"Europas Agrarpolitik für Bauern, Umwelt und Natur ökologisch ausgestalten - Landesregierung muss starke Eco-Schemes unterstützen" - Landtag ...
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17 NEUDRUCK STELLUNGNAHME 17/3654 Stellungnahme zur Anhörung des Ausschusses für Europa und Internationales A06, A17 des Landtags von Nordrhein-Westfalen „Europas Agrarpolitik für Bauern, Umwelt und Natur ökologisch ausgestalten – Landesregierung muss starke Eco-Schemes unterstützen“ Prof. Dr. Sebastian Lakner1 Universität Rostock 22. Februar 20212 1.) Welche Lehren müssen bei der Neuaufstellung der GAP aus der mangelhaften Wirksamkeit des Greenings gezogen werden? Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) stellt in der aktuellen Förderperiode 2014-2020 drei Hauptinstrumente für die Verfolgung von Umweltzielen bereit. Cross-Compliance stellt die Einhaltung von ordnungsrechtlichen Vorschriften sicher. Dies betrifft Umweltregeln, sowie Regeln in der Tierhaltung, im Pflanzenschutz und beim Düngereinsatz. Das Einhalten von gesetzlichen Mindeststandards ist eine wichtige Voraussetzung für die Lösung wichtiger Umweltprobleme, aber mit Hilfe des Ordnungsrechtes kann Umweltpolitik nicht aktiv und zielgerecht gestaltet werden. Eine aktuelle Studie des Europäischen Rechnungshofes stellt daneben fest, dass Cross-Compliance nur marginal zum Erhalt der Biodiversität beiträgt (ECA, 2020). Greening ist hinsichtlich seiner Zielerreichung wenig effektiv und ineffizient Greening wurde in den letzten Jahren durch das Thünen-Institut in unterschiedlichen Projekten untersucht (Schmidt, et al., 2014, Gocht, et al., 2017, Röder, et al., 2019, Schoof, et al., 2019). Daneben gibt es weitere Untersuchungen, die die Effektivität und die Effizienz des Greenings analysiert haben (Erjavec and Erjavec, 2015, Lakner and Holst, 2015, European Court of Auditors, 2017, Pe'er, et al., 2017b). Die wesentlichen Erkenntnisse der Literatur zeigen folgende Punkte: • Anbaudiversifizierung: Kein Netto-Effekt, weil die Maßnahmen unzureichend definiert und von den meisten Betrieben bereits vor Einführung eingehalten wurden (Steinmann and Dobers, 2013, Pe'er, et al., 2014). Ein wichtiger Kritikpunkt an den Greening-Regeln besteht darin, dass zu viele Betriebe von den Verpflichtungen ausgenommen sind, da es zu viele Ausnahmetatbeständige gibt (Pe'er, et al., 2014). Dies zeigt sich auch im ex-ante Assessment der EU-Kommission von 2011, die mit dem Reformentwurf 2013 die möglichen Wirkungen des Greenings untersuchen ließ. Lt. Untersuchung der EU-Kommission entstehen EU-weit nur für 8,6% der Betriebe überhaupt Kosten durch die Anpassung an das Kriterium „Anbauvielfalt“, für die restlichen 91% der Betriebe besteht keine Notwendigkeit der Anpassung (EU-Kommission, 2011: S.9). • Grünland-Erhalt: Der Grünlanderhalt im Rahmen des Greenings erzeugt ebenfalls kaum zusätzliche positive Umwelteffekte. Auch hier zeigt das ex-ante Assessment der EU Kommission 1 Lehrstuhl für Agrarökonomie, Universität Rostock, Justus-von-Liebig-Weg 7, 18059 Rostock; eMail: sebastian.lakner@uni-rostock.de; Url: https://www.auf.uni-rostock.de/professuren/a-g/agraroekonomie/ 2 Kleine Teile dieses Textes stimmen mit meiner Stellungnahme für den Bayerischen Landtag von Dezember 2019 überein. Dies betrifft teilweise den Abschnitt zur Bewertung von Greening (S.2) und die Bewertung der Direktzahlungen (S.10 unten) 1
von 2011, dass nur für wenige Betriebe (ca. 15%) EU-weit zusätzliche Anpassungskosten durch die Einführung des Grünlanderhalts entstehen (EU-Kommission, 2011). In Deutschland hatten sieben der dreizehn Flächenländer bereits vor 2015 Verordnungen, die den Umbruch von Grünland begrenzten (Lakner and Holst, 2015). Auch beim Grünlanderhalt greifen Ausnahmetatbestände (Pe’er et al. 2014). Es gibt jedoch andere Mitgliedsstaaten, in denen durch den Grünlanderhalt bisher nicht geschützte Grünland-Biotope erstmals Schutz erhielten, insofern hängt die Wirkung der Maßnahme von den spezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen auf Ebene der Mitgliedsstaaten ab. • Ökologische Vorrangfläche (ÖVF): Die Ökologische Vorrangfläche ist hinsichtlich ihres Zieles, dem Erhalt der Biodiversität auf landwirtschaftlichen Betrieben, wenig effektiv. o Biodiversität: Eine Bewertung durch 89 Ökologen europaweit zeigt, dass lediglich die Brachflächen, Pufferstreifen und Landschaftselemente überhaupt einen signifikanten