Beziehungen und Identitäten: Österreich, Irland und die Schweiz Connections and Identities: Austria, Ireland and Switzerland

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Wechselwirkungen 6

Beziehungen und Identitäten: Österreich, Irland und die Schweiz Connections
             and Identities: Austria, Ireland and Switzerland
                            Connections and Identities: Austria, Ireland and Switzerland

                                                     von
                           Gisela Holfter, Edward Moxon-Browne, Marieke Krajenbrink

                                                      1. Auflage

  Beziehungen und Identitäten: Österreich, Irland und die Schweiz Connections and Identities: Austria, Ireland and
                               Switzerland – Holfter / Moxon-Browne / Krajenbrink
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                                               Peter Lang Bern 2004

                                             Verlag C.H. Beck im Internet:
                                                   www.beck.de
                                               ISBN 978 3 03910 430 7

Inhaltsverzeichnis: Beziehungen und Identitäten: Österreich, Irland und die Schweiz Connections and Identities:
                    Austria, Ireland and Switzerland – Holfter / Moxon-Browne / Krajenbrink
Austria – Hibernia – Helvetia:
Zu österreichisch- und schweizerisch-irischen
Beziehungen und Fragen der Identität
GISELA HOLFTER und MARIEKE K RAJENBRINK

Während die Beziehungen zwischen Irland und Deutschland schon
seit geraumer Zeit die Aufmerksamkeit der Forschung genießen,1
ist die Erweiterung der Fragestellung auf die Gesamtbreite der
deutschsprachig-irischen Beziehungen, d. h. die Einbeziehung Öster-
reichs und der (deutschsprachigen) Schweiz oft vernachlässigt wor-
den. Das ist besonders bedauerlich, als gerade hier interessante Ver-
bindungen zu erwarten sind: Parallelen zwischen Österreich und
Irland, die sich beide mit einem großen, zum Teil übermächtigen
Nachbarn auseinandersetzen müssen, was historisch, linguistisch und
politisch seine Spuren hinterlässt, sind dabei offensichtlich. Gleiches
gilt für Irland und die Schweiz, hier sind u. a. Fragen der Mehr-
sprachigkeit, der Umgang mit der Neutralität und frühe Verbindun-
gen durch die iro-schottische Mönchsmission von Bedeutung (die
beiden letztgenannten Aspekte gelten natürlich auch für Österreich).
    Die vorliegende Sammlung von Forschungsarbeiten im Bereich
der österreichisch- und schweizerisch-irischen Beziehungen und
Identitätsfragen der beiden erstgenannten Länder ist Ergebnis der
3. Limericker Konferenz in deutsch-irischen Studien, die im April

1   Vgl. die zahlreichen Schriften John Hennigs seit den 40er Jahren, besonders:
    Studien zur Geschichte der deutschsprachigen Irlandkunde, in DVLG 35, 1961,
    S. 617–629 und Studien zur deutschsprachigen Irlandkunde im 19. Jahrhundert,
    in DVLG 47, 1973, S. 167–179; Patrick O’Neill: Ireland and Germany – A Study
    in Literary Relations, New York 1985; Doris Dohmen: Das deutsche Irlandbild,
    Amsterdam/Atlanta 1994; Gisela Holfter: Erlebnis Irland. Deutsche Reiseberichte
    über Irland im zwanzigsten Jahrhundert, Trier 1996; Martin Elsasser: Germany
    and Ireland – 1000 Years of Shared History / Deutschland und Irland – 1000 Jahre
    gemeinsamer Geschichte, Dublin 1997; Cathy Molohan: Germany and Ireland
    1945–1955 – Two Nations’ Friendship, Dublin 1999; Joachim Fischer: Das Deutsch-
    landbild der Iren 1890–1939 – Geschichte Form Funktion, Heidelberg 2000.
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2002 an der University of Limerick stattfand. Sie soll ein Anfang
sein, die Forschung zu diesen Länderkonstellationen in den Mittel-
punkt zu stellen.2
    Der Hauptorganisator der Konferenz, das Zentrum für deutsch-
irische Studien, wurde im September 1997 gegründet. Es unterstützt
interdisziplinäre Forschung, die dem Facettenreichtum der Be-
ziehungen der deutschsprachigen Länder und Irland in Geschichte
und Gegenwart Rechnung trägt. Darüber hinaus geht es aber auch
darum, Perspektiven für interkulturelles Verstehen zu entwickeln
und den Austausch von Wissenschaft und Praxis zu ermöglichen.
Das Zentrum wurde gegründet mit dem Anspruch, die bestehende
Lücke einer Forschungsstätte zu diesem Bereich zu schließen und
allen Interessierten die Möglichkeit zu eröffnen, sich zu informie-
ren, eigene Forschungsinteressen innerhalb dieser Thematik zu ver-
folgen und bei dem Aufbau einer einzigartigen Materialsammlung
behilflich zu sein. In Erfüllung dieser Aufgaben wird von Mitglie-
dern des Zentrums neben eigenen Forschungen das Yearbook of the
Centre for Irish-German Studies herausgegeben. Für unsere Thema-
tik von besonderem Interesse sind dabei die Jahrbücher 1999/2000
und 2000/01, das erste mit dem Schwerpunkt Österreich, das zweite
auf die Schweiz bezogen.3
    Fragen der Identität, die den vorliegenden Sammelband wie der
bekannte rote Faden durchziehen, sind in den letzten Jahrzehnten
zu einem fruchtbaren Forschungsgebiet avanciert. Gerade in Irland,
Österreich und der Schweiz ist die Frage nach dem jeweils spezi-
fisch Eigenen, die Konstruktion einer kollektiven nationalen oder
kulturellen Identität – nicht zuletzt aus historischen Gründen – von
besonderer Prägnanz. Was es heißt, Österreicher, Ire oder Schweizer

