Fischwohl in der Aquakultur - Probleme und - NUTZTIERHALTUNG IM Internationale ...
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INTERNATIONALE GESELLSCHAFT FÜR NUTZTIERHALTUNG NUTZTIERHALTUNG IM F O K U S Fischwohl in der Aquakultur – Probleme und THEMEN WINTER 2020 Lösungsansätze Aus dem Forscherbüro Forscher diskutieren aktuelle Erkenntnisse zur Ethologie und zum Fischwohl in der Aquakultur. >> Seite 4 Aus der Praxis Praktiker präsentieren mögliche Lösungsansätze. >> Seite 63 Aus der Bibliothek Vorstellung internationaler Publikationen zur Thematik „Persönlichkeit bei Nutztieren“. >> Seite 83 Aus dem Tierschutzrecht / Aus der Rechtsprechung Die rechtliche Situation des Tierschutzes bei Zuchtfischen in Europa und aktuelle Rechtsfälle in der Schweiz. >> Seite 87 Informationsbroschüre der IGN e.V. über aktuelle Ergebnisse aus der Forschung zum Wohlbefinden der Tiere.
EDITORIAL INHALT Editorial Inhaltsverzeichnis Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Wahrscheinlich auch deshalb gehören Billo Heinzpeter Studer hat aus dem Kreis Editorial. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 LeserInnen, Fische zu den am meisten missverstande- seiner Kolleg/innen in Wissenschaft und Aus dem Forscherbüro nen und daher misshandelten Lebewesen. Praxis eine Fülle von Material zu allen As- Fische sind etwas Besonderes. Mit über Einleitung – Zuchtfische: Warum so viele? Fischwohl: Warum so spät? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 – 9 Fische decken weltweit einen großen Teil pekten rund um die Nutzung von Fischen 30 000 Arten sind die Fische die größte der menschlichen Proteinversorgung ab. In zusammengetragen, die einen völlig neuen Schmerzen und Gefühle bei Fischen – Folgen des Fischwohls für die Aquakultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 – 18 und zugleich eine sehr inhomogene Wirbel der Aquakultur erzeugte Fische werden „ge- Blick auf diese bisher sehr vernachlässigten Empfindungsvermögen bei Fischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – 23 tierklasse, die seit über 400 Millionen Jah- erntet“, ihre Besatzdichte in Kilogramm/Liter Tiere erlaubt. Fische sind intelligent und empfinden Schmerzen: Was ist mit Freude? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 – 25 ren nahezu alle aquatischen Lebensräu- Wasser angegeben. In der Hochseefischerei Fischzucht: Vom Stress zur Lebensqualität und zur ethisch vertretbaren Mahlzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 – 31 me besiedelt. Man findet sie in lichtlosen Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Entdecken ersticken unzählige Fische oder sterben am Unterwasserhöhlen, sie durchstreifen die und beim Staunen und einen neuen Blick auf Stress-Bewältigungsverhalten, ein Instrument um das Wohlbefinden von Fischen besser zu verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . 32– 38 Druckunterschied oder durch gegenseitiges Hochsee, bewohnen Korallenriffe, über- diese faszinierenden Lebewesen! Fischwohl: Zusammenhänge zwischen Stress, Gesundheit, Umwelt und Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 – 42 Erdrücken. Aber auch in der Teichwirtschaft leben im Schlamm oder leben – wie die Strukturelle Bereicherung in Fischfarmen: Wissenschaft und Fiktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 – 47 ist eine Betäubung vor der Tötung nur in we- Schlammspringer – amphibisch vorwie- Wissen als Voraussetzung für Fischwohl – FishEthoBase als Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 – 58 nigen Ländern vorgeschrieben. Große Teile gend ausserhalb des Wassers und haben Johanna Moritz der mit der Fischerei oder Fischproduktion Fischwohl – nicht mehr länger der „Elefant im Raum“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 – 62 somit fast den Sprung an Land geschafft. befassten Personenkreise, aber auch Fach- Bayerisches Landesamt für Gesundheit Unter den Fischen finden sich Riesen wie stellen und eine schwindende Minderheit und Lebensmittelsicherheit, Institut für Aus der Praxis der Walhai und der Riesenhai. Grönland- von Wissenschaftlern vertreten nach wie vor Tiergesundheit I Entwicklung von Fischwohl-Richtlinien für die „Friend of the Sea“-Zertifizierung (FOS). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63– 67 haie können ein Alter von über 500 Jahren die Auffassung, dass Fische zwar „Stress“ Aquaculture Stewardship Council (ASC) – Fischwohl Indikatoren in der Zertifizierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 – 71 erreichen – eine für uns Menschen unvor- erleiden, aber keine Schmerzen empfinden stellbare Zeitspanne. Fische haben Organe Aufgaben und Arbeitsweise des „Initiativkreises Tierschutzstandards Aquakultur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 – 78 können. wie das Seitenlinienorgan entwickelt und Entwicklung von Koordination für die Schweizer Aquakultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 besitzen elektrische Organe, für die es bei Der Beweis dafür, dass Fische ein Schmerz- Intensive Aquakultur und Tierwohl: ein Beispiel aus der Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 – 82 Säugetieren keine Entsprechung gibt. Sie empfinden haben, ist nicht leicht zu erbrin- atmen nicht nur mit den Kiemen, sondern gen. Die besondere Schwierigkeit eines Aus der Bibliothek auch mit Lungen, dem Darm, der Haut oder wissenschaftlichen Nachweises liegt da- Das umfassende neue Buch vom Fischwohl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 einem eigenen Labyrinthorgan. Fische erken- rin, dass zu den Voraussetzungen für die Aktueller Überblick über das Fischwohl in Aquakultur und Tierversuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 – 84 nen individuelle Artgenossen. So entschei- Schmerzwahrnehmung eine emotionale den sich Buntbarschmännchen, die Kämpfe Komponente und ein „Bewusstsein“ gehö- Aktueller Überblick Über unsere Verwandten unter Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 zwischen verschiedenen Artgenossen be- ren und diese Faktoren schwer objektivierbar Stress und Fischwohl: Indikatoren im Mucus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 – 85 obachtet haben, mit großer Sicherheit für sind. Entsprechende wissenschaftliche Arbei- Verbesserung des Lebens unabhängig vom Grad der Empfindungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 die Verlierer, wenn sie selber an der Reihe ten fehlten daher lange. Dies hat sich mit fair-fish: Idee mit Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 – 86 zum Kämpfen sind. Einen Beleg dafür, dass Beginn des neuen Jahrtausends geändert, diese Entscheidung nicht anhand äußerer als eine britische Forschergruppe um Lynne Aus dem Tierschutzrecht / Aus der Rechtsprechung Merkmale erfolgt, liefern wissenschaftliche Sneddon die Ergebnisse ihrer Untersuchun- Die Fische im Tierschutzrecht in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 – 90 Untersuchungen, in denen Kampffischmänn- gen zu dieser Frage veröffentlichte, in denen chen Gewinner und Verlierer nur dann er- sie zu dem Schluss kam, dass die Frage Der Fisch im Schweizer Recht – aktuelle Straffälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 – 94 kannten, wenn sie die Revierkämpfe selber nach dem Schmerzempfinden von Fischen Aus der IGN beobachtet hatten. Es gibt Fische, die wie mit „Ja“ beantwortet werden muss. Dies löste die Zackenbarsche Werkzeuge in Form von eine heftige und emotional geführte Diskus- Vorstellung eines IGN-Mitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 – 96 Muscheln/Steinen verwenden oder Jagdge- sion aus, die heute noch andauert. Es ist Platz für Notizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 – 99 meinschaften mit anderen Arten eingehen – klar, dass die wirtschaftliche Nutzung von Fähigkeiten, die man lange Zeit nur Primaten Fischen erheblich erleichtert wird, wenn man zubilligte. davon ausgeht, dass sie keinen Schmerz empfinden. Weiterhin wurde und wird von Durch den vollständig anderen Lebensraum verschiedenen Arbeitsgruppen weltweit auf sind den meisten Menschen Fische allerdings diesem Gebiet intensiv geforscht und ver- sehr fremd. Sie haben kein mit Säugetieren schiedene Institutionen haben Stellungnah- vergleichbares Ausdrucksvermögen und men dazu herausgegeben. Die Beweise keinen Schmerzlaut. Viele Vegetarier essen für ein Schmerzempfinden, aber auch für Fisch. Das Aussehen von Fischen ist wenig Intelligenz und sogar eine „Persönlichkeit“ geeignet, Empathie hervorzurufen – vom Fotos Titelblatt: werden immer überzeugender. gesellschaftstauglichen Clownfisch Nemo Links: Regenbogenforellen in Teichhaltung (Foto: Studer/fair-fish.net) / und seinen Freunden aus dem Film „Findet Daher freut es mich besonders, dass die Mit freundlichem Dank an die Mitte: Goldbrassen im Netzkäfig (Foto: Arechavala-Lopez/FishEthoGroup.net) Nemo“ einmal abgesehen. IGN den Fischen ein eigenes Heft widmet. Unterstützer der IGN: Rechts: Brutanlage mit Regenbogenforellen (Foto: Studer/fair-fish.net) Felix-Wankel-Stiftung, Züberwangen IS BN: 978-3-9524555-9-3 2 I F I S C H W O H L I N D E R A Q U A K U LT U R – I 3 PROBLEME UND LÖSUNGSANSÄTZE
AUS DEM FORSCHERBÜRO Mit dem Elend der Fische hat sich selbst die Tod ausgedrückt und damit vom Tierhalter erleben, also leidensfähige Wesen sind, westlichen, raubfischhungrigen Markt mehr gefarmten Wassertierarten im Jahr 2007 Einleitung – Zuchtfische: Tierschutzbewegung lange nicht befasst, allenfalls verstanden wird, kann er nur an- weshalb moderne Tierschutzgesetze sie „so Fisch aus den Meeren holt, um ihre Zucht- wurde mehr als ein Viertel erst seit 1997 Warum so viele? weder in der Fischerei noch in der Fisch- waltschaftlich durch Menschen geäussert weit zumutbar“ vor Schmerzen, Leiden, fische zu füttern, als sie am Schluss auf die in Gefangenschaft gehalten, während nur zucht, weder in den Versuchslabors noch werden. Für Tiergattungen wie Hühner, Überforderung usw. bewahren wollen. Als Teller liefert [13], erhielt der Lack Risse und ein Dutzend Spezies bereits vor 1900 ge- Fischwohl: in den zahlreichen Heimaquarien. Die ers- Schweine oder Rinder funktioniert das seit Wirbeltiere waren Fische stillschweigend gab damit den Blick auch auf die Lebens- züchtet wurde [14]. Nur bei ganz weni- Warum so spät? ten in moderner Zeit, die sich um Fische dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit be- „mitgemeint“, allerdings ohne wirksame bedingungen der Zuchtfische frei. gen Arten verfügt die Fischzucht über einen zu kümmern begannen, waren Fischer und achtlichen Teilerfolgen. Für das Wohl der Folgen; direkt anwendbare Vorschriften Erfahrungshorizont von mehr als 1.000 Billo Heinzpeter Studer Naturschützer; aber ihnen ging es um den Fische hingegen begannen sich erst in den und Vollzugsgrundlagen entstanden erst Plötzlich so viele Fische – Jahren: bei Karpfen (China), Goldbrassen fair-fish international association Erhalt von Fischarten und deren Lebens- 1990er Jahren ein paar Organisationen in jüngster Zeit [11]. Fische wurden noch und Fischarten (Mittelmeer) und allenfalls Aal und Forelle Chair: Via delle Giarrette 109, räumen, eine zwar zwingende, aber keine zu engagieren: die britische Compassion lange einer Grauzone zugeordnet, bei der Inzwischen war die Aquakultur aller- (Europa) und sowie Tilapia (Afrika). 34074 Monfalcone, Italien ausreichende Voraussetzung für das Wohl in World Farming erstmals 1992 für Zucht- die Leidensfähigkeit strittig blieb [12]. Es dings bereits massiv gewachsen, seit den Zum Vergleich: Die terrestrische Nutztier- billo @ fair-fish.net der einzelnen Fische. lachse, der Schweizer Verein fair-fish ab fällt der Menschheit offensichtlich schwer, 1950er Jahren um jährlich 7 bis 9 Prozent haltung entwickelte sich, je nach Spezies, 1997 für Speisefische aus Fang oder Zucht von einer evolutionären Verwandtschaft [14]. Bis heute ist sie die Nahrungsbran- Die Aufklärung ist kein kontinuierlicher im Zeitraum der letzten 6.000 bis 10.000 Warum wurde das Fischwohl erst [6] sowie die holländische Stiftung Vissen- aller Lebewesen auszugehen und auf eine che mit dem größten Wachstum. Gemein- Prozess, zumindest nicht, solange der mo- Jahre und konzentrierte sich auf rund 30 so spät zum Thema? bescherming ab 2000. Und erst im letzten selbst verliehene Sonderstellung im Kosmos hin wird angenommen, dieses enorme ralische Firnis menschlicher Zivilisation so Tierarten, unter welchen sich kein einzi- Wie wir uns zur Welt verhalten, hängt we- Jahrzehnt begannen sich viele bestehende zu verzichten. Wachstum sei auf die Motivation zurück- dünn und leicht zu verletzen ist. Das Ver- ger Prädator befindet. Warum leistet sich sentlich von unserem Wissen über dieser oder neue Organisationen diesem Engage- zuführen, eine Alternative zur Überfischung hältnis von Menschen gegenüber (anderen) Ein Grund für die späte Auseinnanderset- die viel jüngere Aquakultur den Luxus, Welt ab. Das beliebte Argument, wir wüss- ment anzuschließen. Die wachsende Auf- der Meere zu schaffen. Das Wachstum ist Tieren hat sich nicht linear von einem mys- zung mit dem Wohl der Zuchtfische dürfte 18-mal mehr Spezies als die althergebrach- ten eben wenig über Fische, weil sie in merksamkeit in einem Teil der Öffentlichkeit aber nicht das Resultat kollektiver, staatliche tischen Respekt hin zur Rücksicht aus ethi- paradoxerweise im raschen Wachstum der te Viehwirtschaft zu halten, wenn sie bei einem unserer Art fremden Element lebten, schuf zugleich den Raum für eine exponen- Entscheide, sondern nichts anderes als die schen Erwägungen entwickelt, die heute Aquakulturindustrie liegen, das manche den meisten dieser Arten nur wenig über ist freilich nicht ganz stichhaltig. Schon vor tielle Zunahme der Forschung im Dienste Summe der Entscheide vieler einzelner Un- immer mehr Menschen bewegt. Von der Umweltorganisation jahrelang als Alter- deren natürlichen Bedürfnisse und Verhal- dem Entstehen der modernen Tierschutz- von mehr Fischwohl. ternehmer und Investoren, für welche sicher Verehrung bestimmter Tiere in vor- und früh- native zur drohenden „Leerfischung“ der ten weiß? Wäre es nicht allein schon aus bewegung hatten sich einzelne Wissen- Dass das Leiden der Fische erst so spät Meere begrüßt hatten. Konsument/innen die Aussicht auf ein gutes Geschäft den ökonomischen Gründen klüger, sich auf agrarischen Gesellschaften führte der Weg schafter mit der Biologie und Lebenswei- Beachtung fand, ist erst recht erstaunlich, folgten der Empfehlung, Zuchtfisch zu kau- Ausschlag gab und noch immer gibt. Das wenige (nicht-karnivore) Arten zu be- durch Jammertäler zunehmender und reli- se der Fische auseinandergesetzt, wie wenn man sich vergegenwärtigt, dass fen, wohl umso lieber, als sie damit auch hat verschiedene Folgen: schränken, um hier Wissen zu akkumulie- giös abgesegneter Instrumentalisierung von Jonathan Balcombe berichtet. So wies ei- 93 bis 98 Prozent aller jährlich geschlach- die Bilder aus Dokumentarfilmen über das ren? (siehe Tabelle1) Tieren, bis sich im Verlauf der letzten ein, Erstens haben viele Unternehmen investiert ner der Väter der Verhaltensforschung, Karl teten Wirbeltiere Fische sind. Während üble Ende der Fische in der Fangindustrie zwei Jahrhunderte nicht mehr nur einzelne und gebaut, als