Familie im Wandel der Zeit - Frühe Hilfen

 
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Familie im Wandel der Zeit - Frühe Hilfen
Familie im Wandel der Zeit
                    Dr. Désirée Waterstradt
                    Pädagogische Hochschule Karlsruhe

            Online-Fachveranstaltung Mi 22.9.2021

          Mikrosystem Familie im Wandel der Zeit:
         Warum es Frühe Hilfen gerade heute braucht

 Nationales Zentrum Frühe Hilfen (Gesundheit Österreich GmbH)
Familie im Wandel der Zeit - Frühe Hilfen
Agenda
• Historische Entwicklung westliche Familie
• Westliche Familie heute
• Aus dem Wandel für heute und morgen lernen

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Familie im Wandel der Zeit - Frühe Hilfen
Woher kommt das Wort Familie
         und wie hieß es vorher?

                Frühe Neuzeit   Epochenschwelle   Moderne   Post
                                                            -moderne

            ?
                                                                 3
Quellen: DWDS
Familie im Wandel der Zeit - Frühe Hilfen
Familie => Das Haus
           in der europäischen Geschichte
           Zentrale identitätsvermittelnde Institution
           vormoderner agrarischer Gesellschaften (Europa)
           1.    Gebäude
           2.    Soziale Gruppe
           3.    Ordnungsmodell als Ideal
           4.    Höhere „heilige“ sinnstiftende Wir-Identität

                      Vor-/Früh-
                      geschichte
                                        Antike
                             *dem
                                                           Mittelalter
                                            okios
                                                                                Neuzeit
                                         domus / familia                              Moderne    Post
                                                                                                 -moderne
                                                                         Haus
                                                                                      Bürgerl.
                                                                                      Familie

                                                                                                 Kindzentr.
                                                                                                              4
Quellen: Eibach, Schmidt-Voges 2015; Waterstradt 2019                                            Familie
Familie im Wandel der Zeit - Frühe Hilfen
Frühgeschichte
           hier Bsp. frührömisch bis 9. Jh. v.Chr.

            • *dem häusliche Kultgemeinschaft
            • Zentralposition *dem-poti
            • 2 Begriffe: atta, pater
            • Mischsystem: Verwandtschaft bilinear
            • Struktur

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Quelle: Waterstradt 2019
Familie im Wandel der Zeit - Frühe Hilfen
Griechische Antike
            • oikos
                   − Im Zentrum: oikos-Kult = Hauskult
            • Zugehörig
                   − hērōes
                   − Ehemann         Eheideal: harmonisch-asymmetrische Partnerschaft
                   − Ehefrau                       Eherealität: hohes Maß an Fremdheit

                   − Kinder
                   − Sklaven
                   − Eigentum: Land, Vieh, Haus …

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Quelle: Waterstradt 2019
Familie im Wandel der Zeit - Frühe Hilfen
Römische Antike
            Zwei Kollektivbegriffe
            • domus (abstrakt-übergeordnet)
                   − Im Zentrum Ahnenkult:
                     Verehrung di parentes / di manes
            • familia (personal)
                   − Komplexer Herrschaftsbegriff
                   − häufigste alltägliche Begriffsverwendung:
                     Sklavengesinde einer Hausgemeinschaft (famulus: Sklave, Diener)
                   − Zentralposition pater familias
                   − Zusätzliche Eheformen
                   − Lockerung Sphärentrennung Geschlechter

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Quelle: Waterstradt 2019
Familie im Wandel der Zeit - Frühe Hilfen
Mittelalter Haus
            Entwicklungsprägende Faktoren
            • Religion: Christentum (Westkirche)
                   − Familiale Beziehungsqualität als Vorbild (Kirche als Heilige Familie)
                     => Entfamilialisierung des Sozialen
            • Arbeitsorganisation: Grundherrschaft
                   − Ökonomisierung des Sozialen
                      => Lockerung Abstammungsbeziehungen (Ausnahme: Adel)
            Institution des Hauses
            • Entstehung verschachteltes System über- und untergeordneter
               HausWirtschaftsgemeinschaften
            • Sklaven der Antike werden zu grundhörigen Unfreien
            • Gesindephase im Leben
            • Doppelspitze: Hausvater & Hausmutter als Genossen
                   => Entstehung Begriffe für Eltern, später Elternschaft
                   − „al“ (idg.): nähren, wachsen machen, wachsen
                   − „alda“ (ger.): alt, erwachsen
                   − Erster deutscher Elternbegriff: eltiron (ahd. ab 765)

