Fasten und Hunger Prof. Dr. med. Stephan Vavricka
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Fasten und Hunger Prof. Dr. med. Stephan Vavricka stephan.vavricka@hin.ch Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie Vulkanplatz 8 CH-8048 Zürich www.zgh.ch VZI Symposium, 25.1.2018
Definition Fasten Freiwilliger Verzicht auf feste Nahrung und Genussmittel für eine begrenzte Zeit Wilhelmi de Toledo F, Buchinger A, et al. Forsch Komplementärmed Klass Naturheilkund 2002
Hunger • Hunger ist Mangel an Nahrung. Bei Hunger handelt es sich um ein physisches, soziales, gesellschaftspolitisches, geschichts- wissenschaftliches, psychologisches aber auch wirtschaftliches Phänomen. • Die biologische Funktion des Hungerreizes besteht darin, die ausreichende Versorgung des Organismus mit Nährstoffen und Energie sicherzustellen. Definition : Wikipedia
Geschichtliches: Fasten • Speisen zu verweigern ist in vielen Kulturen verankert (altes China, Ägypten, Polynesien, Kelten, Indianer, Griechen in der Antike vor den Olympischen Spielen): Verzicht üben und den Göttern näher kommen. • Pythagoras soll vor einer Prüfung keine Nahrungsmittel zu sich genommen haben um grössere Klarheit des Geistes zu spüren • Die 5 grossen Religionen haben asketische Bräuche in der Regel vor oder an hohen Feiertagen • Judentum: Jom Kippur (25 Stunden fasten) und 5 weitere Tage • Islam: Ramadan (1 Monat lang tagsüber fasten und Verzicht auf Rauchen) • Christentum: im Mittelalter 130 Tage ohne Fleisch, Eier, Milchprodukte und Wein (Schwaben verstecken Fleischhappen in Maultaschen); Fastenzeit vor Ostern 40 Tage (Aschermittwoch bis Ostern)
Winterung Sommerung Wanderung Mauserung Seit 40 Jahren werden die meisten Studien zum Thema Fasten in Kaiserpinguinen Durchgeführt (40kg). Diese können für bis zu 5 Monate fasten Reproduktion Entwicklung Lange Fasten- perioden Longo et al. Cell Metabolism 2014; 19: 181-192. Secor et al, Compr Physiol 2016; 6: 773-825
Ancel Keys Das Minnesota Starvation Experiment war ein 1944 an der University of Minnesota durchgeführtes medizinisches Experiment, das von dem Ernährungswissenschaftler Ancel Keys entwickelt und durchgeführt wurde, um die Auswirkungen des Verhungerns auf den menschlichen Organismus und möglichst effektive Gegenmaßnahmen zu erforschen. Der Versuch bestand darin, dass eine Gruppe von Kriegsdienstverweigerern sich unter Beobachtung über Monate freiwillig einer extremen Mangelernährung unterzog, um danach verschiedene Methoden der gesundheitlichen Wiederherstellung anzuwenden.
The Biology of Human Starvation (1950) • Gegenüber dem Kontrollzeitraum sank die körperliche Ausdauer der Teilnehmer um die Hälfte • Ihre Körperkraft nahm um etwa 10 % ab • Ihre Reflexe wurden messbar träge • Die Ruhestoffwechselrate ging zurück • Das Herzvolumen nahm um 20 % ab • Die Körpertemperatur sank • Die Teilnehmer berichteten von Konzentrationsproblemen, ihr Urteilsvermögen und Verständnis waren beeinträchtigt • Teilnehmer beklagten sich über Schwindelanfälle, Sehstörungen, Klingeln in den Ohren, Prickeln und Betäubung ihrer Extremitäten, Bauchschmerzen, Gliederschmerzen und Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Ausdünnen der Haare • Sexuelles Verlangen und Hodengröße reduziert sich, bis die Teilnehmer jedes Interesse an Sex verloren • Die Teilnehmer zeigten körperliche Anzeichen für eine beschleunigte Alterung.