Beitrag für die Biodiversität leisten (Pe'er, et al., 2017b). Diese drei Elemente machen ca. 20% der ÖVF in Deutschland aus, d.h. 80% der ÖVF sind wenig wirksam im Hinblick auf die Biodiversität. Diese ex-ante Bewertung beruht auf Literaturangaben zu vergleichbaren Maßnahmen, die vor 2015 bereits im Rahmen der AUKM angeboten wurden und zu denen Untersuchungen vorliegen. o Aktuelle Studien bestätigen die Ergebnisse der ex-ante Evaluationen von Pe’er et al. (2017b) basierend auf aktuellen Untersuchungen auf Greening-Flächen. Die aktuellen Studien kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass Brachflächen, Pufferstreifen und Landschaftselemente effektiv zum Schutz von Zielarten wie Ackerlandvögel oder Insekten beitragen (Dellwisch, et al., 2019, Ekroos, et al., 2019). o Die sonstigen Vorrangflächen erbringen ggf. auch andere Ökosystemleistungen (die außerhalb der von der EU definierten Ziele liegen) (Lakner, 2018). Leguminosen und Zwischenfrüchte könnten sich positiv auf Bodenfruchtbarkeit sowie Erosionsschutz auswirken. Es stellt sich jedoch die Frage, ob Betriebe diese Maßnahmen nicht ohnehin aus betrieblichem Eigeninteresse ergreifen und inwieweit diese Maßnahmen über Greening gefördert werden müssen. o Die Mitnahmeeffekte der Ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) auf den Betrieben sind hoch, da die Greening-Zahlung (30% der Direktzahlungen) vermutlich viel zu hoch gewählt wurde. Einzelbetriebliche Kalkulationen zeigen Mitnahmeeffekte von 60-90% der Greening-Prämie (Lakner and Holst, 2015). Auch Berechnungen des Thünen-Institutes zeigen, dass die spezifischen Kosten für die verschiedenen Typen der ÖVF regelmäßig deutlich unter der kalkulatorischen Greening-Prämie bleiben (Schmidt, et al., 2014). o Schließlich zeigt sich, dass sich das Greening insgesamt kaum auf das Angebot von Agrarprodukten und deren Preise auswirkt (Gocht, et al., 2017), was das Argument relativiert, mit dem Greening würden Umwelteffekte in andere Kontinente verlagert. 2
Die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) tragen zum Erhalt der Biodiversität bei. Die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen der II. Säule teilweise recht wirksam sind. Für den Erhalt von gefährdeten Arten oder seltenen Pflanzengesellschaften können Agrarumweltmaßnahmen einen wichtigen Beitrag leisten. Die wissenschaftliche Literatur zu den einzelnen Maßnahmen zeigt aber auch, dass hauptsächlich sehr einfache und wenig spezifisch wirkende Maßnahmen mit geringer Prämienhöhe angeboten werden (hellgrüne Maßnahmen). Dagegen sind vor allem spezifische und anspruchsvolle und mit hohen Prämien versehene Maßnahmen für die Biodiversität oder andere Umweltziele wirksam (Pe'er, et al., 2017a). Hierzu gibt es zahlreiche Überblicksstudien (Kleijn, et al., 2006, Santana, et al., 2014, Batáry, et al., 2015). In der Förderperiode 2007-2013 wurde in Deutschland nur ein geringer Flächenanteil mit spezifischen Maßnahmen belegt. So wurden im Ackerland nur 0,3% mit spezifischen Maßnahmen belegt, im Grünland waren es immerhin 11,2% (Oppermann, et al., 2012). Eine Einordnung der Agrarumweltmaßnahmen in der Förderperiode 2014-2020 in verschiedenen Bundesländern (basierend auf Angaben für das Jahr 2017) zeigt, dass der Ausgabenanteil für AUKM, der Anteil der über AUKM geförderten Fläche und der spezifischen Maßnahmen zwischen den Bundesländern stark variieren (Tabelle 1): Tabelle 1: Agrarumwelt- und Klimaausgaben in verschiedenen Bundesländern 2017 Indikator Einheit BY BW BB SN NI HE1 NW 1. Ausgaben II. Säule insg. 2014-20 Mio EUR 508,3 260,6 192,3 162,7 328,5 92,5 169,0 2. AUKM-Ausgaben 2014-20202 Mio EUR 206,7 100,3 43,0 32,3 54,4 19,7 69,8 3. Anteil AUKM am RDP in % 40,7% 38,5% 22,4% 19,9% 16,5% 21,3% 41,3% 4a. Landwirtschaftliche Nutzfläche 1.000 ha 3.127,7 1.418,5 1.322,9 901,0 2.587,4 772,3 1.459,5 4b. Fläche AUKM in 20173 1.000 ha 1.253,0 576,0 263,0 178,0 419,0 218,0 220,2 5. Flächenanteil der AUKM % 40,1% 40,6% 19,9% 19,8% 16,2% 28,2% 15,1% Effektivität der AUKM im Hinblick auf Biodiversität 6. Anteil effektiver AUKM-Zahlungen4 % 26,5% 40,6% 36,6% 47,3% 46,4% 16,3% 37,8% 7. Anteil effektiver AUKM-Fläche5 % 11,6% 19,4% 51,6% 27,2% 24,8% 21,0% 11,0% Quelle: vgl. Metta and Lakner (2021); Eigene Auswertung der Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen basierend auf Daten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), der Factsheets RDP bei der