Thaksin, Prayuth und der König - Am Vorabend der Wahlen in Thailand kämpfen drei Männer einen unterschiedlichen Kampf - Konrad-Adenauer-Stiftung

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Thaksin, Prayuth und der König - Am Vorabend der Wahlen in Thailand kämpfen drei Männer einen unterschiedlichen Kampf - Konrad-Adenauer-Stiftung
März 2019

Thailand

 Thaksin, Prayuth und der König

Am Vorabend der Wahlen in Thailand kämpfen drei Männer einen
unterschiedlichen Kampf
David Brähler, Imke Gellermann
Im Vorfeld der thailändischen Wahlen am kommenden Sonntag, dem 24. März,
erschütterten turbulente Entwicklungen die Politik und offenbaren die großen Spannungen
in der Gesellschaft der konstitutionellen Monarchie. In ihrem Zentrum stehen drei Männer,
von denen der eine an der Macht bleiben möchte, der andere seine Macht ausbauen und
der dritte die Macht zurückgewinnen will.

Einerseits fühlen sich Beobachter an die frühen 2000er Jahre erinnert, als der spektakuläre
Wahlsieg des politischen Newcomers Thaksin Shinawatra erstmals die traditionelle
politische Landschaft erschütterte und für immer veränderte. Mit den 2018 neugegründeten
„Back-Up-Parteien“ seiner Pheu-Thai-Partei (etwa: „Partei für Thais“) und der spektakulären
Nominierung von Prinzessin Ubolratana I. am 8. Februar als Kandidatin für das Amt des
Premierministers für sein Lager, versucht der im Londoner Exil lebende Thaksin sein
Vermächtnis bei den am 24. März anstehenden nationalen Wahlen abzusichern.

Andererseits bringt sich General Prayuth Chan-o-cha in Stellung, der 2014, nur ein Jahr nach
der Entmachtung von Thaksins Schwester Yingluck Shinawatra 2013 via Verfassungsgericht,
durch einen Militärputsch die zivile Regierung stürzte und seitdem durch das sogenannte
NPCO (National Council of Peace and Order) regiert. Nach dem Durchbringen einer neuen
Verfassung und eines geänderten Wahlrechts hat das Militär seinen bestimmenden Einfluss
auch nach den Wahlen sichergestellt, selbst wenn eine Regierung im zivilen Gewand
etabliert wurde.

Doch auch ein Dritter sorgt für Verunsicherung: König Vajiralongkorn rückt immer stärker in
den Mittelpunkt. Er führt vom Palast aus seinen eigenen Kampf um Einfluss und Machtfülle -
durch massive Ausweitung seiner Rechte und Befugnisse.

Dieser Länderbericht versucht, in unterschiedlicher Tiefe die drei Männer näher zu
beleuchten, und die Situation Thailands um die Wahlen und seine Entwicklung insgesamt
einzuschätzen.

Thaksin Shinawatra – die Erfolgsgeschichte eines Strippenziehers

Seit dem offiziellen Beginn des thailändischen Wahlkampfs am 12. Dezember 2018 und nach
fünfmaliger Verschiebung des offiziellen Wahltermins bemühen sich die Pro-Thaksin-
Parteien ungeachtet der Behinderungen durch undemokratische Gesetzesänderungen
gegen die übermächtigen Windmühlen des Militärs anzukämpfen. Dahinter steckt ein
unerschütterlicher „Steh-auf-Mann“, der in seiner über 30-jährigen Zeit als erfolgreicher
Unternehmer und in den zwei Jahrzehnten politischer Tätigkeit unzählige Krisen umschifft
hat. Nach einer mehrjährigen internationalen Ausbildung zum Polizei-Offizier wagte sich der
aus gutem Hause stammende junge Thaksin Shinawatra Ende der 1980er Jahre in die
Geschäftswelt. Dank seiner schon damals vielfältigen Kontakte, insbesondere in den
Sicherheitsbereich hinein, gelang es Thaksin, sich mit der Vermietung und Anschaffung von
gerade aufkommenden Personal-Computern für Regierungsstellen, sowie der Einführung
von Mobilfunk und Satellitenübertragung in Thailand einen Namen und seine ersten
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Millionen zu machen. Mit seinem 41. Geburtstag ging Thaksin als „Telekommunikations-
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Business-Tycoon“ 1990 an die Börse und zugleich in die Politik.

