Erfahrungsbericht Auslandssemester INSA Toulouse
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Erfahrungsbericht Auslandssemester INSA Toulouse Laura-Maria Dell FB 13, Umweltingenieurwissenschaften Wintersemester 2020/21
Im Wintersemester 2020/21 war ich als Austauschstudentin an der INSA Toulouse. An der TU Darmstadt habe ich zu der Zeit mit dem Master in Umweltingenieurwissenschaften begonnen, an der INSA war ich im 4. Jahr Bauingenieurwesen eingeschrieben. Ich hoffe, zukünftigen Erasmus- Studierenden mit meinem Bericht einen Einblick und vielleicht ein paar hilfreiche Tipps geben zu können. Vorbereitung Ich beginne mit dem nervigsten Teil: der großen Menge Papierkram, die es zu erledigen gibt. Die viele Bürokratie fand ich am Anfang sehr anstrengend und ich hatte manchmal das Gefühl, die erste Erasmus-Studierende zu sein, bei den zahlreichen „ungewöhnlichen“ Problemen, die aufgetreten sind. Aber lasst euch aber nicht abschrecken, irgendwann ist der größte Berg geschafft und ihr könnt euch entspannen. Zum Glück hat sich hinsichtlich Papierkram in Frankreich in letzter Zeit ein bisschen was getan, vieles geht online und manchmal auf Englisch und man braucht beispielsweise für die Beantragung von Wohngeld nicht mehr unbedingt ein französisches Bankkonto. Auch der Studierendenausweis kann mittlerweile nach einer Freischaltung in einem tisséo-office für 4€ als vergünstigte, aufladbare Fahrkarte verwendet werden. Allerdings gibt es immer noch vieles zu beachten und man fängt mit den Vorbereitungen am besten schon vor der Abreise an. Zum Beispiel solltet ihr euch frühzeitig um die Voreinschreibung an der INSA kümmern, die am Mitte Juli möglich sein sollte (falls die Seite funktioniert). Hierfür braucht man eine persönliche Hausrats- und Haftpflichtversicherung, die man über eine von der INSA empfohlene Seite abschließen kann. Allerdings decken wohl die meisten deutschen Versicherungen diese auch im Ausland ab – wenn ihr bei eurer Versicherung also frühzeitig eine Bestätigung auf Englisch oder Französisch anfragt, ist das eine günstigere Möglichkeit. Man sollte versuchen, die Voreinschreibung wirklich vor dem Semesterbeginn abzuschließen, da man erst dann eine studentische Mailadresse bekommt. Wohnen Da mein Auslandssemester in Zeiten von Corona stattfand, war es mir besonders wichtig, in einer WG zu wohnen und auch im Fall einer Ausgangssperre ein bisschen Gesellschaft zu haben. Allerdings erwies es sich als relativ schwierig, für Anfang September ein Zimmer zu finden. Ich habe zwar versucht, mich frühzeitig darum zu kümmern, aber da für die meisten Zimmer in Frankreich nur eine einmonatige Kündigungsfrist gilt, tauchen viele Zimmerangebote erst auf, wenn der Ansturm bereits groß ist. Meistens wird dann doch jemand für eine längere Zeit als ein knappes halbes Jahr gesucht. Ich habe mich letztendlich für ein Zimmer bei „Chez Nestor“ entschieden, auf deren Webseite man WG- Zimmer einfach buchen kann. Das Zimmer war zwar etwas teurer als der Durchschnitt, lag dafür aber sehr zentral in der Innenstadt und ich hatte Glück, super nette Mitbewohner*innen zu haben. Als Alternative gibt es auch Zimmer in den CROUS- Wohnheimen, die für Austauschstudierende sogar im Juli vorrangig angeboten wurden. Ich hatte mich bereits gegen ein Wohnheim entschieden, allerdings haben viele Studierende, die ich kennengelernt habe, dort gewohnt. Um Leute kennenzulernen, kann ein Zimmer im Wohnheim also auch cool sein. Preislich sind die Zimmer je nach Größe meist günstiger als WG-Zimmer und sie befinden sich direkt 2
