Forum für soziale Psychiatrie 2 - 4 November - Kerbe - Forum für soziale Psychiatrie
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ISSN 07245165 Kerbe Forum für 4 2015 November Dezember soziale Psychiatrie Januar 33. Jahrgang THEMENSCHWERPUNKT Auf dem Weg zu einem Die Reform der Ziele, Hoffnungen und Bundesteilhabegesetz? Eingliederungshilfe Problemfelder
I N H A LT K E R B E 4 | 20 15 3 Editorial 4 Themenschwerpunkt Das Gesetzgebungsverfahren Was wird aus den Heimen, zum Bundesteilhabegesetz wenn die „Eingliederungshilfe- Überblick und Positionierungen. neu“ kommt? Michael Conty, Seite 4 Lothar Flemming, Seite 31 Für ein gutes Bundesteilhabe- Mehr Chancen auf dem gesetz Arbeitsmarkt? Die Perspektive der Behinderten- Manfred Becker, Seite 35 verbände. Ottmar Miles-Paul, Seite 9 Teilhabe am Arbeitsleben Erfahrungen aus Werkstätten für Die Bedeutung der UN-BRK Menschen mit Behinderung. für ein künftiges Bundesteil- Kerstin Scheinert, Seite 38 habegesetz. Axel Willenberg, Seite 12 Eingliederungshilfe im gegliederten System der Verfahren der Teilhabeplanung sozialen Sicherung und ein verändertes Verständnis Wolfgang Faulbaum-Decke, von Behinderung Reinhold Hohage, Seite 40 Welche Anforderungen gibt es an Bedarfsermittlungsverfahren? Der neue Pflegebedürftigkeits- Petra Gromann, Seite 14 begriff und die Eingliederungs- hilfe Sozialraum und Personen- Integrierte Lösungen oder getrennte orientierung – (wie) geht das Entwicklungsstränge? 2 zusammen? Klaus Wingenfeld, Seite 44 Zur Funktionsbestimmung von Sozialraumbudgets. 47 Spectrum Frank Früchtel, Seite 18 Irrwege der psychiatrischen Budgets als geeignete Versorgung und Perspektiven ei- Form einer bedarfsgerechten ner unkonventionellen Psychiatrie Leistungsfinanzierung? Bruno Hildenbrand, Seite 47 Wolfgang Bayer, Seite 22 51 Zur Diskussion Persönliche Assistenz auf der Grundlage eines Persönlichen Inklusion für Menschen mit Budgets psychischen Beeinträchtigungen Erfahrungen eines Genesungs- Eine Neuauflage der Gemeindepsy- begleiters. chiatrie? Werner Walter, Seite 25 Suitbert Cechura, Seite 51 Leistungserbringungs- und 54 Nachrichten Vertragsrecht im Prozess der Reform. 55 Termine Ruth Coester, Seite 27 Titelfoto: Karl-Heinz Laube/pixelio
EDITORIAL Liebe Leserin, dazu beitragen, eines der wichtigsten lieber Leser, Reformvorhaben seit der Psychiatrie- Enquête verständlich und diskutierbar seit vielen Jahren wird die gesamte zu machen. Diskussion um die Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung beglei- Michael Conty gibt zunächst einen tet von diesem Unsicherheitsfaktor: Gesamtüberblick über den Stand des Was wird aus der Eingliederungshilfe? Gesetzgebungsverfahrens zum Bun- Einerseits sind damit weit reichende desteilhabegesetz und die wichtigsten Hoffnungen verbunden: Es könnten die Positionierungen in diesem Prozess. Lernerfahrungen aus mittlerweile reich- Ottmar Miles-Paul berichtet über die lich 20 Jahren Umsetzungserprobung Positionierung der Behindertenverbände personenzentrierter Unterstützungs- in dem Beteiligungsprozess, den das formen endlich auch in der Umgestal- zuständige Ministerium Mitte 2015 ab- tung von gesetzlichen Strukturen und geschlossen hat. Die Beiträge von Axel Prozessen ihren Niederschlag finden. Willenberg und Petra Gromann behan- Und es könnte vielleicht auch gelingen, deln