Was ist Resilienz und wie kann sie gefördert werden? - BR
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FORSCHUNG Was ist Resilienz und wie kann sie gefördert werden? Klaus Fröhlich-Gildhoff & Maike Rönnau-Böse Der Artikel beschreibt das Konzept silienz um eine dynamische Kapazität von Resilienz, erläutert personale (...), die sich über die Zeit im Kontext Resilienzfaktoren und legt dar, wie der Mensch- und Umweltinteraktion Resilienz gefördert werden kann. entwickelt« (Petermann et al., 2004, S. 345). Die positive Bewältigung von Krisen, Belastungen und Entwicklungs- aufgaben – eine spezifische Bedeutung WAS IST RESILIENZ? haben hier Übergänge, zum Beispiel von der Familie in den Kindergarten © Isidora Avramović (15 Jahre, Montenegro)/Prix Jeunesse Art Contest Im Zusammenhang mit dem Wechsel oder vom Kindergarten in die Schu- der Blickrichtung in den Human- und le – wirkt sich positiv auf die weitere Gesundheitswissenschaften zu den Entwicklung aus. Ressourcen und gesunderhaltenden Faktoren findet das Konzept der Resilienz – also der seelischen Wider- RESILIENZFAKTOREN standskraft – und seiner Förderung zunehmend Beachtung in Forschung In der Resilienzforschung wurde und und Praxis (Wustmann, 2004; Opp & wird ein besonderes Augenmerk auf Fingerle, 2007; Zander, 2011; Fröhlich- die Identifikation von Schutzfaktoren Gildhoff, Becker & Fischer, 2012; gelegt, die die Wahrscheinlichkeit Abb. 1: Kunst als Weg zur Resilienz: »Kunst zu erschaffen war immer mein Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, einer gesunden seelischen Entwick- Weg, um negative Emotionen zu bekämp- 2015). Resilienz wird als – erworbe- lung (deutlich) erhöhen (Bengel, fen« (Isidora, 15 Jahre) ne – Fähigkeit verstanden, Krisen und Meinders-Lücking & Rottmann, Belastungen so zu bewältigen, dass das 2009; Rönnau-Böse, 2013). Es besteht Individuum nicht zerbricht, sondern Einigkeit darüber, dass der wichtigste gestärkt daraus hervorgeht. Schutzfaktor eine stabile, wertschät- Rönnau-Böse, 2015). Im besten Fall sind Grundsätzlich ist davon auszugehen, zende, emotional warme Beziehung diese Beziehungspersonen die Eltern, dass Resilienz keine angeborene Per- zu einer (erwachsenen) Bezugsperson aber gerade die Resilienzforschung sönlichkeitseigenschaft ist, sondern ist. In ihrer umfassenden Analyse der hebt die Bedeutung von sogenannten im Verlauf des Lebens entwickelt wird; letzten 50 Jahre Resilienzforschung kompensierenden Bezugspersonen von besonderer Bedeutung sind dabei kommt Luthar zu dem Schluss: »Die hervor. Dies können Fürsorgepersonen die frühen Lebensjahre. Die Resilienz- erste große Botschaft ist: Resilienz be- aus dem erweiterten Familienkreis sein, forschung zeigt, dass es sich um eine ruht grundlegend auf Beziehungen« aber auch pädagogische Fachkräfte in dynamische Eigenschaft handelt. Das (Luthar, 2006, S. 780; Übers. d. Verf.). Kindertageseinrichtungen, Grund- Kind wird als aktiver »Bewältiger« Dabei ist weniger entscheidend, zu schulen oder in der Jugendhilfe (Bengel, und (Mit-)Gestalter seines Lebens wem diese Beziehung besteht, son- Meinders-Lücking & Rottmann, 2009; gesehen; die Fähigkeit der seelischen dern wie diese Beziehung gestaltet ist, Pianta, Stuhlman & Hamre, 2007; Widerstandskraft entwickelt sich aus damit sie sich positiv auswirkt. Wich- Luthar, 2006). der Interaktion mit den Bezugsper- tige Elemente sind hier die konstante Auf der Ebene der Person selbst haben sonen und realen positiven Bewälti- Verfügbarkeit, die Vermittlung von Kompetenzen zur Bewältigung heraus- gungserfahrungen: Aus der gelungenen Sicherheit und der feinfühlige Umgang fordernder und kritischer Situationen Bewältigung herausfordernder oder mit den Bedürfnissen des Kindes sowie eine wesentliche Bedeutung. In einer kritischer Situationen geht das Kind ge- eine wertschätzende Unterstützung weiter gefassten Definition wird Resili- stärkt hervor. Es handelt sich bei »Re- seiner Fähigkeiten (Fröhlich-Gildhoff & enz als eine Kompetenz verstanden, die 4 31/2018/1