das Fischwohl noch kein Abgesehen von traditionellen Betrieben von Frisch, bereits Mitte der 1930 Jahre pro Jahr etwa 70 Milliarden Landtiere vergessen konnten; in der Aquakultur an Geistesgrößen gegen das gesellschaftlich breit getragenes Anliegen war und die verhalten sich viele Aquakulturindustrielle – in einem Experiment nach, dass zumindest geschlachtet werden, Geflügel inbegriffen Land werden die Fische ja sicher „men- organisierte Tierleid auflehnten, sondern Wissenschaft erst wenig über das Verhal- oft Quereinsteiger, die bei wachsender der Zwergwels hören kann und Fische ent- [8], müssen laut der vorsichtigen Schätzung schlich“ geschlachtet … Der vermeintliche allmählich eine Tierschutzbewegung ent- ten und die Bedürfnisse von Fischen – ge- Nachfrage auf ein profitables Geschäft gegen landläufiger Meinung wohl generell der britischen Initiative fishcount pro Jahr ökologische Gewinn durch Aquakultur mag stand, zunächst aus Motiven des Mitleids nauer: von vielen verschiedenen Fischarten setzen – wie auf einem neuen schnellen nicht taub sind. Eine von Balcombe für sein zwischen 1.000 und 3.000 Milliarden die Aufmerksamkeit vom Leiden der Fische mit den dennoch genutzten Tieren, dann zu sagen vermochte. Denn – zweitens – im Markt voller Nischen. Die Versuchung, et- 2014 publiziertes Buch „What a Fish Fische [9] für uns ihr Leben lassen (andere abgelenkt haben. Erst als Umweltorganisa- mehr und mehr in einer tiefer greifenden Jahr 2014 umfasste die Aquakultur bereits was Neues zu probieren, scheint so groß Knows“ durchgeführte Online-Recherche Wassertiere wie Krebse, Tintenfische oder tionen zusehends auf kritische Distanz zu Ethik begründet, die heute eine wachsen- 362 Fischarten, 104 Weichtierarten und zu sein, dass manchmal sogar ohne vorher- zeigte allerdings auch, dass von 71 wissen- Muscheln nicht inbegriffen), und das auf einer Aquakultur gingen, welche für den de Zahl von Menschen dazu veranlasst, 62 Krustentierarten [15]. Von den 340 gehende Marktforschung investiert und am schaftlichen Arbeiten zum Thema Fischwohl meist noch brutalere Weise. den Konsum von Produkten aus Tierhaltung deren 69 nach 2001 erschienen sind [4]. massiv einzuschränken oder ihn prinzipiell Warum also hat die Menschheit sich erst einzustellen. [1] Nebst Wissen fehlte es vor allem am mora- so spät um das Fischwohl zu kümmern be- Tabelle 1: Beispiel der Zusammenfassung von zwei FishEthoBase-Kurzprofilen. lischen Zwang, sich mit dem Leid der Fische gonnen? Liegt es daran, dass Fische meist Die Sorge um das Wohl der „Nutztiere“ auseinandersetzen zu müssen. Es ist nur in grösseren Gruppen auftreten und man Oreochromis Clarias blieb lange den Bauernfamilien überlas- Li Po Ce Li Po Ce wenige Jahrhundert her, dass es in Europa niloticus gariepinus sen, und sie waren in einer zusehends ar- sie daher kaum als Individuen wahrnimmt? Li = Likelihood that the individuals als ganz normal galt, Menschen anderer Das kann kaum der Grund sein; denn in 1 Home range ? 1 Home range of the species experience welfare beitsteiligen Gesellschaft damit immer mehr Hautfarbe als unbeseelt und daher rechtlos den Industrieländern der westlichen Welt under minimal farming conditions. allein. Erst mit der modernen Tierschutzbe- 2 Depth range 2 Depth range Po = Potential overall potential of zu betrachten und zu missbrauchen, und begannen die Kampagnen für Nutztier- wegung begannen sich ab Mitte des letz- the individuals of the species to erst im letzten Jahrhundert brach sich in schutz oft bei den Hühnern, die ebenfalls in ten Jahrhunderts auch von der Urproduktion 3 Migration 3 Migration experience welfare under improved einer seit Jahrtausenden patriarchal domi- Gruppen leben, meist in nicht ihrer Art ge- farming conditions. entfremdete Konsument/innen um das Tier- nierten Gesellschaft allmählich die Erkennt- mäßen sehr großen Herden, und so kaum 4 Reproduction 4 Reproduction Ce = Certainty of our findings in wohl in der Landwirtschaft zu kümmern. So nis Bahn, dass Frauen prinzipiell gleiche als Individuen wahrgenommen werden. Likelihood and Potential. entstanden Protestbewegungen, Organisa- 5 Aggregation ? 5 Aggregation ? Rechte haben sollten wie Männer. In bei- tionen und politische Vorstöße, die vor al- Der Hauptgrund für die späte Auseinander- High den Fällen bedurfte es der Aufstände von 6 Aggression 6 Aggression lem in Westeuropa zu einer teilweisen Ver- setzung der Gesellschaft mit dem von ihr Sklaven und Frauen, um solche Erkenntnis Medium (not scored in Likelihood) besserung der Lebensbedingungen von verursachten Leiden so vieler Fische liegt 7 Substrate 7 Substrate zu befördern. Tieren fällt es viel schwerer, Tieren in landwirtschaftlicher Zucht und wohl in der menschlichen Eigenart, sich ei- Low vernehmlich zu protestieren; aber für uns 8 Stress 8 Stress Mast führten, weitergehend auf Vertragsbe- nes prinzipiellen Unterschieds zur Tierwelt besonders schwer wahrzunehmen ist der ? Unclear trieben von Labelorganisationen [2], mit versichern zu müssen [10]. Die Aufklärung 9 Malformation 9 Malformation Protest von Fischen und generell von Tieren, Minimalstandards auf gesetzlicher Ebene hat uns zwar Mal um Mal Zugeständnisse / No findings die unter der Wasseroberfläche leben. Wo 10 Slaughter 10 Slaughter ? wie etwa beim Ausstieg aus der Lege- abgerungen; inzwischen gilt es als aner- der Protest von Tieren nicht durch Verweige- FishEthoScore = Sum of criteria scoring hennenbatterie [3]. kannt, dass Wirbeltiere Schmerz bewusst FishEthoScore 3 8 6 FishEthoScore 0 6 5 rung des Wachstums, durch Krankheit oder "High" (max. 10) 4 I AUS DEM FORSCHERBÜRO I 5
AUS DEM FORSCHERBÜRO Tabelle 2: FishEthoScores, Domestikationsniveau und Anzahl der gefarmten Tiere, Basis: erste 43 Kurzprofile Markt vorbei produziert wird; die grosse Fischereibiologe Rainer Froese, einer der bei Fischen ein, während Becca Franks et Meeresfischzucht im saarländischen Völk- Väter der führenden Fischdatenbank Fish- al. die Sorge um das Vermeiden von Schmer- Species Li Po Ce Do Animals (in millions) lingen ist daran um ein Haar wirtschaftlich Base [18], hat es mit Blick auf Europas zen und Leiden um die Frage ergänzen, gescheitert, und bei der grossen Welszucht Fischkonsum an der erwähnten Fachtagung wie für Fische in Gefangenschaft positive Nile tilapia Oreochromis niloticus 3 8 6 5 4.900 –15.700 im St. Galler Rheintal, die zwar aus an- zerpflückt: Bei nachhaltiger Fischerei ließe Erlebnisse ermöglicht werden können. Da- African catfish Clarias gariepinus 0 6 5 4 160 – 500 deren Gründen schließen musste, hatten sich der Ertrag um 57 Prozent steigern, es ran anschließend spannt Leonor Galhardo Fachleute gezweifelt, ob die grosse Men- ist also umgekehrt die Fischerei, welche den Bogen von der Stressvermeidung zur Yellowtail amberjack Seriola lalandi 4 4 4 2 (20 – 66) ge denn hätte abgesetzt werden können. die Aquakultur leicht ersetzen könnte [19]. Lebensqualität, während sich Maria Filipa Common carp Clarias gariepinus 1 4 2 5 1.700 – 8.700 Warum tun Unternehmer sich und den Fi- Damit würde bis zu 150 Millionen Fischen Castanheira mit dem Zusammenhang der in- Grayling Thymallus thymallus 2 3 0 3
