Erfahrungsbericht über ein Praktikum an der Ecole Auguste Buchet in Etoy (Schweiz) - Pädagogische Hochschule Heidelberg Akademisches Auslandsamt ...
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Pädagogische Hochschule Heidelberg Akademisches Auslandsamt Erfahrungsbericht über ein Praktikum an der Ecole Auguste Buchet in Etoy (Schweiz) Name: Catherina Gladigau Studiengang: Lehramt an Sonderschulen Zeitraum: 01. bis 30. März 2007
Organisation des Praktikums Im März 2005 verbrachte ich mein SP 4, das vierwöchige Praktikum in der zweiten sonderpädagogischen Fachrichtung, an der Ecole Auguste Buchet in Etoy in der französischsprachigen Schweiz. Nach meinem Abitur hatte ich ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Tagesbetreuungseinrichtung für geistig behinderte Erwachsene in Frankreich gemacht. Dabei habe ich erlebt, wie interessant und bereichernd es sein kann, die Arbeit in einer sozialen Einrichtung im Ausland kennen zu lernen. Aus diesem Grund hatte ich schon länger den Wunsch, diese Erfahrung zu wiederholen. Ich entschied mich für die Schweiz, da ich von mehreren Seiten gehört hatte, dass das Sozialsystem dort besonders gut ausgebaut sei. Außerdem wollte ich meine Französischkenntnisse einmal wieder anwenden, so dass ich mich entschied, nach einer Schule in der französischsprachigen Schweiz zu suchen. Ich recherchierte im Internet nach Adressen in Frage kommender Schulen und verschickte per Email mehrere Anfragen. Zunächst erhielt ich mehrere Absagen, doch dann schrieb mir der Schulleiter der Ecole Auguste Buchet, dass ich ihn anrufen solle. Nach dem Telefonat stand fest, dass ich in der Zeit vom 05.03.- 30.03.2007 ein Praktikum an dieser Schule machen würde. „L’Espérance“ Die „Ecole Auguste Buchet“ ist Teil der Einrichtung für behinderte Menschen „L’Espérance“ in Etoy im Kanton Vaud. Diese Einrichtung wurde schon 1872 von Auguste Buchet und seiner Schwester Charlotte gegründet. Er gründete die Institution aus einem tiefen Glauben heraus, er war Humanist und damals ein Visionär, was dem Umgang mit geistiger Behinderung betraf. „L’Espérance war die erste Einrichtung ihrer Art in der französischen Schweiz. Leider verstarb der Begründer Auguste Buchet frühzeitig, aber seine Schwester Charlotte und sein Bruder Louis setzen sein Werk mit Erfolg fort. Heute zählt „L’Espérance“ zu den wichtigsten Einrichtungen für geistig behinderte Menschen in der Schweiz. In der Einrichtung leben zur Zeit etwa 215 Personen, ca. 55 Personen kommen von außerhalb in die Institution. Es arbeiten rund 350 Personen in „L’Espérance“. Neben Wohnheimen für Kinder und Jugendliche, Erwachsene sowie Senioren gibt es in der Einrichtung Werkstätten, in denen viele Dinge, z.B. Geschirrhandtücher und Weidenkörbe, hergestellt werden. Außerdem arbeiten die Bewohner auch im hauswirtschaftlichen Bereich (Küche, Bügeln) oder betreuen Tiere in einem
Außenbereich. Für die Bewohner, die zu solcher Arbeit nicht in der Lage sind, gibt es die ADP (ateliers du développment personnel), eine Art Tagesbetreuungseinrichtung, in der sie z.B. basteln, backen, Gesellschaftsspiele spielen, usw. Zur Einrichtung gehören zudem eine Kantine, ein Schwimmbad, eine Kapelle und die Schule. Ankunft in der Schweiz Ich fuhr am Sonntag, den 04. März 2007, mit dem Auto nach Etoy, wo ich mit dem Schulleiter, M. Counet, verabredet war. M. Counet zeigte mir zunächst die Schule und meine Unterkunft. Ich bekam von der Einrichtung ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft zur Verfügung gestellt, in der außer mir noch drei andere Praktikantinnen wohnten. Ich freute mich sehr, dass ich so gleich einige Leute kennen lernen konnte. Abends war ich dann bei Familie Counet zum Abendessen eingeladen und lernte M. Counets Frau und seine vier Kinder kennen. Ich wurde sehr nett empfangen und war sehr erfreut über so viel Gastfreundschaft, die ich in den vier Wochen noch