Einflüsse von Covid-19 bedingtem Distancelearning auf die Mathematikleistungen - Robert Schütky KPH Graz

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Einflüsse von Covid-19 bedingtem Distancelearning auf die Mathematikleistungen - Robert Schütky KPH Graz
Einflüsse von Covid-19 bedingtem
Distancelearning auf die Mathematikleistungen

Robert Schütky
KPH Graz
robert.schuetky@kphgraz.at

                             Robert Schütky
Agenda

 §   Corona an Schulen – vom 1. Fall bis zum neuerlichen Distance-Learning

 §   Distance Learning während der Corona-Zeit

 §   Forschungsfragen

 §   Forschungsdesign und Testinstrumente

 §   Ergebnisse

 §   Diskussion & Take Aways
                                    Robert Schütky
Das Schuljahr 2019/20
  26. Februar 2020:
  Am Gymnasium Albertgasse in Wien-Josefstadt wird der erste
  Coronavirus-Verdachtsfall an einer Schule bekannt, die Schule
  wird samt der umliegenden Straßenzüge stundenlang gesperrt.
  Der Corona-Test verläuft aber negativ. Gesundheitsminister
  Rudolf Anschober (Grüne) schließt zu diesem Zeitpunkt eine
  prophylaktische Sperre von Schulen oder Kindergärten aus.

                            Robert Schütky
Das Schuljahr 2019/20
  28. Februar 2020:
  In Niederösterreich wird der erste tatsächlich bestätigte Corona-
  Fall an einer Schule bekannt.

                              Robert Schütky
Das Schuljahr 2019/20
  10. März 2020:
  Ausflüge, Reisen und Schulveranstaltungen sollen bis auf
  Weiteres ausgesetzt werden.

                             Robert Schütky
Das Schuljahr 2019/20
  16. März 2020:
  An den Schulen wird der Präsenzunterricht eingestellt,
  Kindergärten schließen ebenfalls. Nur bei dringendem Bedarf
  gibt es für die Unter-14-Jährigen Betreuungsangebote, die aber
  nur von den wenigsten genutzt werden. Zunächst sollen die
  Schüler*innen daheim über digitalen Fernunterricht oder mit
  kopierten Lernpaketen nur schon bekannten Stoff vertiefen, ab
  Woche drei sollen die Schüler*innen auch neuen Stoff selbst
  erarbeiten.

                             Robert Schütky
Das Schuljahr 2019/20
  4. Mai 2020:
  Schüler*innen in den Maturaklassen bzw. den Abschlussklassen
  von Berufsschulen und berufsbildenden mittleren Schulen
  kehren wieder in ihre Klassen zurück, um das letzte Schuljahr
  abzuschließen bzw. sich auf die Reifeprüfung bzw. andere
  abschließende Prüfungen vorzubereiten.

                            Robert Schütky
Das Schuljahr 2019/20
  15. Mai 2020:
  Neun Wochen nach der Schulschließungen kehren auch die
  700.000 Schüler*innen an Volks-, Mittel- und Sonderschulen
  sowie AHS-Unterstufen in ihre Klassen zurück. Die Klassen
  werden geteilt und abwechselnd im Schichtbetrieb unterrichtet,
  es gibt keine Schularbeiten mehr und Tests nur in
  Ausnahmefällen.     Darüber     hinaus     gelten     strenge
  Hygienemaßnahmen und Maskenpflicht abseits des Sitzplatzes.

                             Robert Schütky
Das Schuljahr 2019/20
  25. Mai 2020:
  Drei Wochen später als vorgesehen startet die Matura im
  Corona-Jahr. Schriftliche Klausuren gibt es nur in drei Fächern,
  wobei das Abschlusszeugnis der letzten Klasse in die Note
  einfließt. Die mündliche Matura entfällt.

                             Robert Schütky
Das Schuljahr 2019/20
  3. Juni 2020:
  Auch für die rund 300.000 Schüler*innen an den
  Polytechnischen Schulen, Berufsschulen, AHS-Oberstufen und
  berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS)
  beginnt wieder der Präsenzunterricht. Mit der Rückkehr aus
  den Pfingstferien fällt außerdem an den Schulen die
  Maskenpflicht, der bis dahin untersagte Turnunterricht darf
  zumindest nachmittags stattfinden und Singen ist im Unterricht
  wieder erlaubt.

                             Robert Schütky
Das Schuljahr 2019/20
  1. Juli 2020:
  Wegen eines Corona-Clusters in Zusammenhang mit der "Freien
  Christengemeinde" in Linz werden in fünf oberösterreichischen
  Bezirken Schulen und Kindergärten von der Landesregierung
  für eine Woche geschlossen. Bildungsminister Heinz Faßmann
  (ÖVP) kritisiert die großflächigen Schließungen.