AUS DEM FORSCHERBÜRO Georg O. Herriger schließlich zeigt die zu vermehren, und allenfalls gelingt es so- verstehen und Strategien für die Schließung Literaturangaben [14] fish-facts 7: Fischzucht. www.fair-fish. Überlegungen zum Fischwohl aus der gar, in einem Zoo relativ artgerechte Bedin- von Wissenslücken zu entwickeln. ch/feedback/mehr-wissen/ [1] Precht R D, 2016. Tiere denken. Vom Sicht eines Fischzuchtunternehmens. Jo o L. gungen für sie zu schaffen. Dennoch sind Die FishEthoBase bzw. deren FishEtho-Score Recht der Tiere und den Grenzen des Men- [15] FAO, 2016. The State of World Saraiva und Pablo Arechavala-Lopez le- die meisten von ihnen und insbesondere legen eine andere Antwort nahe: Verlage- schen. Goldmann, München. 509 Seiten. Fisheries and Aquaculture 2016. Contri- gen abschließend dar, dass das Wohl von Raubtiere in der landwirtschaftlichen Nutz- rung hin zu den wenigen Spezies mit hohem ISBN 978-3-442-31441-6. Rezension: buting to food security and nutrition for all. Zuchtfischen endlich zum Thema gewor- tierhaltung nicht anzutreffen. Potential, unter optimalen Bedingungen auch www.communicum.ch/blog/?p=2531 Rome: FAO. den ist, dem Wissenschaft und Praxis heute Damit schließt sich der eingangs betretene in Gefangenschaft ein gutes Leben führen zu nicht mehr ausweichen können. [2] Hürlimann L und Studer B H P, 1997. [16] www.fair-fish.ch/wissen/zucht/fach- Kreis. Walter Sánchez-Suárez et al. stellten können: Wie Tabelle 2 deutlich macht, ist Tiernutz – Tierschutz? 25 Jahre Politik mit tagung-2016/ Die grundlegende Frage bleibt bisher unge- an der 3. Summer Shoal [22] von fair-fish die Zahl der so in Frage kommenden Spezi- dem Einkaufskorb. Verlag KAGfreiland, klärt: Welche Aquakultur mit welchen Spe- international fest, dass das Wissen über es weit kleiner als die der landwirtschaftlich [17] www.fishetnobase.net – siehe dazu St. Gallen. 112 S. ISBN 3-9521426-0-3 zies? Eine mögliche Antwort scheint nahe das Fischwohl noch immer gering sei im genutzten dreißig Arten. Die Auswahl deckt den Beitrag „Die Gewährung von Fisch- (beim Autor erhältlich). zu liegen: Konzentration auf Fischarten mit Vergleich zum raschen Wachstum der Aqua- sich weitgehend mit jener aus ökologischen wohl setzt Wissen über die Ethologie jed- hohem Domestikationsgrad. Eine Analyse kultur und der damit entstandenen Herausfor- Überlegungen, wie Rainer Froese [19] sie [3] Heinzpeter Studer: Schweiz ohne er Art voraus – FishEthoBase als Grund- der ersten 41 in der FishEthoBase profilier- derungen. Während die Fischgesundheit im darlegte: Fischzucht mit artgerechter Haltung Hühnerbatterie (2001). Wie die Schweiz lage“ in diesem Heft. ten Spezies zeigt allerdings, dass der Do- Vordergrund stehe, würde die Bereitstellung ohne Futterkomponenten aus der Fischerei. die Käfighaltung abschaffte. Verlag Pro [18] www.fishbase.org mestikationsgrad einer Art überhaupt nicht von Haltungsumwelten vernachlässigt, wel- Alle andern Fischarten gibt es in Meeren, Tier, Zürich. 96 S. ISBN 3-905647-12-5 mit deren Potential für hohes Fischwohl kor- che den Fischen positive Erfahrungen ermög- Seen und Flüssen, wenn wir für sie Sorge (beim Autor erhältlich) [19] www.fair-fish.ch/wissen/zucht/fach- reliert (Tabelle 3). Das erstaunt allerdings lichen würden. Die Autoren schlagen vor, tragen. Noch macht man sich mit solcher tagung-2016/ –> Referat Froese [4] Balcombe J, 2016. Was Fische wissen. nicht; der Domestikationsgrad ist ja vor al- die Wissenschaft vom Wohl terrestrischer Empfehlung bei Fischzüchtern alles andere Mare, Hamburg, 2018. 336 S. ISBN [20] www.fishcount.org.uk/fish-count- lem ein Maß für die Geschlossenheit des Nutztiere als Linse zu verwenden, und de- als beliebt; doch soweit das Fischwohl zu 978-0-374-28821-1. S. 57. Siehe auch estimates-2 Reproduktionszyklus’ in Gefangenschaft. ren umfangreiche Expertise, Irrtümer, Errun- einem tragenden Argument der Branche wer- Rubrik „Aus der Bibliothek“. Auch viele räuberische und andere Wild- genschaften und Methoden zu nutzen, um den soll, wird die Entwicklung der Aquakultur [21] Saraiva J L, et al, 2019. A tiere können außerhalb ihres natürlichen die Herausforderungen und Chancen bei auf Dauer nicht darum herumkommen, be- [5] Lymbery P, 1992, 2002. In Too Deep Global Assessment of Welfare in Farmed Lebensraums dazu gebracht werden, sich der Untersuchung des Fischwohls besser zu stimmte Spezies auszulisten. – The welfare of Intensively Farmed Fish. Fishes: The FishEthoBase. In: Welfare of www.eurocbc.org/fz_lymbery.pdf Cultured and Experimental. Fishes 2019, 4 – siehe auch Rubrik „Aus der Bibliothek“. [6] Studer B H P, 2020. fair-fish – weil man Fische nicht streicheln kann. rüeffer & rub, [22] www.fishethobase.net/summer- Zürich. 154 S. ISBN 978-3-906304-67-0. shoal/summer-shoal2019 – später publi- Siehe auch Rubrik „Aus der Bibliothek“. ziert als Artikel: Walter Sánchez-Suárez, Becca Franks and Lauri Torgerson-White [7] www.vissenbescherming.nl (2020). From Land to Water: Taking Fish [8] Food and Agriculture Organization Welfare Seriously. Animals, 10, 1585; of the United Nations (FAO). FAOSTAT: doi:10.3390/ani10091585 Food and Agriculture Data. Zuletzt besucht im März 2019. www.fao.org/faostat/ en/#home [9] www.fishcount.org.uk [10] Mori B D, Normando S, 2019. Is History Repeating Itself? The Case of Fish and Arthropods’ Sentience and Welfare. Ethics & Politics, XXI, 2. Siehe auch Rubrik „Aus der Bibliothek“ in diesem Heft. [11] siehe den Beitrag „Die Fische im Tier- schutzrecht in Europa“ in diesem Heft. [12] siehe dazu die Beiträge in die- sem Heft: „Schmerz und Empfinden bei Fi-schen“ und „Fischwohl: Nicht mehr der Elefant im Raum“. [13] Tacon A G J and Metian M, 2008. Global overview on the use of fish meal and fish oil in industrially compounded aquafeeds: Trends and future prospects. Aquaculture, Volume 285, Issues 1– 4, 146-158. Forellenmast in Fließkanälen, Norditalien (Foto: © Studer / fair-fish) 8 I AUS DEM FORSCHERBÜRO I 9
AUS DEM FORSCHERBÜRO den Tieren erwähnt, die Schutz verdienen, genüber Tieren, die sie für intelligent halten Ähnliches tun [19], sollten wir lieber inne- haben, zeigen Veränderungen der Verhal- wurden und Verhalten und Physiologie sich Schmerzen und Gefühle oder sind sogar ausdrücklich davon aus- [10]. Außerdem haben Tiere, die intelli- halten und darüber nachdenken, warum tenspräferenzen und der Entscheidungen, wieder normalisierten. Diese Experimente bei Fischen – Folgen des genommen. In Australien zum Beispiel sind in gent sind, eine größere Leidensfähigkeit wir überhaupt Schmerzen empfinden. Das die sie treffen, indem sie z. B. Kontexte veranschaulichen auch die sehr ursprüng- zwei Bundesstaaten (West- und Südaustra- [11]. Dies ist weitgehend auf ihre Fähigkeit heißt: Was ist die evolutionäre Bedeutung vermeiden, die sie zuvor mit schädlichen liche Natur der Wirbeltierphysiologie, so Fischwohls für die lien) Fische ausdrücklich von der Tierschutz- zurückzuführen, aus früheren Ereignissen zu der Schmerzwahrnehmung? Was ist ihre Ereignissen in Verbindung brachten. Tiere, dass viele der für den Menschen entwickel- Aquakultur gesetzgebung ausgeschlossen, während lernen und ihre Erfahrungen in die Zukunft Funktion? Schmerzwahrnehmung und die die Schmerzen empfinden können, sind ten Medikamente auch bei Fischen wirken. im Northern Territory nur Fische in Ge- zu projizieren. Wenn zum Beispiel ein mit ihr verbundene emotionale Reaktion auch bereit, zwecks Vermeiden von Culum Brown1 (Prof.) , fangenschaft geschützt sind. In den übrigen Fisch in einem bestimmten Kontext einen ist ein altes, evolutionäres Merkmal [20] Schmerzen Kosten für ihre Gesundheit in Fallstudie 3: Kompromisse Catherine Dorey 2 (Dr.) Bundesstaaten sind Fische zwar in die Tier- negativen Reiz erlebt (z. B. einen Schock mit zwei Hauptkomponenten. Die erste ist Kauf zu nehmen, indem sie Schmerzver- zwischen Schmerz und anderen 1 Behavior, Ecology and Evolution of Fishes schutzgesetzgebung einbezogen, doch sind oder ein Raubtier), lernt er schnell aus die- ein einfacher