FORSCHUNG Selbst- und das Herangehen an Situationen und angemessene Selbstein- Schutzfaktoren Fremdwahrnehmung Aufgaben – damit auch die Art und schätzung und Informa- auf der personalen Weise der Bewältigung – und führen tionsverarbeitung Ebene so oftmals zu einer Bestätigung des Selbstwirksamkeit Überzeugung, Anfor- eigenen Selbstwirksamkeitserlebens. • Entwicklungs- (Selbsterwartung) derung bewältigen zu Selbstwirksame Kinder (und Erwach- aufgaben können • aktuelle sene) haben auch eher das Gefühl, Anforderungen B Situationen beeinflussen zu können • Krisen Regulation von Gefühlen e Selbststeuerung w (sog. internale Kontrollüberzeugun- und Erregung ä gen), und können die Ereignisse auf l ihre wirkliche Ursache hin realistisch t allg. Strategien i beziehen (realistischer Attributions- zur Analyse und zum Bearbeiten von Proble- g stil). Problemlösen/ u men, Kreativität und kognitive Flexibilität n Umstellungsfähigkeit (3) Soziale Kompetenz g Soziale Kompetenz umfasst die Unterstützung holen, Fähigkeit, im Umgang mit anderen Soziale Kompetenzen Selbstbehauptung, soziale Situationen einschätzen und Konfliktlösung adäquate Verhaltensweisen zeigen zu können, sich empathisch in andere Realisierung vorhandener Kompetenzen Menschen einfühlen sowie sich selbst Stressbewältigung/ adaptive Bewältigung in der Situation behaupten und Konflikte angemessen lösen zu können. Es geht aber auch Abb. 2: 6 persönliche Resilienzfaktoren zur Bewältigung von Krisensituationen, Entwick- darum, auf andere Menschen aktiv lungsaufgaben und schwierigen Alltagssituationen und angemessen zugehen zu können, Kontakt aufzunehmen sowie zwi- schenmenschliche Kommunikation sich aus verschiedenen Einzelfähigkei- (1) Selbst- und Fremdwahrnehmung aufrechtzuerhalten und adäquat zu ten zusammensetzt (Rönnau-Böse & Selbstwahrnehmung umfasst vor al- beenden. Des Weiteren zählt zur so- Fröhlich-Gildhoff, 2012), Fingerle (2011) lem die ganzheitliche und adäquate zialen Kompetenz die Fähigkeit, sich spricht hier von »Bewältigungskapi- Wahrnehmung der eigenen Emotionen soziale Unterstützung zu holen, wenn tal«. Diese Kompetenzen sind nicht und Gedanken. Gleichzeitig spielt die dies nötig ist. nur relevant in Krisensituationen, Selbstreflexion eine Rolle, d. h. die Fä- sondern auch notwendig, um z. B. higkeit, sich zu sich selbst in Beziehung (4) Selbstregulation Entwicklungsaufgaben und besonders zu setzen. Fremdwahrnehmung meint Sich selbst regulieren zu können, herausfordernde Alltagssituationen zu die Fähigkeit, andere Personen und ihre umfasst die Fähigkeit, eigene innere bewältigen. Die Einzelkompetenzen Gefühlszustände angemessen und Zustände, also hauptsächlich Gefühle entwickeln sich in verschiedensten möglichst »richtig« wahrzunehmen und Spannungszustände herzustellen Situationen, werden unter Belastung bzw. einzuschätzen und sich in deren und aufrechtzuerhalten und deren aktiviert und zeigen sich dann als Sicht- und Denkweise versetzen zu Intensität und Dauer selbstständig Resilienz. Eine genaue Analyse der können. zu beeinflussen bzw. zu kontrollieren weltweit identifizierbaren Langzeit- – und damit auch die begleitenden studien