                             Robert Schütky
Das Schuljahr 2019/20
  17. August 2020:
  Bildungsminister Heinz Faßmann kündigt einen "normalen
  Regelbetrieb" bei Einhaltung der klassischen Hygiene- und
  Abstandsregeln im Herbst an und legt seinen Plan vor, welche
  Sicherheitsmaßnahmen an den Schulen bei den verschiedenen
  Farben der Corona-Ampel gelten sollen, die von der Corona-
  Kommission für jeden Bezirk wöchentlich neu geschalten wird.
  Fernunterricht sieht der Plan erst bei roter Ampel vor, ab Orange
  sollen Oberstufenklassen ins Distance Learning geschickt
  werden. Ab Ampelfarbe Gelb soll außerhalb der Klasse
  Maskenpflicht gelten, außerdem gibt es Einschränkungen bei
  Sport und Singen.
                              Robert Schütky
Das Schuljahr 2019/20
  7. September 2020:
  Nachdem die Corona-Ampel in der Bundeshauptstadt gelb
  leuchtet, starten Wiener Schüler mit Maskenpflicht ins neue
  Schuljahr, ihre Kolleg*innen in Niederösterreich und dem
  Burgenland ohne.

                           Robert Schütky
Robert Schütky
Distance Learning I (Huber et al., 2o2o)

 § Knapp die Hälfte der Schüler*innen denkt, dass sie im Distance-

    Learning während der Schulschließungen nicht mehr gelernt haben

    als im normalen Präsenzunterricht.

 § Fast genauso viele sind der Meinung, dass Distance-Learning nach

    den Schulöffnungen nicht mehr stattfinden sollte.
                               Robert Schütky
Distance Learning I (Huber et al., 2o2o)

 §   Umgekehrt empfindet knapp ein Viertel der befragten Schüler*innen den Lernzuwachs

     im Distance-Learning als Steigerung im Vergleich zum herkömmlichen Unterricht.

 §   Diese geben an, im Distance-Learning eher nach ihrem individuellen Lerntempo

     arbeiten zu können, eine ungestörte Lernatmosphäre und eine Steigerung der

     intrinsischen Motivation, ausgelöst durch selbstgesteuertes Lernen, zu verspüren, mehr

     Unterrichtsstoff bearbeiten zu können, und sich ihre Zeit besser einteilen zu können.

                                        Robert Schütky
Distance Learning I (Huber et al., 2o2o)
 Herausforderungen, denen sich Schulleitungen, Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern

 während des Distance-Learning zu stellen hatten, bestanden vor allem in :

      §   fehlender Hard- und Software

      §   einer oftmals instabilen Internetverbindung

      §   überlasteten Servern

      §   den unzureichenden digitalen Vorkenntnissen

      §   der Kurzfristigkeit der Situation

      §   und der „Überflutung“ des Online-Angebots
                                     Robert Schütky
Distance Learning II (Wößmann et al., 2020)

 § Die Lernaktivitäten von Schüler*innen mit zumindest einem

    Elternteil, der einen (Fach-) Hochschulabschluss besitzt,

    unterscheidet sich nicht gravierend von denjenigen Schüler*innen,

    deren Eltern keinen dementsprechenden Schulabschluss besitzen.

                                Robert Schütky
Distance Learning II (Wößmann et al., 2020)

 § Nachteilige Auswirkungen hatten die Schulschließungen auf

    ohnehin schon leistungsschwache Schüler*innen.

 § Sie scheiterten vor allem an der selbstständigen Erarbeitung von

    Lerninhalten und verbrachten in der Folge noch mehr Zeit mit

    passiven Tätigkeiten, aber weniger Zeit mit schulischen Aktivitäten.
                               Robert Schütky
Distance Learning III (Fickermann & Edelstein, 2020)
 §   Auch die Eltern kamen und kommen mit dieser neuen Situation unterschiedlich

     zurecht. „Neben der Frage der Technikausstattung werden die Handlungsoptionen der

     Eltern auch durch deren Möglichkeit, individuelle Ressourcen zu nutzen, bestimmt.“

 §   Außerdem kann es zur Belastung der Eltern werden, didaktisches und fachliches

     Wissen für das Betreuen ihrer Kinder bereitzustellen und gleichzeitig etwaigen

     beruflichen Aufgaben, z. B. dem Homeoffice, nachzugehen.

                                       Robert Schütky
Distance Learning III (Fickermann & Edelstein, 2020)
 §   Ein derartiges Beanspruchungserleben kann in der Folge zu psychologischen

     Reaktionen, wie zur Angst, dass das Kind einen schulischen Nachteil erleiden könnte,

     führen.