auf dem Campus oder zumindest in nächster Nähe. Da der Campus recht außerhalb der Stadt liegt, kann dies ein Vor- oder Nachteil sein, je nachdem was man sich erhofft. Man kann in Frankreich Wohngeld (CAF) beantragen, das für Einzelzimmer höher ausfällt als für WG-Zimmer. Die Beantragung kann man online ausfüllen und bekommt dann per Post seine Zugangsdaten für eine Seite, auf der erfährt, ob man zum Beispiel noch Einkommensnachweise nachreichen muss. Die Zeit zwischen der Beantragung und der Ankunft des Briefs kann allerdings auch mal zwei Monate dauern, sodass man sich auch darum möglichst frühzeitig kümmern sollte. INSA Wegen meines Aufenthalts zu Corona-Zeiten habe ich die INSA wahrscheinlich anders kennengelernt, als es „normal“ ist. Besonders ist mir aufgefallen, dass der Fokus hier sehr auf der Qualität der Ausbildung der Studierenden liegt und man trotz schwieriger Umstände versucht, diese so gut wie möglich weiterzuführen. So wurde von Anfang an versucht, möglichst viele Kurse in Präsenz stattfinden zu lassen. Gleichzeitig wollte man während des Lockdowns verhindern, dass es Reiseprobleme für Studierende gibt, die die Zeit weit weg bei ihren Eltern verbracht haben. Es handelt sich eben nicht um eine große Uni, sondern um eine Ingenieurschule, in der die Professor*innen die Studierenden teilweise duzen und viele beim Namen kennen. Die meisten Ankündigungen der Lehrenden zu den Kursen kommen über Mailverteiler, fragt also am besten vor Kursbeginn nochmal nach, ob ihr auf die Verteiler eingetragen wurdet. Meine Ansprechpartnerin für die Kurse war Mme Papon, die sehr freundlich und hilfsbereit war und mir immer schnell auf Mails geantwortet hat. Die Wahl der Kurse lief dank ihr auch sehr unkompliziert ab, obwohl ich für einen anderen Studiengang eingeschrieben war als an der TU Darmstadt. Die Infos auf der Website sind zwar unvollständig, aber mir wurde später ein Infodokument mit einer ausführlichen und aktuellen Kursliste zugeschickt. Kurz vor Semesterbeginn wird dann auch der Stundenplan im Internet aktualisiert (www.planex.insa-toulouse.fr). Hier kann man sich zusätzlich informieren, ob zum Beispiel Kurse aus verschiedenen Studienjahren zeitlich zueinander passen. Ich habe letztendlich nur Kurse aus dem vierten Jahr Genie Civil belegt und mich auf ca. 18 ECTS beschränkt. Das Arbeitspensum für die Kurse ist meistens um einiges höher, als man es aus Deutschland gewöhnt ist. Cool ist, dass es einen Sportkurs („APS“) gibt, den die meisten Studierenden belegen. Normalerweise kann man sich eine Sportart aussuchen und sich hierfür gesondert anmelden (ich glaube hier: http://www.aps.insa-toulouse.fr/). Dabei sollte man die Anmeldefrist beachten (!), diese ist schon vor Semesterbeginn. Coronabedingt wurden bei uns die Sportarten den einzelnen „Klassen“ zugeteilt, was erst ein bisschen komisch, aber dann doch ganz lustig war. Ich konnte durch ein paar gemeinsame Karaté-Trainigs meine französischen Kommiliton*innen zumindest ein bisschen besser kennenlernen. Das war zu Beginn in den Vorlesungen doch eher schwierig, da es schon einige Grüppchen gab und ich bei dem schnell gesprochenen Französisch nicht wirklich mitreden konnte. Beim Sportkurs sollte man noch beachten, dass in Frankreich generell eine medizinische Bestätigung der Sportfähigkeit verlangt wird. Diese kann man sich einfach vorab beim Hausarzt in Deutschland abholen. Wenn man seine französischen Medizin-Vokabeln testen will, geht das aber auch einigermaßen problemlos bei einem Arzt in Toulouse. Generell habe ich erfahren, dass es für viele Dinge enorm hilfreich ist, einigermaßen Französisch zu können, auch wenn die meisten Studierenden und Professor*innen eigentlich gut Englisch sprechen. Zum Beispiel ist aber die englische Version der INSA-Website unvollständig und viele Infos gibt es einfach nur auf Französisch. Als Organisation für Austauschstudierende gibt es an der INSA normalerweise das „BEE“, das verschiedene Aktivitäten und ein Buddy-Programm anbietet. Der Vorstand des BEE wurde allerdings gerade neu gewählt als ich ankam, sodass ich erstmal gar nichts von Veranstaltungen gehört habe. Erst recht spät im Semester kam dann eine Rundmail. Ich hoffe, dass hier zukünftig wieder mehr angeboten wird, so eine Anfangsveranstaltung ist doch bestimmt ganz hilfreich. Das Buddy- 3