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Quelle: Waterstradt 2019
Frühe Neuzeit Haus
            Erneuter Bedeutungsaufstieg Abstammungsbeziehungen
            • Erneut religiös-kultische Aufladung
            • Reformation
                   − Geistlich-religiöse Überhöhung des Hauses
            • Gegenreformation
                   − Sakralisierende Überhöhung christliche Urfamilie als heiliges Ideal
                   − Grundlage neuzeitliche „Familienreligion“
            • Aufstieg bürgerliche Schichten in ständischer Gesellschaft

                                                                                           9
Quelle: Waterstradt 2019
Moderne, bürgerliche Familie
            Trotz/wegen Aufklärung: Mythisierung & Überhöhung Familie
            • Haus wird zur Familie
            • Familie: Herzstück der bürgerlichen Kultur
            • Harmonische Gegenwelt
              zu Eigennutz & Konkurrenz in Politik & Wirtschaft
                   − Ideal & Leitbild, keine Realität!
            • Bürgerliche Meisterdenker (er)finden „Geschichte“ ihres
              Familienmodells: Großfamilie
                   − Ewig, heilig, unveränderlich
                     => Veränderung = Sünde

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Quelle: Waterstradt 2019
Nationsbildung:
            Nationales Interesse am Kind
            • Nationsbildung als bürgerliches Projekt
                    − Gemeinschaft der Lebenden, der Toten und der noch Ungeborenen
            • Staatsnation, Wirtschaftsnation, Kulturnation …
                    − Paternalismus: Vater Staat, Nationsfamilie mit Kindern der Nation
                    − pater familias („geistige Vater“, Experte/Expertin etc) weiß besser als
                      der Betroffene, was für jemanden gut ist
            • Nationales Interesse am Kind
                    − „Entdeckung“ der Kindheit: Erziehung zum nationalen Habitus
                    − Wandel Bild vom Kind
                            ▪ Sakralisierung „heiliges“ Erlöserkind, Macht der Unschuld
            • Kindzentrierung
                            ▪ Institutionalisierung & Professionalisierung:
                              Schule, Armee, Kindergarten, Jugendamt …
                            ▪ Kindzentrierte Familie
                            Aber: Machttabu
                                                                                                11
Quelle: Waterstradt 2015, 2017, 2019
Kindzentrierung:
           Grundproblem & Folgen
           • Kinder können sich nicht selbst organisieren & vertreten
                   − Interessenvertretung erforderlich:
                     Vermischung Interessen zwangsläufig
                   − Ringen um Autorität:
                     Balancen von Kindzentrierung & KindDEzentrierung
                           Wer legt Maßstäbe / Normen fest?
                           Wer beurteilt Umsetzung?
           • Instrumentalisierung & Repaternalisierung
           • Zuordnung Fürsorge rund ums Kind:
             Aufrechterhaltung bürgerlich-polarisierte Geschlechtsrollen
           • Aufschaukeln Konkurrenz rund ums Kind:
             Konkurrenzmechanismus: „Kindchenmechanismus“

                                                                           12
Quellen: Waterstradt 2015, 2017
Intensivierung von
          Mutterschaft & Vaterschaft
          • Mutter als beste Betreuerin &
            Intensives Bemuttern als zentrale
            Identitätsdimension*
          • Neuer, aktiver, engagierter Vater

           Verschärfung Kindzentrierung durch
           Konkurrenz ums Kind auf & zw. allen Ebenen

                                                            13
*Quellen: Hays 1996, Ennis 2014, Diabaté 2018, Stamm 2020
Agenda
• Historische Entwicklung westliche Familie
• Westliche Familie heute
• Aus dem Wandel für heute und morgen lernen

                                               14
Meinungsklima heute
           Familienleitbild
           • Gute Kindheit
                   − glücklich, Rechte als Subjekt, kaum Pflichten, optimale Förderung, hohe
                     Erwartungen an Erziehung, Pädagogisierung & Psychologisierung
           • Gute Mutter
                   − Unerfüllbarer Widerspruch
                         ▪ Finanziell und persönlich unabhängig, erwerbstätig,
                         ▪ zuständig für Nachmittagsbetreuung der Kinder, schulische Unterstützung,
                           Förderung, Alltag
           • Guter Vater
                   − Erwartung: aktiver Erzieher, aber Rückzug auf Ernährerrolle ist ok und
                     überwiegt
           • Verantwortete Elternschaft
                   − Voraussetzung: materielle Grundlagen, stabile Partnerschaft,
                     persönliche Reife, richtiger Weg zur Familiengründung,
                     richtiges Verhalten vs. Kind
           • Familiengründung: Rushhour des Lebens
                   − gestiegene Anforderungen & Belastungsniveau, unsichere ökonomische
                     Situation => Stress, Druck, Hektik (betroffen v.a. Hochqualifizierte)
                                                                                                      15
Quelle: Schneider 2014
Lebenswelten sind vielfältig
          Familie & Elternschaft auch