2    Schon jetzt gibt es Fortschritte zu vermelden. Ein halbes Jahr nach der Konfe-
     renz erschien der von dem damaligen österreichischen Botschafter Paul Leifer
     und Eda Sagarra herausgegebene Band Austro-Irish links through the Centuries,
     Wien 2002, mit Verweisen auf die Konferenz. Der Konferenzbeitrag von Rudolf
     Agstner, der in gekürzter und überarbeiteter Version im vorliegenden Band ent-
     halten ist, ist dort vollständig abgedruckt.
3    Gisela Holfter, Joachim Lerchenmueller, Edward Moxon-Browne (Hg.): Year-
     book of the Centre for Irish-German Studies 1999/2000, Trier 2000 und Marieke
     Krajenbrink, Joachim Lerchenmueller (Hg.): Yearbook of the Centre for Irish-
     German Studies 2000/01, Trier 2001.
Österreichisch- und schweizerisch-irische Beziehungen und Identität               13

zu sein, ist schon lange entsprechend intensiv diskutiert worden, so-
wohl im akademischen Bereich4 als auch in der kulturellen Selbstver-
gewisserung, die in die breitere Öffentlichkeit getragen worden ist.5
    Hergebrachte Vorstellungen der Nation als einer homogenen zeit-
enthobenen Kultur- und Schicksalsgemeinschaft haben dabei zu-
nehmend einer offenen, dynamischen Identitätskonzeption Platz
gemacht, die der Pluralität und Komplexität unterschiedlicher Iden-
tifikationsprozesse Rechnung trägt und die Konstruiertheit des Na-
tionalen (und damit dessen Veränderbarkeit) hervorhebt, wie dies
etwa in Benedict Andersons Begriff der ,imaginierten Gemeinschaf-
ten‘ (imagined communities) bzw. der ,Erfindung der Nation‘ zum
Ausdruck kommt. Die Auseinandersetzung mit dem kollektiven
Selbstverständnis bewegt sich stets im Spannungsfeld von Kom-
munalität und Abgrenzung, zwischen dem, was jeweils intern ver-
bindet und dem, was nach außen hin trennt. Bei der Erforschung
der Beziehungen zwischen Österreich, Irland und der Schweiz (so-
wohl auf individueller wie auf kollektiver Ebene) tritt die Frage nach
Perzeptionen des Eigenen im Verhältnis zum jeweils Anderen umso
deutlicher in den Vordergrund. Das heißt, hier ergeben sich inter-
kulturelle Perspektiven für die Identitätsfrage, beispielsweise durch
Kontakte auf Reisen, freiwillige oder erzwungene Aufenthalte in ei-
nem anderen Land, institutionalisierte Beziehungen und auch da-
durch, wie die Medien oder auch die Literatur in einem Land ein
anderes darstellen.