Programm wurde später angeboten und muss zu „normalen“ Zeiten auch sehr gut sein, bei mir war es wohl coronabedingt nicht sehr erfolgreich. Eine weitere Kennenlern-Möglichkeit wurde mir und den beiden anderen deutschen Austauschstudierenden an der INSA recht überraschend angeboten, als die Deutschlehrerin der INSA uns zu ihrem Sprachkurs einlud. Uns wurde eine Tandempartnerschaft angeboten, wir konnten uns an ein paar Deutschkursen beteiligen und (zumindest online) zusammen Plätzchen backen. In Toulouse gibt es außerdem eine ESN-Gruppe, die viele Treffen anbietet. Hier waren immer viele Leute aus aller Welt da, die für verschiedenste Tätigkeiten nach Toulouse gekommen sind und unter denen man schnell Freunde finden konnte. Die Gruppe und die angebotenen Aktivitäten findet man gut auf Facebook. Toulouse und Umgebung Allein, um eine Zeit in der wunderschönen „ville rose“ und ihrer Umgebung zu verbringen, lohnt sich ein Auslandssemester in Toulouse. Ich habe mir gleich zu Beginn ein Fahrrad über www.leboncoin.fr gekauft und vor allem damit die Stadt erkundet. Zum Fahrradfahren sind die Wege entlang der zahlreichen Kanäle und der Garonne optimal. Auch zur INSA kommt man von der Stadt aus sehr gut entlang des Canal du Midi. Generell ist die Stadt zumindest außerhalb der großen Hauptverkehrsstraßen sehr fahrrad- freundlich. Als Ausflugsziel lohnt sich ich ein Picknick bei Sonnenuntergang auf dem Pech David im Süden der Stadt. Auch die Parks, besonders der Jardin des Plantes und der Jardin Japonais, sind einen Ausflug wert. Man kann aber auch einfach durch die kleinen Gassen der Altstadt schlendern und die schönen Backsteinhäuser bewundern. Abends bietet sich das Ufer der Garonne (la Daurade oder Place St. Pierre) als Treffpunkt an, hier ist immer was los. Während des Lockdowns war mein Lieblingsausflug der sonntägliche Marktbesuch bei der Kirche Saint-Aubin. Viele kulturelle Aktivitäten sind für Studierende in Frankreich generell vergünstigt, zusätzlich sind in Toulouse jeden ersten Sonntag im Monat die meisten Museen kostenlos. Ich war nur im Naturkundemuseum am Jardin des Plantes, das ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Mitte Oktober gibt es außerdem das Fest „Toulouse les orgues“, bei dem über zwei Wochen Orgelkonzerte in verschiedenen Kirchen stattfinden. Auch wenn ich zuerst eher skeptisch war, hat mich spontaner Konzertbesuch doch sehr begeistert und kann es nur empfehlen. Was Restaurants und Bars angeht, gibt es in Toulouse eine sehr große Auswahl. Die meisten Restaurants sind allerdings oft schon früh komplett voll, sodass man besonders mit größeren 4
Gruppen immer vorher reservieren sollte. Auch wenn es kein französisches Restaurant ist, kann ich die kleine, schnuckelige Pizzeria „Pizze e Basta Cosi“ in der Nähe der Metro François Verdier empfehlen. Toulouse liegt sowohl vom Mittelmeer und dem Atlantik als auch von den Pyrenäen nicht weit entfernt, sodass es viele lohnende Reisemöglichkeiten gibt. Ich fand besonders die Mittelmeerküste südlich von Perpignan in Richtung spanische Grenze sehr schön. Hier gibt es einen Wanderweg direkt an den Klippen und einige schöne Städtchen. Man kann gut in eine Richtung wandern und mit dem Zug wieder zur Ausgangsposition zurückfahren. Ein Ausflug zum Skifahren in den Pyrenäen geht zu normalen Zeiten sehr gut, für eine Winterwanderung lohnt sich die Fahrt dorthin allerdings auch. Fazit Trotz der schwierigen Situation bereue ich es nicht, mich für das Semester in Toulouse entschieden zu haben. Besonders in den ersten zwei Monaten ohne Lockdown hatte ich eine super schöne Zeit und habe einen kleinen Einblick erhalten, wie so ein Auslandssemester außerhalb von Coronazeiten aussehen kann. Wenn ihr also ein „richtiges“ Auslandssemester in Toulouse verbringen könnt, nutzt die Chance, es lohnt sich. :) 5
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