ERASMUS-Aufenthalt Aix-Marseille-Université, Campus Saint Jérôme WS 2013/2014 (September - Februar) Master 2: Rayonnement, Energie, Spectroscopie ...

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ERASMUS-Aufenthalt Aix-Marseille-Université, Campus Saint Jérôme
                          WS 2013/2014 (September - Februar)
             Master 2: Rayonnement, Energie, Spectroscopie (Physik)

                                      Erfahrungsbericht

Der ERASMUS – Aufenthalt fand in der Physik im Master 2 (zweites Masterjahr) “Rayonnement,
Energie, Spectroscopie” (RES) an der Aix-Marseille-Université in Marseille auf dem Campus Saint
Jérôme statt. Es wurden lediglich Kurse aus diesem Masterprogramm gewählt, wodurch keinerlei
Überschneidungen vorhanden waren und auch der Campus nur in Ausnahmefällen gewechselt
werden musste. Der Aufenthalt fand von September 2013 bis Februar 2014 statt. Eine Besonder-
heit des Masters bestand in einem verlängerten ersten Semester (Ende Februar)

Bewerbung:
Die Bewerbung wurde anfänglich dadurch erschwert, dass die Zuständigkeiten unklar waren. Im
Fachbereich Physik an der Universität Bremen ist dies Prof. Ladstätter-Weißenmayer (in Vertre-
tung von Prof. Bornholdt). Auf französischer Seite war die Zuständigkeit schwieriger zu ermitteln,
da die Universität Aix-Marseille-Université gerade erst aus einem Zusammenschluss dreier unab-
hängiger Universitäten hervorgegangen ist. Einen ersten Anhaltspunkt bieten die genannten Na-
men auf den ERASMUS-Verträgen, die beim International Office einsehbar sind. Mein Erstkontakt
ging über Matthieu Porhel, der auf der Internetseite der französischen Universität angegeben wor-
den ist.
Neben der formalen Bewerbung in Bremen muss man ebenfalls eine Bewerbung nach Frankreich
senden, sobald in Deutschland grundsätzliche Weichenstellungen erfolgt sind. Die Bewerbungsun-
terlagen für Frankreich müssen bis zum 31. Mai in Marseille eingegangen sein und umfassen das
im Internet ausgefüllte Formblatt, das Learning Agreement, das Transcript of Records und einen
Französischnachweis, wobei es auch ERASMUS-Studenten gab, die kein Französisch konnten
(absolut nicht empfehlenswert, selbst wenn ein Master in Englisch angeboten wird). Das Bewer-
bungsverfahren in Frankreich wird auf der Internetseite der Marseiller Universität gut beschrieben,
das Transcript of Records kann sehr einfach nochmal verändert werden, also mutig Kurse wählen
und später ändern, falls es Probleme gibt.
Grundsätzlich muss der Erstkontakt mit Frankreich nach meiner Erfahrung offensiv durchgeführt
werden. Ein Erstkontakt per E-mail wird in Frankreich (nicht nur bei der Uni) scheinbar gern kom-
plett ignoriert, insbesondere wenn man nicht direkt beim zuständigen Mitarbeiter landet. Heißt also:
Anrufen!
Zu meiner Zeit (Achtung Internetseite stark im Umbruch) konnten die Informationen hier gefunden
werden:
https://moveonline.univ-amu.fr/moveonline/incoming/welcome.php
Kontakt: matthieu.porhel@univ-amu.fr

Die Auswahl der Universität ist bei mir wegen Zeitmangels auf die bereits bestehende
Kooperation gefallen. Wer aber Ziele ausserhalb der Kooperationen anstrebt, kann dies in Abspra-
che mit den ERASMUS-Beauftragten des Fachbereiches tun und den Erstkontakt herstellen.

Die Auswahl der Kurse wurde offiziell von Marseille in Form des Learning Agreements bereits bei
Bewerbung erwartet. Deshalb habe ich mir den im Internet übersichtlichsten Master herausge-
sucht. Da meine physikalischen Interessen für die Auswahl zweitrangig waren, habe ich mir aus-
schließlich aus dem gewählten Master Kurse herausgesucht. Eine bunte Mischung aus verschie-
denen Mastern ist aber möglich. Dabei gilt zu beachten, dass es in Marseille zahlreiche Campi gibt
und sich Kurse aus unterschiedlichen Mastern schnell überschneiden können.

