Familie im Wandel der Zeit - Frühe Hilfen
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Familie im Wandel der Zeit Dr. Désirée Waterstradt Pädagogische Hochschule Karlsruhe Online-Fachveranstaltung Mi 22.9.2021 Mikrosystem Familie im Wandel der Zeit: Warum es Frühe Hilfen gerade heute braucht Nationales Zentrum Frühe Hilfen (Gesundheit Österreich GmbH)
Agenda • Historische Entwicklung westliche Familie • Westliche Familie heute • Aus dem Wandel für heute und morgen lernen 2
Woher kommt das Wort Familie und wie hieß es vorher? Frühe Neuzeit Epochenschwelle Moderne Post -moderne ? 3 Quellen: DWDS
Familie => Das Haus in der europäischen Geschichte Zentrale identitätsvermittelnde Institution vormoderner agrarischer Gesellschaften (Europa) 1. Gebäude 2. Soziale Gruppe 3. Ordnungsmodell als Ideal 4. Höhere „heilige“ sinnstiftende Wir-Identität Vor-/Früh- geschichte Antike *dem Mittelalter okios Neuzeit domus / familia Moderne Post -moderne Haus Bürgerl. Familie Kindzentr. 4 Quellen: Eibach, Schmidt-Voges 2015; Waterstradt 2019 Familie
Frühgeschichte hier Bsp. frührömisch bis 9. Jh. v.Chr. • *dem häusliche Kultgemeinschaft • Zentralposition *dem-poti • 2 Begriffe: atta, pater • Mischsystem: Verwandtschaft bilinear • Struktur 5 Quelle: Waterstradt 2019
Griechische Antike • oikos − Im Zentrum: oikos-Kult = Hauskult • Zugehörig − hērōes − Ehemann Eheideal: harmonisch-asymmetrische Partnerschaft − Ehefrau Eherealität: hohes Maß an Fremdheit − Kinder − Sklaven − Eigentum: Land, Vieh, Haus … 6 Quelle: Waterstradt 2019
Römische Antike Zwei Kollektivbegriffe • domus (abstrakt-übergeordnet) − Im Zentrum Ahnenkult: Verehrung di parentes / di manes • familia (personal) − Komplexer Herrschaftsbegriff − häufigste alltägliche Begriffsverwendung: Sklavengesinde einer Hausgemeinschaft (famulus: Sklave, Diener) − Zentralposition pater familias − Zusätzliche Eheformen − Lockerung Sphärentrennung Geschlechter 7 Quelle: Waterstradt 2019
Mittelalter Haus Entwicklungsprägende Faktoren • Religion: Christentum (Westkirche) − Familiale Beziehungsqualität als Vorbild (Kirche als Heilige Familie) => Entfamilialisierung des Sozialen • Arbeitsorganisation: Grundherrschaft − Ökonomisierung des Sozialen => Lockerung Abstammungsbeziehungen (Ausnahme: Adel) Institution des Hauses • Entstehung verschachteltes System über- und untergeordneter HausWirtschaftsgemeinschaften • Sklaven der Antike werden zu grundhörigen Unfreien • Gesindephase im Leben • Doppelspitze: Hausvater & Hausmutter als Genossen => Entstehung Begriffe für Eltern, später Elternschaft − „al“ (idg.): nähren, wachsen machen, wachsen − „alda“ (ger.): alt, erwachsen − Erster deutscher Elternbegriff: eltiron (ahd. ab 765) 8 Quelle: Waterstradt 2019
Frühe Neuzeit Haus Erneuter Bedeutungsaufstieg Abstammungsbeziehungen • Erneut religiös-kultische Aufladung • Reformation − Geistlich-religiöse Überhöhung des Hauses • Gegenreformation − Sakralisierende Überhöhung christliche Urfamilie als heiliges Ideal − Grundlage neuzeitliche „Familienreligion“ • Aufstieg bürgerliche Schichten in ständischer Gesellschaft 9 Quelle: Waterstradt 2019