unter der Resilienzperspektive (2) Selbstwirksamkeit physiologischen Prozesse und Verhal- sowie die Auswertung von bedeuten- Selbstwirksamkeit ist vor allem das tensweisen zu regulieren. Dazu gehört den nationalen und internationalen grundlegende Vertrauen in die eigenen beispielsweise das Wissen, welche Studien und Überblicksarbeiten zur Fähigkeiten sowie die Überzeugung, Strategien zur Selbstberuhigung und Thematik zeigt, dass auf personaler ein bestimmtes Ziel auch durch Über- welche Handlungsalternativen es gibt Ebene 6 Kompetenzen – personale windung von Hindernissen erreichen und welche individuell wirkungsvoll Resilienzfaktoren – besonders relevant zu können. Eine große Bedeutung sind. sind, um Krisensituationen, aber auch haben dabei die Erwartungen, ob das Entwicklungsaufgaben und kritische eigene Handeln zu Wirkungen (und Er- (5) Problemlösefähigkeiten Alltagssituationen zu bewältigen folgen) führt oder nicht. Diese Erwar- Unter »Problemlösen« wird die Fähig- (Rönnau-Böse, 2013) (Abb. 2). tungen steuern schon im Vorhinein keit verstanden, »komplexe, (…) nicht 31/2018/1 5
FORSCHUNG eindeutig zuzuordnende Sachverhalte rungen durch verbale Verstärkung gedanklich zu durchdringen und zu FÖRDERUNG DER RESILIENZ des Selbstwirksamkeitserlebens (z. B. verstehen, um dann unter Rückgriff lobende Ansprache oder ermutigende auf vorhandenes Wissen Handlungs- ... im Familienalltag Blickkontakte). Beim Essen/Füttern möglichkeiten zu entwickeln, zu be- ergeben sich beispielhaft folgende werten und erfolgreich umzusetzen« In der Familie kommt es zunächst Möglichkeiten: Die Bezugsperson (Leutner et al., 2005, S. 125). Dabei ist es grundlegend darauf an, dem (Klein-) • … lässt das Kind selbst essen, wenn wichtig, systematisch vorzugehen und Kind Sicherheit und Zuverlässigkeit es das altersgemäß schon kann, das jeweilige Problem zu analysieren, zu bieten. Die kindlichen Grundbe- • … lässt das Kind den Löffel frühzei- Lösungsmöglichkeiten, -mittel und dürfnisse nach Bindung, Exploration, tig selbst führen je nach Alter und -wege abzuwägen und dann gleichfalls Orientierung und Selbstwertschutz Entwicklungsstand, systematisch auszuprobieren. Dabei (Grawe, 2004) müssen von den Er- • … achtet auf Feinzeichen der Zu- können unterschiedliche Problemlö- wachsenen anerkannt und feinfühlig und Abwendung, sestrategien, z. B. eine sorgfältige Ziel-/ sowie entsprechend dem Alter und • … erlaubt dem Kind, das Essen mit Mittelanalyse, angewandt werden. Entwicklungsstand des Kindes passge- allen Sinnen zu genießen und zu Die einfachste, oft nicht zielführende nau beantwortet werden. Eltern sollen erforschen (das kann auch heißen, Strategie ist das »Versuchs-/Irrtums- sich Zeit nehmen, in der sie wirklich dass das Kind auch einmal mit den verhalten«. Kinder müssen – und für die Kinder »präsent«, also innerlich Fingern in den warmen Tee fasst, können – solche übergeordneten bezogen auf ihr Kind verfügbar sind. das Brot zerkrümelt oder die Banane Problemlösestrategien erlernen. Kinder benötigen darüber hinaus zermatscht). An- und Herausforderungen, die sie Kinder (6) Aktive Bewältigungskompetenzen in ihrer »Zone der nächsten Entwick- • … wirken mit beim Tischdecken Menschen empfinden den Charakter lung« (Wygotski, 1987) angehen und und -abräumen, von belastenden und/oder heraus- bewältigen können; dies bedeutet, dass • … dürfen selbst Getränke einschen- fordernden, als »stressig« erlebten Unter- und Überforderung vermieden ken und einen Lappen holen, wenn Situationen unterschiedlich. Es geht werden sollten. Manchmal benötigen etwas