Mit der Gründung einer eigenen Partei, der „Thai-Rak-Thai-Partei“ (etwa „Thais lieben Thais“,
kurz: TRT) 1998 erkannte der Geschäftsmann die Zeichen der Zeit von politischer Instabilität,
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demokratischer Schwäche und den Folgen der asiatischen Finanzkrise 1997. Er nutzte die
grassierende Unzufriedenheit für den Sprung in die Politik und düpierte mit seinem
deutlichen Wahlsieg im Jahr 2001 die alten Eliten der Demokratischen Partei Thailands und
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änderte das political game in Thailand für immer.

Besonders arme Wähler aus dem bevölkerungsreichen Norden begeisterte er mit seiner
Herablassung gegenüber den alten Eliten, der Einführung einer allgemeinen
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Krankenversicherung und breit angelegten Schuldenabbauprogrammen für Landwirte.
Unternehmer schätzten den neuen Premier für seine Managermentalität, mit der er durch
seine als „Thaksinomics“ bekanntgewordenen populären Ad-hoc-Programme die Wirtschaft
ankurbelte. „Ich bin selber von einem Niemand zu einem erfolgreichen Mann geworden.
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Wer hätte ihnen besser helfen können?“ begründete Thaksin seinen politischen Erfolg, in
den er - geschickt netzwerkend - selbst ehemalige Rivalen einband und sich breite
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Unterstützung erwarb. Zwar nicht kritiklos , aber doch erfolgreich überstand Thaksin als
erster demokratisch gewählter Premier eine ganze Amtszeit und stolperte erst 2006 über
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mehrere Tatbestände von persönlicher Bereicherung . Thaksins unkonventionelle und
durchgreifende Art vertiefte die Ablehnung der etablierten Hierarchien aus Ministerien,
Militär, Judikative und Wissenschaft, die auch bei den jetzt anstehenden Wahlen dem Pro-
Thaksin-Lager unverändert ablehnend gegenüberstehen. Dies gilt in umgekehrter Weise für
große Teile der Landbevölkerung und Angehörige der Mittelschicht, die noch immer große
Sympathien für den Self-made-man empfinden. Auch nach offizieller Verurteilung wegen
Korruption und der Flucht ins Exil mit wechselnden Aufenthaltsorten in Phnom Penh,
London und Dubai blieb Thaksin im Herzen seiner Wähler und in der Politik Thailands ein
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spaltender und einflussreicher Player.

Der andauernde Einfluss des Shinawatra-Clans

Mit der Wahl seiner jüngeren Schwester Yingluck Shinawatras zur Premierministerin 2011
war Thaksin wieder obenauf. Während er sich im Exil, etwa in England mit einer Beteiligung
am Premier League Fußballverein Manchester City oder Immobilienkäufen in verschiedenen

