Prinzessin oder Aschenputtel
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ANNA ULRICH PRESSE & ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Schlosspark Rahe, Schloss-Rahe-Str. 15, 52072 Aachen Tel. 0241 – 9367 1885 Fax. 0241 – 9367 1898 claudia-rolfes@anna-ulrich-pr.de Wir freuen uns über eine Veröffentlichung des Artikels von der Autorin Margit Kronenberghs Prinzessin oder Aschenputtel Ein Trauma im Leben ist nicht immer das, was es nach außen scheint. Neutral betrachtet sind die auslösenden Situationen manches Mal banal, oberflächlich und nicht der Rede und Beachtung wert. Doch der Film, der im Inneren des Menschen bei dem Erleben abläuft kann im wahrsten Sinne des Wortes „umwerfende“ Auswirkungen haben. Diese nicht integrierten Erlebnisse können einen Menschen so „umwerfen“, dass sie die bisherige Bahn ihres Lebens verlassen. Ich würde diese Thematik sehr gerne am Fall einer mir sehr vertrauten Klientin, mit der ich in Coaching-Sitzungen gearbeitet habe, schildern: Meine Kundin hatte nicht die geringste Erinnerung an ihre Kindheit bis auf eine einzige Situation – eine vermeintlich sehr banale Situation und hätte man ihre Mutter befragt, die eine sehr entscheidende Rolle in dieser Situation übernahm, hätte diese sie ebenfalls mit gutem Gefühl und alles als rechtens und gut und abwinkend als „nicht wichtig“ eingestuft. Nicht wichtig deshalb, weil niemand Schaden nahm im Außen und weil es eine alltägliche Situation war, die Kinder immer wieder erleben. Und, weil niemand miterlebt hat, was sich in der inneren Welt meiner Kundin abspielte. Meine Kundin, ich nenne sie Theresa, war ein Mädchen aus einem sehr einfachen Elternhaus. Wenig Geld und wenig Zeit prägten den Alltag, alles war noch einfacher als durchschnittlich. Geborgenheit gab es nicht wirklich, aber auch keine Dramen. Im außen betrachtet waren weder Theresa noch ihre Familie irgendetwas Besonderes. Doch tief in sich fühlte Theresa sich als etwas Besonderes. Nicht besser als die anderen, nicht schlechter als die anderen, es war wohl ihre Einzigartigkeit, die sie gespürt hat, nicht weil sie einzigartiger war als die anderen, sondern weil jeder Mensch einzigartig ist. Weil jeder Mensch etwas ganz Besonderes ist. Und weil jeder Mensch das tiefe innere Bedürfnis in sich trägt, sich und 1
ANNA ULRICH PRESSE & ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Schlosspark Rahe, Schloss-Rahe-Str. 15, 52072 Aachen Tel. 0241 – 9367 1885 Fax. 0241 – 9367 1898 claudia-rolfes@anna-ulrich-pr.de seine Einzigartigkeit zu entfalten und zu leben. Und weil jeder Mensch tief in sich trägt, dass dies gewürdigt und wertgeschätzt wird. In ihren Kinderworten hätte sie das, was sie spürte, seinerzeit mit den Worten benannt: „Ich bin eine Prinzessin. Wieso bemerkt dies eigentlich niemand?“ Theresa wuchs auf dem Land auf, in einem kleinen Dorf und man musste in die Stadt fahren, um sich Kleidung zu kaufen. In dem Dorf gab es zwei kleine Mädchen, Zwillingsschwestern, die hatten ein großes schönes Haus, liebevolle Eltern, immer wenn Theresa eine von beiden besuchte, sie war ihre Freundin, dann roch es nach leckeren Sachen in dem Haus, die Möbel waren schön und hell, die Räume waren groß, die Mutter hatte Zeit und viel, viel Liebe. Der Vater war, nun – heute würde Theresa es so benennen – gütig. Damals empfand sie es als Geborgenheit. Es war eine Welt, wie Theresa sie nicht kannte. Alles schien „in Ordnung“ zu sein. Auch wenn wir noch so klein oder jung sind, wir