grundlegende Bezugspunkte jeder durch eine deutlichere Unterscheidung Reform, nämlich die Herausforderungen, von Fachmaßnahme und allem, was mit die sich aus der UN-Behindertenrechts- Wohnen und Lebensunterhalt zu tun konvention und aus der Neufassung des hat, die Eingliederungshilfe aus der Lo- Behinderungsbegriffs ergeben. Frank gik der Sozialhilfe herauszulösen – seit Früchtel und Wolfgang Bayer befassen den Tagen der Psychiatrie-Enquête steht sich mit der Frage, wie Budgetbildungen das Diktum von Hans-Peter Kitzig im zu einer flexibleren und bedarfsgerech- Raum, dass es Rehabilitation in der Psy- teren Steuerung von Unterstützungsleis- chiatrie nur um den Preis des Gelöbnis- tungen führen können; Werner Walter ses ewiger Armut gibt. Andererseits ste- kommentiert die Bedeutung des Persön- hen vielfältige Befürchtungen im Raum, lichen Budgets aus der Perspektive eines die Reform könnte angesichts der konti- Genesungsbegleiters. Lothar Flemming nuierlichen Steigerung der öffentlichen stellt die Frage nach den Auswirkun- 3 Ausgaben in der Eingliederungshilfe gen der beabsichtigten Trennung von lediglich ein Anlass für ein groß ange- Fachleistungen und existenzsichernden legtes Kostendämpfungsprogramm sein Leistungen auf die Heime. Manfred Be- – es ist nicht zu verkennen, dass sich cker sichtet zum Themenbereich Arbeit, eine starke Triebkraft für die Reform in welche Aufgaben hier anstehen, Kerstin der Politik genau aus solchen Motiven Scheinert ergänzt das aus der Perspek- speist. Dabei leisten wir uns gerade in tive einer Werkstatt-Beschäftigten. der Eingliederungshilfe seit Jahrzehnten Strukturen, die allein schon durch die Ein großes Thema der Reform ist die Zuständigkeitsspaltung zwischen ört- Hoffnung auf ein verbessertes Zu- lichem und überörtlichem Sozialhilfe- sammenwirken der verschiedenen träger erheblich kostentreibend gewirkt Sozialleistungsträger bei der Klärung haben und die noch längst nicht in „vorrangiger“ und „nachrangiger“ Leis- allen Bundesländern überwunden sind. tungen. Wolfgang Faulbaum-Decke und Die Eingliederungshilfe darf nicht Spiel- Reinhold Hohage befassen sich mit der ball im kommunalen Finanzausgleich Position der Eingliederungshilfe im so- bleiben – es ist zu hoffen, dass in die- genannten „gegliederten System“ und sem Zusammenhang die Politik endlich Klaus Wingenfeld behandelt speziell den ihre Hausaufgaben macht im Sinne der Überschneidungsbereich von Eingliede- Schaffung rationaler Strukturen. rungshilfe und Pflege, in dem einerseits ein neu gefasster Behinderungsbegriff Die Beiträge dieses Heftes erläutern und andererseits ein neu gefasster Pfle- Hintergründe der anstehenden Re- gebedürftigkeitsbegriff in ihren Auswir- form, bereiten Zielperspektiven und kungen auszuloten sind. mögliche Konfliktpunkte der Reform für eine breitere sozialpsychiatrische Wir hoffen, dass dieses Heft das Ver- Fachöffentlichkeit auf und diskutieren ständnis und die kritische Begleitung sie kritisch unter dem Gesichtspunkt des bevorstehenden Gesetzgebungspro- der anzustrebenden Wirkungen, der zesses unterstützt und wünschen in die- bestehenden Risiken und der möglichen sem Sinne eine anregende Lektüre! Nebenwirkungen auf die sozialpsychi- Georg Schulte-Kemna atrischen Praxisfelder. Das Heft will so Johannes Peter Petersen