EU-Kommission und der Landesministerien für Landwirtschaft; *1: Man beachte, dass Hessen zusätzliche Landesmittel zur Finanzierung von AECM einsetzt, die nicht Teil des LEP sind. Die Gesamtausgaben für AECM in Hessen betragen EUR 38 Mio. pro Jahr im Vergleich zu den ca. EUR 20 Mio. pro Jahr im Rahmen des EU-finanzierten LEP. 2: Jährliche Durchschnitt basierend auf den ex-ante Ausgabendaten der Bundesländer in den RDP-Factsheets der EU-Kommission 3: Flächenangaben basierend auf den Angaben der Landesministerien. Hierbei ist zu beachten, dass die AUKM-Flächen jährlich deutlich variieren, insofern ist das Jahr 2017 nur ein Punktbeobachtung in der Förderperiode 2014-2020 4: Anteil der effektiven AECM-Ausgaben an den gesamten AECM-Ausgaben 5: Anteil der effektiven AECM-Fläche an der gesamten AECM-Fläche. Abkürzungen: BY = Bayern; BW = Baden-Württemberg; BB = Brandenburg; SN = Sachsen; NI = Niedersachsen; HE = Hessen; NW = Nordrhein- Westfalen Der Ausgabenanteil für AUKM in der ELER (II. Säule) liegt mit 41% in Nordrhein-Westfalen im Bundesdurchschnitt mit am höchsten. Andererseits werden nur etwa 15% der landwirtschaftlichen Nutzfläche über AUKM gefördert. Dies deutet darauf hin, dass je Hektar recht hohe Prämien gezahlt werden müssen, um die hohen Opportunitätskosten auf hochproduktiven Standorten in Nordrhein- Westfalen auszugleichen, was sich in anderen Regionen Deutschlands vermutlich einfacher gestaltet. Die Zahlen oben deuten auf einen durchschnittlichen kalkulatorischen Fördersatz von 317 EUR/ha geförderte Fläche AUKM hin, was mit Abstand der Spitzenwert in Deutschland ist. 3
Der Anteil AUKM-Zahlungen mit komplexen Anforderungen und hohen Prämien (hoher Eingriffstiefe), von denen man gleichzeitig eine starke Wirkung auf biotische Faktoren erwartet, liegt in Nordrhein- Westfalen mit 37,8% leicht über dem Bundesdurchschnitt von ca. 35%3, der Flächenanteil von AUKM mit komplexen Anforderungen liegt dagegen mit 11% deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von ca. 26%. Auch dies könnte in den hohen Prämien begründet sein, die notwendig sind, um in Hochertragsregionen Betriebe für eine Teilnahme zu gewinnen. Trotz des höheren Anteils an zielgerichteten Maßnahmen 2014-2020 zeigt sich, dass die AUKM noch zu wenig auf die Ziele der FFH-Richtlinien ausgerichtet sind. Es lässt sich zeigen, dass sich die Ziele der FFH-Richtlinie besser mit Agrarumweltmaßnahmen umsetzen lassen, die auf die Förderung einzelner Zielarten oder Zielbiotope der FFH-Richtlinie ausgerichtet sind (Lakner et al., 2020). Gegen spezifische Maßnahmen wird häufig ins Feld geführt, dass diese hohe Verwaltungsausgaben verursachen, was etwa die Studie von (Fährmann and Grajewski, 2013) zeigt. Allerdings zeigt eine Untersuchung aus Großbritannien, dass hohe Verwaltungsausgaben durchaus durch eine sehr viel bessere Biodiversitätsleistung überkompensiert werden kann (Armsworth, et al., 2012). Der Wissenschaftliche Beirat Agrar- und Ernährungspolitik macht in seinem Gutachten aus 2019 darauf aufmerksam, dass ein gewisser Verwaltungs- und Kontrollaufwand notwendig ist, um Umweltgüter zu fördern. Insofern sind hohe Verwaltungsausgaben auch notwendig, um Biodiversität zu erhalten und zu fördern. Die zukünftige Ausgestaltung der AUKM und der Eco-Schemes sollte daher grundsätzlich versuchen, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Gleichwohl darf dies nicht zu Lasten von effektiven Maßnahmen gehen, die notwendigerweise komplex sind und einen gewissen administrativen Aufwand benötigen. 2.) Wie müssen Eco Schemes ausgestaltet sein, um einen wirksamen Beitrag zum Klima- und Artenschutz leisten zu können? Die Eco-Schemes wurden als neues Instrument der Agrarumweltpolitik in der I. Säule der GAP von der EU-Kommission 2018 vorgeschlagen. Bei den Eco-Schemes gibt es erheblichen Spielraum für die nationale Gestaltung, so dass im Moment unklar ist, ob bestimmte Probleme des bisherigen Greenings überwunden werden könnten. Es erscheint daher von zentraler Bedeutung, dass die Erkenntnisse der Förderperiode 2014-2020 in die Gestaltung dieses neuen Instrumentes einfließen. Welche Gestaltungsspielräume bieten die Eco-Schemes für die nächste Förderperiode: 1.) Inhaltliche Ziele der Eco-Schemes bestimmen Lt. Kommissionsentwurf sollen sich die Eco-Schemes auf die drei Umweltziele nach Artikel 6 d, e und f beziehen (EC, 2018). Sowohl Ministerrat als auch das EU-Parlament haben in ihren Positionen und Änderungsvorschlägen andere Ziele wie Einkommensziele und Ziele der Wettbewerbsfähigkeit, aber auch Ziele wie die Förderung Ländlicher Entwicklung oder das Tierwohl vorgeschlagen (Details dazu in: Lakner, 2021). Für eine zielgerichtete Gestaltung der Eco-Schemes erscheint es sinnvoll, bei den drei Umweltzielen nach Artikel 6d-f zu bleiben. Das Tierwohl könnte eher über Investitionsprogramme der zweiten Säule gefördert werden, hier erscheinen die Eco-Schemes als jährliche Zahlung eher ungeeignet. 3 Eigene Auswertung basierend auf 10 Bundesländern, d.h. ohne Sachsen-Anhalt, Thüringen und dem Saarland. 4