Moderne, bürgerliche Familie Trotz/wegen Aufklärung: Mythisierung & Überhöhung Familie • Haus wird zur Familie • Familie: Herzstück der bürgerlichen Kultur • Harmonische Gegenwelt zu Eigennutz & Konkurrenz in Politik & Wirtschaft − Ideal & Leitbild, keine Realität! • Bürgerliche Meisterdenker (er)finden „Geschichte“ ihres Familienmodells: Großfamilie − Ewig, heilig, unveränderlich => Veränderung = Sünde 10 Quelle: Waterstradt 2019
Nationsbildung: Nationales Interesse am Kind • Nationsbildung als bürgerliches Projekt − Gemeinschaft der Lebenden, der Toten und der noch Ungeborenen • Staatsnation, Wirtschaftsnation, Kulturnation … − Paternalismus: Vater Staat, Nationsfamilie mit Kindern der Nation − pater familias („geistige Vater“, Experte/Expertin etc) weiß besser als der Betroffene, was für jemanden gut ist • Nationales Interesse am Kind − „Entdeckung“ der Kindheit: Erziehung zum nationalen Habitus − Wandel Bild vom Kind ▪ Sakralisierung „heiliges“ Erlöserkind, Macht der Unschuld • Kindzentrierung ▪ Institutionalisierung & Professionalisierung: Schule, Armee, Kindergarten, Jugendamt … ▪ Kindzentrierte Familie Aber: Machttabu 11 Quelle: Waterstradt 2015, 2017, 2019
Kindzentrierung: Grundproblem & Folgen • Kinder können sich nicht selbst organisieren & vertreten − Interessenvertretung erforderlich: Vermischung Interessen zwangsläufig − Ringen um Autorität: Balancen von Kindzentrierung & KindDEzentrierung Wer legt Maßstäbe / Normen fest? Wer beurteilt Umsetzung? • Instrumentalisierung & Repaternalisierung • Zuordnung Fürsorge rund ums Kind: Aufrechterhaltung bürgerlich-polarisierte Geschlechtsrollen • Aufschaukeln Konkurrenz rund ums Kind: Konkurrenzmechanismus: „Kindchenmechanismus“ 12 Quellen: Waterstradt 2015, 2017
Intensivierung von Mutterschaft & Vaterschaft • Mutter als beste Betreuerin & Intensives Bemuttern als zentrale Identitätsdimension* • Neuer, aktiver, engagierter Vater Verschärfung Kindzentrierung durch Konkurrenz ums Kind auf & zw. allen Ebenen 13 *Quellen: Hays 1996, Ennis 2014, Diabaté 2018, Stamm 2020
Agenda • Historische Entwicklung westliche Familie • Westliche Familie heute • Aus dem Wandel für heute und morgen lernen 14
Meinungsklima heute Familienleitbild • Gute Kindheit − glücklich, Rechte als Subjekt, kaum Pflichten, optimale Förderung, hohe Erwartungen an Erziehung, Pädagogisierung & Psychologisierung • Gute Mutter − Unerfüllbarer Widerspruch ▪ Finanziell und persönlich unabhängig, erwerbstätig, ▪ zuständig für Nachmittagsbetreuung der Kinder, schulische Unterstützung, Förderung, Alltag • Guter Vater − Erwartung: aktiver Erzieher, aber Rückzug auf Ernährerrolle ist ok und überwiegt • Verantwortete Elternschaft − Voraussetzung: materielle Grundlagen, stabile Partnerschaft, persönliche Reife, richtiger Weg zur Familiengründung, richtiges Verhalten vs. Kind • Familiengründung: Rushhour des Lebens − gestiegene Anforderungen & Belastungsniveau, unsichere ökonomische Situation => Stress, Druck, Hektik (betroffen v.a. Hochqualifizierte) 15 Quelle: Schneider 2014