                                         16
Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Lebenswelten
          Eltern mit Kindern unter 18

                                        Eltern
                                        mit
                                        Kindern
                                        unter 18

                                               17
Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Rollenbilder „guter Vater“
                                   Familienvorstand
                                     & überlegter
                                    Weichensteller
                                                        Partizipierender          Professioneller
                                                            Erzieher            Teilzeit-Event-Papa

                                              Feierabend-Papa                     Entdecker
                                                                               fremder Welten

                                        Geldverdiener                       Großer Bruder:
                                           & Chef                          Spiel- & Spaßvater

                                                                                                      18
Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Rollenbilder „gute Mutter“

                                     Erziehungs-
                                     managerin
                                                       Lebensphasen-      Projekt-Profi
                                                         begleiterin         Mama

                                              Allzuständige
                                                                        Begeisterte Mutter
                                         Beschützerin & Förderin
                                                                        entdeckt sich selbst

                                                                     Große Schwester &
                                      Versorgungs-Mutti            „etwas andere“ Mutter

                                                                                               19
Quellen: Merkle, Wippermann (2008)
Bedeutung des Kindes
                                    Status, Nachfolger,
                                   Stammhalter, hohe                               Teil des Erfolgsrezeptes,
                                   Leistungserwartung
                                                                                  wenn alles andere stimmt
                                                             Eigenes Wesen,
                                                           Eltern als Begleiter

                                            Zentrale Lebensaufgabe                    Freund, Beginn
                                            der Frau, Investitionsgut                neuer, bewusster
                                                                                     Lebensabschnitt

                                   Statussymbol, Nachahmung
                                    Mainstream, Sinnstiftung             Zunächst Angriff auf eigene
                                   Mutter, Einkommensquelle              Identität, dann aber neues
                                     & finanzielle Belastung             Hobby & Selbstbestätigung

                                                                                                          20
Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Migranten-Milieus

                                   21
Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Migranten-Milieus
          Herkunftsländer

Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Abgrenzungslinien

                                   sozialhierarchisch

                                                        23
Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Eltern unter sozialem Druck
                         Probleme von Eltern                                     Was Eltern brauchen
                                                            Meinungsklima
        kinder-, eltern-, mütterunfreundliche Gesellschaft          kinder-, eltern- mütterfreundliches Klima
                                                                    Anerkennung & Wertschätzung
                               Spaltung von Eltern / Mütter         Stabilisierung & Unterstützung statt weitere Spaltung
                                                       Geschlechtsstereotype
                    Vergeschlechtlichung durch Elternschaft
                                    Norm der guten Mutter
                                                                    Abbau sozialer Druck zu Vergeschlechtlichung von
                              Unbestimmtheit Vaterhabitus           Elternschaft
                   Aberkennung Männlichkeit, Weiblichkeit /
                                             Mütterlichkeit
                                             Erwartungen und Rahmenbedingungen
                                              Bildungsdruck         Reform Bildungssystem
                                                                    Verbesserung Betreuungssituation
                                           Erziehungsdruck
                                                                    Weniger Erwartungsdruck
                          Vereinbarkeitsdilemma, Zeitdruck          Verbesserung Vereinbarkeit von Familie und Beruf
                                                                    Finanzielle Wertschätzung von Elternschaft
                                          Finanzieller Druck        Anrechnung Elternschaft in Renten- &
                                                                    Sozialversicherungssystem
                            Keine wirksame politische Lobby         wirksame politische Lobby
                                                       Migrationshintergrund
Quellen: Merkle,            sozialer Druck durch Stereotype                                                            24
Wippermann 2008
                                                                    s.o.
                             häufig geringes soziales Kapital
Niemand arbeitet mehr als Eltern (bez./unbez.)