spüren und fühlen es, wenn etwas in Ordnung ist. Bei Theresa war irgendwie nicht alles in Ordnung – auch das spürte sie. Ihr innerer Drang war groß, ein Leben zu leben, das „in Ordnung“ war. Doch wie hätte sie dies als Kind greifen und definieren können. Sie tat es, wie ein Kind es tun kann: Die Eltern der beiden Zwillingsmädchen fuhren mit ihren Töchtern in die Stadt und kauften beiden für den Winter neue Jacken. Voller Stolz führten die Mädchen die Jacken in der Schule vor, sie waren genau wie Theresa in der ersten Klasse. Eine Jacke war rosa, die andere war hellblau, so wie die Mädchen es gewählt hatten und beide Jacken waren weich, wunderschön und sie hatten einen kleinen weißen Pelz am Rand der Kapuze, ein Pelz, dessen weiße Spitze in das Gesicht ragte, wenn sie die Kapuzen über den Kopf legten und dann sahen die Mädchen nicht nur aus wie Prinzessinnen, sie sahen dann sogar aus wie Eisprinzessinnen. So wollte Theresa auch aussehen, das war ihr inneres Bild von „ich bin auch etwas ganz besonderes, meine Welt ist in Ordnung, es geht mir gut, und alles wird gut in mir und meinem Leben.“ Und dann gab es da noch ein anderes Mädchen in ihrer Klasse. Ich nenne sie Isolde. Isolde war nicht schön, zumindest empfand Theresa das so. Heute würde sie es so benennen, sie war hart, karg, unweiblich, gehörte zu einer nicht anerkannten und wertgeschätzten Familie. Niemand wollte so sein wie Isolde. Schon gar nicht als kleines Mädchen. Und auch Isolde bekam von ihren Eltern eine neue Winterjacke. Heute würde Theresa sie beschreiben mit den Worten: sportlich, praktisch, vielseitig verwendbar und gut nutzbar für 2
ANNA ULRICH PRESSE & ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Schlosspark Rahe, Schloss-Rahe-Str. 15, 52072 Aachen Tel. 0241 – 9367 1885 Fax. 0241 – 9367 1898 claudia-rolfes@anna-ulrich-pr.de alle Tage. Damals waren diese Jacke und Isolde eine Einheit. Diese Jacke war für Theresa der Inbegriff von hart, karg, unweiblich, nicht anerkannt und nicht wertgeschätzt, nicht dazu gehörend und in Kinderworten beschrieben: „Eine Prinzessin würde niemals eine solche Jacke tragen!“ Theresa träumte ihren Traum, eine Prinzessin zu sein und eine wunderschöne rosa oder hellblaue Winterjacke zu besitzen, eingehüllt in die weißen Spitzen des Webpelzes an der Kapuze, so wollte sie sein, genau so. Und sie sagte es Isolde sogar ins Gesicht. Sie sagte ihr: „So eine Jacke bekomme ich nicht, ich bekomme eine Prinzessinnen-Jacke“, denn sie wusste, dass ihre Mutter mit ihr in die Stadt fahren würde, um ein neue Winterjacke zu kaufen. Ich würde diesen Artikel über Theresa nicht schreiben, hätte Theresa die Prinzessinnen-Jacke bekommen, denn dann würde die Geschichte hier enden. Die Geschichte setzte sich jedoch fort und zwar bis zu dem Tag, als Theresa mir in einer Coaching-Sitzung erzählte, dass sie sich an nichts erinnert aus ihrer Kindheit, außer an diese eine Begebenheit. Sie erinnerte sich daran, weil dieses Erlebnis noch immer in ihr lebte. Denn, die Mutter von Theresa hat ihr keine rosa Jacke gekauft und auch keine blaue und mit Pelz schon gar nicht, „die seien viel zu empfindlich“, war ihr aus realer Sicht gutes Argument. Theresa bekam durch die Entscheidung ihrer Mutter GENAU die gleiche Jacke, die Isolde hatte. Im Außen, eine praktische, gute, alltagstaugliche Jacke. Im Innen für Theresa das Ende ihres Traumes, ihrer tiefen inneren Sehnsucht, etwas Besonderes zu sein. Hart, karg, unweiblich, nicht anerkannt und