 §   Ein erhöhtes Stressempfinden kann aber auch die Resilienz steigern und motivierend

     wirken.

 §   So können Eltern auch Freude daran entwickeln, mit ihren Kindern Lernprozesse zu

     gestalten, wenn sie eigene entsprechende Ressourcen zur Verfügung stellen können.
                                       Robert Schütky
Distance Learning III (Fickermann & Edelstein, 2020)
 In der Primarstufe wurde das Distance-Learning meist anders gestaltet als in höheren

 Schulstufen:

 §   Zumeist kommunizierten Lehrpersonen bezüglich des Lernstoffes mit den Eltern ihrer

     Schüler*innen über E-Mail und/oder sie gaben Lernpakete in Printform am letzten

     Schultag mit nach Hause, die nach einer bestimmten Zeit wieder in die Schule gebracht

     wurden.

 §   Nur sehr wenige stellten ihren Schüler*innen die Aufgaben über Lernplattformen zur

     Verfügung.                          Robert Schütky
Distance Learning III (Fickermann & Edelstein, 2020)

 § Aufgaben erhielten die Schüler*innen vor allem in den Fächer Deutsch,

    Mathematik und Sachunterricht.

 § Weniger oft gab es Aufträge für Englisch, Musik und Bildnerische

    Erziehung.

 § Mit allen Aufgaben eines Tages verbrachte der Großteil der

    Schüler*innen ca. zwei Stunden pro Tag für schulische Lernzwecke.
                                Robert Schütky
Forschungsfragen
 § Unterscheidet sich die Durchschnittsleistung in Mathematik von
   Kindern der Primarstufe nach dem Corona-bedingten Distance-
   Learning im Sommersemester 2020 von der früherer Jahrgänge
   (Normen standardisierter Tests)?

 § Kommt es zu einer Veränderung der Leistungsbandbreite?

 § Welchen Einfluss haben das Geschlecht, das mathematische
   Selbstkonzept, sozialer/ökonomischer Hintergrund und die
   Muttersprache (Migrationshintergrund) auf die Leistung?

                              Robert Schütky
Forschungsdesign
 Kohorte:              Kinder der 1. - 5. Schulstufe

 Stichprobengröße:     2.500 Kinder

 Erhebungszeitpunkt:   Herbst 2020

 Testinstrumente:      Eggenberger Rechentest (ERT 0+ bis ERT 4+)
                       Größen und Einheiten Test (GET 0+ bis GET 4+)

                            Robert Schütky
Größen und Einheiten Test (GET)

 § Testinstrumentarium für die 1. – 9. Schulstufe

 § 26 – 33 Items

 § 5 – 6 Skalen (Länge, Masse, Zeit, Geld, Fläche, Raum)

 § Durchführungsdauer 25 – 50 Minuten

 § Testkennwerte: Cronbachs-Alpha-Werte zwischen α = 0,84 bis 0,93
                               Robert Schütky
Fähigkeit/Fertigkeit (GET)
 •   Vergleichen
 •   Klassifizieren
 •   Ordnen
 •   Größenvorstellungen im Alltag
 •   willkürlich gewählte Maßeinheiten zum Messen
 •   Messen
 •   Anwendung in Sachaufgaben
 •   Modellvorstellungen
 •   einfache Umrechnungen
 •   Maßreihen
 •   Schätzen
 •   Wählen sach- und situationsgerechter Maßeinheiten
 •   Umrechnen

                                        Robert Schütky
Beispielitems GET (Größenvorstellung)

                    Robert Schütky
Beispielitems GET (Messen)

                   Robert Schütky
Beispielitems GET (Modellvorstellung)

                    Robert Schütky
Beispielitems GET (Umrechnen)

                   Robert Schütky
Beispielitems GET (Modellvorstellungen)

                    Robert Schütky
Eggenberger Rechentest (ERT)

 § Testinstrumentarium für die 1. – 9. Schulstufe

 § 4 – 5 Skalen (kognitive Grundfähigkeiten, mathematische

    Ordnungsstrukturen, algebraische Strukturen, angewandte Mathematik)

 § Durchführungsdauer max. 2 Schulstunden

 § Testkennwerte: Cronbachs-Alpha-Werte um α = 0,96
                                 Robert Schütky
Fähigkeit/Fertigkeit (ERT)
 § kognitive Grundfähigkeiten
     §   Raum-Lage-Orientierung
     §   Kopfrechnen
     §   Vergleichen, Klassifizieren
     §   ordinales Zahlenverständnis
     §   Mengenoperationen
 § mathematische Ordnungsstrukturen
     §   Zahlenraumorientierung (Einer, Zehner)
 § algebraische Strukturen
     §   Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division
 § angewandte Mathematik
     §   Textaufgaben
                                    Robert Schütky
Ergebnisse
                                                           0,59