1 Pathmanand, Ukrist 1998, The Thaksin Shinawatra Group: A Study of the Relationship between Money
and Politics in Thailand, Copenhagen Journal of Asian Studies, Vol. 13 JAHR, in:
https://rauli.cbs.dk/index.php/cjas/article/view/2165 [26.2.2019] hier: S. 68.
2 Kongkirati, Prajak 2019. From Illiberal Democracy to Military Authoritarianism: Intra-Elite Struggle and
Mass-Based Conflict in Deeply Polarized Thailand. In: The Annals of the American Academy. Volume 681,
Issue 1, January 2019.
3 Vgl. im Folgenden: BBC News World, Profile: Thaksin Shinawatra, 24.6.2011, in:
https://www.bbc.com/news/world-asia-pacific-13891650 [12.3.2019].
4 Hewison, Kevin 2010: Thaksin Shinawatra and the reshaping of Thai politics, Contemporary Politics,
16:2, S. 119-113, hier: S. 120.
5 Peel, Michael 10.3.2016; Lunch with the FT: Thaksin Shinawatra, in: Financial Times,
https://www.ft.com/content/59d81f90-e5e7-11e5-a09b-1f8b0d268c39 [26.2.2019, eigene Übersetzung].
6 Hewison, Kevin 2010: Thaksin Shinawatra and the reshaping of Thai politics, Contemporary Politics,
16:2, S. 119-133, hier S. 123.
7 Neben Vorwürfen der Selbstbereicherung erklärte Premier Thaksin 2003 etwa den Drogen den Krieg.
Laut Amnesty International wurden in der darauf folgenden dreimonatigen Kampagne bis zu 2200
Verdächtige getötet. Vgl. Amnesty International November 2003: Thailand: Grave developments –
killings and other abuses, ASA 39/008/03, in:
https://www.amnesty.org/download/Documents/108000/asa390082003en.pdf [07.2.2019].
8 Insbesondere der Verkauf seiner Aktien am staatlichen Unternehmen Shin Corp (im Wert von 4
Milliarden $) ohne dafür Steuern zu zahlen, wird als Anfang vom Ende Thaksins als Premierminister
gewertet. Vgl. dazu Rist, Manfred 5.4.2017: Overkill und Willkür in Thailand, in: Neue Zürcher Zeitung,
hier: S. 24.
9 Hewison, Kevin 2010: Thaksin Shinawatra and the reshaping of Thai politics, Contemporary Politics,
16:2, S. 119-113.
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
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Ländern und der Erlangung anderer Staatsbürgerschaften beschäftigte , gehörte das
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Protegieren seiner jüngsten Schwester zu seinen anhaltenden Leidenschaften. Als
erfolgreiche Managerin und Geschäftsfrau hatte Yingluck die Führung des
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Familienunternehmens SC Asset Corporation übernommen. Die politischen Biografien
beider folgten dann auch dem gleichen Schema: außerordentlicher Wahltriumph – diesmal
mit der 2008 neugegründeten Pheu-Thai-Partei (etwa „Partei für Thais“)-, zweifelhafte
populistische Umverteilungsprogramme und das Versprechen einer Amnestie für ihren
Bruder. All das musste die alten Eliten zum Widerstand herausfordern und führte zu den
Protesten der Gelbwesten-Bewegung sowie Yinglucks Absetzung in 2013. Eine
bevorstehenden Inhaftierung zum Antritt eine Haftstrafe entzog sich die Politikerin durch
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Flucht ins Ausland, deren genaue Umstände bis heute unklar sind.

Im aktuellen Wahlkampf haben sich die Shinawatras durch die Übernahme oder
Neugründung von Ersatzparteien als Plan B frühzeitig an die Sanktionen und Repressionen
des Militärs angepasst und damit in Stellung gebracht.

Ebenso wie das Militär, das auf ein Bündnis von Parteien setzt, um ihrem Kandidaten
General Prayuth Chan-o-cha ins Amt zu verhelfen, haben die Shinawatras mehrere Parteien
ins Rennen geschickt. Zunächst sind dies die Pheu-Thai-Partei mit u.a. Sudarat Keyuraphan,
einer langjährigen politischen Gefährtin Thaksins als Kandidatin, Thaksins Sohn Panthongtae
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Shinawatra und die Thai-Raksa-Chart-Partei (TRT, etwa „Thais rettet die Nation“), die erst
am 7. November 2018 als vierte Reinkarnation von Thaksins ursprünglicher Thai Rak Thai
Party (TRT) gegründet worden war. Mit dem Eintritt bedeutender Pheu-Thai-Mitglieder und
der spektakulären Nominierung von Prinzessin Ubolratana I., älteste Schwester des Königs
und ein in Thailand äußerst beliebtes Mitglied des Königshauses, war die Partei in kürzester
Zeit in vielen Landesteilen schlagartig medial präsent. Neben Rupop Shinawatra, ein Neffe
und ehemaliger Assistent Thaksins, der zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde,
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war auch Thaksins Nichte Chayika Wongnapachant Mitglied der Partei. Dem raketenhaften
Aufstieg folgte am 7. März 2019 aufgrund von “nicht-verfassungsgemäßem Handeln durch
Nominierung der Prinzessin“ die Auflösung durch das Verfassungsgericht, welches bereits
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die ersten beiden Thaksin-Parteien aufgelöst hatte. Doch die mit 10 Jahren Berufsverbot
belegten Mitglieder und ihre Anhänger organisierten sich kurzfristig neu zur „Steps forward
for Democray Group“, um weiter Wahlkampf für die anderen Shinawatra-Parteien zu
machen: die Pheu-Tham-Partei, bestehend aus vielen ehemaligen Pheu-Thai-Mitgliedern
und Rothemden, die das Ziel verfolgt, erstmalig Wahlkreise im Süden des Landes zu
erobern. Die Peua-Chat-Partei, in ähnlicher Zusammensetzung und schließlich die
Prachachat-Partei, die insbesondere aus Mitgliedern der Wadah Group, einer muslimischen,
politischen Gruppe aus dem tiefen Süden Thailands besteht und dort Wahlkampf macht.

