festsetzung solcher                 eine Summation tragen, werden regelmäßig nicht vorlie-
        Zusatzkontingente kann im Einzelfall auch ein Anspruch                  gen bzw. nicht so gewichtig sein, dass sie einen Ausschluss
        des Gewerbetreibenden bestehen, etwa wenn ansonsten                     rechtfertigen vermögen.

        29 OVG Münster, Urteil vom 14.4.2011 – 8 A 320/09, juris, Rn. 118 ff.
                                                                                e. Festsetzung einer Irrelevanzklausel
        30 S. VGH München, Urteil vom 12.6.2003 – 1 N 01.1044, juris,           Nr. 4.6. i.V.m. Nr. 5 DIN 45691 stellt ferner die Festsetzung
           Rn. 20 ff.
                                                                                einer Irrelevanzklausel in das planerische Abwägungser-
        31 Hier in Form von Immissionskontingenten.
                                                                                messen der Gemeinde. Damit kann die Gemeinde schon
        32 St. Rspr., s. BVerwG, Beschluss vom 10.11.1998 – 4 BN 44.98,         auf Planebene darüber entscheiden, ob im nachfolgenden
           NVwZ-RR 1999, 423 (423 f.); Urteil vom 16.4.1971 – IV C 66.67,
           DVBl. 1971, 746; VGH Mannheim, Urteil vom 6.5.2009 –                 Genehmigungsverfahren eine Genehmigung auch dann
           3 S 3037/07, juris, Rn. 27; OVG Schleswig, Urteil vom 10.5.2007 –    erteilt werden kann, wenn das Emissionskontingent zwar
           1 KN 9/05, juris, Rn. 32.                                            nicht eingehalten wird, der Beurteilungspegel den Im-
        33 S. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.2.2006 – 2 A 16.05,         missionsrichtwert an den maßgeblichen Immissionsorten
           BRS 70 Nr. 14.                                                       aber um mindestens 15 dB(A) unterschreitet. Die Rele-
        34 VGH Mannheim, Urteil vom 9.6.2009 – 3 S 1108/07, juris, Rn. 58.      vanzgrenze knüpft an die in der Praxis bei der Anwendung
        35 OVG Münster, Urteil vom 27.3.2009 – 7 D 103/08.NE, juris, Rn. 67.    der TA Lärm bewährte Praxis an, Zusatzbelastungen ab
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           einer bestimmten Grenze als irrelevant zu betrachten                     sen sind, die für den Erhalt und die Entwicklung des
           unabhängig davon, wie hoch die Vorbelastung am Immis-                    Gewerbe- oder Industriegebiets sprechen, etwa in Regio-
           sionsort ist. Nr. 3.2.1 TA Lärm sieht als Grenze ein Unter-              nen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit oder wirt-
           schreiten von 6 dB(A) vor, während in der Genehmigungs-                  schaftlichen Strukturproblemen, desto eher kann eine
           praxis zumeist – in Anlehnung an Nr. 2.2 lit. a) TA Lärm –               Überschreitung der Orientierungswerte der DIN 18005
           ein Unterschreiten von 10 dB(A) gefordert wird.36 Der                    gerechtfertigt sein.40 Das Bundesverwaltungsgericht hat
           VGH München hat die weitergehende Relevanzgrenze                         im Einzelfall eine Überschreitung von bis zu 10 dB(A) für
           nach DIN 45691 bereits mehrfach gebilligt, ohne allerdings               zulässig erachtet.41 Hieraus lässt sich allerdings eine allge-
           explizit auf die konkrete Höhe von 15 dB(A) einzugehen.37                meingültige Planleitlinie kaum ableiten. Vom Gericht wur-
           Auch wenn der Gemeinde grundsätzlich ein Konkretisie-                    den in der zitierten Dortmunder Entscheidung maßgeblich
           rungsspielraum hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“                       die besonderen Umstände des Einzelfalls und die bereits
           zukommt, sind auch hier die Bestandsschutzinteressen                     bestehende Lärmvorbelastung betont.
           der Gewerbetreibenden und die technischen Regelwerke
           zu beachten. Der Ausschluss einer Relevanzgrenze ohne                    b. Lärmsanierung
           hinreichende städtebauliche Gründe dürfte jedenfalls
           abwägungsfehlerhaft sein. Entsprechendes gilt, wenn die                  Weiter kann bei einer Überschreitung der Gesamt-Immis-
           Gemeinde abweichend von Nr. 5 DIN 45691 eine Relevanz-                   sionswerte geprüft werden, ob die Lärmemissionen der
           grenze etwa erst bei 20 dB(A) annimmt. Dies orientiert                   Betriebe tatsächlich in dem Umfang erforderlich sind, wie
           sich weder an der DIN 45691 noch wird es den Interessen                  dies sich entsprechend den ersten Lärmerhebungen dar-
           der Gewerbetreibenden gerecht. Der Schutz der umliegen-                  stellt. Allgemein ist davon auszugehen, dass Lärmemissio-
           den Wohnbevölkerung bedingt eine solch hohe Relevanz-                    nen durch Fahr- und Ladetätigkeiten im Freien oft nur mit
           grenze nicht, sofern eine Verschlechterung der Lärmsitua-                einem hohen Aufwand gemindert werden können. Lärm-
           tion an dem Immissionsort schon bei 10 dB(A) nachweis-                   emissionen durch technische Geräte und Anlagen (z. B.