Reflex, eine Notbewegung meidung gegen andere grundlegende Be- Motivatoren Laboratory, Dept. of Biological Sciences, Fischereitätigkeiten davon ausgenommen. sem Ereignis, kann seine Erfahrung in die weg von einem schmerzhaften Reiz. Hier- dürfnisse abwägen, wie z. B. Zugang zu Forellen wurden in ein Aquarium einge- Macquarie University, Balaclava Rd, Zukunft projizieren [11] und zeigt Anzei- für ist keine Kognition erforderlich, da das Nahrung oder Geselligkeit [21] [22]. setzt, das in drei Abschnitte unterteilt war. Es stellt sich die Frage, warum Fische in Macquarie Park NSW 2109, chen von Angst, Stress und Furcht, wenn er Nozizeptionssystem die Botschaft von der Nachdem sie sich an das Becken gewöhnt der Tierschutzgesetzgebung so schlecht Sydney, Australia, später Anlass bekommt, ein erneutes Auftre- verletzten Extremität zum Rückenmark über- Die folgenden Fallstudien geben hatten, zeigten sie keine Präferenzen für vertreten sind. Selbst die Begriffe, die mit culumbrown@gmail.com ten des Ereignisses zu erwarten [12] [13]. trägt, bevor der Rückzugsbefehl direkt an einen kurzen Überblick zu den einen bestimmten Sektor. Wenn jedoch dem Fischfang (Ernte, Bestände usw.) as- die verletzte Extremität zurückgeschickt wissenschaftlichen Studien, die die Forellen in einen Sektor eintraten, in 2 Independent Advisor, Fishes & Fisheries, soziiert werden, lassen vermuten, dass sie Schmerz bei Fischen wird. In vielen Fällen gibt es keine Schmerz- zu den Inhalten der Fisch-Spalte welchem ein leichter Schock verabreicht Science & Policy Campaigns, nicht als Tiere gelten, sondern eher unbe- Eines der immer wiederkehrenden Themen wahrnehmung, bevor der Rückzugsreflex in Tabelle 1 genannten Kriterien wurde, lernten sie nach nur wenigen Expo- Sydney, Australia lebte Objekte sind. Eine wahrscheinliche beim Fischwohl ist die Frage, ob Fische abgeschlossen ist – das Gehirn erhält diese beigetragen haben. sitionen schnell, diesen Ort zu meiden. In catdorey@googlemail.com Antwort ist, dass die Menschen Fische im Schmerzen empfinden. Schmerz stellt eine Information erst danach. Bei der zweiten ähnlicher Weise verlagerten die Forellen Allgemeinen als primitive Tiere mit begrenz- Fallstudie 1: Schmerzreaktionen emotionale Erfahrung als Reaktion auf Komponente geht es um die langfristige ihre Raumnutzung, wenn am Ende des Warum sollten wir uns ums ter Intelligenz betrachten. Die wissenschaft- schädliche oder potenziell schädliche Rei- Konsolidierung dieser Erfahrung. Das heißt, Wenn Tiere Schmerzen haben, ändert Aquariums eine positive Belohnung (Futter Fischwohl kümmern? liche Forschung der letzten zwanzig Jahre ze dar und ist mit dem Nozizeptionssystem sich daran zu erinnern, dass Objekt X sich ihr normales Verhaltensmuster, und oder Artgenossen) verabreicht wurde, um hat jedoch gezeigt, dass Fische viel intelli- Der Mensch interagiert mit Fischen in einer verflochten, das für die Erkennung schäd- oder Kontext Y gefährlich ist, und sich da- Schmerzen haben oft Vorrang vor anderen Zugang zum Futter zu erhalten oder in der genter sind, als die breite Öffentlichkeit ih- Vielzahl von Zusammenhängen, und viele licher Reize (z. B. Hitze) verantwortlich ist. von fernzuhalten. Es hat wenig Wert, Motivatoren oder stören diese. Forscher in- Nähe von Gefährten zu sein. Was aber nen zugesteht [6]. In vielen Bereichen sind davon haben Auswirkungen auf das Fisch- Obwohl die Debatte hierüber anhält [14], schmerzhafte Reize zu erkennen, ohne sich jizierten eine schädlichen Substanz (Essig- geschah, wenn Schockvermeidung und die sie so intelligent wie die meisten Landtiere wohl [1]. Fische sind eine wichtige Pro- legen überwältigende Beweise nahe, dass zu erinnern, um sie in Zukunft zu vermeiden säure oder Bienengift) in die Lippen von Belohnung (Futter oder Gefährten) in Kon- [7] [8]. Im Folgenden werden die Merk- teinquelle für einen bedeutenden Teil der Fische ähnlich wie Menschen Schmerzen [20]. Es muss eine kognitive Beteiligung Forellen und stellten fest, dass die Fische flikt zueinander standen? Waren die Fische male aufgelistet, die vernünftigerweise mit Weltbevölkerung. Sie sind nach wie vor empfinden [15]. In der Tat ist der Grund vorhanden sein, damit das System funk- etwa drei Stunden lang das Fressen ver- bereit, einen Schock zu riskieren, um zu Intelligenz in Verbindung gebracht werden die letzten Tiere, die wir größtenteils aus dafür, dass Menschen überhaupt Schmer- tioniert. Ohne kognitive Beteiligung könnte mieden [17]. Im Gegensatz dazu kehrten Futter oder Freunden zu gelangen? Wurde und in der nicht allzu weit zurückliegenden Wildbeständen fangen; allerdings können zen empfinden, dass wir unsere Schmerz- man sich, nachdem man gerade verbrannt Fische einer Kontrollgruppe sowie Fische, Fischen drei Tage lang das Futter entzogen Vergangenheit in erster Linie dem Men- die Wildfischpopulationen die Nachfra- rezeptoren und den damit verbundenen wurde, umdrehen und direkt zurück ins denen Kochsalzlösung injiziert wurde (zur [24] oder befand sich ein Gefährte in ei- schen zugeschrieben wurden: Lernen und ge nicht decken, viele sind heute zudem kognitiven Werkzeugkasten von einem Feuer gehen. Die emotionale Reaktion auf Verfahrenskontrolle), nach 80 Minuten zum nem angrenzenden Abteil [25], tauschten Gedächtnis, Innovation, soziales Lernen, überfischt [3]. Als Reaktion darauf füllt die Fischvorfahren geerbt haben. Nozizeptoren schmerzhafte Reize ist ein Verstärker, um Futter zurück. Offensichtlich verringerten die Fische die Schockvermeidung zuguns- Kultur, Kooperation, Versöhnung, Nestbau Aquakultur zunehmend diese Lücke. In gehen auf die Ringelwürmer zurück, und sicherzustellen, dass wir aus diesen Erfah- die schmerzhaften Reize die Motivation zu ten des konkurrierenden Motivators aus. und Werkzeuggebrauch. In den letzten ein Bezug auf die biologische Vielfalt gibt es emotionale Reaktionen auf Schmerz wirken rungen lernen. fressen. Sie waren bereit, das Schmerzrisiko in Kauf oder zwei Jahrzehnten haben sich alle die- mehr Fischarten als alle übrigen Wirbel- einfach als Verhaltensmotivatoren [16]. zu nehmen, um Zugang zu wichtigen Res- se Verhaltensweisen nicht nur bei Fischen Seit der Entdeckung von Nozizeptoren in Fallstudie 2: Schmerzmittel nor- tierarten zusammengenommen, wobei vor Angesichts der Tatsache, dass die primäre sourcen zu bekommen. gezeigt, sondern Fische waren oft als Mo- Fischen wurden beträchtliche Forschungs- malisieren das Verhalten wieder allem Süßwasserfische zu den am meisten Rolle des Schmerzes darin besteht, Tiere vor dellarten für das Verständnis dieser Phäno- anstrengungen unternommen, um den Entscheidende Erkenntnisse wurden durch gefährdeten Taxa der Welt gehören [4]. Je- Schaden zu bewahren, sollte es nicht überra- Nachdem gezeigt wurde, dass sich das mene bei „nichtmenschlichen Tieren“ Schmerz bei Fischen eingehend zu untersu- das zweite Experiment [25] erlangt, bei dem der dieser Zusammenhänge bringt eigene schen, dass die meisten Tiere diese Fähigkeit Verhalten der Fische als Reaktion auf (Peter Singer) wegweisend (für umfassende chen. Tabelle 1 zeigt die akzeptierten Krite- die Artgenossen im letzten Sektor eingesetzt Erwägungen bezüglich Fischwohl und Ethik in unterschiedlichem Maße besitzen. Schmerzen ändert, stellte sich als Nächstes Übersichten über die Kognition von Fischen rien zur Messung der Schmerzempfindungs- waren. Vor der Schockerfahrung zeigten die mit sich, aber bis heute sind Fische weit- die Frage, inwieweit es wieder normalisiert siehe [5] [6] [8] [9]). Seit der Entdeckung von Nozizeptoren bei fähigkeit von Tieren (modifiziert, nach [21] Versuchsfische eine größere Präferenz für die gehend nicht auf dem Tierschutz-Radar [5]. werden kann, wenn Schmerzmittel ange- Forellen Anfang der 2000er Jahre [17] und [22]) und beweist, dass das Schmerz- Zone, die dem Artgenossen am nächsten Die Kluft zwischen der öffentlichen Wahr- wandt werden. Eine Sudie [23] untersuchte In den 1970er Jahren nahm das Engage- wurde die Debatte darüber, ob Fische empfinden von Fischen genauso gut ist wie lag. Obwohl die Fische anschließend einem nehmung der Intelligenz von Fischen und die Veränderung der Aktivität und der Be- ment zugunsten des Tierwohls in der in- Schmerzen empfinden, immer wieder neu jenes von nichtmenschlichen Säugetieren Schock in dieser Zone ausgesetzt wurden, der wissenschaftlichen Realität hat ernste wegungsrate der Kiemendeckel bei Regen- dustriellen Landwirtschaft erheblich zu, geführt [18]. Es geht nicht mehr darum, ob und sogar besser als jenes von Vögeln, schwammen sie dennoch dorthin, um näher Auswirkungen auf unsere Interaktionen mit bogenforellen 30 Minuten nach der subku- zunächst in Großbritannien; aber aus Fische schädliche Reize wahrnehmen kön- Reptilien und Amphibien. Es ist interessant an ihren Gefährten heranzukommen. Noch Fischen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die tanen Injektion von Kochsalzlösung oder irgendeinem Grund erreichte diese Be- nen, sondern vielmehr darum, wie sie auf festzustellen, dass für das Schmerzempfin- überzeugender ist der Befund, dass sie mehr öffentliche Meinung dazu beitragen könn- Essigsäure oder Essigsäure kombiniert mit wegung nie die Fische. Bis zum heutigen emotionaler Ebene reagieren. Das heisst: den bei Zehnfußkrebsen und Kopffüßern Zeit in dieser Zone verbrachten, während te, Änderungen in der Tierschutzpolitik und einem Schmerzmittel. Die Injektion von Säu- Taggibt es nur wenige Tierschutzkontrollen Sind sie kognitiv mit Schmerzen beschäf- ebenfalls umfassende Beweise vorliegen, ein Schock verabreicht wurde, und dass sie -gesetzgebung voranzutreiben. Intelligenz, re verursachte eine Verringerung des Aktivi- in der Aquakultur und keine in der kommer- tigt? Anstatt uns darauf zu konzentrieren, und es überrascht nicht, dass diese Taxa trotz des Schocks dort blieben, was ihre Empfindungsvermögen und Ethik sind eng tätsniveaus und eine erhöhte Atemfrequenz ziellen Fischerei. In vielen Ländern auf der wie das menschliche Gehirn schmerzhaf- weltweit Eingang in die Tierschutzgesetz- Präferenz für diesen Sektor vielleicht sogar miteinander verbunden [5]. Menschen im Vergleich zur Kontrollgruppe. Forellen, ganzen Welt werden Fische im Rahmen te Reize verarbeitet und ob Fische etwas gebung finden. Während viele der Krite- noch weiter erhöhte. Dies ist in erster Linie zeigen viel eher Einfühlungsvermögen ge- denen an der gleichen Stelle nebst Säure bestehender Tierschutzgesetze nicht unter rien in Tabelle 1 wohl einzig von Vorgän- auf das Sozialverhalten von Fische zurückzu- das Lokalanästhetikum Lidocain injiziert gen im Nozizeptionssystem beeinflusst sein führen, die zu verstärktem Schwarmverhalten wurde, unterschieden sich nicht von der 1 Erstpublikation unter dem Titel „Pain and Emotion in Fishes – Fish Welfare Implications for Fisheries and Aquaculture“ (2019) in: könnten, beinhalten die letzten drei Krite- neigen, wenn sie bedroht werden [26]. Zu- Kontrollgruppe, was darauf hindeutet, dass Animal Studies Journal, Vol. 8, Nr. 2, https://ro.uow.edu.au/asj/vol8/iss2/12/ Übersetzung von Billo Heinzpeter Studer rien definitiv eine kognitive Verarbeitung dem können Gefährten emotionalen Stress die Schmerzen durch Lidocain vermindert (unter Weglassung der Abschnitte über die Fischerei). auf höherer Ebene. Tiere, die Schmerzen abfedern [27]. 10 I AUS DEM FORSCHERBÜRO I 11
AUS DEM FORSCHERBÜRO Tabelle 1: Quelle: nach Walters, „Defining Pain and Painful Sentience in Animals“ [21] und Sneddon et al., „Defining and Assessing Animal Pain“ [22]. Säuge- Amphibien, Zehnfuß- Kriterien Vögel Fische Kopffüßler Insekten tiere Reptilien krebse Nocizeptoren Zentralnervensystem Verabeitung Schmerzmittel- Rezeptoren Physiologische Antworten Abbildung 1 und 2: Hai-Fingerlinge beim Lösen von Kognitionsaufgaben (Fotos: © Culum Brown) Erlernte Insgesamt zeigen diese Fallstudien, dass von aus, dass sie sich ihrer selbst bewusst Zuständen positiven Wohlbefindens zu för- Vermeidung die Reaktion von Fischen auf schmerz- und auch ihres inneren Zustands bewusst dern [43]. hafte Reize nicht nur reflexiv ist, sondern sind [31]. eine langfristige kognitive Auseinander- Folgen für die Aquakultur Emotionen beeinflussen die Art und Weise, Verhaltensänderung setzung mit Schmerz beinhaltet. Die Fischerei und Aquakultur sind bei weitem wie wir mit der Welt interagieren. Sie be- Reaktionen von Fischen in diesen Kontex- die größte menschgemachte Ursache für einflussen unsere Wahrnehmung und un- ten unterscheiden sich nicht grundlegend das Leiden und den schmerzvollen Tod von sere Entscheidungsprozesse. Aus diesem von denen von Säugetieren und damit Fischen, sowohl was Dauer und Intensität Grund spielen tierische Emotionen eine Schutzverhalten auch nicht von unseren eigenen. des zugefügten Leidens anbelangt als auch wichtige Rolle bei der Beurteilung des Tierwohls [32]. Emotionen sind subjektive in Bezug auf das riesige Ausmaß dieser In- Tierische Emotionen dustriezweige und der Zahl der betroffenen Erfahrungen, und Menschen sind stark auf Medikamente In seinem Werk „Der Ausdruck der Fische. Auch die Art und Weise, wie wir verbale Berichterstattung über innere Zu- verringern die Gemütsbewegungen bei dem Menschen das Wohlergehen der Fische im Hinblick stände oder Gefühle angewiesen. Natür- Reaktion und den Tieren“ [28] stellte Charles Darwin auf ihre Bedeutung für den Menschen als lich gibt es auch verhaltensbezogene und enge Verbindungen zwischen mensch- physiologische Indizes von Emotionen, die Nahrungs- und Beschäftigungsquelle ange- Selbstverabreichung lichen Emotionen und ihren evolutionären wir messen können [33]. Kognitive Vorein- hen, hat erhebliche Auswirkungen. von Medikamenten Vorläufern bei Tieren her. Darwin stellte die genommenheit ist ein solches Beispiel [34], These auf, dass Emotionen anpassungsfä- das als Instrument zur Bewertung von Emo- Das Ausmaß der Auswirkungen hig sind. Sie dienen dazu, Verhalten zu mo- tionen und Wohlbefinden von Tieren ver- der Aquakultur auf Fische tivieren, und auch als eine Form der Kom- wendet wurde [35]. Pessimisten sehen sich Die Ernährungs- und Landwirtschaftsor- Schmerz hat Priorität munikation: ein Mittel, um den aktuellen ganisation der Vereinten Nationen (FAO) ein halbes Glas Wasser an und sagen, es inneren Zustand eines Tieres nach aussen sei halb leer, während Optimisten sagen, sammelt Fischerei- und Aquakulturdaten der hin auszudrücken. Auf der grundlegends- es sei halb voll. Tiere, die unter schlech- Mitgliedsländer und erstellt offizielle Statis- Veränderung der ten Ebene lenken Emotionen wahrschein- tiken über die Produktion und Verwendung tem Wohlbefinden leiden, neigen zum Bei- Verhaltenspräfernzen/ lich das Verhalten von Tieren, indem sie zu von Fischen. In ihrem alle zwei Jahre er- spiel zu pessimistischen Verhaltensweisen, Wahl lohnendem Verhalten motivieren und von scheinenden Bericht „Zustand der welt- wie etwa verminderter Lernfähigkeit [36] Verhalten mit negativen Folgen abschre- [37]. Wir können unser Wissen darüber weiten Fischerei und Aquakultur“ schätzt Preis bezahlen, um cken. Fraser und Duncan [29] führen an, die FAO, dass im Jahr 2018 die weltweite nutzen, wie Emotionen mit der Kognition