danebengeht, darum zu lernen, solche Situationen Kinder auch Ermutigung und Zutrauen • … dürfen in ihrem eigenen Tempo angemessen einzuschätzen, zu bewer- beim Herangehen an neue Aufgaben, essen. ten und zu reflektieren, um dann die sie benötigen auf jeden Fall stärkende Für alle diese selbst initiierten, explo- eigenen Fähigkeiten in wirkungsvoller Rückmeldungen über ihr Handeln und rativen Handlungen ist eine verbale Weise zu aktivieren und umzusetzen, ein Verzeihen von Fehlern bzw. Miss- Spiegelung und Unterstützung durch um die Stresssituation zu bewältigen. erfolgen. Bei Krisen und Belastungen die Erwachsenen hilfreich. Bedeutsam für den Umgang mit müssen die Erwachsenen verfügbar Stress ist dabei das aktive Zugehen sein und Halt (und Trost!) geben. ... in Kindertageseinrichtungen auf solche Situationen und das aktive Im Alltag ist es hilfreich, die »Resilienz und Schulen wie angemessene Einsetzen von Be- brille« aufzusetzen und die perso- wältigungsstrategien. Zum adäquaten nalen Resilienzfaktoren zu stärken; Entsprechend den Erkenntnissen der Umgang mit Stress gehört allerdings hierzu bieten sich alle Situationen an. Präventionsforschung (Durlak, 2003; ebenfalls das Kennen der eigenen Exemplarisch seien Möglichkeiten, Bengel, Meinders-Lücking & Rottmann, Grenzen und Kompetenzen und die die Selbstwirksamkeit beim Essen zu 2009; Beelmann, 2006; Röhrle, 2008) Fähigkeit, sich (dann) soziale Unter- fördern, aufgeführt: sind spezifische gesundheitsförderliche stützung zu holen. Um die Selbstwirksamkeit eines Kindes bzw. präventive Maßnahmen dann am Es ist zu beachten, dass diese 6 Resi- zu fördern, braucht es Gelegenheiten, wirkungsvollsten, wenn sie im Setting, lienzfaktoren nicht unabhängig von- aktiv und selbstständig seine Umwelt also der Lebenswelt der Zielgruppe(n) einander sind. So ist beispielsweise zu explorieren und sich als »Verursa- verankert werden und zugleich auf eine adäquate Fremdwahrnehmung cher« wahrzunehmen. Die Förderung mehreren Ebenen ansetzen, mithin eine wichtige Voraussetzung für sozial der Selbstwirksamkeit kann erfolgen Kinder, Eltern und pädagogische kompetentes Handeln. durch die Ermöglichung von aktiven Fachkräfte erreichen. Dies bedeutet, Auf der Grundlage dieser 6 Resilienz- und selbst initiierten Handlungen, dass Programme zur Förderung von faktoren ist es möglich, Förderstrategi- durch die Ermöglichung einer selbst- Resilienz und Schutzfaktoren in eine en zu entwickeln und die Forschungs- ständigen Erforschung der Umwelt dauerhafte Entwicklung der Institutio- ergebnisse für die Praxis nutzbar zu oder durch die Ermutigung beim nen Kindertageseinrichtung und auch machen. Herangehen an An-/Herausforde- Schule eingebettet sein sollten. Um 6 31/2018/1
FORSCHUNG nachhaltige Wirkungen entfalten zu Intervention auch in Grundschulen die Einrichtungen der Jugendsozialar- können, muss das Team der pädago- (Fröhlich-Gildhoff et al., 2014). beit eine besondere Bedeutung. gischen Fachkräfte qualifiziert werden, Neben den grundlegenden Resilienzfak- um dauerhaft im Alltag und mittels ... im Jugendalter toren sind spezifische Fähigkeiten zur gezielter Maßnahmen die Resilienz der Orientierung und zur Erlangung von Kinder und ihrer Familien fördern zu Für die Bewältigung der spezifischen Handlungsfähigkeit in der multioptio- können (Fröhlich-Gildhoff et al., 2011; Entwicklungsaufgaben im Jugend- nalen Welt bedeutsam: Es bedarf einer 2014; 2016; Rönnau-Böse & Fröhlich- alter – vor allem das Umgehen mit Bereitschaft, sich immer wieder auf Gildhoff, 2015) (Abb. 3). und Annehmen der körperlichen Neues und auf