Lebenswelten sind vielfältig Familie & Elternschaft auch 16 Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Lebenswelten Eltern mit Kindern unter 18 Eltern mit Kindern unter 18 17 Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Rollenbilder „guter Vater“ Familienvorstand & überlegter Weichensteller Partizipierender Professioneller Erzieher Teilzeit-Event-Papa Feierabend-Papa Entdecker fremder Welten Geldverdiener Großer Bruder: & Chef Spiel- & Spaßvater 18 Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Rollenbilder „gute Mutter“ Erziehungs- managerin Lebensphasen- Projekt-Profi begleiterin Mama Allzuständige Begeisterte Mutter Beschützerin & Förderin entdeckt sich selbst Große Schwester & Versorgungs-Mutti „etwas andere“ Mutter 19 Quellen: Merkle, Wippermann (2008)
Bedeutung des Kindes Status, Nachfolger, Stammhalter, hohe Teil des Erfolgsrezeptes, Leistungserwartung wenn alles andere stimmt Eigenes Wesen, Eltern als Begleiter Zentrale Lebensaufgabe Freund, Beginn der Frau, Investitionsgut neuer, bewusster Lebensabschnitt Statussymbol, Nachahmung Mainstream, Sinnstiftung Zunächst Angriff auf eigene Mutter, Einkommensquelle Identität, dann aber neues & finanzielle Belastung Hobby & Selbstbestätigung 20 Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Migranten-Milieus 21 Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Migranten-Milieus Herkunftsländer Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Abgrenzungslinien sozialhierarchisch 23 Quellen: Merkle, Wippermann 2008
Eltern unter sozialem Druck Probleme von Eltern Was Eltern brauchen Meinungsklima kinder-, eltern-, mütterunfreundliche Gesellschaft kinder-, eltern- mütterfreundliches Klima Anerkennung & Wertschätzung Spaltung von Eltern / Mütter Stabilisierung & Unterstützung statt weitere Spaltung Geschlechtsstereotype Vergeschlechtlichung durch Elternschaft Norm der guten Mutter Abbau sozialer Druck zu Vergeschlechtlichung von Unbestimmtheit Vaterhabitus Elternschaft Aberkennung Männlichkeit, Weiblichkeit / Mütterlichkeit Erwartungen und Rahmenbedingungen Bildungsdruck Reform Bildungssystem Verbesserung Betreuungssituation Erziehungsdruck Weniger Erwartungsdruck Vereinbarkeitsdilemma, Zeitdruck Verbesserung Vereinbarkeit von Familie und Beruf Finanzielle Wertschätzung von Elternschaft Finanzieller Druck Anrechnung Elternschaft in Renten- & Sozialversicherungssystem Keine wirksame politische Lobby wirksame politische Lobby Migrationshintergrund Quellen: Merkle, sozialer Druck durch Stereotype 24 Wippermann 2008 s.o. häufig geringes soziales Kapital
Niemand arbeitet mehr als Eltern (bez./unbez.) • asdf Quellen: WSI Report 2017, Durchschnittlicher täglicher Zeitaufwand für bezahlte und unbezahlte Arbeit von Frauen und Männern in Deutschland 25 (2012/2013), in Stunden und Minuten
Unbezahlte vs. unbezahlte Arbeit & Geschlecht Wertschätzung Bezahlte Arbeit 4:09 h 6:05 h Wertschätzung Unbezahlte Arbeit 4:30 h 2:15 h Motive für unbezahlte Arbeit: • Moralische Verpflichtung • Gemeinnutzen (Altruismus) • Eigennutzen (Freude) 26 Quelle: OECD (2021) Bezahlte und unbezahlte Arbeit in Österreich nach Geschlecht
Mutterschaftsstrafe & Vaterschaftsbonus? Bruttostundenverdienste nach Geschlecht in 2010 in Euro in Deutschland 27 Quellen: Statistisches Bundesamt 2013