Formen der Energiespeicherung • Fett – Triglyceride • Protein – Muskulatur • Kohlenhydrate – Glykogen
Ziel beim Hungern • Erhalten der Proteine • Erhalten der Proteine • Erhalten der Proteine • Dies wird erreicht durch – Verlagerung der Energielieferanten von – Glukose auf Fettsäuren + Ketonkörper
Short-term starvation protects against high-dose chemotherapy in vivo. Verlieren wir Muskelmasse beim Fasten? Quantität des Proteinabbaus nimmt über die Zeit ab: 75g/d 15g/d Energie- Mix von KH+ Vor allem KH Vor allem Lipide quelle Lipide+Proteine
Fasten
Fasten verlängert das Überleben Bakterien Hefepilz Fasten verlängert die Lebensdauer bei Bakterien, Hefepilzen, Würmern und Mäusen Würmer Mäuse und beim Menschen? Longo et al. Cell Metabolism 2014; 19: 181-192.
Fasten verändert metabolische Variablen Bei Menschen: 100 gesunde Freiwillige, Kontrolldiät oder «fasting-mimicking diet» an jeweils 5d/Monat für 3 Monate. 71 Probanden beendeten die Studie. Wie et al. Science Translational Medicine, 2017; 9: 1-12
Fasten und Krebstherapie • Fasten schützt den Körper vor Nebenwirkungen bedingt durch die Chemotherapie (Mechanismus unklar). Vermehrte anabole Hormone, Insulin, IGF-1 und Schutzproteine gegen Stress Fasten 48-140 h vor Chemotherapie 10 Tumorpatienten - 2 Prostata - 4 Brust - 1 Ösophagus - 1 Lunge - 1 Uterus - 1 Ovar) Raffaghello et al. Cell Cycle; 2010: 9, 4474-4476. Safdie et al. Aging 2009; 1: 1-20.
Short-term starvation protects against high-dose chemotherapy in vivo. Fasten und Krebstherapie n= 28 n= 37 Eto: etoposide STS: 48-60h Fasten (short-time starvation) Bei der Maus: Fasten erhöht die Resistenz gegenüber dem oxidativen Stress und der Toxizität der Chemotherapie 1 Tod 20 Tode Kurzzeitiges Fasten schützt vor Hochdosis-Chemotherapie beim Menschen Nur CT Fasten und CT Lizzia Raffaghello et al. PNAS 2008;105:8215-8220
Eigene Erfahrung mit Fasten
Verschiedene Fastenmethoden Typ Fasten Ernährungsprofil Weiteres Modifiziertes therpeutisches Kalorieneinnahme 200-500 kcal/d Verschiedene Indikationen. Schneller Fasten (Buchinger- Fasten) über Flüssigkeit und Wasser ad libitum Gewichtsverlust, holistischer Ansatz mit (200-500 kcal via Fruchtsäfte, Honig Änderung des Lebensstils (körperliche oder Brühe) Aktivität) Fastentherapie nach F. X. Mayr Teefasten (keine feste Nahrung, nur Holistischer Ansatz mit Heilprinzipien; Brühe), Milch Semmel Diät (2x/d altes Kardinalfehler (zu viel, zu schnell, zu oft, zu Brötchen und etwas Milch, mindestens spät, zu schwer) und 4 S Prinzip (Schonung, 50x Kauen) Säuberung, Schulung, Substitution) Diät mit sehr wenig Kalorien Kalorieneinnahme 220-800 kcal/d über Primäres Ziel: Gewichtsverlust speziell zubereitete Flüssigmahlzeiten, Zusatz von Proteinen Kontinuierliche Täglich reduzierte Kalorieneinnahme Höhere Lebenserwartung, Reduktion von Kalorienrestriktion von minus 30-40% degenerativen Krankheiten Intermittierendes Fasten Alternierendes Fasten (alle 24h), zum Höhere Lebenserwartung, Reduktion von Beispiel 5:2 = Essen : Fasten…. degenerativen Krankheiten Ramadan Fasten Fasten während des Tages für 29d, Positiver Effekt bezüglich Gesundheit unklar Nahrungsaufnahme Nachts oder nur gering Totales Fasten Nulldiät (nur Wasser und Tee ad Beschleunigter Proteinkatabolisums, mehr libitum) Nebenwirkungen als modifiziertes Fasten Nur Wasser Fasten Fasten mit destilliertem Wasser Beschleunigter Proteinkatabolisums, mehr Nebenwirkungen als modifiziertes Fasten Michalsen et al. Forsch Komplementmed 2013; 20:444-453.