                                                                   • asdf

Quellen: WSI Report 2017, Durchschnittlicher täglicher Zeitaufwand für bezahlte und unbezahlte Arbeit von Frauen und Männern in Deutschland   25
(2012/2013), in Stunden und Minuten
Unbezahlte vs. unbezahlte Arbeit
        & Geschlecht

                                                       Wertschätzung
           Bezahlte Arbeit                                                4:09 h   6:05 h

                                                                                            Wertschätzung
          Unbezahlte Arbeit                                               4:30 h   2:15 h

                                              Motive für unbezahlte Arbeit:
                                              • Moralische Verpflichtung
                                              • Gemeinnutzen (Altruismus)
                                              • Eigennutzen (Freude)

                                                                                                            26
Quelle: OECD (2021) Bezahlte und unbezahlte Arbeit in Österreich nach Geschlecht
Mutterschaftsstrafe &
        Vaterschaftsbonus?
          Bruttostundenverdienste nach Geschlecht in 2010 in Euro in Deutschland

                                                                                   27
Quellen: Statistisches Bundesamt 2013
Mutterschaftsstrafe &
           Vaterschafts-/Kinderlosigkeitsbonus
Durchschnittliches Lebenserwerbseinkommen in Westdeutschland
Prozent im Vergleich zu Männern

120%
                                                                             Väter
100%
                                                               kinderlose Männer
  80%

                                                                  kinderlose Frauen
  60%

  40%
                                                                           Mütter
  20%
                   1965             1970             1975                  1980       1985
                                        Geburtskohorten                                  28
Quelle: Barišić & Consiglio 2020
Jugendliche:
           Gutes Zeugnis für Eltern
           • 92% haben ein positives Verhältnis zu Eltern
           • Für 74% sind Eltern maßgebliche Erziehungsvorbilder
           • Zufriedenheit schichtabhängig: je höher, desto besser

Quelle: Shell Jugendstudie 2019
                                                                     29
Agenda
• Historische Entwicklung westliche Familie
• Westliche Familie heute
• Aus dem Wandel für heute und morgen lernen

                                               30
Aus dem Wandel lernen:
Eigene Prägungen erkennen
• Alle Menschen sind Kinder von Müttern und Vätern – auch Fachkräfte
    Unbewusste Bilder von Mutterschaft & Vaterschaft
         ▪ Sozialhistorische Entwicklung, Traditionen, Leitbilder, Meinungsklima
         ▪ Persönliche Erfahrungen
• Fachkräfte helfen beim Übergang zu Eltern in einer hochgradig
  vielfältigen, sich rasch verändernden Welt
    − Verständnisgrenzen: Eigene Prägung und Erfahrung aus Lebenswelt/Milieu,
      Herkunftssprache, Kultur, Generation, Geschlechter etc.
    − Fachkraft begegnet täglich Neuem
      => gefordert, sich jedes Mal neu darauf einzulassen
    − Fach- & Alltagswissen zu Elternschaft ausbauen (siehe Anhang:
      Literatur/Medientipps)
• Auch Fachkräfte sind Geschlechtswesen
    Sie können nicht nicht geschlechtlich handeln
         ▪ Kritische Reflexion eigene Prägungen & eigenes Handeln durch Vergeschlechtlichung
               •   Geschlechterspaltung?
                      − Weiblichkeit / Mütterlichkeit
                         = Fürsorge, Empathie, Bindung, Nähe, Intimität
                      − Männlichkeit / Vaterschaft
                         = Autonomie, Selbstbehauptung, Aktivität, Selbstbezogenheit, Unabhängigkeit,
                         instrumentell, Depersonalisierung, Retter vor zu viel Abhängigkeit und Bindung
               •   Geschlechterblindheit oder –verschleierung? Bsp. „Eltern“
                                                                                                          31
Aus dem Wandel lernen:
           Kritische Selbstreflexion
           • Vorsicht: lange Paternalismus-Tradition
                     Fachkräfte sind keine Obereltern, müssen keine paternalistischen Autoritäten und Wissenshoheit
                      verkörpern.
                     Mütter & Väter sind in eigener Sache kompetent, mündig und müssen gehört werden. Eine Fachkraft
                      weiß nicht besser als die Mutter/ der Vater, was deren Bedürfnisse sind.
                          ▪   Meinungsklima gegenüber Müttern & Vätern (Medien, Elternratgeber, Fachliteratur, Ausbildungsgänge)?
                          ▪   Mütter-/Väterbild im eigenen Berufsfeld (Mutter als Hauptbezugsperson? Vater und Fachkräfte als Retter?)
           • Eigene Bilder von Mutterschaft und Vaterschaft kritisch reflektieren
                    − Rollentausch: Die Mutter-*/Vaterposition in Ich-Form einnehmen und ihre Entwicklung, Zwänge,
                      Wünsche und Bedürfnisse mit Empathie, Zuneigung und Neugier beschreiben
                      (als innerer Dialog, Brief oder in einer Gruppe)
                          ▪   eigene Mutter/Vater
                          ▪   Mütter/Väter im privaten Umfeld
                          ▪   Mütter/Väter im beruflichen Umfeld
           • Innere Haltung gegenüber Müttern & Väter überprüfen
                    − Innere Haltung vs. Mütter & Väter in mir, in meiner Fachdisziplin / Institution?
                    − Wie gut nehme ich Mütter & Väter als Subjekte wahr – nicht nur als Rolleninhaber?
                    − Welche positiven Veränderungen haben Eltern bisher bei mir als Fachkraft und meiner Institution
                      bewirkt?
                    − Verstehe und wertschätze ich die Perspektive und Argumente von Eltern?
                    − Drücke ich die Wertschätzung durch anerkennende Worte und Gesten aus und kommt dies bei den
                      Eltern an?