Mutterschaftsstrafe & Vaterschafts-/Kinderlosigkeitsbonus Durchschnittliches Lebenserwerbseinkommen in Westdeutschland Prozent im Vergleich zu Männern 120% Väter 100% kinderlose Männer 80% kinderlose Frauen 60% 40% Mütter 20% 1965 1970 1975 1980 1985 Geburtskohorten 28 Quelle: Barišić & Consiglio 2020
Jugendliche: Gutes Zeugnis für Eltern • 92% haben ein positives Verhältnis zu Eltern • Für 74% sind Eltern maßgebliche Erziehungsvorbilder • Zufriedenheit schichtabhängig: je höher, desto besser Quelle: Shell Jugendstudie 2019 29
Agenda • Historische Entwicklung westliche Familie • Westliche Familie heute • Aus dem Wandel für heute und morgen lernen 30
Aus dem Wandel lernen: Eigene Prägungen erkennen • Alle Menschen sind Kinder von Müttern und Vätern – auch Fachkräfte Unbewusste Bilder von Mutterschaft & Vaterschaft ▪ Sozialhistorische Entwicklung, Traditionen, Leitbilder, Meinungsklima ▪ Persönliche Erfahrungen • Fachkräfte helfen beim Übergang zu Eltern in einer hochgradig vielfältigen, sich rasch verändernden Welt − Verständnisgrenzen: Eigene Prägung und Erfahrung aus Lebenswelt/Milieu, Herkunftssprache, Kultur, Generation, Geschlechter etc. − Fachkraft begegnet täglich Neuem => gefordert, sich jedes Mal neu darauf einzulassen − Fach- & Alltagswissen zu Elternschaft ausbauen (siehe Anhang: Literatur/Medientipps) • Auch Fachkräfte sind Geschlechtswesen Sie können nicht nicht geschlechtlich handeln ▪ Kritische Reflexion eigene Prägungen & eigenes Handeln durch Vergeschlechtlichung • Geschlechterspaltung? − Weiblichkeit / Mütterlichkeit = Fürsorge, Empathie, Bindung, Nähe, Intimität − Männlichkeit / Vaterschaft = Autonomie, Selbstbehauptung, Aktivität, Selbstbezogenheit, Unabhängigkeit, instrumentell, Depersonalisierung, Retter vor zu viel Abhängigkeit und Bindung • Geschlechterblindheit oder –verschleierung? Bsp. „Eltern“ 31
Aus dem Wandel lernen: Kritische Selbstreflexion • Vorsicht: lange Paternalismus-Tradition Fachkräfte sind keine Obereltern, müssen keine paternalistischen Autoritäten und Wissenshoheit verkörpern. Mütter & Väter sind in eigener Sache kompetent, mündig und müssen gehört werden. Eine Fachkraft weiß nicht besser als die Mutter/ der Vater, was deren Bedürfnisse sind. ▪ Meinungsklima gegenüber Müttern & Vätern (Medien, Elternratgeber, Fachliteratur, Ausbildungsgänge)? ▪ Mütter-/Väterbild im eigenen Berufsfeld (Mutter als Hauptbezugsperson? Vater und Fachkräfte als Retter?) • Eigene Bilder von Mutterschaft und Vaterschaft kritisch reflektieren − Rollentausch: Die Mutter-*/Vaterposition in Ich-Form einnehmen und ihre Entwicklung, Zwänge, Wünsche und Bedürfnisse mit Empathie, Zuneigung und Neugier beschreiben (als innerer Dialog, Brief oder in einer Gruppe) ▪ eigene Mutter/Vater ▪ Mütter/Väter im privaten Umfeld ▪ Mütter/Väter im beruflichen Umfeld • Innere Haltung gegenüber Müttern & Väter überprüfen − Innere Haltung vs. Mütter & Väter in mir, in meiner Fachdisziplin / Institution? − Wie gut nehme ich Mütter & Väter als Subjekte wahr – nicht nur als Rolleninhaber? − Welche positiven Veränderungen haben Eltern bisher bei mir als Fachkraft und meiner Institution bewirkt? − Verstehe und wertschätze ich die Perspektive und Argumente von Eltern? − Drücke ich die Wertschätzung durch anerkennende Worte und Gesten aus und kommt dies bei den Eltern an? 32 *Quelle: Krüll (2007)