Ungewissheiten einzulas- Die Ergebnisse der komplexen Evaluati- Veränderungen sowie die Entwick- sen, soziale Beziehungen und Netzwerke on der verschiedenen Projekte in Kitas lung eigenständiger Identität und die müssen immer wieder geknüpft, ausge- und Schulen im Kontrollgruppendesign damit verbundene Lösung von den handelt und (re)aktiviert werden, eigene zeigten eine hohe Akzeptanz und po- Eltern – benötigen die Jugendlichen Ziele können und müssen (selbstmo- sitive Resonanz bei allen Zielgruppen Unterstützung und Halt von Erwach- tiviert) entwickelt werden und sollten sowie statistisch bedeutsame, positive senen, zunehmend auch außerhalb dann in Handlungen einfließen. Ergebnisse im Bereich des Selbstkon- der Herkunftsfamilie. Zudem werden zepts und der kognitiven Entwicklung Gleichaltrige immer bedeutender. ... im weiteren Lebenslauf bei den Kindern der Durchführungs- »Offensichtlich ist allein schon das gruppen im Vergleich zu den Kontroll- Erleben von Peerbeziehungen resilienz In späteren Lebensphasen zeigen sich gruppen (Rönnau-Böse, 2013). fördernd. Wer Peerbeziehungen erlebt seelische Widerstandskraft und Stärke Werden die Fachkräfte in der Entwick- hat, kann anscheinend besser mit Be- nicht nur in der Bewältigung (exis- lung einer resilienzförderlichen Haltung lastungen in Beziehungen umgehen« tenzieller) Krisen wie Arbeitslosigkeit, und von spezifischen Kompetenzen zur (Steinebach & Steinebach, 2013, S. 102). Trennungen in Paarbeziehungen, dem Resilienzförderung unterstützt, hat Zur Stärkung der Resilienz in dieser Tod von vertrauten Menschen oder dies positive Auswirkungen sowohl auf sensiblen Phase benötigen Jugendliche dem Umgang mit Krankheiten oder die Kinder als auch die Eltern sowie Anerkennung und Wertschätzung Verletzungen. Sie zeigen sich auch in die Fachkräfte selbst. Die ressourcen- von Älteren, auch für manche extrem der Bewältigung lebensphasentypischer orientierte Wahrnehmung der Kinder wirkenden Abgrenzungsbestrebungen Transitionen wie Familiengründung, führt zu mehr Vertrauen in die eigenen wie z. B. die verschiedenen Formen von Auszug von Kindern, Beendigung der Fähigkeiten bei allen Beteiligten. Die Jugendkulturen. Arbeitstätigkeit oder dem Verlust von Kinder erleben vermehrt positive Jugendliche benötigen Räume, in körperlichen und kognitiven Fähigkeiten Selbstwirksamkeitserfahrungen, die denen sie unter sich sein können, sich mit zunehmendem Alter. Bedeutsam Fachkräfte erhalten dadurch positive austauschen und entfalten können, sind hierbei soziale Unterstützung, ein Rückmeldung auf ihre Angebote, also die Ermöglichung von Partizipati- positiver Selbstwert, aber auch die Fähig- was wiederum in einen Anstieg des on und Verantwortungsübernahme für keit zur Sinnfindung und, damit verbun- Vertrauens in die eigenen fachlichen Jugendliche (Raumgestaltung, eigene den, der Entwicklung von Lebenszielen Kompetenzen mündet. Die Eltern er- »Plätze«) sowie die Unterstützung (Rönnau-Böse & Fröhlich-Gildhoff, 2015). halten durch die ressourcenorientierte einer (positiven) Peer Culture durch Die Orientierung an persönlichen Perspektive der Fachkräfte mehr positi- Begegnungsmöglichkeiten. Hier haben Zielen bzw. an einem Lebenssinn er- ve Rückmeldungen, die höht, wie verschiedene zu mehr Zuversicht in (1) Ebene pädagogische Fachkräfte Studien zeigen konnten, • Fortbildungen die eigenen Erziehungs- prinzipiell das seelische (2) Ebene Kinder • Leitbild (Institution) kompetenzen führen. • Förderung der Resilienzfaktoren • »pädagogischer Alltag« Wohlbef inden, die Dieses Vertrauen wirkt im Alltag • ressourcenorientierte Lebenszufriedenheit Fallbesprechungen sich dann wieder auf • Kinderkurse und die allgemeine • zielgruppenspezifische Angebote die Beziehung zu den (3) Ebene Zusammenarbeit mit Eltern psychische Gesundheit eigenen Kindern aus, die (4) Netzwerke • Information (z. B. Brunstein et al., • regelmäßige Entwicklungsgespräche so von 2 Seiten gestärkt • Erziehungsberatung • Beratung/»Sprechstunden« 2007). Eine wichtige werden (Rönnau-Böse, • soziale Dienste Fähigkeit – insbeson- • Elternkurse • Einrichtungen, Vereine etc. 2013; Fröhlich-Gildhoff im Sozialraum dere zur Sicherung des et al., 2011). Diese subjektiven Wohlbefin- Ergebnisse finden sich Abb. 3: Multimodales Vorgehen im Setting-Ansatz zur Förderung von Resilienz dens – besteht darin, bei einer gleichartigen die eigenen Ziele mit 31/2018/1 7
FORSCHUNG eigenen Kompetenzen und Außenbe- Resilienz förderung ist kein Cicchetti & Donald Cohen (Hrsg.), Developmental Psy- dingungen immer wieder zur Passung »Allheilmittel« und alle Maßnahmen chopathology: Risk, disorder, and adaptation (S. 739- 795). New York: Wiley. zu bringen; es kommt also auf eine können nur die Wahrscheinlichkeit Opp, Günther & Fingerle, Michael (Hrsg.) (2007). Was »flexible Zielanpassung« an. Dabei erhöhen, dass Kinder, Jugendliche und Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resili- spielen »Reorganisationsprozesse« auch Erwachsene die Herausforderun- enz. München: Reinhardt. eine Rolle, also »eine Neuordnung gen des Lebens »besser«, d. h. im Sinne Petermann, Franz, Niebank, Kay & Scheithauer, Her- bert (2004). Entwicklungswissenschaft: Entwicklungs- von Prioritäten, die Lebenszielen zu- des Erhalts seelischer Gesundheit be- psychologie – Genetik – Neuropsychologie. Berlin, gewiesen werden« (Brunstein, Maier wältigen. Resilienz »hilft« nicht, wenn Heidelberg: Springer. & Dargel, 2007, S. 296). unmenschliche, unaushaltbare Lebens- Pianta, Robert, Stuhlman, Megan & Hamre, Bridget (2007). Der Einfluss von Erwachsenen-Kind-Bezie- bedingungen vorliegen – dann gilt es, hungen auf Resilienzprozesse im Vorschulalter und in diese Bedingungen zu verändern. der Grundschule. In Günther Opp & Michael Fingerle (Hrsg.), Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko FAZIT und Resilienz (S. 192-211). München: Reinhardt. LITERATUR Röhrle, Bernd (2008). Die Forschungslage zur Präven- tion psychischer Störungen und zur Förderung psychi- Die Förderung der seelischen Gesund- scher Gesundheit. Verhaltenstherapie und Psychoso- heit – operationalisiert über das Kon- Beelmann, Andreas (2006). Wirksamkeit von Prä- ziale Praxis 40(2), 343-347. ventionsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen: zept der Resilienz- bzw. Schutzfaktoren Ergebnisse und Implikationen der integrativen Erfolgs- Rönnau-Böse, Maike & Fröhlich-Gildhoff, Klaus (2015). Resilienz und Resilienzförderung über die Lebensspan- – ist über die gesamte Lebensspanne forschung. Zeitschrift für klinische Psychologie und ne. Stuttgart: Kohlhammer. Psychotherapie, 35(2), 151-162. möglich und sinnvoll (Rönnau-Böse & Rönnau-Böse, Maike (2013). Resilienzförderung in der Bengel, Jürgen, Meinders-Lücking, Frauke & Rottmann, Fröhlich-Gildhoff, 2015). Die Resilienz Nina (2009). Schutzfaktoren bei Kindern und Jugendli- Kindertageseinrichtung. Freiburg: FEL. faktoren lassen sich gezielt fördern chen. Stand der Forschung zu psychosozialen Schutz- Rönnau-Böse, Maike & Fröhlich-Gildhoff, Klaus (2012). faktoren für Gesundheit. (Forschung und Praxis der Das Konzept der Resilienz und Resilienzförderung. In – im Alltag und durch