                                                                                                                                         32
*Quelle: Krüll (2007)
Vielen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit!
Anhang
• Transformationsprozess Sozial- / Verwandtschaftssysteme:
  Europäischer Sonderweg – einige wichtige Kennzeichen von Antike bis
  jetzt
• Familienmodelle
• Ebenen menschlicher Abhängigkeit
• Polarisierung „Geschlechtscharaktere“ in der bürgerlichen Gesellschaft
• Hinweise:
    − Literaturtipps: Eltern als Verantwortungsträger in Familien.
      Einstieg in die fachliche Sicht
    − Medientipps: Eltern als Verantwortungsträger in Familien.
      Einblicke in den Alltag
• Quellennachweise
Transformationsprozess
           Sozial- / Verwandtschaftssysteme
           Europäischer Sonderweg – einige wichtige Kennzeichen von Antike bis jetzt
           • Mischsystem: Verwandtschaft bilinear
           • Ökonomisierung: Von der Autarkie zur Profitabilität, Funktionsdifferenzierung,
             Integration und Skalierung
           • Grundherrschaft: große Schutz- und Leistungsverbände entstehen
             => konkurrenz- und leistungsbasierter männlicher Schutzherrschaft
           • Hohe Fluktuation durch Gesindephase => Jugendphase / Individualisierung
           • Konsensehe schützt Paar gegen Verwandte
             => gatten- bzw. elternzentriertes Familien- bzw. Verwandtschaftssystem
           • ökonomischer Erfolgsfaktor: Ehe- und Arbeitspaar als Führungsspitze
           • Geistliche Verwandtschaft - Entwertung leibliche Verwandtschaft durch
             Abstammungsfeindlichkeit => Entfamiliarisierung des Sozialen
             => Lockerung Abstammungsbeziehungen
           • Prinzip der Ablösung von den Eltern
           • Neolokalität: Neugründung eigener Haushalt
           • Flexibilität Sakralisierung im Transformationsprozess
           • Wandel Geschlechterverhältnisse bis zum Ende der Geschlechtsvormundschaft
                                                                                              35
Quelle: Waterstradt 2019
Familienmodelle
         Kollektivistisch                                                                            Individualistisch
         agrarisch-bäuerlich                            Lebenswelt                      urbane technologische Zentren
         gering                                       Wohlstandsniveau                                           hoch
         Alle Familienmitglieder bilden
         Produktionseinheit
                                                        Konstellation                     Generationen leben getrennt

         gilt dem Kollektiv                               Loyalität                               gilt dem Individuum*
                                                           Grad an
         hoch                                                                                                    gering*
                                                 verwandtschaftlicher Bindung
                                                                                 als Individuum und frei von familiären
         als Teil der Gruppe                      Entwicklung Persönlichkeit                               Bindungen*
         Gehorsam,
         Achtung vor Autoritäten
                                                     Werte Erziehungsstil       Eigenständigkeit, Eigenverantwortung*

         wirtschaftliche und Zukunftssicherung                                                              emotional,
         der Eltern,                                   Wert des Kindes           wirtschaftliche und Zukunftssicherung
         emotional                                                                              der Wirtschaftsnation*

         hohe Anzahl an Söhnen wichtig:
                                                                                wenige Kinder in die viel investiert wird
         materielle Unterstützung und              Geschlechterverhältnisse            - ohne Versorgungserwartung*
         Alterversorgung

         gering,
         höher nach Geburt von Söhnen
                                                  Status Mädchen & Frauen                        vergleichsweise höher