THEMENSCHWERPUNKT Das Gesetzgebungsverfahren zum Bundesteilhabegesetz Überblick und Positionierungen Von Michael Conty D as Bundesteilhabegesetz kommt der einvernehmlich festlegt, dass es in – man weiß nur noch nicht dieser Legislaturperiode ein Bundesteil- Michael Conty sicher, wie und mit welchen habegesetz geben wird. Diplom-Psychologe, Inhalten im Einzelnen. Auch wenn im- Geschäftsführer des mer wieder Unkenrufe laut werden und Ziele und Treiber Stiftungsbereichs Be- thel.regional der von auch echte Gefährdungen im Prozess Bodelschwinghsche auftreten: Es gibt einen Koalitions- Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) Stiftungen Bethel, Vor- vertrag zwischen CDU/CSU und SPD1, soll das deutsche Recht der Ein- standsvertreter des BeB gliederungshilfe im Licht der UN- für den Bundesteilha- begesetz-Prozess. Behindertenrechtskonvention (BRK) Aus dem Koalitionsvertrag: weiterentwickelt werden. Damit folgt die Regierung ihren internationalen „Wir werden ein Bundesleistungs- Verpflichtungen und einem internati- nachhaltige Reform und um einen gesetz für Menschen mit Behin- onalen Trend, der sich nachhaltig um grundsätzlichen Perspektivwechsel von derung (Bundesteilhabegesetz) Menschenrechte, Diskriminierungs- einem defizitorientierten, im Armen- erarbeiten. Mit Inkrafttreten dieses schutz und den Zusammenhalt von recht verankerten Fürsorge-Ansatz Gesetzes wird der Bund zu einer Gesellschaften dreht. Dieser Trend zu einem nachteilsausgleichenden, Entlastung der Kommunen bei steht natürlich international wie nati- personenzentrierten Leistungssystem. 4 der Eingliederungshilfe beitragen. onal in einer permanenten Spannung Menschen mit Behinderung oder psy- Dabei werden wir die Neuorgani- zu anderen Trends wie weiterer Öko- chischer Erkrankung sollen nicht mehr sation der Ausgestaltung der Teil- nomisierung und Globalisierung. Mit Objekt von Fürsorge sein, sondern ihr habe zugunsten der Menschen mit der BRK ist ein wesentlicher Treiber Leben mit der notwendigen Unterstüt- Behinderung so regeln, dass keine der Reform identifiziert. Gleichzeitig zung selbstbestimmt gestalten. neue Ausgabendynamik entsteht.“2 geht es um einen finanziellen Las- tenausgleich zwischen Bund, Ländern Beteiligung und Zeitplan „Wir wollen die Menschen, die und Kommunen. Verknüpft mit dem aufgrund einer wesentlichen Be- Abschluss der Teilhabegesetzgebung Ein öffentlich nachvollziehbares, trans- hinderung nur eingeschränkte sollen jährlich fünf Milliarden Euro an parentes Beteiligungsverfahren, wie es Möglichkeiten der Teilhabe am die Kommunen fließen. vom Bundesministerium für Arbeit und Leben in der Gemeinschaft haben, Soziales (BMAS) zum BTHG durch- aus dem bisherigen „Fürsorgesys- Weder die Länder und Sozialhilfeträ- geführt wird, hat es m. E. noch nicht tem“ herausführen und die Einglie- ger noch die Interessenvertretungen gegeben. Respekt! Die Interessenvertre- derungshilfe zu einem modernen und Verbände der Menschen mit tungen und Verbände ebenso wie die Teilhaberecht weiterentwickeln. Behinderung und psychischer Erkran- Länder, die kommunale Familie und die Die Leistungen sollen sich am per- kung hatten es gegen die Blockade Sozialleistungsträger sowie wichtige sönlichen Bedarf orientieren und der Bundesregierung in den vergange- gesellschaftliche Akteure (Arbeitgeber, entsprechend einem bundeseinheit- nen Legislaturperioden