Bei den Einkommenszielen und bei dem Ziel der Wettbewerbsfähigkeit ergibt sich keine Notwendigkeit, neue Instrumente zu schaffen. Die folgende Abbildung 1 zeigt die Ausgabenanteile (EU-Haushalt 2017) im Rahmen der GAP auf europäischer Ebene: Abbildung 1: Instrumente und Budget-Anteile in Relation zu GAP-Zielen. Quelle: (Pe'er, et al., 2019), Supplementary Material, eigene Übersetzung Es zeigt sich, dass sich 60% der GAP-Ausgaben Einkommenszielen und weitere 11% der Ausgaben den Zielen der Wettbewerbsfähigkeit zuordnen lassen. Hieraus ergibt sich keine Notwendigkeit, die Eco- Schemes diesen Zielen zuzuordnen. Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, mit einem Instrument oder mit einer Maßnahme möglichst nur ein Ziel verfolgen zu wollen. Empfehlung: Daher ist zu empfehlen, sich auch hinsichtlich der Umweltziele auf klare Ziele und Prioritäten zu einigen, da dies die Gestaltung der Instrumente und die Evaluation erleichtert. 2.) Die Inhaltliche Ausgestaltung der Eco-Schemes Die Eco-Schemes enthalten recht unterschiedliche Gestaltungsspielräume, die sich auch teilweise widersprechen. • Eco-Schemes sollten über die Konditionalität hinausgehen und gegenüber den Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) abgrenzbar sein. • Eco-Schemes können als gesamtbetriebliche Paketlösung oder als einzelne Maßnahmen formuliert werden. Basierend auf den Erfahrungen des Greenings sollte eine betriebliche Lösung, anders als in der aktuellen Förderperiode, nur zielgerichtete Maßnahmen enthalten, die auch einen zusätzlichen Umweltnutzen bieten. • Eco-Schemes können als reine Maßnahmen-orientierte Förderung, die Prozesse vorschreibt, programmiert werden oder sich ggf. auch auf Ergebnisse beziehen, was teilweise im Rahmen der AUKM praktiziert wird. 5
• Eco-Schemes sind Maßnahmen mit jährlichen Zahlungen. Verschiedene Umweltleistungen erfordern jedoch eine längere Dauer einer Maßnahme. Insofern besteht eine Herausforderung darin, dieser längeren Dauer z.B. über die Zahlung eines Bonus für den entsprechend notwendigen Zeitraum zur Zielerreichung zu gewährleisten. Über den Reformentwurf hinaus stellen sich bei der Gestaltung zwei weitere grundsätzliche Fragen: Einheitlichkeit: Über die Einzelnen im Reformentwurf angelegten Gestaltungsspielräume stellt sich die Frage, ob die Eco-Schemes auf Bundesebene einheitlich gestaltet werden sollten oder ob eine regionale Differenzierung machbar ist. Zusätzlichkeit: Des Weiteren könnte eine Schlussfolgerung aus dem Greening sein, ob man mit Hilfe der Eco-Schemes zusätzliche Leistungen erreicht. 3.) Ausgestaltung der Prämien für Eco-Schemes Es gibt unterschiedliche Optionen für die Berechnung der Prämien • Eine Möglichkeit besteht darin, die Prämie basierend auf der Entschädigung von Kosten oder dem entgangenen Gewinn zu berechnen. • Die Eco-Schemes können jedoch auch als pauschale Zahlung zusätzlich zu den Direktzahlungen gestaltet werden. • Des Weiteren stellt sich die Frage, ob eine Einkommenskomponente gewährt werden soll. 4.) Zielkonflikte der Gestaltung der Eco-Schemes in einem föderalen Staat Ausgangspunkt für eine sinnvolle Gestaltung der Eco-Schemes sind die Kriterien der Effektivität und der Effizienz, die sich beide beim Greening als unzureichend erwiesen haben. D.h. jede Ausgestaltung sollte im Blick haben, dass mit Maßnahmen effektiv Umwelteffekte erreicht werden unter möglichst minimalem Mitteleinsatz. Aktuell werden weitere Kriterien für die Umsetzung der Eco-Schemes zwischen Bund und Ländern diskutiert (BMEL, 2021), die zwangsläufig zu Zielkonflikten führen (Abbildung 2): Abbildung 2: Kriterien und Zielkonflikte bei der Gestaltung der Eco-Schemes Quelle: eigene Darstellung. 1.) Die Maßnahmen sollen für Deutschland einheitlich sein, was mit niedrigerem Veraltungsaufwand bei der Implementierung begründet wird. 6