         patrilinear                                 Familienorganisation                           bilineare Tendenzen
                                                                                                                            36
Quelle: in enger Anlehnung an Kağıtçıbaşı 2017                                                       *geschlechtsabhängig
Ebenen
          menschlicher Abhängigkeit
          1.      Umwelt
          2.      Menschheit
          3.      Gesellschaften
          4.      Organisationen,
                  Institutionen
          5.      weiteres Umfeld
          6.      Persönliches Umfeld
                 −   Bekanntenkreis
                 −   Arbeitsumfeld
                 −   Nachbarschaft
                 −   Erweiterte Familie
                 −   Freundeskreis
                 −   Kernfamilie
                 −   Mütter, Väter
          7.      Individuen
          8.      Epigenetik
          9.      Genetik

                                          37
*Quelle: Noelle-Neumann 1980
Mann                                        Frau
Bestimmung für                              Bestimmung für
                      Außen                                      Innen
                      Weite                                       Nähe
                Öffentliches Leben                          Häusliches Leben
Aktivität                                   Passivität
            Energie, Kraft, Willenskraft           Schwäche, Erhebung, Hingebung
                     Festigkeit                             Wankelmut
               Tapferkeit, Kühnheit                       Bescheidenheit
Tun                                         Sein
                    selbständig                                Abhängig
         strebend, zielgerichtet, wirksam                 betriebsam, emsig               Polarisierung
                   erwerbend                                  bewahrend
                     gebend                                  empfangend
                                                                                     „Geschlechtscharaktere“
             Durchsetzungsvermögen                  Selbstverleugnung, Anpassung       in der bürgerlichen
                      Gewalt                                  Liebe, Güte                  Gesellschaft
                 Antagonismus                                 Sympathie
Rationalität                                Emotionalität                                   in deutschsprachigen Lexika
                                                                                                des 18. Jahrhunderts
                      Geist                                  Gefühl, Gemüt
                    Vernunft                                  Empfinden
                    Verstand                                Empfänglichkeit
                     Denken                                   Rezeptivität
                     Wissen                                   Religiosität
              Abstrahieren, Urteilen                           Verstehen
Tugend                                      Tugenden
                                                     Schamhaftigkeit, Keuschheit
                                                            Schicklichkeit
                                                         Liebenswürdigkeit
                      Würde
                                                             Taktgefühl
                                                        Verschönerungsgabe                                                38
                                                         Anmut, Schönheit          Quelle: Hausen 1976
Literaturtipps
Eltern als Verantwortungsträger in Familien
Einstieg in die fachliche Sicht

Das Kind steht seit langem im Zentrum vieler Wissenschaften, Berufe und Einrichtungen. Nach und
nach wächst auch das Wissen über Elternschaft und deren Überfrachtung durch Kindzentrierung
und Intensivierung.
• Kindzentrierung in Institutionen und Elternschaft. Wie kam‘s dazu, was sind zentrale Probleme?
     −   Désirée Waterstradt (2015): Prozess-Soziologie der Elternschaft. Nationsbildung, Figurationsideale und generative Machtarchitektur in Deutschland.
         Münster.
     −   Interview online: „Eltern sind in eine dienende Rolle gerutscht“. Der Standard 7.12.2019.
         https://www.derstandard.de/story/2000111946168/soziologin-eltern-sind-in-eine-dienende-rolle-gerutscht

• Wie geht es Eltern heute? Was brauchen sie? Wie unterscheidet sich Elternschaft in den
  verschiedenen sozialen Lebenswelten?
     −   Tanja Merkle, Carsten Wippermann (2008): Eltern unter Druck. Selbstverständnisse, Befindlichkeiten und Bedürfnisse von Eltern in verschiedenen
         Lebenswelten. Stuttgart 2008.
     −   Zusammenfassung online https://www.kas.de/de/einzeltitel/-/content/eltern-unter-druck1

• Gesellschaftliches Ideal der perfekten intensiven Mutterschaft und die Folgeprobleme für
  Frauen, Männer, Kinder und Gesellschaft
     −   Margit Stamm (2020): Du musst nicht perfekt sein, Mama! Schluss mit dem Supermama-Mythos - wie wir uns von überhöhten Ansprüchen befreien.
         München.
     −   Interviews online
              ▪     Kinder brauchen keine Supermütter
                    https://www.nzz.ch/meinung/wider-den-mama-mythos-kinder-brauchen-keine-supermuetter-ld.1559265
              ▪     Warum fühlen sich Väter oft nur als Babysitter
                    https://www.fritzundfraenzi.ch/gesellschaft/familienleben/margrit-stamm-viele-mutter-behandeln-den-vater-wie-einen-babysitter?page=all