           lich ausgeschlossen werden kann.38 Im Übrigen kommt es                   Lüfter, Kamine, Zu- und Abluftöffnungen, Wärmetau-
           maßgeblich auf den konkreten Einzelfall an, insbesondere                 scher) können dagegen oft mit einem verhältnismäßig
           darauf, wie viele Gewerbebetriebe in dem zu kontingentie-                geringen Aufwand (z. B. durch Einbau eines Schalldämp-
           renden Gewerbe- oder Industriegebiet schon angesiedelt                   fers oder durch Austausch von alten und defekten Geräten)
           sind bzw. voraussichtlich noch angesiedelt werden sollen.                lärmsaniert werden. Dies entspricht den dynamischen
                                                                                    Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2
           4. Vorgehen bei einer Überschreitung                                     BImSchG für Anlagen, die eine immissionsschutzrecht-
                                                                                    liche Genehmigung benötigen, und können im Wege
              der Gesamt-Immissionswerte
                                                                                    nachträglicher Anordnungen durchgesetzt werden (§ 17
           a. Abwägung der Überschreitung                                           BImSchG). Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG können
                                                                                    sich auch für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen
           Zeigt sich bei der Planung, dass die auf der Grundlage der               Pflichten zur nachträglichen Lärmminderung ergeben.42
           Orientierungswerte der DIN 18005 festgelegten Gesamt-                    Diese können durch nachträgliche Anordnungen nach § 24
           Immissionswerte bei Ausnutzung aller festzulegenden                      BImSchG durchgesetzt werden. Die planende Gemeinde
           Emissionskontingente nicht eingehalten werden können,                    kann dies berücksichtigen, sofern mit dem Erlass solcher
           ist zunächst das Ausmaß der Überschreitung festzustellen.                nachträglichen Anordnungen tatsächlich gerechnet wer-
           Geringfügige Überschreitungen können je nach Einzelfall                  den kann.
           etwa durch das städtebauliche Interesse an einer sinnvol-
           len Ausnutzung des Gewerbegebietes gerechtfertigt sein.39                c. Städtebaulicher Vertrag
           Der Grund hierfür liegt darin, dass den Orientierungswer-
           ten der DIN 18005 eine den Immissionsrichtwerten der                     Ein weiterer Lösungsweg ist der Abschluss eines städte-
           TA Lärm vergleichbare Bindungswirkung von vornherein                     baulichen Vertrags, in dem die Lärmimmissionen durch
           nicht zukommt. Je wichtiger die städtebaulichen Interes-                 die Festlegung konkreter Schallschutzmaßnahmen stufen-

           36 OVG Lüneburg, Urteil vom 20.4.2009 – 1 KN 79/05, juris, Rn. 39        39 OVG Koblenz, Urteil vom 13.2.2008 – 8 C 10368/07, NVwZ-RR
              (insoweit nicht in BauR 2009, 1425 abgedruckt); Feldhaus/Tegeder,        2008, 514 (521).
              in: Feldhaus, BImSchR, Band 4, Stand: Mai 2011, Nr. 3 TA Lärm
                                                                                    40 St. Rspr., s. BVerwG, Beschluss vom 17.2.2010 – 4 BN 59.09, BauR
              Rn. 27 f.; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV,
                                                                                       2010, 1180 (1181); Beschluss vom 13.6.2007 – 4 BN 6.07, BRS 71
              Stand: April 2011, Nr. 3 TA Lärm Rn. 15 f.
                                                                                       Nr. 49; Beschluss vom 18.12.1990 – 4 N 6.88, NVwZ 1991, 881 (883).
           37 VGH München, Urteil vom 5.2.2009 – 1 N 07.2713 u.a., juris, Rn. 74;
              Beschluss vom 19.3.2008 – 21 CS 08.56, juris, Rn. 12.                 41 BVerwG, Urteil vom 22.3.2007 – 4 CN 2.06, BVerwGE 128, 238 Rn.
                                                                                       15.
           38 S. zur Irrelevanzschwelle von 10 dB(A) VGH München, Beschluss vom
              20.12.2010 – 15 NE 10.2377, juris, Rn. 15; Tegeder/Heppekausen,       42 S. etwa VGH Mannheim, Urteil vom 9.6.2009 – 3 S 1108/08, juris,
              BauR 1999, 1095 (1098).                                                  Rn. 58 zum Austausch von Kühlgeräten.