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Anhang • Transformationsprozess Sozial- / Verwandtschaftssysteme: Europäischer Sonderweg – einige wichtige Kennzeichen von Antike bis jetzt • Familienmodelle • Ebenen menschlicher Abhängigkeit • Polarisierung „Geschlechtscharaktere“ in der bürgerlichen Gesellschaft • Hinweise: − Literaturtipps: Eltern als Verantwortungsträger in Familien. Einstieg in die fachliche Sicht − Medientipps: Eltern als Verantwortungsträger in Familien. Einblicke in den Alltag • Quellennachweise
Transformationsprozess Sozial- / Verwandtschaftssysteme Europäischer Sonderweg – einige wichtige Kennzeichen von Antike bis jetzt • Mischsystem: Verwandtschaft bilinear • Ökonomisierung: Von der Autarkie zur Profitabilität, Funktionsdifferenzierung, Integration und Skalierung • Grundherrschaft: große Schutz- und Leistungsverbände entstehen => konkurrenz- und leistungsbasierter männlicher Schutzherrschaft • Hohe Fluktuation durch Gesindephase => Jugendphase / Individualisierung • Konsensehe schützt Paar gegen Verwandte => gatten- bzw. elternzentriertes Familien- bzw. Verwandtschaftssystem • ökonomischer Erfolgsfaktor: Ehe- und Arbeitspaar als Führungsspitze • Geistliche Verwandtschaft - Entwertung leibliche Verwandtschaft durch Abstammungsfeindlichkeit => Entfamiliarisierung des Sozialen => Lockerung Abstammungsbeziehungen • Prinzip der Ablösung von den Eltern • Neolokalität: Neugründung eigener Haushalt • Flexibilität Sakralisierung im Transformationsprozess • Wandel Geschlechterverhältnisse bis zum Ende der Geschlechtsvormundschaft 35 Quelle: Waterstradt 2019
Familienmodelle Kollektivistisch Individualistisch agrarisch-bäuerlich Lebenswelt urbane technologische Zentren gering Wohlstandsniveau hoch Alle Familienmitglieder bilden Produktionseinheit Konstellation Generationen leben getrennt gilt dem Kollektiv Loyalität gilt dem Individuum* Grad an hoch gering* verwandtschaftlicher Bindung als Individuum und frei von familiären als Teil der Gruppe Entwicklung Persönlichkeit Bindungen* Gehorsam, Achtung vor Autoritäten Werte Erziehungsstil Eigenständigkeit, Eigenverantwortung* wirtschaftliche und Zukunftssicherung emotional, der Eltern, Wert des Kindes wirtschaftliche und Zukunftssicherung emotional der Wirtschaftsnation* hohe Anzahl an Söhnen wichtig: wenige Kinder in die viel investiert wird materielle Unterstützung und Geschlechterverhältnisse - ohne Versorgungserwartung* Alterversorgung gering, höher nach Geburt von Söhnen Status Mädchen & Frauen vergleichsweise höher patrilinear Familienorganisation bilineare Tendenzen 36 Quelle: in enger Anlehnung an Kağıtçıbaşı 2017 *geschlechtsabhängig
Ebenen menschlicher Abhängigkeit 1. Umwelt 2. Menschheit 3. Gesellschaften 4. Organisationen, Institutionen 5. weiteres Umfeld 6. Persönliches Umfeld − Bekanntenkreis − Arbeitsumfeld − Nachbarschaft − Erweiterte Familie − Freundeskreis − Kernfamilie − Mütter, Väter 7. Individuen 8. Epigenetik 9. Genetik 37 *Quelle: Noelle-Neumann 1980