10 Peel, Michael 10.3.2016: Lunch with the FT: Thaksin Shinawatra, in: Financial Times,
https://www.ft.com/content/59d81f90-e5e7-11e5-a09b-1f8b0d268c39 [26.2.2019, eigene Übersetzung].
11 Peel, Michael 10.3.2016: Lunch with the FT: Thaksin Shinawatra, in: Financial Times, 10.03.2016,
https://www.ft.com/content/59d81f90-e5e7-11e5-a09b-1f8b0d268c39 [26.2.2019].
12 Vougioukas, Janis 1.7.2011: Thailands Ex-Premier Thaksin Shinawatra – “Meine Anhänger erwarten
meinen Input”, Stern, in: https://www.stern.de/politik/ausland/thailands-ex-premier-thaksin-shinawatra-
-meine-anhaenger-erwarten-meinen-input--3058270.html [07.2.2018].
13 Vgl. McKirdy, Euan/ Paranasamriddhi, Angie 27.9.2017: Former Thai PM Yingluck sentenced to five
years over rice scheme. CNN, in: https://edition.cnn.com/2017/09/27/asia/thailand-yingluck-shinawatra-
verdict/index.html [07.02.2019]; The Economist, 29.01.2015, Thaksin Times, in:
https://www.economist.com/asia/2015/01/29/thaksin-times [13.3.2019].
14 Vgl. The Straits Times 26.11.2018, Thaksin's only son Panthongtae 'Oak' formally joins main
opposition Puea Thai party, in: https://www.straitstimes.com/asia/se-asia/thaksins-only-son-
panthongtae-oak-formally-joins-main-opposition-puea-thai-party [Last accessed 30.1.2019].
15 Vgl. Daily Mail 7.11.2018, New party, old faces: political entrant’s leaders are Shinawatra loyalists ,in:
Daily Mail Online, https://www.dailymail.co.uk/wires/afp/article-6363629/New-party-old-faces-political-
entrants-leaders-Shinawatra-loyalists.html [26.2.2019].
16 Vgl. The Nation 8.3.2019, A threat to monarchy, in:
http://www.nationmultimedia.com/detail/politics/30365402 [13.2.2019].
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
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Thaksin selbst traf sich mehrfach mit seinen Gefolgsleuten in Singapur und lancierte eine
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Podcast-Reihe.

Ein König greift nach der Macht

Schon zu Lebzeiten des hochverehrten König Bhumibol beäugten die Thais seinen ältesten
Sohn und Kronprinzen Maha Vajiralongkorn mit wachsender Verwunderung und
Verstörung. Zu seinem als ausschweifend empfundenen Lebensstil trug dazu in den letzten
Jahren der Umstand bei, dass der künftige König einen Großteil des Jahres in seiner Villa in
Oberbayern, fern von seiner Heimat, verbringt. Dort wächst auch sein Sohn und potenzieller
Kronprinz Dipangkorn Rasmijoti auf. Daraus entstand der legitime Vorwurf, der Thronfolger
werde von seinem Volk und dessen Kultur entfremdet. Obendrein entließ Vajiralongkorn die
Getreuen seines Vaters aus dem Kronrat und ersetzte sie mit eigenen Gefolgsleuten, greift
nach wie vor mit seinen Palastbürokraten direkt in die Regierungsgeschäfte von Ministerien
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ein und hat sich die Verwaltung des Kronvermögens 2017 direkt unterstellt. Seine
Machtanhäufung betrifft auch zentrale Grundstücke rund um den Königspalast, von denen
er unter anderem Ministerien entfernen lässt und die an den Rand der Stadt verbannt.
Konzipiert werden gleichzeitig weitere Paläste, ganz in der Tradition thailändischer
Herrscher vergangener Jahrhunderte. Schon 2016 nahm sich der neue König das Recht, den
Patriarchen des höchsten buddhistischen Mönchsrates zu ernennen. Seit September 2018
ist der oberste Militärgeneral Apirat Kongsompong direkt dem König unterstellt. Unter ihm
werden in den kommenden Jahren mehr Truppen in die unmittelbare Umgebung des
Kronpalastes verlegt. Die Leibgarde der Königin Mutter, nun Vajiralongkorn unterstellt, sorgt
bereits jetzt für die Sicherheit im Palast

Die absolutistischen Anwandlungen zeigen einen Mann, der sich sowohl vom Erbe seines
Vaters, auf dessen Grundlage er überhaupt Verehrung erfährt, als auch vom Zugriff des
Militärs emanzipiert. Die brüske öffentliche Maßregelung seiner Schwester Ubolratana ob
ihrer Kandidatur für die Thai-Raksa-Chart Anfang März zeigt, dass er auch familiär seinen
Machtanspruch unmissverständlich einfordert.