verschiedene Gesundheitsförderung, Bd. 35). Köln: Bundeszentrale Klaus Fröhlich-Gildhoff, Jutta Becker & Sibylle Fischer »Programme«. Dabei geht es darum, für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). (Hrsg.), Gestärkt von Anfang an. Resilienzförderung in der Kita (S. 9-29). Weinheim: Beltz. dass Eltern und Professionelle – v. a. Brunstein, Joachim, Maier, Günther & Dargel, Anja (2007). Persönliche Ziele und Lebenspläne: Subjektives Steinebach, Christoph & Steinebach, Ursula (2013). PädagogInnen, LehrerInnen, Psycho- Wohlbefinden und proaktive Entwicklung im Lebens- Gleichaltrige: Peers als Ressource. In Christoph Steine- therapeutInnen – die »Resilienzbril- lauf. In Jochen Brandtstädter & Ulman Lindenberger bach & Kiaras Gharabaghi (Hrsg.), Resilienzförderung (Hrsg.), Entwicklungspsychologie der Lebensspanne im Jugendalter (S. 93-110). Berlin: Springer. le« aufsetzen und die Stärken ihres (S. 270-304). Stuttgart: Kohlhammer. Wustmann, Corina (2004). Resilienz. Widerstandsfä- Gegenübers stärken. 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Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. zung vorhandener Materialien. Es geht Fröhlich-Gildhoff, Klaus, Dörner, Tina & Rönnau-Böse, darum, Menschen zu unterstützen und Maike (2016). PRiK – Prävention und Resilienzförde- zu ermutigen, Herausforderungen in rung in Kindertagesstätten. Ein Trainingsprogramm. DIE AUTORiNNEN München: Reinhardt. ihrem nächsten Entwicklungsbereich Fröhlich-Gildhoff, Klaus & Rönnau-Böse, Maike (2015). anzugehen und damit Unter- wie Über- Resilienz. München: Reinhardt/UTB. forderung zu vermeiden. Fröhlich-Gildhoff, Klaus, Kerscher-Becker, Jutta, Rieder, Dabei darf nicht vergessen werden, Sophia, von Hüls, Bianca, Schopp, Stefanie & Ham- berger, Matthias. (2014). Grundschule macht stark! dass der Kern der Resilienzförderung Resilienzförderung in der Grundschule. Freiburg: FEL. immer wieder die kontinuierliche Fröhlich-Gildhoff, Klaus, Becker, Jutta & Fischer, Sibylle. Gestaltung entwicklungsförderlicher (Hrsg.) (2012). Gestärkt von Anfang an. Resilienzförde- rung in der Kita. Weinheim: Beltz. Beziehungen ist – dies muss bei allen Fröhlich-Gildhoff, Klaus, Beuter, Simone, Fischer, Sibylle, Interventionen berücksichtigt werden. Lindenberg, Julia & Rönnau-Böse, Maike (2011). Förde- rung der seelischen Gesundheit in Kitas für Kinder und Erfahrungen aus Kita- und Schulteams, Familien mit sozialen Benachteiligungen. Freiburg: FEL. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff ist Professor die ihre Arbeit unter der Resilienz- Grawe, Klaus (2004). Neuropsychotherapie. Göttin- für Klinische Psychologie und Entwick- perspektive neu betrachtet und z. T. gen: Hogrefe. lungspsychologie und Leiter des Zent- umgestaltet haben, zeigen, dass dies Leutner, Detlev, Klieme, Eckhard, Meyer, Katja & Wirth, rums für Kinder- und Jugendforschung Joachim (2005). Die Problemlösekompetenz in den Län- (ZfKJ) an der Evangelischen Hochschule zunächst mit Reflexionsprozessen und dern der Bundesrepublik Deutschland. In Manfred Mehrarbeit verbunden ist, allerdings Prenzel et al. (Hrsg.), PISA 2003. Der zweite Vergleich Freiburg. steigen mittelfristig das professionelle der Länder in Deutschland (S. 125-146). Münster i.W.: Maike Rönnau-Böse ist Professorin für Waxmann. Selbstverständnis und die Arbeitszu- Pädagogik der Kindheit an der Evange- Luthar, Suniya (2006). Resilience in development: A lischen Hochschule Freiburg. friedenheit. synthesis of research across five decades. In Dante 8 31/2018/1
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