• Leitbilder von Familie und Elternschaft heute ohne und mit Migrationshintergrund
     −   Christine Henry-Huthmacher (Hrsg.) (2014): Familienleitbilder in Deutschland. Ihre Wirkung auf Familiengründung und Familienentwicklung
         https://www.bib.bund.de/Publikation/2014/Familienleitbilder-in-Deutschland-Ihre-Wirkung-auf-Familiengruendung-und-Familienentwicklung.html?nn=9859530
     −   Diabaté, Sabine; Beringer, Samira; Garcia Ritz, Yannik (2016): Ähnlicher als man denkt?! Ein Vergleich der Familienleitbilder von Personen mit
         türkischem und ohne Migrationshintergrund in Deutschland https://www.bib.bund.de/Publikation/2016/Aehnlicher-als-man-denkt.html?nn=9859530

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Medientipps
Eltern als Verantwortungsträger in Familien
Einblicke in den Alltag

Die Überfrachtung moderner Elternschaft durch Kindzentrierung und Intensivierung
ist ein gesellschaftliches Tabu, doch es gibt auch Medien, die sie offengelegen.
Bücher
•   Elif Shafak (2010): Als Mutter bin ich nicht genug. Mama Milchreis, Frau von Derwisch, Miss Intellektuell und die anderen Frauen
    in mir. Köln. Buchbesprechung https://de.qantara.de/inhalt/elif-shafak-als-mutter-bin-ich-nicht-genug-zwischen-tinte-muttermilch-und-
    fingerfrauen
•   Brost, Marc; Wefing, Heinrich (2015): Geht alles gar nicht. Warum wir Kinder, Liebe und Karriere nicht vereinbaren können.
    Reinbek. Buchbesprechung https://www.sueddeutsche.de/leben/debatte-erschoepfung-1.2443153
•   Barbara Streidl (2012): Kann ich gleich zurückrufen? Der alltägliche Wahnsinn einer berufstätigen Mutter. München.
    Buchbesprechung https://vereinbarkeitsblog.de/barbara-streidl/
•   Jochen König (2013): Fritzi und ich. Von der Angst eines Vaters, keine gute Mutter zu sein. Freiburg i.B. Buchbesprechung
    https://wasliestdu.de/rezension/rezension-zu-fritzi-und-ich-von-jochen-koenig
•   Lisa Cossham (2017): Plötzlich Rabenmutter? Wie ich meine Familie verließ und mich fragte, ob ich das darf. München. Bericht
    zum Buch https://www.welt.de/vermischtes/article161887671/Wenn-eine-Mutter-die-Familie-verlaesst.html
•   Christine Finke (2016): Allein, alleiner, alleinerziehend. Wie die Gesellschaft uns verrät und unsere Kinder im Stich lässt. Köln.
    Buchbesprechung https://www.deutschlandfunkkultur.de/christine-finke-allein-alleiner-alleinerziehend.1270.de.html?dram:article_id=359972
Podcast
•   Eltern ohne Filter, Bayern 2: Mütter und Väter erzählen ungefiltert von ihrem Leben als Eltern. Vom irrsinnigen Glück. Vom ganz
    normalen Wahnsinn. Und von ihren dunklen Momenten. https://www.br.de/mediathek/podcast/eltern-ohne-filter/alle-staffeln/821
Filme / Dokus
•   Robert Thalheim (2013): Eltern. Trailer https://www.youtube.com/watch?v=vW9MhalIcOc
•   Ralph Bücheler, Jörg Adolph (2018): Elternschule. Trailer https://www.youtube.com/watch?v=pr3bdVQ8kvk
•   ZDF 37 Grad (2018): Erst die Kinder, dann ich. Alleinerziehende am Limit. Mediathek https://www.zdf.de/dokumentation/37-
    grad/37-erst-die-kinder-dann-ich-100.html