nicht wertgeschätzt, nicht dazu gehörend – das war das innere Bild, das Theresa mit dieser Jacke verbunden hat – in Kinderworten „keine Prinzessin sein“, im Innen übersetzt mit „meine Welt ist nicht Ordnung“. Das war es, was tief in ihr geschah. Sie wurde eingereiht in die Welt der Menschen, die „nicht dazugehören“, die nicht geschmeidig und schön sind, die nicht wertgeschätzt sind, die karg und hart durch ihr Leben gehen. Und dieses Bild lebte in ihr fort, bis zu dem Tag, als wir es uns in der Coaching-Sitzung genauer angeschaut haben. Zunächst wollte sie sich nicht darauf einlassen, weil sie glaubte, sie hätte das längst integriert. Doch die Sitzung brachte Erstaunliches ans Tagelicht: Zunächst tat sie das, was sie schon häufiger in ihrer Vorstellung getan hatte, sie versuchte sehr angespannt, immer und immer wieder die Situation zu verändern und sich 3
ANNA ULRICH PRESSE & ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Schlosspark Rahe, Schloss-Rahe-Str. 15, 52072 Aachen Tel. 0241 – 9367 1885 Fax. 0241 – 9367 1898 claudia-rolfes@anna-ulrich-pr.de vorzustellen, dass ihre Mutter ihr doch diese schöne blaue oder rosa Jacke gekauft hätte. Es funktionierte nicht, irgendwie hatte sie selbst bei den intensivsten Versuchen nicht die Chance an dieses Bild heranzukommen, sich selbst in dieser anderen Jacke zu sehen. Die Mutter war in dieser Zeit ihre Bezugsperson und sie, Theresa, hatte damals nicht die Wahl, welche der Jacken ausgewählt wurde. Wenn sie in diese alte Situation hineingeht, verbindet sie dies noch immer mit ihrer Rolle als Opfer der Situation – sie hat keine Wahl. Heute aber ist Theresa erwachsen und sie kann neu wählen. Ich erklärte ihr, dass alles, was wir im Leben im Außen anziehen, kein Zufall ist und auch keine Strafe, sondern irgendwie zu unseren inneren Programmierungen passt. Und ich erklärte ihr, dass wir mit Veränderungen im Leben immer nur genau dort starten können, wo wir stehen im Leben. Entweder reisen wir hierfür zurück in die Zeit, in der wir es erlebt haben – dies hat im Fall von Theresa nicht funktioniert - oder wir holen das damalige Ereignis, das uns geprägt hat, in die Jetzt-Zeit und machen hier von einem neuen selbstbestimmten Entscheidungsrecht Gebrauch und entkoppeln eine genau genommen zufällig entstandene Kopplung von Situation und daraus entstandenen Schlussfolgerungen. Genau genommen leben wir das Ergebnis dieses Ereignisses ja noch immer in der Jetzt-Zeit. Im Falle von Theresa, der Fall der Wunsch-Prinzessin in die harte, karge Welt des „ich gehöre nicht dazu“. Und so bat ich sie, die Augen zu schließen und sich vorzustellen, dass sie genau jetzt in diesem Alter, das sie bei der Coaching-Sitzung hatte, in dieser Situation in ihrem Leben, da wo sie jetzt ist, steht und lebt, die rosa Jacke anziehen solle oder die blaue. Sie musste schallend lachen. Dieses Lachen hat nicht nur die Situation von einst auf einer tiefen Ebene entspannt, sondern sie hat auch erkannt, dass sie sich zwar eine Welt, die in Ordnung ist, wünscht, dass sie aber nicht „der rosa-Jacke-Prinzessinnen-Typ“ ist und sich damit auch überhaupt nicht wohl fühlt. Danach bat ich sie, die andere, ihr so verhasste Winterjacke, jetzt – im Erwachsenenleben in ihrer Vorstellung anzuziehen. Sie tat es und fühlte sich zunächst sehr unwohl. Ich bat sie dann sich vorzustellen, dass sie eine Prinzessin sei – im Erwachsenenalter sicher mit anderen Bildern behaftet als in der Kindheit. Sie sollte sich vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn ihre Welt in Ordnung ist, wenn alles gut ist, wenn sie sich mit sich selbst und ihrem Körper wohlfühlt. Und über den Weg dieser Bilder streifte sie dann noch einmal besagte in Kindertagen verhasste Winterjacke über. Und es geschah etwas sehr Spannendes. Ihr Gesicht entspannte sich, sie fühlte sich sichtlich wohl in dieser Jacke. Sie peppte sie ein wenig auf, stellte den Kragen hoch, sie fand die vielen Taschen daran praktisch, sie passte zu den sportlichen Jeans, die sie trug – und sie stellte fest, dass genau diese Jacke eigentlich viel besser zu ihr, ihrem Lebensstil und ihrem gesamten Sein passte. 4
ANNA ULRICH PRESSE & ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Schlosspark Rahe, Schloss-Rahe-Str. 15, 52072 Aachen Tel. 0241 – 9367 1885 Fax. 0241 – 9367 1898 claudia-rolfes@anna-ulrich-pr.de Es war schon ihre und die richtige Jacke für sie – damals und heute. Nur trug sie damals das Bild in sich, nur mit äußeren Dingen zeigen zu können, dass sie etwas ganz Besonderes ist. Durch diese kleine Übung erkannte sie, dass SIE etwas ganz Besonderes ist und, dass alles, was sie als Utensilien in ihrer Lebensgestaltung in ihrem Alltag nutzt, sich dem anpassen kann an das, was SIE IST und, dass NICHT DIE DINGE sie zu dem machen was sie ist. In ihrer Jugendzeit, so fiel es Theresa dann ein, als sie selbst entscheiden konnte, welche Kleidung sie kaufen und tragen will, hat sie sich all die schönen Kleidungsstücke gekauft, die sie haben wollte, doch irgendwie fühlte sie sich darin nie wohl. Sie ist keine Prinzessin, zumindest nicht so, wie sie als Kind eine Vorstellung hatte. Sie ist praktisch, sie ist leger und Kleidung ist ihr eigentlich gar nicht so wichtig. So hat sie sich eigentlich eine lange Zeit in ihrem Leben selbst betrogen – aus dieser kleinen von außen unscheinbaren Situation heraus. Sie identifizierte sich über die Kleidung, in diesem Fall eine Winterjacke, und hat dies verknüpft mit einem Wertgefühl. Sie dachte, wenn sie schön gekleidet ist, ist sie wertvoll, und hat durch diesen so großen Wunsch, wert zu sein und dazuzugehören, auch ihren eigentlich Stil nicht gelebt. Wie sich später herausstellte, wieder symbolisch an der anderen Winterjacke, die sie als Erwachsene noch einmal überzog, nämlich dass sie eigentlich zu feine Dinge gar nicht mag, sondern lieber praktische, die sie individuell aufpeppen kann – zumindest was den Stil ihrer Kleidung anbelangt. Und die Kleidung selbst ist ja auch wieder ein Spiegel von dem, wie wir uns zeigen mögen. Und wenn wir uns so zeigen, wie wir uns wohlfühlen, dann kann dieser Spiegel ein Bild von uns zeigen, wie wir sind. Viele Menschen haben ihre Kindheit komplett ausgeblendet. Dies ist nichts Besonderes. In der Kindheit leben wir in der Theta-Ebene des Bewusstseins und wir verankern das Erleben im Außen als unser Bild, wie die Welt funktioniert. Wir legen eine Basis für unsere Interaktion mit der Welt. Später kommen so viele Lagen von Erleben, die über diese Basisschicht gelegt werden, dass wir oft viele Facetten unserer Kindheit nicht bewusst abrufbar haben. Doch das eine oder andere bleibt in der Erinnerung. Wenn unser Leben nicht funktioniert kann es sinnvoll sein, in diese Erinnerungen einzusteigen und uns den Film dazu anzuschauen, der in unserem Kopf dazu abgespeichert ist. Vielleicht ist dieser Film ein Schlüssel zu einem Leben vom Aschenputtel zur Prinzessin. 5
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