2.) Es sollen einheitliche Prämien für bestimmte Maßnahmen gezahlt werden. Die Argumentation besagt, dass Betriebe in Regionen mit niedrigem Ertragspotenzial nicht gegenüber anderen Regionen benachteiligt werden sollen. 3.) Es soll gleichzeitig eine hohe Teilnahmerate erreicht werden, damit keine Mittel für Eco- Schemes an die EU zurückgezahlt werden sollen. 4.) Es soll zwischen den Bundesländern keine Umverteilung von Mitteln in der I.Säule geben. Diese Kriterien führen bei simultaner Anwendung zwangsläufig zu Zielkonflikten und stehen einer Anwendung von effektiven und effizienten Umweltmaßnahmen im Wege. a.) Wenn bundeseinheitliche Maßnahmen mit niedrigen Prämien angewendet werden, werden zunächst nur Betriebe in Regionen mit niedrigen Ertragspotenzialen teilnehmen, während Betriebe in Regionen mit hohem Ertragspotenzial aufgrund niedriger Prämien nicht teilnehmen werden. Es kommt zwangsläufig zu einem Mittelabfluss von Bundesländern mit hoher Standortqualität (wie Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen) in Bundesländer mit einem höheren Anteil schlechter Standorte. Es gibt somit einen Zielkonflikt zwischen (1) und (2) gegenüber (4). Auch (3) würde nicht entsprochen, weil durch die niedrige Prämie insgesamt nicht ausreichend Betriebe teilnehmen. b.) Will man diesen Mittelabfluss vermeiden, so könnte dies über eine regionale Differenzierung der Maßnahmen erreichet werden, so dass in den Bundesländern verschiedene Maßnahmen mit unterschiedlichen Prämien angeboten werden. Dies würde (4) entsprechen, (1) und (2) können dagegen nicht eingehalten werden. c.) Wenn man andererseits eine hohe Teilnahme (3) erzielen will, bei einheitlichen Prämien (2), so könnte man dies über eine hohe Prämie erreichen. In Regionen mit niedriger Standortqualität würden dann zu hohe Prämien gezahlt, so dass es dort zu hohen Mitnahmeeffekten kommen würde und die Zahl der teilnehmenden Betriebe und der Anteil geförderter Fläche noch höher ausfällt. Insgesamt zeigt sich, dass letztere Lösung zu hohen Mitnahmeeffekten bei den Betrieben führt. ZU hohe, pauschale Prämien waren eines der Grundprobleme des Greenings und führten dazu, dass die eingesetzten Greeningmittel weitgehend als ineffizient zu bezeichnen sind. Aus Sicht des Steuerzahlers sollten knappe Mittel zielgerecht eingesetzt werden und sich an Opportunitätskosten orientieren. Mitnahmeeffekte bei Zahlungsempfängern sollte vermieden werden. Empfehlung: Es erscheint sachgerecht, mindestens auf eines der Kriterien zu verzichten. Entweder, man akzeptiert eine regionale Differenzierung der Prämien oder man bleibt bei einheitlichen Prämien, lässt dann eine Umverteilung zwischen den Bundesländern zu und gleicht mögliche Umverteilungen über den Verteilungsschlüssel in der II. Säule wieder aus. 5.) Empfehlungen für die Gestaltung Insgesamt sind folgende Grundätze für die Gestaltung der Eco-Schemes zu empfehlen: 1.) Die Ziele und Prioritäten der Eco-Schemes sollten sich ausschließlich auf Umweltziele beziehen. Eine klare Zieldefinition und die Festlegung von Prioritäten können bei der Gestaltung und v.a. der Evaluierung dieses Instrumentes hilfreich sein. Es wäre in diesem Zusammenhang wichtig zu überlegen, welche Bedeutung man der Förderung von Brachflächen, Landschaftselementen oder Streifenelementen in Hochertragsregionen beimisst. Die Förderung in diesen Regionen könnte sehr teuer sein und man könnte mit ähnlichen Mitteln in anderen Regionen einen höheren Flächenanteil erreichen. Andererseits könnte der Zusatznutzen in Hochertragsregionen besonders hoch ausfallen. 7
Insofern sollte eine solche Frage vorab politisch diskutiert und festgelegt werden, weil sich aus einer solchen Festlegung andere Gestaltungsprinzipien ableiten. 