Schmerzen zu dass sich motivationale affektive Zustände Produktion von „Fischen“ (Fische, Krebstie- interagieren, um den Tierwohlstatus einzel- vermeiden entwickelt haben, die zwei grundlegen- re, Weichtiere und andere Wassertiere, ner Tiere zu überprüfen. Bei Fischen wur- den Funktionen dienen: dem, was ein Tier de dies bsiher jedoch selten durchgeführt jedoch ohne Wassersäugetiere, Reptilien Schmerz gegen braucht (Überleben) und dem, was ein Tier und Pflanzen) mit etwa 178,5 Millionen (siehe aber [38] [39] [40]). Das bedeutet, andere Bedürfnisse will (Opportunismus). In beiden Fällen führt Tonnen ihren Höchststand erreicht hat dass wir uns nicht nur darauf konzentrieren abwägen das Nettoergebnis zu Fitnessvorteilen [30]. [44]. Von den 96,4 Mio. Tonnen der wild sollten, negatives Fischwohl zu verhindern, Objekte oder Kontexte variieren in ihrer sondern dass wir aktiv positives Fischwohl gefangenen Fische waren 77 % für den emotionalen Ausprägung. Auf diese Weise fördern müssen. Unter Tierwohlforschern ist direkten menschlichen Verzehr bestimmt; können Emotionen dazu beitragen, Tiere das Bewusstsein gewachsen, dass die blo- die restlichen 23 %, 22,2 Mio. Tonnen, durch das Minenfeld der komplexen Welt ße Beschäftigung mit negativem Tierwohl für die Tierfütterung. Im Jahr 2016 wurden zu führen, in der sie leben. Indem wir den nicht zur Abwesenheit von Leiden führt [41] 15 Millionen Tonnen zu Fischmehl und Tieren Emotionen zuweisen, gehen wir da- [42], und es gibt vermehrt Bestrebungen, Fischöl für die Fütterung von Zuchtfischen 12 I AUS DEM FORSCHERBÜRO I 13
AUS DEM FORSCHERBÜRO und von Mastvieh wie Schweinen und Fische als Quelle von Nahrung 0,79 bis 2,3 Billionen Fische durch die Fi- durch Düngemittel und zusätzliches Futter ßen Transporttanker gepumpt, zur nächsten tionen, die Aufschluss über den Zustand Hühnern verarbeitet; der Rest wurde direkt und Arbeit scherei und weitere 51 bis 167 Milliarden ergänzt, wie z. B. landwirtschaftliche Ne- Anlage gefahren und dann wieder heraus- ihres Wohlbefindens geben. So sind wir verfüttert, an Masttiere in Aquakultur und Im Jahr 2015 machte Fisch etwa 17 % durch die Aquakultur getötet werden [2]. benprodukte, Dünger und aus Wildfischen gepumpt werden. in der Lage, nicht nur negatives Fischwohl Landwirtschaft und an Pelztiere wie Nerze, des verzehrten tierischen Proteins aus und hergestelltes Fischmehl, was eine höhere zu verhindern, sondern auch aktiv positives Das grösste Fischwohlproblem entsteht beim In Lachsfarmen findet man häufig bis zu ei- oder lebend verwendet für die Aufzucht in versorgte 3,2 Milliarden Menschen mit Besatzdichte ermöglicht. In intensiven Sys- Fischwohl zu fördern. Fang von Wildfischen. Nachfolgend kon- nem Viertel der Individuen mit verkümmertem der Aquakultur, als Köderfische oder als fast 20 % der durchschnittlichen Pro-Kopf- temen stammt fast die gesamte Nahrung zentrieren wir uns jedoch auf die Probleme Wachstum und abnormalem Verhalten, die Trotz unseres Wissens, dass Fische leiden Zierfische sowie schließlich für pharma- Aufnahme von tierischem Protein [45]. Die aus verarbeiteten kommerziellen Futtermit- in der Fischzucht, in welcher Fische wäh- oft leblos an der Oberfläche des Beckens können, sind jährlich Billionen von Fischen zeutische Zwecke [45]. Bevölkerungen einiger Länder konsumieren teln, und die Besatzdichten sind hoch. Die rend ihres gesamten Lebenszyklus’ leiden schwimmen. Sie werden als „Verlierer“ unmenschlichen Fang- und Zuchtpraktiken viel Fisch, sowohl in Bezug auf die Men- meisten karnivoren Arten, wie z. B. Lachs, Eine kürzlich an der University of British können. Heute werden fast so viele Arten oder „Aussteiger“ bezeichnet, und lan- ausgesetzt. Viele dieser Praktiken wären für ge als auch auf die Vielfalt des Angebots, werden auf diese Weise gezüchtet, und Columbia durchgeführte Studie [46] hat gezüchtet wie wild gefangen, in Hinterhof- ge war die Ursache unbekannt. Eine vor die Öffentlichkeit nicht akzeptabel, wenn weil Fisch ein leicht verfügbares kulturelles der allgemeine Trend geht in Richtung noch gezeigt, dass die der FAO von den einzel- teichen geringer Intensität zur Ernährung kurzem durchgeführte Studie zeigte, dass sie auf Tiere in der Landwirtschaft ange- Leibgericht ist, während die Menschen stärkerer Intensivierung der Aquakultur. Es nen Nationen gemeldeten Anlandungszah- von Haushalten in Asien, bis hin zu hoch- das Verhalten und die Gehirnchemie dieser wandt würden. Obwohl das Bewusstsein in anderen Ländern viel Fisch essen, weil sind die Zuchtbetriebe mit hoher Intensität len nicht die tatsächlich gefangenen und intensiven Lachsfarmen in Seekäfigen, wel- Lachse jenen von gestressten und depressi- für die Leidensfähigkeit von Fischen und die sie wenig andere Auswahl haben. In den und Leistung, welche die größten Umwelt- getöteten Fischmengen widerspiegeln, da che die weltweite Nachfrage der wachsen- ven Säugetieren ähnlich ist [52]. Sie sind unmenschlichen Praktiken im Fischfang und Küstenregionen der Entwicklungsländer ist und Menschenrechtsprobleme [47] und die Nationen die Anlandungen. Der Frei- den Mittelschicht nach Lachs decken. nicht in der Lage, mit dem konstanten und in der Aquakultur zunimmt, gab es bisher Fisch oft die einzige erschwingliche und das grösste Fischleid verursachen, insbe- zeitfang, zurückgeworfene Beifänge und unausweichlichen Stress fertig zu werden, wenige Maßnahmen, um hier Abhilfe zu verfügbare Quelle für tierisches Eiweiß. In Wir wissen nur sehr wenig über die ide- sondere durch Überbelegung, Handha- Fänge aus illegalen Fangeinsätzen werden und geben das Leben im Wesentlichen auf. schaffen. Sierra Leone beispielsweise, das insgesamt alen Voraussetzungen, unter welchen die bung, Transport, Futterentzug und Schlach- oft gar nicht gezählt. Als die Fangdaten eine sehr geringe Ernährungssicherheit auf- meisten Fischarten frei ihr natürliches Verhal- tung [48] [49]. Wenn es ans Abfischen zur Schlachtung Verschiedene Organisationen haben Richt- aus einer größeren Vielfalt von Quellen re- weist, macht Fisch 50 % des verzehrten tie- ten frei ausdrücken und ein positives Leben geht, oft nach einer stressigen Periode mit linien für das Fischwohl in der Aquakultur er- konstruiert wurden, um die in den offiziellen Intensive Fischfarmen können durch zu rischen Proteins aus. Die Bewohner einiger führen könnten. Dies gilt insbesondere für Futterentzug zwecks Leerung ihre Eingewei- stellt (z. B. Humane Slaughter Association), Berichten fehlenden Zahlen zu schätzen, hohe Besatzdichten unter schlechten Be- Inselnationen, wie Kiribati und Mikronesien weit wandernde Fische wie Lachse, Aale de, leiden Zuchtfische unter ähnlichen un- die jedoch oft nicht das gesamte Spektrum kamen die Autoren zum Schluss, dass die dingungen das physische und psychische im Pazifik und die Malediven im Indischen und Thunfische. Nur wenige Zuchtmetho- menschlichen Schlachtmethoden wie Wild- der Fragen zum Tierwohl abdecken. Wo weltweiten Fangmengen zwischen 1950 Wohlbefinden der Fische und die Freiheit, Ozean, sind fast ausschließlich auf Fisch den bieten den Fischen eine Situation, die fische. Zuchtfische werden in der Regel Richtlinien in Zuchtbetrieben angewandt und 2010 um 50 % grösser waren als die ihr natürliches Verhalten auszudrücken, als Proteinquelle angewiesen, wobei die ihrem natürlichen Lebensraum nahekommt. durch Ersticken an der Luft oder in einem werden, dienen sie in erster Linie dazu, die der FAO gemeldeten Mengen. stark beeinträchtigen. Dicht gehaltene Fi- Verbrauchsraten mehr als doppelt so hoch Eiswassergemisch, durch Kiemenschnitt Mortalität