einige Male erleben durfte. Die „Ecole Auguste Buchet“ und die Klasse A1 Am nächsten Morgen lernte ich meinen Mentor Franz Wattenberg und meine Klasse kennen. M. Wattenberg stammt ursprünglich aus Brasilien, hat aber seine Ausbildung zum Waldorflehrer in Deutschland gemacht und arbeitet seit ca. 10 Jahren in der Schweiz. Er selbst hat auch mehrere Praktika im Ausland gemacht und konnte sich so gut in meine Lage hineinversetzen und hat mich insgesamt sehr gut betreut. Die Klasse A1 wurde von vier Schülern besucht, drei Mädchen und einem Jungen. Insgesamt gehen etwa 45 Schülerinnen und Schüler in die Schule. Sie ist in drei Pavillons unterteilt. Einer ist für Kinder von 4 bis 10-12 Jahren vorgesehen, einer für die Jugendlichen von 10-12 bis 16 Jahren und einer dient der Berufsvorbereitung für 16-18jährige. Innerhalb der Pavillons gibt es immer drei Bereiche (filières): eine Klasse für schwerbehinderte Schüler (filière 3), eine für Schüler mit autistischen Verhaltensweisen und psychischen Auffälligkeiten (filière 2) und eine für praktisch bildbare Schüler (filière 1). Neben den Sonderschullehrern arbeiten an der Schule noch eine Logopädin, eine Psychologin und eine Sozialassistentin. Außerdem besteht eine enge Kooperation mit dem Personal der Wohngruppen, in denen einige der Schüler wohnen, und mit Ergo- und Physiotherapeuten. Das gesamte Personal erarbeitet für jeden Schüler eine Art Förderplan (projet pédagogique), der als Ziel
Entwicklungsfortschritte des Schülers und dessen bessere Lebensqualität hat, und der jährlich in einer ausführlichen Besprechung überprüft und gegebenenfalls modifiziert wird. Meine Klasse gehörte zur filière 1 im Pavillon der Jugendlichen. Ich wurde sehr nett von der Klasse empfangen und die Schüler waren mir gegenüber von Anfang an sehr offen. Der Unterricht fand immer von 9 Uhr bis 16 Uhr statt, wobei es von 11.30 Uhr bis 13.30 Uhr eine Mittagspause gab, in der die Schüler, die in der Einrichtung wohnten, in ihren Wohngruppen Mittag aßen, und die Schüler von außerhalb in der Kantine. Die Schüler wurden in allen Fächern von M. Wattenberg unterrichtet. Einmal pro Woche kam eine Logopädin und unterrichtete die Schüler im Gebärden. Einige Stunden wurden in Kooperation mit anderen Klassen unterrichtet, z.B. Sport und ein Kurs zum Alphabet mit den Kindern der filière 1. Mittwochs bot jeder Lehrer einen Kurs (module) an, z.B. Musik, Tanzen, Geschichten vorlesen oder Malen, an denen die Schüler aus allen Klassen teilnehmen konnten. Mittwoch nachmittags fand kein Unterricht statt. Da M. Wattenberg gelernter Waldorflehrer war, hatte er das Schuljahr in drei Einheiten unterteilt, in denen immer schwerpunktmäßig ein Thema behandelt wurde. Zum Zeitpunkt meines Praktikums war das Thema Ägypten, das in verschiedenen Fächern unterrichtet wurde. Beispielsweise wurden die Geschichte und Geographie Ägyptens durchgenommen. Ich war sehr beeindruckt, als mir die Schüler in ihren Heften zeigten, wie viel sie schon über Ägypten gelernt und durchgenommen hatten. Im Klassenzimmer hingen Poster über Ägypten, die Schüler hatten aus Holzstäben eine Pyramide hergestellt, die an der Decke hing, und es gab viele Bücher über Ägypten, die den Schülern zur Verfügung standen. Überhaupt war ich erstaunt, wie viele Bücher sich im Klassenzimmer befanden, denn in Schulen für geistig Behinderte ist dies meiner Erfahrung nach nicht der Regelfall. Während meines Praktikums bastelten wir mit den Schülern ägyptische Häuser aus Schuhkartons, die wir mit Gips bestrichen und anmalten. Dabei waren wir bemüht, die Schüler so viel wie möglich selbst machen zu lassen. Es war schön zu sehen, wie stolz die Schüler auf ihre „maisons égyptiennes“ waren, die sie allen Leuten zeigten. Eigentlich war für den letzten Tag meines Praktikums noch ein Ausflug in ein Museum geplant, in dem es Mumien zu sehen gab, doch dieser musste leider verschoben werden.