Bei der Bewerbung in Frankreich kann angegeben werden, ob ein Wohnheimplatz gewünscht
wird. In der Regel wird einem vom dortigen „Studentenwerk“ CROUS ein Wohnheimplatz gewährt,
wobei nicht unbedingt die gewünschte Kategorie erhalten wird. Bei der Belegung eines einfachen
bzw. traditionellen Zimmers werden Küche und Sanitäreinrichtungen von allen Bewohnern eines
Ganges genutzt (Waschbecken im Zimmer), wobei der Standard oftmals unter dem gewohnten
liegt. Konkret heißt dies unter anderem, dass eine Klobrille nicht vorhanden sein muss. Gereinigt
werden Küche und Sanitäreinrichtungen während der Woche vom Reinigungspersonal des Wohn-
heimes. Bei der Auswahl eines Wohnheimes muss darauf geachtet werden, dass das Wohnheim
beim eigenen Campus liegt.
Im Wohnheim gibt es in der Regel eine Rezeption, sodass eine Anreise auch nach den Bürozeiten
erfolgen kann. Allerdings wird man dann nicht unbedingt erwartet, auch wenn man die spätere An-
reise angemeldet hat. Wer sich also im Vorfeld nicht seine Zimmernummer geben lassen kann und
außerhalb der Bürozeiten anreist, sollte Geduld, Ruhe und einen Ausdruck der Zimmerbestätigung
mitbringen. Geholfen wird einem schon. Aber es gilt: Alles vorher ausdrucken!
Im Wohnheim gibt es Internet für einen Beitrag von 6€ pro Monat. Jedoch wird das Internet insbe -
sondere zu Stoßzeiten (abends) sehr langsam. Mein Wohnheim war „Alice Chatenoud“.

Anreise und ÖPNV
Die Anreise nach Marseille ist über den Marseiller Flughafen oder die französische Bahn möglich.
Ich habe die Möglichkeit des einmal pro Tag verkehrenden durchgehenden Zuges von Frankfurt
a.M. nach Marseille genutzt. Bei frühzeitiger Buchung kann man dabei sehr günstige Preise be-
kommen.
Der Flughafen ist mit dem Hauptbahnhof „St. Charles“ über einen Shuttlebus (Navette) ange-
schlossen. Die Kosten liegen bei rund 13€ für ein Hin-und-Rückreiseticket, wobei ein Preisnach-
lass bis zu einer gewissen Altersschwelle (meist 26) gewährt wird.
Der ÖPNV in Marseille läuft über die RTM und umfasst Tram, Metro und Busse. Zentrale Busab-
fahrtorte liegen in der Stadt, z.B. Canebière Réformées oder Canebière Bourse. Am Hauptbahnhof
gibt es für die Stadtbusse (mit Ausnahme einiger Nachtlinien) keine zentrale Haltestelle. Dort hal-
ten die Überlandbusse.
Bis zu einer gewissen Altersschwelle kann eine Monatskarte für 17,60€ erhalten werden, ein gene-
relles Semesterticket gibt es nicht. Es empfiehlt sich, eine „Carte Transpass“ sich erstellen zu las-
sen. Dies ist einfach in den RTM-Shops möglich, die an zentralen Metrostationen zu finden sind.
Nötig sind ein Ausweisdokument mit Adressnachweis (gerne auch deutsche Adresse) und ein
Farbfoto in Passbildgröße, was gescannt und sofort zurückgegeben wird. Das Erstellen der Karte
ist kostenfrei, anschließend können am Automaten Tickets gebucht werden. Die Preise werden
durch die Nutzung der Karte im ÖPNV günstiger.
Ich konnte erst zwei Wochen nach Beginn der Vorlesungszeit nach Marseille reisen. Eine verspä-
tete Anreise ist möglich, jedoch ist zu beachten, dass je nach Studienstruktur bereits nach den An-
fangswochen Prüfungen sein können.