Mindestens die beiden letzten Verschiebungen des Wahltermins gingen auf die Unklarheit
über das künftige Krönungsdatum Maha Vajiralongkorns zu Rama X zurück, das schließlich
auf den 4. Mai festgelegt wurde. Mit diesem Schritt scheint ein weiteres unrühmliches Stück
Geschichte Thailands besiegelt zu werden, das von den Hauptakteuren König und Militär
geschrieben wird.

Das Verhalten des neuen Königs unterscheidet sich immer mehr von dem seines legendären
Vaters. Und obwohl jede Kritik- und sei sie noch so leise- am Königshaus mit schweren
Strafen belegt wird, wächst der Unmut in der Bevölkerung spürbar. Die Entweihung des
königlich-väterlichen Stils von Bhumibol verletzt viele Thais im Inneren sehr. Ob eine
Weissagung Buddhas, nach der mit Rama X. die Monarchie in Thailand enden werde,
eintrifft, bleibt Spekulation.

General Prayuth Chan-o-cha

Prayuth Chan-o-cha, der nur vier Jahre nach Thaksin im Nordosten des Landes zur Welt kam,
wurde schon als junger Offizier für seine Tapferkeit auf dem Feld ausgezeichnet. Seine
unbedingte Mission, Thailand und die Monarchie zu schützen, drückte er selbst so aus: „Ich
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sagte mir, dass ich mein Leben meinem Heimatland und der Monarchie widmen müsse.“
Unter Berufung auf den Schutz der thailändischen Identität („Thainess“), präsentiert sich
das Militär als Wächter der Nation, des Königs und des Volkes.

17 Hookway, James 23.1.2019, Thais try again: Military junta calls for March elections, in:
https://www.wsj.com/articles/thai-military-leaders-call-elections-for-march-
11548253522?mod=searchresults&page=1&pos=1 [15.3.2019]
18 Vgl. im Folgenden: The Economist 3.1.2019, in: https://www.economist.com/asia/2019/01/05/as-the-
army-and-politicians-bicker-thailands-king-amasses-more-power [13.2.2019].
19 Campbell 21.6.2018, Thailand’s Leader Promised to Restore Democracy. Instead He’s Tightening His
Grip, in: Time, http://time.com/5318235/thailand-prayuth-chan-ocha/ [14.3.2019, eigene Übersetzung].
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                                                            März 2019   5
Dem militärisch nüchternen Prayuth muss der schillernde Milliardär Thaksin seit jeher ein
Dorn im Auge gewesen sein. Mit der Thaksin und den Rothemden nahestehenden
buddhistischen Dhammakaya-Sekte etwa räumte Prayuth rigoros auf und ließ ihren
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Haupttempel nördlich von Bangkok im März 2017 stürmen.

In seinen fünf Jahren an der Spitze der Regierung hat Prayuth mit zunehmender Repression
regiert. Angebliche Verstöße gegen das verhangene Versammlungsverbot, das
Majestätsbeleidigungsgesetz, das harte zensierende Cybergesetz, oder die Bestimmungen
gegen Volksaufhetzung wurden drakonisch geahndet. Ähnlich wie Widersacher Thaksin,
setzt Prayuth auf ein breites Netz an Familienangehörigen und Verbündeten. Prayuths
Bruder, General Preecha Chan-ocha, wurde zum ständigen Sekretär im
Verteidigungsministerium ernannt und Neffe Patipat Chan-ocha zum Direktor für zivile
Angelegenheiten der Dritten Armeeabteilung.