1. Totales Fasten
Komplikationen Referenz Komplikationen nach Duncan et al, Am J Med Sci 1963 Kopfschmerzen prolongiertem Fasten Benommenheit Duncan et al, Am J Med Sci 1963 Nausea Bloom et al, Metabolism 1959 Abdominalschmerzen Runcie et al, Br Med J 1970 Schwächegefühl Duncan et al, Ann NY Acad Sci 1965 Krämpfe Duncan et al, Ann NY Acad Sci 1965 Orthostatische Beschwerden Drenick et al, JAMA 1964 Akuter Gichtanfall Drenick et al, JAMA 1964 Urat Nephrolithiasis Drenick et al, Arthritis Rheum 1965 Niereninsuffizienz Drenick et al, Arthritis Rheum 1965 Nicht tödliche Komplikationen Oligurie Thomson et al, Lancet 1966 Ödeme Thomson et al, Lancet 1966 Vorhofflattern Duncan et al, Ann NY Acad Sci 1965 Anämie Drenick et al, JAMA 1964 Amenorrhoe Frisch et al, NEJM 1980 Alopezie Gellene et al, Fed Proc 1965 Parotitis Thomson et al, Lancet 1966 Polyneuritis Rooth et al, Acta Med Scand 1970 Vitaminmängel Drenick et al, JAMA 1964 Laktatazidose Cubberley et al, NEJM 1965 Ventrikuläre Arrhythmien Kahan et al, Lancet 1968 Tödliche Komplikationen Nierenversagen Norbury et al, JAMA 1964 Dünndarmverschluss Runcie et al, Br Med J 1970
Short-term starvation protects against high-dose chemotherapy in vivo. Fasten und Humor/Depression Randomisierte Studie: intermittierendes Fasten (2d/Woche) und Diät 500kcal/d (n=16) vs. normale Ernährung (n=15) für 3 Monate (31 Männer 60±6 Jahre, BMI 27±2 kg/m2) Validierte Scores in Woche 6 und 12 Signifikante Reduktion der Spannung und Angst, humorvoller und wacher (p
85 087 2 89 491 693 895 1097 1299 1.1. 3.1. 5.1. 6.1. 8.1. 10.1. Totales Fasten 12.1. 14.1. 16.1. 18.1. 20.1. 22.1. 24.1. 26.1. 28.1. 30.1. 1.2. 3.2. 5.2. 7.2. 9.2. 11.2. 13.2. 15.2. 17.2. 19.2. 21.2. 23.2. 25.2. 27.2. Persönliche Erfahrungen 1.3. 3.3.
2. Heilfasten nach Otto Buchinger • Deutscher Arzt (1878-1966), hat 1919 im Selbstversuch eine Fastenkur gemacht um seine Rheuma-Schmerzen zu behandeln. • Nach 21 Tagen fasten Heilung der RA • Körper von Giftstoffen reinigen, Selbstheilungskräfte anregen • «Entschlacken» • Nach drei Entlastungstagen (keine Eiweisse) nur noch Tee, Wasser, Säfte und Gemüsebrühe (500 kcal/d) für einige Tage. Zum Schluss zwei Aufbautage («Fastenbrechen»). • Therapie wird durch eine bis mehrere Darmentleerungen (Glaubersalz oder Einläufe) unterstützt • Moderate Bewegung, viel Entspannung, Yoga
85 087 2 89 491 693 895 1097 1299 1.1. 3.1. 5.1. 6.1. 8.1. 10.1. Totales Fasten 12.1. 14.1. 16.1. 18.1. 20.1. 22.1. 24.1. 26.1. Buchinger 28.1. 30.1. 1.2. 3.2. 5.2. 7.2. 9.2. 11.2. 13.2. 15.2. 17.2. 19.2. 21.2. 23.2. 25.2. 27.2. Persönliche Erfahrungen 1.3. 3.3.