vermocht, die Gewerkschaften) waren von Beginn lichen Verfahren personenbezogen Eingliederungshilfereform auf die po- einbezogen. Eine „hochrangige Arbeits- ermittelt werden. Leistungen sollen litische Tagesordnung zu heben. Über gruppe“ hat von Juli 2014 bis April nicht länger institutionenzent- mehrere Jahre hinweg hatte die Kon- 2015 in 9 Sitzungen zu unterschiedli- riert, sondern personenzentriert ferenz der Arbeits- und Sozialminister chen Fragestellungen in monatlichem bereitgestellt werden. Wir werden hier Impulse gegeben und Hoffnungen Rhythmus Kernfragen des neuen Rechts das Wunsch- und Wahlrecht von geweckt („ASMK-Prozess“). Parallel diskutiert. In diesem Prozess konnten Menschen mit Behinderungen im haben die Verbände ihre Anforderun- die Beteiligten relevante Gesichts- Sinne der UN-Behindertenrechts- gen an eine Reform deutlich gemacht. punkte einbringen und Vorschläge konvention berücksichtigen. Men- Es ist anzuerkennen, dass die jetzige machen. Die Themen und die Diskus- schen mit Behinderung und ihre Regierung ihre nationalen und inter- sionen der AG Bundesteilhabegesetz Verbände werden von Anfang an nationalen Verpflichtungen in diesem waren jederzeit im Internet nachvoll- und kontinuierlich am Gesetzge- Zusammenhang ernst nimmt und die ziehbar und der Abschlussbericht zur bungsprozess beteiligt.“3 Reform angestoßen hat. Es geht um ersten Bearbeitungsphase ist seit Som- ein modernes Teilhaberecht – eine mer 2015 ebenfalls dort abrufbar.4
Kerbe 4 | 2015 Themenschwerpunkt Derzeit finden seitens des BMAS noch bestehende Recht hat die Entwick- sundheitsproblem als eine Eigenschaft weitere Konsultationen mit den Län- lung der Eingliederungshilfen in ihrer einer Person steht im Mittelpunkt, son- dern und den Kommunalverbänden Vielfalt ermöglicht und damit auch dern ihre Möglichkeit bzw. Hinderung statt und auch mit den Verbänden der der Vielfalt der Bedarfslagen unter durch verschiedene Barrieren an allen Menschen mit Behinderung gibt es den jeweilig leitenden Paradigmen Errungenschaften ihrer Gesellschaft weiteren Austausch. Gleichzeitig arbei- zu entsprechen versucht. Wenn heute nach eigenem Willen teilzuhaben und tet das BMAS an einem Referentenent- ernsthaft über Modernisierung des ein selbstbestimmtes Leben in der Ge- wurf für das neue Gesetz, der für Ende Teilhaberechts geredet wird, müssen meinde aller Bürgerinnen und Bürger 2015 erwartet wird. Nach abschließen- bislang erfolgreiche und unverzichtbare zu führen. der Abstimmung mit den anderen Bun- Prinzipien fortbestehen. Dazu gehören desministerien wird der Regierungsent- das Prinzip der Bedarfsdeckung, die Selbstkritisch ist zu fragen, inwieweit wurf voraussichtlich im Frühjahr 2016 Verpflichtung zur Individualisierung (Fach-)Verbände, Einrichtungen und dem Bundestag vorgelegt. Spätestens der Leistungen, die Fixierung der Mitarbeitende dies bereits wirklich dann hat vorrangig die Politik und Wunsch- und Wahlmöglichkeiten der in ihr Denken aufgenommen haben. nicht mehr das vorbereitende Minis- Leistungsberechtigten im Gesetz und Da wird doch zu gern und unkritisch terium das Sagen. Getreu dem Grund- schließlich die Entwicklungsoffenheit noch vom „Menschen mit seelischer satz, dass noch kein Gesetzentwurf und Anpassungsfähigkeit der zukünfti- Behinderung“ gesprochen (und noch das Parlament so verlassen hat, wie er gen Teilhabeleistungen (→ offener Leis- die beste Ausrede ist: „Das ist doch hineingegangen ist, ist auch klar, dass tungskatalog). der heutige Gesetzesstand!