Nichts überließ Prayuth dem Zufall. Schon kurz nach Start der Registrierung neuer Parteien
für eine zukünftige Wahl ließ er durchblicken, der von einem Schulfreund und General
gegründeten Phalang-Pracharat-Partei (auf Englisch „People's State Power Party“)
nahezustehen. Phalang gelang es bedeutende Ex-Minister der Thakins-Regierungen und der
Demokratischen Partei auf seine Seite zu ziehen. Mehrere Kabinettmitglieder Prayuths
haben heute führende Rollen inne. Prayuth tauschte die Uniform gegen zivile Kleidung,
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erklärte sich zum „Politiker, der einmal ein Soldat war“ und umgarnte – während für alle
anderen Parteien der Wahlkampf noch verboten war – die potentiellen Wähler bei
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öffentlichen Auftritten. Noch 2018 drückte er die Reduzierung und den Neuzuschnitt der
Wahlbezirke von 400 auf 350 per Dekret durch, um seiner Phalang Pracharat Partei bessere
Erfolgsaussichten zu verschaffen.

126 lautet Prayuths magische Zahl. So viele Sitze muss sein Lager erringen, um mit den
zusätzlichen, durch das Militär bestimmten, 250 Mitgliedern des Senats eine Mehrheit zu
erlangen und Prayuth zum Premierminister wählen zu können. Beobachter vermuten, dass
die Demokratische Partei nach der Wahl mit Prayuths Pfalang Partei koalieren wird, auch
wenn die Demokratische Partei derartige Absichten energisch zurückweist. Auch deshalb
liegt Thaksins Pheu-Thai Partei letzten Umfragen zufolge- und ungeachtet des Debakels um
die Prinzessin Ubolratana- in der Wählergunst ganz vorne. Gute Aussichten Premierminister
zu werden, hat aber Prayuth, wenn sich die ihn unterstützenden Parteien im Parlament
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zusammentun. Die Voraussetzung für den Machterhalt hat das Militär mit der 2017 in Kraft
getretenen, mittlerweile zwanzigsten Verfassung seit Begründung der konstitutionellen
Monarchie 1932, geschaffen. Kleine Parteien werden bei den Wahlen seitdem bevorzugt. In
der Folge bedarf es der Bildung von Bündnissen, um eine Mehrheit im 750-Sitz starken
Parlament zu erlangen. Die 500-Sitz umfassende Nationalversammlung steht dabei zur
Wahl, während das Militär den 250-Sitz starken Senat schon benannt hat. Insgesamt
benötigt das Militär also nur 126 zusätzliche Stimmen, um die bisherigen Machtverhältnisse
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zu verlängern.

Szenarien

Nur wenige Tage vor den Wahlen scheint für Prayuth und sein Bündnis alles nach Plan zu
laufen. Die Fortsetzung einer militärgeführten Regierung mit demokratischem Anstrich
scheint entschieden. Selbst im unwahrscheinlichsten Falle, dass Thaksins Reformbündnis die
absolute Mehrheit der Parlamentarierstimmen gewinnt, wird das Militär nicht aufgeben.

20 Vgl. zum Überblick: Voice of America 22.3.2017, What is Wat Dhammakaya, the Conflict Behind It, in:
https://www.voanews.com/a/wat-dhammakaya-conflict-thailand-buddhism/3778313.html [14.3.2019].
21 AP News 24.9.2018, Thai junta leader interested in staying in politics, in:
https://apnews.com/e89a1a89e44d4868b3310e7709e4ccb1 [14.3.2019].
22 Vgl. Bangkok Post 4.01.2018,Prayut ‘no longer a soldier’, in:
https://www.bangkokpost.com/news/politics/1389718/prayut-no-longer-a-soldier [14.3.2019].
23 Bangkok Post 15.2.2019, Prayut leads PM poll but party trails, in:
https://www.bangkokpost.com/news/politics/1629866/prayut-leads-pm-poll-but-party-lags [15.3.2019].
24 BBC News 20.3.2019, Thailand election: A vote for a hybrid democracy, in:
https://www.bbc.com/news/world-asia-47620749 [21.3.2019].
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                                                                März 2019   6
Möglichkeiten sind, weitere Parteien oder einzelne Kandidaten zu verbieten oder ihnen
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Berufsverbot zu erteilen-und sei es nach den Wahlen.

Ein Verbot der aufstrebenden demokratischen Future Forward Partei des Unternehmers
Thanathorn Juangroongruangkit aufgrund angeblicher Verstöße gegen Thailands
Cybergesetz ist sehr wahrscheinlich, zumal davon auszugehen ist, dass zumindest ein Teil
der nun heimatlosen Unterstützer der Thai-Raksa-Chart-Partei für Future Forward stimmen
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werden. Andererseits könnte sich die Militärjunta die Vollstreckung bestehender Anklagen
bis nach der Wahl vorbehalten, um im Falle eines Wahlsiegs von Oppositionsparteien
einzelne nachträglich ausschließen zu können und somit doch noch eine Mehrheit der
Mandate zu erringen. Selbst wenn eine anti-militärische Koalition die Wahl gewönne, sehen
viele vom Militär besetzte Gremien eine enge Kontrolle der Regierungsarbeit vor und haben
am Ende das letzte Wort.