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Quellennachweise
•   Barišić, Manuela ; Consiglio, Valentina Sara (2020): Frauen auf dem deutschen      •          Noelle-Neumann, Elisabeth (1980): Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung, unsere
    Arbeitsmarkt. Was es kostet, Mutter zu sein. Bertelsmann. https://www.bertelsmann-            soziale Haut. München.
    stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/200616_Kurzexpertise_MotherhoodLifetimeP
    enaltyFINAL.pdf                                                                    •          OECD (2021): Time spent in paid and unpaid work
                                                                                                  https://stats.oecd.org/index.aspx?queryid=54757
•   Diabaté, Sabine; Beringer, Samira (2018): Simply the Best!? – Kulturelle Einflussfaktoren
    zum „intensive mothering“ bei Müttern von Kleinkindern in Deutschland. In: JFamRes •          Schneider, Norbert F.; Diabaté, Sabine; Lück, Detlev (2014): Familienleitbilder
    30 (3), S. 293–315.                                                                           in Deutschland. Ihre Wirkung auf Familiengründung und Familienentwicklung.
                                                                                                  Hg. v. Christine Henry-Huthmacher. Konrad-Adenauer-Stiftung. Online
•   Drerup, Johannes (2020): Paternalismus. In: Gabriele Weiß und Jörg Zirfas (Hg.):
                                                                                                  verfügbar unter https://www.kas.de/de/einzeltitel/-
    Handbuch Bildungs- und Erziehungsphilosophie. Wiesbaden, S. 245–256.
                                                                                                  /content/familienleitbilder-in-deutschland
•   DWDS-Wortverlaufskurve für „Familie“, erstellt durch das Digitale Wörterbuch der
    deutschen                                                                        •            Shell Jugendstudie 2019 https://www.shell.de/ueber-uns/shell-
    Sprache,https://www.dwds.de/r/plot/?view=1&corpus=dta%2Bdwds&norm=date%2Bc                    jugendstudie/_jcr_content/par/toptasks.stream/1570708341213/4a002dff58a7a9540c
    lass&smooth=spline&genres=0&grand=1&slice=10&prune=0&window=3&wbase=0&lo                      b9e83ee0a37a0ed8a0fd55/shell-youth-study-summary-2019-de.pdf
    gavg=0&logscale=0&xrange=1600%3A1999&q1=Familie
                                                                                     •            Stamm, Margrit (2020): Du musst nicht perfekt sein, Mama! Schluss mit dem
•   Eibach, Joachim; Schmidt-Voges, Inken (Hg.) (2015): Das Haus in der Geschichte                Supermama-Mythos - wie wir uns von überhöhten Ansprüchen befreien. München:
    Europas. Ein Handbuch. Berlin.                                                                Piper.

•   Ennis, Linda Rose (Hg.) (2014): Intensive mothering. The cultural contradictions of       •   Statistisches Bundesamt (2013): Frauenverdienste – Männerverdienste: Wie groß ist
    modern motherhood. Toronto.                                                                   der Abstand wirklich?

•   Entleitner-Phleps, Christine (2017): Zusammenzug und familiales Zusammenleben von •           WSI Report Nr. 35, April 2017: Wer leistet unbezahlte Arbeit? Hans-Böckler-Stiftung.
    Stieffamilien. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.                                      https://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_35_2017.pdf

•   Hausen, Karin (1976): Die Polarisierung der "Geschlechtscharaktere". Eine Spiegelung      •   Waterstradt, Désirée (2015): Prozess-Soziologie der Elternschaft. Nationsbildung,
    der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben, in: Werner Conze (Hg.),                      Figurationsideale und generative Machtarchitektur in Deutschland. Münster.
    Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Neue Forschungen, Stuttgart, S.
    363–393.                                                                                  •   Waterstradt, Désirée (2017): Von der Elternzentrierung zur Kindzentrierung. In: Stefanie
                                                                                                  Ernst und Hermann Korte (Hg.): Gesellschaftsprozesse und individuelle Praxis.
•   Hays, Sharon (1996): The cultural contradictions of motherhood. London.                       Wiesbaden, S. 127–142.

•   Kâğıtçıbaşı, Çiğdem (2017): Family, self, and human development across cultures.          •   Waterstradt, Désirée (2019): Westliche (Unternehmens-)Familienmodelle im
    Theory and application. New York, NY.                                                         historischen Wandel: Eine prozess-soziologische Skizze. In: Heiko Kleve; Tobias Köllner
                                                                                                  (Hg.): Soziologie der Unternehmerfamilie. Wiesbaden, S. 51–98.
•   Krüll, Marianne (2007): Die Mutter in mir. Wie Töchter sich mit ihrer Mutter versöhnen.
    Stuttgart.

•   Merkle, Tanja; Wippermann, Carsten (2008): Eltern unter Druck. Selbstverständnisse,
    Befindlichkeiten und Bedürfnisse von Eltern in verschiedenen Lebenswelten. Hg. v.
    Christine Henry-Huthmacher und Michael Borchard. Berlin.
                                                                                                                                                                                             41
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