2.) Eine Maßnahmen-orientierte Vorgehensweise, da bei einem betrieblichen Ansatz weder Effektivität noch Effizienz gegen sind. 3.) Die Wahl von effektiven Maßnahmen für Eco-Schemes. Aktuell sind folgende Maßnahmen vorgesehen • Brachen • Landschaftselemente • Blüh- u. Altgrasstreifen • Extensivierung Dauergrünland • Vielfältige Kulturen • Agro-Forstsysteme (BMEL, 2021). Im Greening haben sich Brachen, Landschaftselemente und Streifenelemente als wirksam erwiesen. Eine solche Förderung könnte auf der Ausgestaltung von GLÖZ 9 (nicht-produktive Flächen) aufbauen. Auch die Grünlandextensivierung ist eine wichtige Grundlagen-Maßnahme zur Erreichung von mehr Ressourcenschutz und Biodiversität. Eine extensive Grünlandbewirtschaftung kann auch etwas zum Klimaschutz beitragen. Bei der Förderung vielfältiger Kulturen kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an, ob eine solche Maßnahmen tatsächlich als effektive Maßnahme zu bezeichnen ist. Hierzu liegen bisher keine Informationen vor. Die Förderung von Agro-Forstsystemen könnte perspektivisch interessant sein, aber auch hier ist nicht ganz klar, welche Inhalte genau gefördert werden. Wenn Betriebe Agro-Forstsysteme einführen, so entstehen zunächst investive Kosten. Die Eco-Schemes sind als jährliche Zahlungen nicht geeignet, um eine solche Investition zu finanzieren. Die laufenden, jährlichen Kosten könnten über Eco-Schemes gefördert werden, allerdings müsste eine solche Förderung mit Investitionsmaßnahmen kombiniert werden. Zusätzlich könnte die Maßnahme Lichtäcker, d.h. extensiver Getreideanbau mit geringen Inputs und weiter Reihe geprüft werden, da von dieser Maßnahme positive Biodiversitätseffekte ausgehen könnten (Oppermann, et al., 2020). Weitere Maßnahmen wurden vom Bundesamt für Naturschutz vorgeschlagen (BfN, 2021). Ein breiteres Angebot an effektiven Maßnahmen für die Eco-Schemes erscheint insofern möglich und auch sinnvoll. 4.) Wichtig ist eine konsistente Ausgestaltung der Eco-Schemes zusammen mit der Konditionalität und den Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen. Gerade für die Betriebe ist ein Gesamtkonzept für die grüne Architektur wichtig. Das Greening war teilweise schlecht auf die AUKM abgestimmt und wurde bei seiner Einführung 2015 zu spät kommuniziert. Daher sollte dieses Mal frühzeitig ein Gesamtkonzept für die Betriebe kommuniziert werden. 5.) Die Berechnung der Prämien für Eco-Schemes sollte sich an den Opportunitätskosten orientieren. Aus Effizienzgesichtspunkten sollte über eine regionale Differenzierung der Prämien nachgedacht werden, da dies die Effizienz des Mitteleinsatzes erhöhen würde und auch eine mögliche Umverteilung von finanziellen Mittel der I. Säule zwischen den Bundesländern vermindern. 6.) Gewinnaufschläge oder Anreizkomponenten sollten bei der Berechnung der Prämien gleichermaßen in Eco-Schemes und AUKM angewandt werden. Die Literatur empfiehlt die Anwendung von Gewinn- und Risikoaufschlägen für die Prämierung von Agrarumweltleistungen (Pe’er, et al., 8
2020). Allerdings wäre es problematisch, wenn solche Aufschläge ausschließlich auf Eco-Schemes angewandt würden, weil dies zu einer verminderten Teilnahme an den AUKM führen könnte. 7.) Sollte es zu einer Umverteilung zwischen den Bundesländern kommen, so könnte ein finanzieller Ausgleich zwischen den Bundesländern über den ELER-Verteilungsschlüssel in der II. Säule stattfinden. Hierfür müsste die Umverteilung ex-ante abgeschätzt werden, was jedoch möglich erscheint. 8.) Mittelfristig könnten Punktesysteme eine interessante und aus Sicht der Landwirt*innen attraktive Lösung für die Agrarumweltförderung darstellen. Dies gilt jedoch nur, wenn ausschließlich effektive Maßnahmen bepunktet werden und die Maßnahmen innerhalb eines solchen Systems fachlich gut und ökonomisch präzise aufeinander abgestimmt sind. Der Deutsche Verband für Landschaftspflege e.V. (DVL) hat ein solches System in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft entwickelt (Neumann, et al., 2017). Dieses System wird als umsetzbar eingestuft (Röder, et al., 2021) und für eine Umsetzung ernsthaft geprüft. Es gibt jedoch eine Reihe anderer Vorschläge für Punktesysteme, die bisher nicht so weit ausgearbeitet sind. Ein fachlich ungenau abgestimmtes Punktesystem mit einfachen und wenig zielgerichteten Maßnahmen wäre zwar ein Punktesystem, jedoch mit den gleichen Problemen behaftet wie wenig effektive Einzelmaßnahmen. Eine Umsetzung eines Punktesystems benötigt eine gute Vorbereitung und sollte für die zukünftige Förderung in Betracht gezogen werden (Metta and Lakner, 2021). Ähnliches gilt für kooperative Umsetzungsmodelle. 9.) Die Förderung der Ökologischen Landwirtschaft könnte eine Herausforderung darstellen, vor allem, wenn über die Eco-Schemes sehr niedrigschwellige Maßnahmen großzügig gefördert werden, an denen die Öko-Betriebe jedoch (aufgrund der Förderung in der II. Säule und dem Verbot von Doppelförderung) nicht teilnehmen können. Eine Maßnahme wie z.B. Reduktion von chemischen Pflanzenschutzmitteln oder mineralischer Düngung wäre für einen Ökobetrieb nicht förderfähig, würde in der 1.Säule jedoch nur begrenzte Umweltleistungen bieten. Insofern sollte über sinnvolle Kombinationen für Ökobetriebe nachgedacht werden. Gleichzeitig müssen Maßstäbe, die in den Eco- Schemes für konventionelle Betriebe gelten, auch für Ökobetriebe gelten, um eine systematische Benachteiligung der Ökobetriebe zu vermeiden. 