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        I+E 4 2011                         Die schalltechnische Überplanung von bebauten Gewerbe- und Industriegebieten      171

        weise abgesenkt werden. Vor Abschluss eines solchen Ver-        BauGB). Die Festlegung der zulässigen Gesamt-Immis-
        trages ist eine detaillierte Bestandserhebung der relevan-      sionswerte stellt dabei einen zentralen Bestandteil des
        ten Schallquellen aller Betriebe erforderlich. Sodann ist zu    Abwägungsprozesses der Bebauungsplanung dar. So muss
        ermitteln, ob relevante Schallquellen in einem angemesse-       etwa dem Rat in beschlussfähiger Weise dargelegt werden,
        nen Zeitraum sowieso abgeschaltet oder ersetzt werden           dass von den Orientierungswerten der DIN 18005 ab-
        sollen. In einem nächsten Schritt ist zu ermitteln, welche      gewichen werden soll (oder auch nicht). In der Praxis wird
        Lärmminderung für die verschiedenen Schallquellen mög-          oft im Rahmen der Behandlung der Lärmproblematik von
        lich ist und welche Kosten dabei entstehen. Dieses Vorge-       der Verwaltung und den Lärmgutachtern vorgegangen,
        hen ist aus schalltechnischer Sicht das gleiche wie bei einer   dass z. B. in einem allgemeinen Wohngebiet die Orientie-
        Lärmsanierung eines einzelnen Betriebes. Der entschei-          rungswerte eines Mischgebietes angesetzt werden, da es
        dende Unterschied ist aber derjenige, dass dann, wenn ein       sich um eine Gemengelage handele. Dann wird dem Rat
        Betrieb eine Lärmsanierung für sich durchführt, sich für        dargelegt, dass alle Orientierungswerte eingehalten wer-
        diesen Betrieb daraus meist unmittelbare Vorteile ergeben,      den und somit keine Konflikte durch den Bebauungsplan
        indem Erweiterungen oder Änderungen genehmigungs-               entstehen. Bei diesem Vorgehen kann von einem Ab-
        fähig werden. Bei einer Lärmsanierung im Rahmen eines           wägungsausfall ausgegangen werden, da der Rat über
        Bebauungsplanverfahrens ergeben sich durch die Lärm-            die Zulässigkeit einer Orientierungswertüberschreitung
        sanierung eines Betriebes auch Vorteile für andere              überhaupt nicht entschieden hat. Er ist fälschlich davon
        Betriebe. Daher ist hier eine sorgfältige technische und        ausgegangen, dass alle Orientierungswerte eingehalten
        rechtliche Begleitung dieses Verfahrens erforderlich, um        werden.
        die Rechte und Pflichten und somit die Vor- und Nachteile
        für die verschiedenen Betriebe genau zu definieren. Bei
        der Überplanung mehrerer größerer relevanter Betriebe           IV. Zusammenfassung
        werden oftmals mehrere Akustikbüros und Anwaltskanz-
        leien beteiligt sein. Dies führt zumeist zu einem erheb-        Gegen die Überplanung bestehender Gewerbe- oder Indus-
        lichen finanziellen Aufwand.                                    triegebiete mittels einer Emissionskontingentierung nach
                                                                        der DIN 45691 bestehen keine grundsätzlichen baupla-
                                                                        nungsrechtlichen Bedenken. Bestandsschutzerwägungen
        5. Prozedurale Anforderungen                                    und das Interesse der Grundstückseigentümer am unver-
                                                                        änderten Fortbestand der Verhältnisse im Plangebiet engen
        Die Emissionskontingentierung bringt auch Verfahrensan-         aber den Abwägungsspielraum der planenden Gemeinde
        forderungen mit sich. Die Ergebnisse der Lärmerhebung           ein. Dies gilt sowohl für die Festlegung der Gesamt-Immis-
        und die Auswirkungen auf die umliegende Wohnbebau-              sionswerte als auch bei der Verteilung der Emissionskon-
        ung sind den Gremien (Stadtrat, Gemeinderat, Planungs-          tingente auf die relevanten Teilflächen im Plangebiet. Die
        ausschuss usw.) umfassend darzulegen. Das Gremium hat           Möglichkeit einer Summation oder die Festsetzung von
        darüber zu befinden, in welchem Umfang und Verhältnis           Zuschlägen sind regelmäßig seitens der Gemeinde zumin-
        zueinander die Gewerbebetriebe belastet werden sollen           dest zu erwägen. Stets ist zu prüfen, ob und in welcher
        und welche Lärmimmissionen die umliegenden schutzbe-            Form eine Irrelevanzklausel vorgesehen wird, um die
        dürftigen Nutzungen hinnehmen müssen. Diese folgt aus           Bestandsschutzinteressen der Gewerbetreibenden ange-
        dem Abwägungsgebot in der Bauleitplanung (§ 1 Abs. 7            messen zu berücksichtigen.
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