Mann Frau Bestimmung für Bestimmung für Außen Innen Weite Nähe Öffentliches Leben Häusliches Leben Aktivität Passivität Energie, Kraft, Willenskraft Schwäche, Erhebung, Hingebung Festigkeit Wankelmut Tapferkeit, Kühnheit Bescheidenheit Tun Sein selbständig Abhängig strebend, zielgerichtet, wirksam betriebsam, emsig Polarisierung erwerbend bewahrend gebend empfangend „Geschlechtscharaktere“ Durchsetzungsvermögen Selbstverleugnung, Anpassung in der bürgerlichen Gewalt Liebe, Güte Gesellschaft Antagonismus Sympathie Rationalität Emotionalität in deutschsprachigen Lexika des 18. Jahrhunderts Geist Gefühl, Gemüt Vernunft Empfinden Verstand Empfänglichkeit Denken Rezeptivität Wissen Religiosität Abstrahieren, Urteilen Verstehen Tugend Tugenden Schamhaftigkeit, Keuschheit Schicklichkeit Liebenswürdigkeit Würde Taktgefühl Verschönerungsgabe 38 Anmut, Schönheit Quelle: Hausen 1976
Literaturtipps Eltern als Verantwortungsträger in Familien Einstieg in die fachliche Sicht Das Kind steht seit langem im Zentrum vieler Wissenschaften, Berufe und Einrichtungen. Nach und nach wächst auch das Wissen über Elternschaft und deren Überfrachtung durch Kindzentrierung und Intensivierung. • Kindzentrierung in Institutionen und Elternschaft. Wie kam‘s dazu, was sind zentrale Probleme? − Désirée Waterstradt (2015): Prozess-Soziologie der Elternschaft. Nationsbildung, Figurationsideale und generative Machtarchitektur in Deutschland. Münster. − Interview online: „Eltern sind in eine dienende Rolle gerutscht“. Der Standard 7.12.2019. https://www.derstandard.de/story/2000111946168/soziologin-eltern-sind-in-eine-dienende-rolle-gerutscht • Wie geht es Eltern heute? Was brauchen sie? Wie unterscheidet sich Elternschaft in den verschiedenen sozialen Lebenswelten? − Tanja Merkle, Carsten Wippermann (2008): Eltern unter Druck. Selbstverständnisse, Befindlichkeiten und Bedürfnisse von Eltern in verschiedenen Lebenswelten. Stuttgart 2008. − Zusammenfassung online https://www.kas.de/de/einzeltitel/-/content/eltern-unter-druck1 • Gesellschaftliches Ideal der perfekten intensiven Mutterschaft und die Folgeprobleme für Frauen, Männer, Kinder und Gesellschaft − Margit Stamm (2020): Du musst nicht perfekt sein, Mama! Schluss mit dem Supermama-Mythos - wie wir uns von überhöhten Ansprüchen befreien. München. − Interviews online ▪ Kinder brauchen keine Supermütter https://www.nzz.ch/meinung/wider-den-mama-mythos-kinder-brauchen-keine-supermuetter-ld.1559265 ▪ Warum fühlen sich Väter oft nur als Babysitter https://www.fritzundfraenzi.ch/gesellschaft/familienleben/margrit-stamm-viele-mutter-behandeln-den-vater-wie-einen-babysitter?page=all • Leitbilder von Familie und Elternschaft heute ohne und mit Migrationshintergrund − Christine Henry-Huthmacher (Hrsg.) (2014): Familienleitbilder in Deutschland. Ihre Wirkung auf Familiengründung und Familienentwicklung https://www.bib.bund.de/Publikation/2014/Familienleitbilder-in-Deutschland-Ihre-Wirkung-auf-Familiengruendung-und-Familienentwicklung.html?nn=9859530 − Diabaté, Sabine; Beringer, Samira; Garcia Ritz, Yannik (2016): Ähnlicher als man denkt?! Ein Vergleich der Familienleitbilder von Personen mit türkischem und ohne Migrationshintergrund in Deutschland https://www.bib.bund.de/Publikation/2016/Aehnlicher-als-man-denkt.html?nn=9859530 39