3. Wie/Mit welchen Instrumenten muss die GAP insgesamt ausgestaltet werden, um die Ziele des Green Deal, der Biodiversitätsstrategie und der Farm- to-Fork-Strategie nicht zu konterkarieren? Für die Gestaltung des Green Deals sind unterschiedliche Instrumente und Maßnahmen erforderlich: 1. Die Grüne Architektur im Rahmen der zukünftigen GAP muss effektiv und effizient ausgestaltet werden. Hierbei liegt eine besondere Bedeutung auf den AUKM in der 2.Säule der GAP, da diese (wie oben skizziert) effektiv zu Umweltzielen beitragen können. Wie ebenfalls oben dargestellt, können auch die Eco-Schemes bei einer günstigen Ausgestaltung zu den Zielen des Green Deal und der Biodiversitätsstrategie beitragen. Auch die Konditionalität kann zu den Zielen beitragen. 2. Die Moorwiedervernässung ist eine hoch-effektive Maßnahme des Klimaschutzes in der Landwirtschaft und wird aufgrund ihrer Hebelwirkung aus wissenschaftlicher Sicht empfohlen (WBAE and WBFP, 2016). In Deutschland tragen organische Böden (7% der Flächen), die als intensives Grünland oder Ackerland genutzt werden zu 37% der Klimaemissionen bei (GMC, 2019). Für die Wiedervernässung sind neben zielgerichteten AUKM auch Investitionshilfen notwendig. Dies könnten einerseits im Rahmen der Programme für Ländliche Entwicklung bereitgestellt werden. Daneben muss diskutiert werden, ob diese Langzeitaufgabe nicht über eine Förderperiode hinaus geht und daher eher aus nationalen Mitteln, z.B. über einen Klimafond der Bundesregierung gefördert werden können. 9
3. Der Ausbau der ökologischen Landwirtschaft auf einen Flächenanteil von 25% bis 2030 wird in der Biodiversitätsstrategie als Ziel genannt. Ähnliche Ziele werden im Moment auf nationaler Ebene im Koalitionsvertrag zw. CDU/CSU und SPD von März 2018 (CDU/CSU and SPD, 2018) 4 oder in den Volksbegehren Artenvielfalt in Bayern formuliert (Bayerischer Landtag, 2019)5. Weitere Volksbegehren mit ähnlichen Zielformulierungen wurden in Baden-Württemberg und Niedersachsen von der Landesregierung übernommen. Der Ökolandbau trägt als Betriebssystem zu unterschiedlichen Umweltzielen bei und füllt als integratives System, bei dem Produktion mit Umweltleistungen einhergehen, eine wichtige Lücke im System der Agrarumweltförderung. Es gibt zahlreiche Publikationen zur Umweltwirkung des Ökolandbaus (Tuck, et al., 2014, Reganold and Wachter, 2016, Seufert and Ramankutty, 2017, Sanders and Heß, 2019), die zunächst zahlreiche Vorteile wissenschaftlich belegen. Gleichwohl kann vom Ökolandbau nicht erwartet werden, dass er als System alle Umweltprobleme gleichzeitig löst. Für die Lösung der Umweltprobleme in der Landwirtschaft ist ein Gleichklang von spezifischen Maßnahmen im Rahmen der Agrarumweltprogramme, der Förderung des Ökolandbaus und der Optimierung der konventionellen Landwirtschaft im Hinblick auf ihre Umweltwirkung sinnvoll. Wenn die oben skizzierten Ziele zum Ausbau des Ökolandbaus erreicht werden sollen, erscheint ein finanzieller Ausbau der Förderung in der 2.Säule notwendig. Gleichzeitig sollte die Förderung des Ökolandbaus immer im Hinblick auf den Markt ausgebaut werden. Eine zu hohe Förderung würde ggf. die Preisstabilität auf dem Ökomarkt in Frage stellen und zu Verwerfungen führen. Daher erscheint auch ein Konzept zur Stimulation der Nachfrage nach Ökoprodukten notwendig, um die dargestellten Wachstumsziele erreichen zu können. 4. Für die Reduktion von chemischen Pflanzenschutzmitteln sollten vor allem Steuerlösungen geprüft werden. Ein isoliertes Verbot von Glyphosat erscheint wenig sinnvoll. Lediglich der Einsatz von Glyphosat als Abreifungshilfe (Sikkation) erscheint ohne Weiteres verzichtbar (Steinmann, et al., 2016). Insgesamt wäre eine langfristige und ganzheitliche Strategie für den Einsatz von chemischem Pflanzenschutz wichtig (Finger, 2018), die auf alle Komponenten des chem. Pflanzenschutzes abzielt. Es wäre sinnvoll, die Wirkstoffe im Pflanzenschutz nach individuellem Risiko einzustufen und entsprechend zu besteuern (Möckel, et al., 2015). Allerdings enthält eine Pflanzenschutzsteuer auch diverse Herausforderungen, insofern wäre hier eine gute Vorbereitung notwendig. 