4   Vgl. z. B. Friedrich Heer: Der Kampf um die österreichische Identität, Graz 1981;
    Ruth Wodak, R. de Cillia, M. Reisigl, K. Liebhart, K. Hoffstätter und M. Kargl:
    Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität, Frankfurt/Main 1998; Su-
    sanne Frölich-Steffen: Die österreichische Identität im Wandel, Wien 2003; Ewald
    R.Weibel, Markus Feller (Hg.): Schweizerische Identität und Europäische Inte-
    gration, Bern 1992; Luke Gibbons: Transformations in Irish Culture, Cork 1996;
    Declan Kiberd: Inventing Ireland, Cambridge, MA/London 1995.
5   Vgl. z. B. Josef Haslinger: Politik der Gefühle. Ein Essay über Österreich, Darm-
    stadt und Neuwied 1987; Robert Menasse: Das Land ohne Eigenschaften. Essay
    zur österreichischen Identität, Frankfurt/M. 1995; Peter Bichsel: Des Schwei-
    zers Schweiz, Zürich 1969; Max Frisch: Schweiz als Heimat? Versuche über
    50 Jahre (Hg. Walter Obschlager), Frankfurt/M. 1990; Friedrich Dürrenmatt:
    Die Schweiz – ein Gefängnis. Rede auf Vaclav Havel, Zürich 1997; Paddy Logue
    (Hg.): Being Irish. Personal Reflections on Irish Identity Today, Dublin 2000;
    Fintan O’Toole: The Lie of the Land. Irish Identities, London 1998.
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    Im Gegenzug gewinnt die Untersuchung von Prozessen der
Identitätskonstruktion und Entwicklungen im nationalen Selbstver-
ständnis in den einzelnen Ländern durch vergleichende Bezugnah-
me an Kontur. Im Vergleich lässt sich deutlicher erkennen, welche
Rolle sozial-kulturelle Phänomene im Hinblick auf österreichische,
irische und schweizerische Identitätsvorstellungen spielen – sei es
das sich wandelnde Verständnis von Landschaft, Einstellungen zur
Europäischen Union (und den Umgang mit Neutralitätspolitik) oder
die – oft überaus kritische – Auseinandersetzung mit der eigenen
Heimat in der Literatur. Auch in Bezug auf die Sprache gibt es deut-
liche Parallelen – alle drei Länder sind durch sie zum einen schein-
bar eng mit dem jeweiligen größeren und dominanten Nachbarland
(Deutschland bzw. Großbritannien) verbunden, während zum an-
deren die Unterschiede und daraus entstehende Schwierigkeiten oft-
mals vernachlässigt werden, die „gemeinsame“ Sprache also para-
doxerweise für Distanz sorgt. Die hier gesammelten Beiträge weisen
in der Herangehensweise eine große Vielfalt und Reichweite auf und
behandeln unterschiedliche, sich oft gegenseitig ergänzende Dimen-
sionen kollektiver Identitäten. Der vorliegende Band versucht so in
einem interdisziplinären Ansatz der Vielschichtigkeit und dem
Facettenreichtum der Identitätsproblematik gerecht zu werden.
    Der Band beginnt mit einem Beitrag von Joep Leerssen, ,Sublime
Landscape and National Character‘. Er zeigt die Bedeutung der im
18. Jahrhundert einsetzenden Wertschätzung der erhabenen oder
„sublimen“ Landschaft im Zusammenhang mit der vorherrschen-
den Debatte um die Konstituierung der „Nationalcharaktere“. Ge-
rade bei den Beispielen Irland und Schweiz wird der veränderte Blick
auf vormals als roh und unwirtlich empfundene Landstriche deut-
lich, beeinflusst vom Ossianismus und dem Wirken von beispiels-
weise Edmund Burke und auch Albrecht von Haller, der eine Ein-
wirkung der Schweizer Berglandschaft auf die moralischen Zustän-
de der dort wohnenden Bevölkerung festzustellen meinte. Grund-
lagen dafür bilden anthropologische Überlegungen wie sie u. a. von
Johann Lavater entwickelt wurden. Leerssen argumentiert, dass bei
der Erforschung der Entwicklung des Nationalismus, gerade in Re-
gionen wie Irland und Deutschland, der nostalgischen Idealisierung
von Natur und Landleben oft nicht genügend Rechnung getragen
wird.
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