“), als sei sich hier weitere Einflussmöglichkeiten die psychische Erkrankung und damit durch Gespräche mit Politikerinnen Eine ganz neue Grundlage letztlich die Person verantwortlich für und Politikern und Parteien ergeben. ihre Behinderungserfahrungen. Dass Das ist nicht nur eine Aufgabe für Wie grundsätzlich anders allerdings Menschen mit psychischen Beeinträch- Verbandsvertreter im fernen Berlin, das das neue Recht sein wird, wird ins- tigungen sich heute einstellungsmäßi- ist auch eine lokale Aufgabe: Einrich- besondere daran deutlich, dass der gen, rechtlichen und materiellen Barri- tungen und Interessengruppen müssen „Grundbaustein“, nämlich die Defini- eren hinsichtlich ihrer Teilhabechancen das Gespräch mit den Bundestagsab- tion von Behinderung (und damit auch gegenübersehen, ist nicht „normal“ geordneten vor Ort suchen. Abhängig der Zugang zu den neuen Leistungen) – und es ist nach der BRK Aufgabe der davon, wie aufwändig die Abstimmung eine gänzlich neue und einheitliche Gesellschaft, diese Barrieren (z. B.durch zwischen Bundestag und den Bundes- Fassung erfahren wird. An vielen Stel- persönliche Unterstützung) abzubauen 5 ländern im Bundesrat wird, wird die len im deutschen (Sozial-)Recht finden bzw. Nachteilsausgleiche zu schaffen. endgültige Verabschiedung in der zwei- sich heute unterschiedliche Fassungen Wenn Behinderung so verstanden wird, ten Jahreshälften 2016 erwartet, damit des Begriffs von Behinderung. Zudem dann kann eine fortdauernde Psychose das BTHG 2017 in Kraft treten kann. ist der derzeitige Behinderungsbegriff nicht mehr als alleiniges Leistungs- in der Eingliederungshilfe veraltet und zugangskriterium gelten. Aber wie Prinzipientreue weitgehend defizitorientiert. „…er de- werden vorhandene Teilhabeeinschrän- finiert sich u. a. über die Abweichung kungen als Wechselwirkung von Barri- Die Reform des Teilhaberechts ist ein der individuellen Funktion, Fähigkeit eren und personenbezogenen Faktoren ehrgeiziges Vorhaben, das viele Verän- oder Gesundheit vom für das Lebens- in subjektiv bedeutsamen Bereichen als derungen für die Menschen mit Behin- alter eines Menschen typischen, als Maß für die notwendigen Unterstüt- derung, die Sozialleistungsträger und normal angesehenen Zustand. Er be- zungsleistungen zukünftig bundesein- die Dienste und Einrichtungen mit sich zieht nur unzulänglich gesellschaftliche heitlich quantifiziert? Diese Frage muss bringen wird. Fachlich geht es darum, Veränderungen sowie das gewandelte im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens die Position der Leistungsberechtigten Rollenverständnis von Menschen mit beantwortet werden. im Unterstützungssystem zu stärken. Behinderungen ein.