Universität, Campus St. Jérôme
Die Universität Aix-Marseille ist aus mehreren einzelnen Universitäten zusammengewachsen.
Die Campi sind entsprechend über die gesamte Stadt Marseille und Aix verteilt. Die großen mir be-
kannten Campi sind:
   –   Saint-Jérôme im Norden (mindestens 30 Minuten mit ÖPNV zum Bahnhof).
   –   Saint-Charles direkt am Bahnhof
   –   Luminy im Süden und nur über Bus zu erreichen (gefühlt 40 Minuten ÖPNV zum Bahnhof)
Meine Kurse fanden in Saint-Jérôme statt und der Campus liegt in einem der Nordquartiere. Der
Campus St. Jérôme gehört zu den kleineren Campi und ist erreichbar über die Busse 32,33,34 aus
der Stadt oder über die vom Berufsverkehr unabhängigere Metro 1 bis zur Endstation La Rose mit
Umstieg in die Buslinie 3 bis zur vorletzten Station. Der letzte Bus der Linie 3 fährt bereits um
20:33 ab La Rose.
Der Campus liegt im 14. Arrondissement. Hier gibt es enorme Hochhaussiedlungen. Es ist ein eher
ärmlicher Stadtteil mit schlechtem Ruf, jedoch kann ich von keinerlei schlechten Erfahrungen be-
richten, sodass es lediglich ein anfänglich unbehagliches Gefühl ist. Ein Vorteil der Gegend besteht
darin, dass man schnell aus der Stadt in die umgebenden Hügeln kommt, zu Spaziergängen mit
sehr gutem Blick über die Stadt.
Insgesamt ist Saint Jérôme etwas abgehängt. Das bezieht sich auf Kulturangebote sowie sonstige
Abendveranstaltungen. Auch fährt der letzte Nachtbus ganzwöchig um 0:46 aus der Stadt ab. Wer
in Saint-Jérôme wohnt und gerne feiert, muss sich wochenends somit einschränken, lange wach
bleiben oder auf Taxen zurückgreifen.
Auf dem Campus Saint-Jérôme gibt es eine Mensa. Ein Mittagessen ist für 3,15€ möglich. Es gibt
eine Auswahl von mehreren Gerichten. Das Essen ist in der Regel für eine Mensa gut. Auch auf
den anderen Campi gibt es Mensen. Selbiges gilt für Universitätsbibliotheken.

Master
Der Master „Rayonnement, Energie, Spectroscopie“ wird komplett in Französisch gehalten, die
mündlichen Prüfungen in Form von Präsentationen können auch in englischer Sprache gehalten
werden. Verantwortlicher für das Masterprogramm ist Roland Stamm. Die generelle Struktur des
Masterprogramms sieht zwei große Vorlesungsphasen vor. Zunächst werden die zwei Grundkurse
über 6-8 Wochen abgehalten, anschließend folgen die Spezialisierungskurse. Die Beschreibung
des Masterprogramms findet sich unter http://www.m2res.piim.up.univ-mrs.fr/enseignement.htm
Die Spezialisierungskurse werden nicht unbedingt alle angeboten, sondern sind teilnehmerzahlab-
hängig. Ich hatte keine Auswahl, es wurden wegen der Gesamtanzahl von 11 Studierenden im
Masterprogramm lediglich die Spezialisierungsfächer S1-S6 angeboten. Die Prüfungen sind Prä-
sentationen oder Klausuren.

Marseille
Marseille ist eine Stadt, die nicht das französische Frankreich repräsentiert, insbesondere nicht in
Saint Jérôme. Es ist symptomatisch, dass ich hauptsächlich Bekanntschaften und Freundschaften
mit   (Nord-)Afrikanern   hatte.   Gerade   die   äußeren    Stadtteile   bestechen   durch   ihren
Hochhauscharme. Die Innenstadt strahlt dafür, sie wurde für das Jahr als Kulturhauptstadt Euro-
pas 2013 sehr gut herausgeputzt. Die meisten Sehenswürdigkeiten liegen um den alten Hafen
herum verteilt. Während meines Aufenthaltes gab es jedoch noch sehr viele Baustellen. Vor der
Stadt sind Inseln, die ebenfalls sehenswert sind wie generell die Felsformationen entlang der
Küste um Marseille herum. Gäste waren in der Regel sehr positiv überrascht von der Stadt.