85 087 2 89 491 693 895 1097 1299 1.1. 3.1. 5.1. 6.1. 8.1. 10.1. Totales Fasten 12.1. 14.1. 16.1. 18.1. 20.1. 22.1. 24.1. 26.1. Buchinger 28.1. 30.1. 1.2. 3.2. 5.2. 7.2. 9.2. 11.2. 13.2. 15.2. 17.2. 19.2. 21.2. 23.2. 25.2. 27.2. Persönliche Erfahrungen 1.3. 3.3.
3. Intermittierendes Fasten • Erste Evidenz für einen günstigen Effekt von Fasten wurde 1982 gezeigt: Ratten mit Nahrung jeden zweiten Tag lebten doppelt so lange wie Ratten unter ad libitum Diät Goodrick et al, Gerontology 1982
Einfluss von Essmustern auf Glukose und Ketonkörper im Blut (Typische Europäische Mahlzeiten: drei Mahlzeiten und ein Nachtsnack) hoch Glucose tief hoch Ketone tief 12 PM 12 AM 12 PM 12 AM 12 PM Mattson, M.P., et al., Impact of intermittent fasting on health and disease processes. Ageing Res. Rev. 2016
Einfluss von Essmustern auf Glukose und Ketonkörper im Blut (1 Tag Fasten, zum Beispiel 5:2, IF) hoch Glucose tief hoch Ketone tief 12 PM 12 AM 12 PM 12 AM 12 PM Mattson, M.P., et al., Impact of intermittent fasting on health and disease processes. Ageing Res. Rev. 2016
Einfluss von Essmustern auf Glukose und Ketonkörper im Blut (intermittierendes Fasten mit 18 h Fasten/d) hoch Glucose tief hoch Ketone tief 12 PM 12 AM 12 PM 12 AM 12 PM Mattson, M.P., et al., Impact of intermittent fasting on health and disease processes. Ageing Res. Rev. 2016
85 087 2 89 491 693 895 1097 1299 1.1. 3.1. 5.1. 6.1. 8.1. 10.1. Totales Fasten 12.1. 14.1. 16.1. 18.1. 20.1. 22.1. 24.1. 26.1. Buchinger 28.1. 30.1. 1.2. 3.2. 5.2. 7.2. 9.2. 11.2. 13.2. 15.2. 17.2. 19.2. 21.2. 23.2. 25.2. 27.2. Intermittierendes Fasten (5:2) Persönliche Erfahrungen 1.3. 3.3.
85 087 2 89 491 693 895 1097 1299 1.1. 3.1. 5.1. 6.1. 8.1. 10.1. Totales Fasten 12.1. 14.1. 16.1. 18.1. 20.1. 22.1. 24.1. 26.1. Buchinger 28.1. 30.1. 1.2. 3.2. 5.2. 7.2. 9.2. 11.2. 13.2. 15.2. 17.2. 19.2. 21.2. 23.2. 25.2. 27.2. Intermittierendes Fasten (5:2) Persönliche Erfahrungen 1.3. 3.3.
Zusammenfassung Fasten führt zu einer Vielzahl von positiven Effekten auf zellulärer Ebene (z. Bsp. Reduktion des oxidativen Stresses, Detoxifikation, Aktivierung der Autophagie) Initialer Enthusiamus wurde getrübt durch Literaturrecherche: Eher wenig Studien und nur von ungenügender Qualität bei Menschen Skeptische Ärzte vs. gläubige Anhänger des Fastens «Theorie eines Komplottes der Pharmaindustrie» Als Erfahrung kann ich es aber jedem empfehlen
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit
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