                          0,6

                          0,5                                            0,35
Betrag der Effektstärke

                                           0,29
                          0,4                                                               0,26
                                                     0,3                                            0,22
                          0,3
                                                                  0,17
                          0,2
                                                                                                               Größen
                          0,1
                                                                                                           Mathematische Leistung
                           0
                                 1. Schulstufe 2. Schulstufe 3. Schulstufe 4. Schulstufe 5. Schulstufe
                                                                                Robert Schütky
Verteilung Gesamtwert mathematische Leistung 2. Schulstufe
                  40

                  35

                  30

                  25
Häufigkeit in %

                  20

                  15

                  10

                   5

                   0
                       26-30   31-35   36-40    41-45   46-50   51-55 56-60   61-65   66-70   71-75
                                                                Punkte

                                               Corona-Stichprobe
                                                       Robert Schütky    Norm
Spitzengruppe halbiert
                  40

                  35

                  30

                  25
Häufigkeit in %

                  20

                  15

                  10

                   5

                   0
                       26-30   31-35   36-40   41-45   46-50   51-55 56-60   61-65   66-70   71-75
                                                               Punkte

                                                 Stichprobe
                                                      Robert Schütky Norm
Risikogruppe +44%
                  40

                  35

                  30

                  25
Häufigkeit in %

                  20

                  15

                  10

                   5

                   0
                       26-30   31-35   36-40   41-45   46-50   51-55 56-60   61-65   66-70   71-75
                                                               Punkte

                                                 Stichprobe
                                                      Robert Schütky Norm
Gr                 Betrag der Effektstärke
             un

                                     0
                                                  0,2
                                                                                     0,4
                                                                                                       0,6
                df
                  äh
                       igk
      Or                  ei
         dn                 te
             un                n
                 gs
                    st
 Al                   ru
    ge                   kt
       br                   ur
          ais                  en
             ch
                                                                                                                           2. Schulstufe

                 e
                                                                                                                        0,44

An                 St
   ge                 ru
      w                  kt
        an                  ur
           dt                  en
               e
                 M
                                                                               0,27
                                                                                                                 0,29

 M                  at
                       he
   at
     he                    m
         m                    at
                                                                                                       0,21

            at                  ik
              i sc
                                                                   0,17
                                                                                                          0,16

                  he
                       Le
                          ist
                             un
                                                                                                       0,22

                                 g
                                                                                                                                0,55

                                                                                                  0,17
                                                                                                                         0,47

                                     Geschlecht
                                                                                             Sprache

                                                                             Selbstkonzept

                                                  Sozioökonomischer Status
Größen                             0,85
                                                                                           0,88

                                                   0,68

                                                                           0,55
                          0,9                                                      0,475
                          0,8
                          0,7                                    0,28
Betrag der Effektstärke

                          0,6
                          0,5                            0,29       0,290,19
                                        0,36                                        0,37
                          0,4                                    0,34                                Sprache
                                           0,17
                          0,3    0,24                                      0,22                   Selbstkonzept
                          0,2
                                                                                              Sozioökonomischer Status
                          0,1
                                                                                           Geschlecht
                           0
                                Länge   Zeit      Geld          Masse    Raum     Gesamt
Verteilung Gesamtwert mathematische Leistung 5. Schulstufe
                  40

                  35

                  30

                  25
Häufigkeit in %

                  20

                  15

                  10

                   5

                   0
                        0-10   11-20   21-30   31-40     41-50       51-60   61-70   71-80   81-90
                                                         Punkte
                                                   Robert Schütky Norm
                                               Stichprobe
Take Aways
 §   Vor allem die Jüngsten im Schulsystem, die noch nicht sozial und strukturell
     verankert waren, trifft der Lockdown besonders hart.
 §   Leistungsschwache Kinder werden weiter abgehängt - die Leistungsschere
     vergrößert sich.
 §   Mit neuen Lockdowns im Schuljahr 2020/21 und damit einhergehender
     Distanzlehre erleidet möglicherweise ein weiterer Jahrgang von
     Schulanfänger*innen einen erschwerten Schulstart.
 §   Zugleich hat der Vorgängerjahrgang wenig Möglichkeiten, die vorhandenen
     Defizite aufzuholen.
 §   Im Umkehrschluss erkennt man aber auch, welchen wichtigen Beitrag
     Pädagog*innen in der (Präsenz-) Schule liefern, um Chancengleichheit für alle
     zu ermöglichen.
 §   Der geringere negative Einfluss durch Distanzlehre in höheren Schulstufen
     spricht dafür, dass auch Fernlehre effektiv sein kann, sobald die Schüler*innen
     zumindest strukturell besser im Schulsystem verankert sind.
                                     Robert Schütky
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