Das Klassenzimmer M. Wattenberg ließ mich von Anfang an in seinen Unterrichtsstunden assistieren und ließ mich auch einige Male – abgesprochen oder auch spontan – Teile seines Unterrichts übernehmen. Außerdem führte ich ab der zweiten Woche eine kleine Unterrichtseinheit zum Thema „Deutschland und die deutsche Sprache“ durch. Obwohl in der Schweiz in großen Teilen Deutsch gesprochen wird, hatten die Schüler noch keinerlei Vorerfahrungen mit der deutschen Sprache. Zunächst besprachen wir anhand einer Karte, wo überall Deutsch gesprochen wird und die Schüler malten die Flaggen von Deutschland, Österreich und der Schweiz. Danach lernten die Schüler Floskeln wie „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“, „Danke schön“ und da die Osterferien bevorstanden „Frohe Ostern“ und die Farben anhand von Ostereiern. Außerdem noch die Namen einiger Gegenstände wie Stift, Tisch, Stuhl, usw., die spielerisch eingeübt wurden. Die Schüler schrieben die Begriffe auch immer in ihr Heft. Zwei Schüler konnten selbstständig schreiben und auch lesen, während die zwei anderen Assistenz beim Schreiben benötigten. Auch sonst wurden die Schüler zwar in den gleichen Themen unterrichtet, aber die Ziele waren für jeden Schüler unterschiedlich. Bezogen auf den Deutschunterricht gab es einen Schüler, der in der Lage war, die durchgenommenen Wörter wirklich zu lernen. Er kam ursprünglich aus Albanien und hatte durch seine Zweisprachigkeit schon einen Bezug dazu, dass Dinge in verschiedenen Sprachen unterschiedlich heißen. Diese Einsicht war bei den anderen Schülerinnen noch nicht vorhanden. Ich versuchte, dies anzubahnen, indem ich Dinge benannte (z.B. Tisch) und die Schüler sie zeigen sollten. Ich denke, dass dies für zwei Schülerinnen eher ein Spiel blieb, aber bei
einer Schülerin konnte ich erkennen, dass sie den Zusammenhang zwischen deutschen und französischen Ausdrücken plötzlich verstand, als sie auf einmal in allen möglichen passenden Situationen „Danke schön“ sagte und mir immer wieder Dinge zeigte und mich fragte „C’est rot? C’est grün?“. Heft einer Schülerin Die ägyptischen Häuser Mir wurde auch ermöglicht, in andere Bereiche der Schule „hineinzuschnuppern“, z.B. in den Pavillon der Kinder und in eine Klasse für schwermehrfachbehinderte Schüler. Auch während der „modules“ und in Stunden, die in Kooperation unterrichtet wurden, lernte ich viele der anderen Lehrer und Schüler kennen und konnte auch an einigen Besprechungen teilnehmen, so dass ich insgesamt einen guten Einblick in das Schulleben bekam. Dazu trug auch bei, dass auch die anderen Lehrer mir gegenüber sehr aufgeschlossen waren und mir viel über ihre Klassen erzählten. M. Wattenberg und die Klasse haben mich auch in der gesamten Einrichtung herumgeführt und ich bekam z.B. die Wohngruppen, die Werkstätten und die ADP zu sehen. Insgesamt muss ich sagen, dass ich die Atmosphäre sowohl in der Schule als auch in der gesamten Einrichtung als sehr angenehm empfunden habe und man überall sehr nett und hilfsbereit zu mir war. Positiv hervorheben möchte ich auch, dass man mir ganz selbstverständlich ein Zimmer zur Verfügung stellt, womit ich gar nicht gerechnet hatte, und dass ich mittags kostenlos in der Kantine essen durfte. Ausflüge in die Umgebung Da ich von meinen Eltern für die Zeit meines Praktikums ein Auto zur Verfügung gestellt bekam, nutzte ich meine freie Zeit so oft wie möglich, um Ausflüge in die Umgebung zu machen. Oft fuhr ich einfach an den nahe gelegenen Genfer See, doch Mittwoch nachmittags und am Wochenende steuerte ich auch weiter entfernte
Ziele an, z.B. Genf, Lausanne, Montreux und Fribourg. Ich hatte dabei sehr viel Glück mit dem Wetter. Nur einmal war das Wetter schlechter und ich nutzte die Gelegenheit, die sehr sehenswerte „Collection de l’art brut“ in Lausanne zu besichtigen, die Kunst von „Außenseitern“ wie Psychatriebewohnern und geistig behinderten Menschen zeigt. Auch die Bilder eines der Bewohner von „L’Espérance“ sind dort ausgestellt. Einige Tage machten auch meine Eltern im Nachbarort von Etoy Urlaub und ich unternahm mit ihnen Ausflüge nach Bern und ins nicht weit entfernte Frankreich nach Annecy. Außerdem fuhren wir mit einer alten Eisenbahn in die Berge, auf denen noch Schnee lag. Ich war auch einige Male von der Familie Counet zum Abendessen und einmal sogar ins Theater eingeladen. Und M. Wattenberg hat mich an einem Sonntag zu einem Ausflug in die Gegend des „Lac de Neuchâtel“ eingeladen. Ich war sehr positiv überrascht über so viel Gastfreundschaft, durch die ich die Gelegenheit hatte, die Schweiz noch ein bisschen näher kennen zu lernen. Ich habe die Schweiz als ein sehr interessantes und vielseitiges Land erlebt und kann ein Praktikum dort nur weiter empfehlen. Insgesamt habe ich die Zeit sehr genossen und denke immer wieder gern an die vier Wochen, die viel zu schnell vorbei waren, zurück. Wer sich für die Einrichtung interessiert, findet unter folgendem Link Informationen: www.esperance.ch Blick auf den Genfer See
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