5. Es ist zu empfehlen, die Direktzahlungen spätestens zu Beginn der nächsten Förderperiode auslaufen zu lassen. Da die Umsetzung von Green Deal, Farm-to-Fork-Strategie und Biodiversitätsstrategie größere finanzielle Mittel erfordern wird, erscheint es naheliegend, wenig wirksame Subventionen auslaufen zu lassen. Die Abschaffung oder Reduktion der Direktzahlungen wird von einer Reihe von Studien nahegelegt oder direkt gefordert. Aus Sicht der Wissenschaft wird die Sinnhaftigkeit der Direktzahlungen seit vielen Jahren und Jahrzehnten verneint. Hierzu lohnt auch ein Blick in die verschiedenen Stellungnahmen des Wissenschaftlichen Beirats für Agrar- und Ernährungspolitik beim BMEL (WBAE), aber auch andere Forschergruppen oder Institutionen teilen die Kritik an den Direktzahlungen (WBAE, 2010, Buckwell, et al., 2017, Fresco and Poppe, 2017, ECA, 2018, Heinemann and Weiss, 2018, Leopoldina, 2018, WBAE, 2018, Pe'er, et al., 2019) Die EU-Kommission sollte empirisch belegen, dass landwirtschaftliche Haushalte gegenüber anderen Haushalten sozial benachteiligt sind. Solange die Agrarpolitik in EU, Bund und Ländern einen solchen Beleg der sozialen Benachteiligung nicht vorlegen kann, sind einkommenspolitisch motivierte Direktzahlungen wissenschaftlich nicht hinreichend begründet. 4 Die Große Koalition formuliert als Ziel, bis 2030 einen Flächenanteil von 20% zu erreichen. 5 Das Volksbegehren formuliert als Ziel, bis 2030 einen Flächenanteil in Bayern von 30% zu erreichen. 10
Sollten die politischen Entscheidungsträger zu dem Entschluss kommen, dass die Direktzahlungen deutlich reduziert oder abgeschafft werden, so sollte dies schrittweise erfolgen. Der Wissenschaftliche Beirat für Agrar- und Ernährungspolitik weist darauf hin, dass ein schrittweiser Ausstieg aus den Direktzahlungen notwendig ist, um Strukturbrüche in der Landwirtschaft zu vermeiden (WBAE, 2018). 6. Es wird empfohlen, schädliche Subventionen im Rahmen der GAP ersatzlos zu streichen. Als schädliche Subventionen können vor allem die gekoppelten Zahlungen bezeichnet werden (Hofreither, et al., 2004, Schmid, et al., 2007), die in anderen EU-Mitgliedstaaten zu Wettbewerbsverzerrungen und zur Förderung nicht nachhaltiger Agrarsysteme beitragen können. So tragen die gekoppelten Zahlungen zur Rinderproduktion (42% der gekoppelten Zahlungen) und zur Milchviehhaltung (20%) bei, so dass viele Betriebe außerhalb Deutschlands weiter in diesen Bereichen wirtschaften und die Angebotsmengen in der EU produziert werden. Es stellt sich die Frage, ob diese Maßnahme aus klimapolitischer Perspektive zuträglich ist (Jansson, et al., 2020), während gleichzeitig eine Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen aus der Tierhaltung diskutiert wird (Pe'er, et al., 2017a). 4. Wie ist der aktuelle Verhandlungsstand zur Reformierung der GAP in Hinblick auf die genannten Empfehlungen/Erforderlichkeiten zu bewerten? Im Oktober 2020 haben das EU-Parlament und der Europäische Rat ihrer Änderungsanträge zur GAP nach 2020 beschlossen und damit den letzten Schritt der Beschlussfassung, den sog. Trilog zwischen Kommission, Rat und Parlament eingeleitet. In den nächsten Monaten werden diese drei Institutionen sich auf eine gemeinsame Verordnung einigen. Die Positionierungen stellen in vielen Details eher einen umweltpolitischen Rückschritt dar. Eine 1:1 Umsetzung der Positionen von Parlament und Rat würden eine fast nahtlose Fortsetzung der GAP aus der letzten Förderperiode 2014-2020 bedeuten und keine Politikänderungen implizieren. Ein detaillierter Vergleich des Reformentwurfs mit den Positionen von Rat und Parlament findet sich in Lakner (2021). Um die Herausforderungen für den landwirtschaftlichen Sektor und für die genannten Strategien der EU (Green Deal, Farm-to-Fork und Biodiversität) umzusetzen, erscheinen die von EU-Parlament und Rat vorgeschlagenen Änderungen nicht hinreichend. Insgesamt wäre es sinnvoll, auf europäischer Ebene eine ambitioniertere GAP-Reform durchzuführen. Allerdings hat die GAP nach 2020 diverse Gestaltungsmöglichkeiten, so dass selbst mit einer weniger ambitionierten GAP-Reform in Deutschland genug Spielraum existiert, um die GAP sinnvoll und effektiv umzusetzen und die oben skizzierten Herausfordergen anzugehen. Rostock, 22.02.2021 [Sebastian Lakner] 11
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