Umgebung und Reisen
Die Umgebung lädt zu Reisen ein. Orte in der näheren Umgebung sind beispielsweise Aix-en-
Provence, Arles, Nîmes oder Avignon. Weiter entfernt liegt die Côte-d'Azur, die dennoch erwähnt
werden sollte. In westlicher Richtung kann man nach Montpellier und in knapp 4 Stunden nach
Carcassonne reisen. Letzteres ist ein großes Erlebnis, insbesondere in der Nebensaison, in der es
Platz zum Atmen gibt.
Für die Reisen sollte man abschätzen, ob sich eine Reduktionskarte der SNCF lohnt. Auf jeden
Fall gilt auch für die SNCF: Wer früher bucht kommt günstiger an.
Sprache
Wer in Marseille sein ERASMUS-Semester verbringt und mehr als ERASMUS-Kontakte haben
möchte, sollte Französisch beherrschen. Englisch ist längst nicht so selbstverständlich, wie man
erwarten könnte. Selbst im Kontakt mit Universitätsangestellten kann es Schwierigkeiten geben
und Master in Englisch haben teilweise dennoch französische Folien (oder andersherum).

Freizeitangebote/ Kontakte
Die meisten privaten Kontakte habe ich über die Hochschulgemeinde geknüpft, die einmal
wöchentlich (mittwochs) ein gemeinsames Abendessen veranstaltet hat. Hochschulgemeinden
(meist katholisch) heißen in Frankreich „Aumônerie des étudiants“. Es gibt mehrere, ich war
hauptsächlich in der Aumônerie du Merlan. Es handelt sich bei den Treffen nicht um spirituelle
Treffen, somit sind Berührungsängste nicht geboten. In der Regel beschränkte sich der spirituelle
Anteil auf ein Tischgebet.
Das internationale Büro und das Studentenwerk veranstalten unregelmäßig Stadtausflüge. Wäh-
rend meines Semesters wurden Ausflüge nach Avignon, Arles, Nizza und Monaco angeboten. Die
Teilnehmerzahl ist in der Regel beschränkt.
Zudem finden sich immer Kontakte unter den ERASMUS-Studierenden, zumeist über die sozialen
Netzwerke. Wer nicht allein bleiben will, muss es auch nicht.

Weitere Hinweise

Bankkonto: Das internationale Büro der Universität hat teilweise Kooperationen mit Banken. Sie
organisieren einen Termin, teilweise gibt es ein Begrüßungsgeld. Jedoch muss das Konto in der
Regel ein Jahr laufen. Wer also kürzer bleibt, sollte hier dennoch ein Jahr nennen, denn das
Wohngeld wird nur auf französische Konten überwiesen. Wohngeld (CAF) kann in Frankreich
jeder beantragen, der zur Miete wohnt. Der Antrag kann einfach im Internet ausgefüllt werden,
Informationen erhält man zum Beispiel im Studentenwohnheim.

Kreditkarte: Ohne Kreditkarte kann man in Frankreich wenig machen. Das beginnt schon beim
Internet im Wohnheim.

Anrechnung der Kurse: Ich bin vor dem ERASMUS-Aufenthalt zum Prüfungsausschussvorsitzen-
den gegangen und habe mit ihm vereinbart, dass alle Kurse als freiwillige zusätzliche Leistungen
anerkannt werden. Da ich scheinfrei war, wurde eine tiefergehende Auseinandersetzung nicht
nötig.
Fazit:
Ich blicke auf eine sehr beeindruckende Auslandserfahrung zurück. An einem anderen Studienort
sich mit seinem Fach zu beschäftigen, bedeutet auch gleichzeitig einen anderen Standpunkt zu
erhalten. Dies gilt fachlich wie kulturell. Marseille hat in der Physik auf dem Campus Saint-Jérome
einen ganz klaren Fokus auf Plasmen. Dies ist unter anderem Cadarache geschuldet, dem großen
Forschungszentrum in der Nähe, das insbesondere für die Fusionsforschung bekannt ist. Kulturell
habe ich gesehen, dass es unterschiedliche Lebensansichten und -ansätze gibt. Zu nennen ist hier
sicherlich, dass in Frankreich Schäden an Autos nicht umgehend behoben werden. Sprachlich
konnte ich mich umfassend weiterentwickeln. Ich bin zufrieden, Marseille und Frankreich als das
Ziel meines Auslandsaufenthaltes gewählt zu haben.
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