Medientipps Eltern als Verantwortungsträger in Familien Einblicke in den Alltag Die Überfrachtung moderner Elternschaft durch Kindzentrierung und Intensivierung ist ein gesellschaftliches Tabu, doch es gibt auch Medien, die sie offengelegen. Bücher • Elif Shafak (2010): Als Mutter bin ich nicht genug. Mama Milchreis, Frau von Derwisch, Miss Intellektuell und die anderen Frauen in mir. Köln. Buchbesprechung https://de.qantara.de/inhalt/elif-shafak-als-mutter-bin-ich-nicht-genug-zwischen-tinte-muttermilch-und- fingerfrauen • Brost, Marc; Wefing, Heinrich (2015): Geht alles gar nicht. Warum wir Kinder, Liebe und Karriere nicht vereinbaren können. Reinbek. Buchbesprechung https://www.sueddeutsche.de/leben/debatte-erschoepfung-1.2443153 • Barbara Streidl (2012): Kann ich gleich zurückrufen? Der alltägliche Wahnsinn einer berufstätigen Mutter. München. Buchbesprechung https://vereinbarkeitsblog.de/barbara-streidl/ • Jochen König (2013): Fritzi und ich. Von der Angst eines Vaters, keine gute Mutter zu sein. Freiburg i.B. Buchbesprechung https://wasliestdu.de/rezension/rezension-zu-fritzi-und-ich-von-jochen-koenig • Lisa Cossham (2017): Plötzlich Rabenmutter? Wie ich meine Familie verließ und mich fragte, ob ich das darf. München. Bericht zum Buch https://www.welt.de/vermischtes/article161887671/Wenn-eine-Mutter-die-Familie-verlaesst.html • Christine Finke (2016): Allein, alleiner, alleinerziehend. Wie die Gesellschaft uns verrät und unsere Kinder im Stich lässt. Köln. Buchbesprechung https://www.deutschlandfunkkultur.de/christine-finke-allein-alleiner-alleinerziehend.1270.de.html?dram:article_id=359972 Podcast • Eltern ohne Filter, Bayern 2: Mütter und Väter erzählen ungefiltert von ihrem Leben als Eltern. Vom irrsinnigen Glück. Vom ganz normalen Wahnsinn. Und von ihren dunklen Momenten. https://www.br.de/mediathek/podcast/eltern-ohne-filter/alle-staffeln/821 Filme / Dokus • Robert Thalheim (2013): Eltern. Trailer https://www.youtube.com/watch?v=vW9MhalIcOc • Ralph Bücheler, Jörg Adolph (2018): Elternschule. Trailer https://www.youtube.com/watch?v=pr3bdVQ8kvk • ZDF 37 Grad (2018): Erst die Kinder, dann ich. Alleinerziehende am Limit. Mediathek https://www.zdf.de/dokumentation/37- grad/37-erst-die-kinder-dann-ich-100.html 40
Quellennachweise • Barišić, Manuela ; Consiglio, Valentina Sara (2020): Frauen auf dem deutschen • Noelle-Neumann, Elisabeth (1980): Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung, unsere Arbeitsmarkt. Was es kostet, Mutter zu sein. Bertelsmann. https://www.bertelsmann- soziale Haut. München. stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/200616_Kurzexpertise_MotherhoodLifetimeP enaltyFINAL.pdf • OECD (2021): Time spent in paid and unpaid work https://stats.oecd.org/index.aspx?queryid=54757 • Diabaté, Sabine; Beringer, Samira (2018): Simply the Best!? – Kulturelle Einflussfaktoren zum „intensive mothering“ bei Müttern von Kleinkindern in Deutschland. In: JFamRes • Schneider, Norbert F.; Diabaté, Sabine; Lück, Detlev (2014): Familienleitbilder 30 (3), S. 293–315. in Deutschland. Ihre Wirkung auf Familiengründung und Familienentwicklung. Hg. v. Christine Henry-Huthmacher. Konrad-Adenauer-Stiftung. Online • Drerup, Johannes (2020): Paternalismus. In: Gabriele Weiß und Jörg Zirfas (Hg.): verfügbar unter https://www.kas.de/de/einzeltitel/- Handbuch Bildungs- und Erziehungsphilosophie. Wiesbaden, S. 245–256. /content/familienleitbilder-in-deutschland • DWDS-Wortverlaufskurve für „Familie“, erstellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen • Shell Jugendstudie 2019 https://www.shell.de/ueber-uns/shell- Sprache,https://www.dwds.de/r/plot/?view=1&corpus=dta%2Bdwds&norm=date%2Bc jugendstudie/_jcr_content/par/toptasks.stream/1570708341213/4a002dff58a7a9540c lass&smooth=spline&genres=0&grand=1&slice=10&prune=0&window=3&wbase=0&lo b9e83ee0a37a0ed8a0fd55/shell-youth-study-summary-2019-de.pdf gavg=0&logscale=0&xrange=1600%3A1999&q1=Familie • Stamm, Margrit (2020): Du musst nicht perfekt sein, Mama! Schluss mit dem • Eibach, Joachim; Schmidt-Voges, Inken (Hg.) (2015): Das Haus in der Geschichte Supermama-Mythos - wie wir uns von überhöhten Ansprüchen befreien. München: Europas. Ein Handbuch. Berlin. Piper. • Ennis, Linda Rose (Hg.) (2014): Intensive mothering. The cultural contradictions of • Statistisches Bundesamt (2013): Frauenverdienste – Männerverdienste: Wie groß ist modern motherhood. Toronto. der Abstand wirklich? • Entleitner-Phleps, Christine (2017): Zusammenzug und familiales Zusammenleben von • WSI Report Nr. 35, April 2017: Wer leistet unbezahlte Arbeit? Hans-Böckler-Stiftung. Stieffamilien. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. https://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_35_2017.pdf • Hausen, Karin (1976): Die Polarisierung der "Geschlechtscharaktere". Eine Spiegelung • Waterstradt, Désirée (2015): Prozess-Soziologie der Elternschaft. Nationsbildung, der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben, in: Werner Conze (Hg.), Figurationsideale und generative Machtarchitektur in Deutschland. Münster. Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Neue Forschungen, Stuttgart, S. 363–393. • Waterstradt, Désirée (2017): Von der Elternzentrierung zur Kindzentrierung. In: Stefanie Ernst und Hermann Korte (Hg.): Gesellschaftsprozesse und individuelle Praxis. • Hays, Sharon (1996): The cultural contradictions of motherhood. London. Wiesbaden, S. 127–142. • Kâğıtçıbaşı, Çiğdem (2017): Family, self, and human development across cultures. • Waterstradt, Désirée (2019): Westliche (Unternehmens-)Familienmodelle im Theory and application. New York, NY. historischen Wandel: Eine prozess-soziologische Skizze. In: Heiko Kleve; Tobias Köllner (Hg.): Soziologie der Unternehmerfamilie. Wiesbaden, S. 51–98. • Krüll, Marianne (2007): Die Mutter in mir. Wie Töchter sich mit ihrer Mutter versöhnen. Stuttgart. • Merkle, Tanja; Wippermann, Carsten (2008): Eltern unter Druck. Selbstverständnisse, Befindlichkeiten und Bedürfnisse von Eltern in verschiedenen Lebenswelten. Hg. v. Christine Henry-Huthmacher und Michael Borchard. Berlin. 41
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