zu verringern und die Gewinne Süßwasserarten werden in ganz unter- sche leiden, wie alle Tiere, stärker unter Da die Fischpopulationen aufgrund der sind wie der weltweite Durchschnitt. und oder Kohlendioxidnarkose getötet [48] zu steigern, und nicht dazu, die Probleme schiedlichen Anlagen gehalten: in natürli- Stress und Verletzungen und sind anfälliger Überfischung weltweit abnahmen und die [53] [54], die alle beträchtliches Leid ver- für das Fischwohl vollumfänglich zu berück- Eine 150-Gramm-Portion Fisch deckt chen oder künstlichen Teichen, in Becken für Krankheiten [48] [49]. Unter solchen Fangmengen nach dem Höchststand im ursachen. Einige Fische können auch bei sichtigen. Es gibt kaum nationale Gesetze, 50 –60 % des täglichen Proteinbedarfs oder in von Flüssen oder Seen gespeisten Bedingungen ist die Wasserqualität oft Jahr 1996 stagnierten oder gar zu sinken lebendigem Leib ausgeweidet werden. die sich mit dem Fischwohl befassen. eines Erwachsenen und enthält wichtige Fliesskanälen, in Netzkäfigen oder Pfer- schlecht, von niedrigem Sauerstoffgehalt begannen [45], wuchs die Aquakultur Humanere Methoden wie perkussive Be- Fettsäuren, Vitamine und andere essentielle chen innerhalb von Flüssen oder in land- und kontaminiert mit Futterresten, Ausschei- Mit der zunehmenden Produktion in der rasch, um die Lücke in der Nachfrage zu fül- täubung (Schlag auf den Kopf) und elektri- Elemente wie Jod und Selen, die in Pflan- gestützten, geschlossenen Becken mit dungen inklusive Ammoniak und Kohlendi- Aquakultur gibt es jedoch klare Chancen, len, mit einer jährlichen Wachstumsrate von sche Betäubung, um Fische bewusstlos zu zenkulturen oder Fleisch von Landtieren Wasserwiederaufbereitung im Kreislauf. oxid sowie einer Vielzahl von Chemikalien die Wahl der gezüchteten Arten, die Hal- 5,8 % im Zeitraum 2001–2016. Die machen, werden zunehmend eingesetzt, nicht in dieser Menge und Vielfalt vorkom- Meerestiere werden in Teichen an der und Antibiotika, die zur Bekämpfung von tungsbedingungen und die angewandten Aquakultur löste 2013 die Fischerei als aber nur von einer Minderheit der Betrie- men. Daher sind Fische eine sehr wichtige Küste und in offenen Netzkäfigen in Seen, Krankheiten eingesetzt werden. Fische in Schlachtmethoden viel stärker zu kontrol- Hauptlieferant von Fisch für den menschli- be. Diese Methoden haben immer noch Nahrungsquelle für diejenigen, die nur we- Buchten, Fjorden oder im offenen Meer so- Gefangenschaft haben keine Möglichkeit, lieren und sie mit den ethischen und tier- chen Verzehr ab und machte 2018 bereits einige Probleme (wie z. B. unangemessene nige andere Möglichkeiten haben. wie in Kreislaufanlagen an Land gezüchtet. Stresssituationen oder Umweltveränderun- schutzrechtlichen Anforderungen in der 47 % der gesamten Fischproduktion aus bzw. elektrische Feldstärke und schlechte Ausbil- Die Fischzucht kann den gesamten Lebens- gen zu vermeiden. Sie können anderen Landwirtschaft in Einklang zu bringen, um 53 %, wenn man nur die Verwendung für Was die Beschäftigung betrifft, waren dung oder Bedingungen für das Personal) zyklus umfassen, wobei die Eier in Brüterei- gestressten und aggressiven Fischen, Para- den Erwartungen der Öffentlichkeit entge- den menschlichen Verzehr berücksichtigt [44]. 59,6 Millionen Menschen im Jahr 2016 und müssen speziesspezifisch weiterent- en erzeugt werden, oder sich auf die Ent- siten oder Raubtieren nicht entkommen und genzukommen. Das Bestreben, die Pro- in den Primärsektoren Fischerei und Aqua- wickelt werden, um eine humane Tötung zu Seit 1961 nimmt der weltweite Fischkon- nahme von Eiern, Jungfischen (z. B. Aale) können sich nicht in kühlere oder wärmere duktion zu steigern, könnte jedoch auch kultur beschäftigt: 19,3 Millionen davon gewährleisten [48] [49][54]. sum um durchschnittlich 3,2 % pro Jahr zu, oder jungen Adulttieren (z. B. die meisten Gewässer begeben oder, wenn nötig, Un- dazu führen, dass vermehrt problematische das übertrifft das jährliche Wachstum der in der Aquakultur und 40,3 Millionen »gezüchteten» Blauflossenthunfische) aus terschlupf suchen. Praktiken, wie z. B. hohe Besatzdichten an- Menschen in der Fischerei. Viele weitere Schlussfolgerungen und ein Weg Menschheit (1,6 %) und den jährlichen der Wildnis stützen und sie bis zur erforder- gewandt werden, die eine Verlagerung hin Millionen sind in der Fischverarbeitung, im Intensive Zuchtpraktiken erfordern erheb- nach vorn Anstieg des Fleischkonsums aller Landtiere lichen Schlachtgröße aufziehen. zu positiven Resultaten für das Fischwohl Handel, im Einzelhandel und in der Nah- liches Handling der Fische während ihres Fische sind intelligente, soziale Lebewesen. zusammen (2,8 %); einzig der Konsum von verhindern. rungsmittelversorgung beschäftigt [45]. Aquakulturbetriebe lassen sich in drei gro- gesamten Lebens; ihre empfindliche Haut Die evolutionäre Funktion des Schmerzes Geflügel ist mit 4,9 % pro Jahr noch stärker ße Kategorien einteilen: extensive, halbin- und Flossen werden beim Transport, beim ist uralt und bei allen Wirbeltieren und Um Bereiche hoher Handlungspriorität gewachsen [45]. Wie wir Fische züchten und töten tensive und intensive. Extensive Systeme Sortieren nach Grösse, beim Impfen und wahrscheinlich auch bei einigen Wirbel- zu identifizieren, könnte es hilfreich sein, Darüber hinaus wird laut FAO aufgrund der sind in der Regel die traditionelleren und anderen tierärztlichen Behandlungen so- losen ursprünglich, und die Beweise für die Frage des Fischwohls in der von Fangertrag und Zuchtproduktion werden steigenden Nachfrage nach Fisch und Ver- nachhaltigeren Systeme, die unter natürli- wie beim Abfischen zur Schlachtung oft ein Schmerzempfinden bei Fischen sind fishcount.org.uk [2] verwendeten Formel nach Gewicht angegeben, eine Tatsache, besserungen in der Technologie erwartet, cheren Bedingungen mit geringen Besatz- verletzt. Der Transport von Fischen von den äquivalent zu dem bei Säugetieren. Fische zu betrachten: die das Leben der einzelnen Fische, insbe- dass die weltweite Fischproduktion von dichten wirtschaften. Die Fische decken Brütereien zu den Aufzuchtbecken, Buch- haben Neuronen für die Nozizeption und sondere der Jungfische und kleinerer Arten, 171 Millionen Tonnen im Jahr 2016 auf ihren Nährstoffbedarf aus der Umwelt, ten oder Käfigen oder zwischen diesen zu die notwendigen Gehirnregionen für „emo- Ausmaß des Fischwohlproblems sowie die enormen Auswirkungen mensch- 201 Millionen Tonnen bis 2030 steigen wobei nährstoffreiches Material hinzuge- Reinigungs- oder Besatzzwecken ist eine tionale“ Reaktionen auf Schmerz. Fische = Schwere x Dauer x Anzahl Tiere licher Aktivitäten auf die Fische erheblich wird. Die Aquakultur wird voraussichtlich fügt werden kann, um das Wachstum von besonders traumatische Erfahrung mit ho- sind fähig, Schmerzen kognitiv zu bewer- Angesichts der immensen Anzahl von entwertet. Schätzungen auf der Grundlage um 37 % über das Niveau von 2016 hinaus Algen zu fördern, von denen sich die Fi- hen Verlusten an Tieren durch Verletzungen ten, eine wichtige Funktion für ihre Fitness. Fischen, die durch Fischfang und Zucht ge- der (unvollständig) an die FAO gemeldeten wachsen und 109 Millionen Tonnen errei- sche ernähren. In halbintensiven Systemen und Stress [49] [50] [51], beispielsweise Fische erleben positive und negative Emo- tötet werden, müssen wir den Prozess der Fangdaten gehen davon aus, dass jährlich chen [45]. werden die natürlichen Nahrungsquellen wenn Fische aus einem Teich in einen gro- 14 I AUS DEM FORSCHERBÜRO I 15
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