Trotz des zu beobachtenden sich emanzipierenden Dirigismus König Vajiralongkorns über
das Militär, bleibt die enge Verbindung zwischen beiden Institutionen. Deshalb darf von
einer Zweckgemeinschaft zwischen beiden ausgegangen werden. Die erfolgte
Zurechtweisung der Prinzessin Ubolratana und postwendende Auflösung der Thai-Raksa-
Chart-Partei offenbarte eine geölte Maschine, einen Lehrbuchfall militärisch-royalistischer
Kooperation. Die New York Times brachte es auf den Punkt: „[Thailand] ist eine
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Militärdiktatur unter königlichem Befehl“. Die vom Militär mit dem Ziel einer schwachen
parlamentarischen Komponente gestrickte Verfassung kommt dem König zupass. Nicht nur
für die Ernennung der Senatoren, sondern für jede wichtige Angelegenheit der Zukunft
braucht es seine Unterschrift. Über allem politischen Chaos bliebe er der starke Mann in
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einer starken Institution.

Dennoch rätseln viele Beobachter über den einmaligen Coup der Shinawatras die Prinzessin
für eine politische Kandidatur zu gewinnen. Die Motive waren klar: ein Zugpferd, stark
genug, um gegen Prayuth zu gewinnen, eine Beschneidung von Macht und Budget des
Militärs sowie eine Begnadigung von Thaksin. Doch kann die Prinzessin naiv genug gewesen
sein ihren Bruder nicht um Erlaubnis gefragt zu haben? Oder war die öffentliche
Zurechtweisung einer beliebten Figur Thailands einkalkuliert, um die Massen aus Protest auf
die Straßen zu bringen?

Klar ist, dass erstmals sieben Millionen Jungwähler zwischen 18 und 25 Jahren (unter den 47
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Millionen Wahlberechtigten)an die Urnen treten. Doch wie die Zeichen stehen, scheint
ihnen das Ergebnis dieser Wahl weitestgehend aus der Hand genommen zu sein. Thailand
erscheint wie in einer Zeitschleife gefangen, in der sich die Geschichte von Coups,
Verfassungsänderungen, und Protesten wiederholt. Unheilvolle Allianzen von Wirtschaft,
Politik, Militär, Justiz und Palast gängeln die Weiterentwicklung nicht nur demokratischer
Strukturen. Die zwei seit Jahren rivalisierenden Machtblöcke, die konservative elitäre Allianz
einerseits und das fortschrittsorientierte demokratiefreundliche Lager um Thaksin
andererseits, werden eine weitere Neuauflage erleben. Auch wenn die Militärregierung für
viele Stabilität bedeutet, wird der Preis der Stagnation für Thailand auf Dauer hoch sein.

25
  Vgl. Council on Foreign Affairs 6.03.2019, Thailand’s election dirty tricks, in:
https://www.cfr.org/blog/thailands-election-dirty-tricks [14.3.2019].
26
     Vgl. The Nation 3.3.2019, Shinawatra parties rally across Thailand as crucial court ruling looms, in:
       http://www.nationmultimedia.com/detail/breakingnews/30365092
27
     New York Times 2.2.2019, A military dictatorship like no other, in:
       https://www.nytimes.com/2019/02/09/opinion/thailand-election-king-sister-junta.html [13.2.2019,
       eigene Übersetzung].
28
   Vgl. The Economist 3.1.2019, in: https://www.economist.com/asia/2019/01/05/as-the-army-and-
politicians-bicker-thailands-king-amasses-more-power [13.2.2019].
29
   Channel NewsAsia 2.3.2019, Shinawatra parties rally across Thailand as crucial court ruling looms, in:
https://www.channelnewsasia.com/news/asia/parties-linked-shinawatra-clan-rally-across-thailand-
court-11305562 [14.3.2019].
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Länderbericht                                                 März 2019   7

Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.

David Brähler
Länderreferent Südostasien
Regionalteam Asien und Pazifik
Europäische und Internationale Zusammenarbeit
www.kas.de

david.braehler@kas.de

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