“5 Seitens des Bundesverbandes evange- Der allgemeine Behinderungsbegriff im lische Behindertenhilfe (BeB) haben Die bestehenden gesetzlichen Bestim- SGB IX (und für alle weiteren gesetzli- wir deshalb dieses Reformbemühen mungen orientieren sich noch immer chen Regelungen in Deutschland) muss stets unterstützt und tun dies auch am überholten medizinischen Modell zukünftig der UN-BRK entsprechen weiterhin, weil auch wir ein moder- und am Verständnis von Behinderung und in seiner Operationalisierung an nes Teilhaberecht wollen, das der BRK als Krankheitsfolge. Eine zeitgemäße das Modell der ICF angepasst sein. Er entspricht, Schwächen der heutigen Bezugnahme auf die BRK als men- könnte folgendermaßen kodifiziert wer- Eingliederungshilfe (insbesondere im schenrechtliche Grundlage und auf den: „Menschen mit Behinderungen im Zusammenspiel mit Leistungen aus an- die Operationalisierung i. S. des bio- Sinne dieses Gesetzes sind Menschen, deren Sozialleistungssystemen) behebt psycho-sozialen Modells funktionaler die langfristige körperliche, seelische, und einen wirklichen Nachteilsaus- Gesundheit und Behinderung der WHO6 geistige oder Sinnesbeeinträchtigun- gleich (→ Unabhängigkeit von Einkom- findet sich bisher nicht. Es sind aber gen7 haben, welche sie in Wechselwir- men und Vermögen) zur Grundlage hat. die Einschränkungen der Teilhabe und kung mit einstellungs- und umwelt- Begrenzungen des Einbezogenseins bedingten Barrieren an der gleichbe- Dabei ist das Recht der Eingliederungs- in relevante Lebenssituationen bzw. rechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hilfe ja nicht schlecht, aber eben im Lebensbereiche, die eine Behinderung hindern können. Als langfristig gilt Lichte der BRK reformbedürftig. Das ausmachen. Nicht das individuelle Ge- ein Zeitraum, der mit hoher Wahr-
Kerbe 4 | 2015 Them enschwerpunkt scheinlichkeit länger als sechs Monate heitliches Verfahren mit Rechts- und dersetzung zwischen Bund (zukünftig andauert.“ Aber es ist eine zweite, prä- Unterstützungssicherheit für die Leis- zuständig für die Grundsicherung) und zisierende Stufe notwendig, die klärt, tungsberechtigten und um eine wis- Ländern/Teilhabeleistungsträger (zu- wer zukünftig Zugang zu den Leis- senschaftlich fundierte Konvergenz der künftig zuständig für die Teilhabeleis- tungen zur Teilhabe haben soll. Heute verwendeten Instrumente hinsichtlich tungen). Sichergestellt werden müssen ist das die Frage, ob eine „wesentliche einer konsequenten Orientierung an • die Ermittlung und Feststellung des Behinderung“ vorliegt oder droht. BRK und ICF. gesamten individuellen Bedarfs inklu- sive aller behinderungsbedingten Auf- Der zukünftig leistungsberechtigte Per- Das Verfahren zur Feststellung des wendungen, sonenkreis ist gekennzeichnet durch Unterstützungsbedarfs muss trägerüber- • eine rechtssichere Zuordnung von das Erfordernis eines personellen/tech- greifend unter Einschluss der existenz- Bedarfen nach Existenzsicherung und nischen Unterstützungsbedarfs in sub- sichernden Leistungen alle im Einzelfall Teilhabe, jektiv relevanten Aktivitäts- und Teil- notwendigen Leistungen ermitteln. Ins- • die Verhinderung von Leistungslü- habebereichen8. Und hier gibt es einen besondere in dieser kritischen Phase der cken (dies gilt insbesondere für behin- ernsthaften Konfliktpunkt: Während Hilfebedarfsermittlung und -feststellung derungsspezifische Mehraufwendungen die Fachverbände die Berücksichtigung und der Leistungsbescheidung zur per- im Bereich der existenzsichernden Leis- aller ICF-Aktivitäts- und Teilhabereiche sonenzentrierten Leistungsgestaltung tungen, die weiterhin bedarfsdeckend fordern, gibt es Stimmen, die z. B.„Ler- müssen Menschen mit Behinderung erbracht werden müssen) und nen und Wissensanwendung“ nur für eine nur ihren Interessen verpflichtete, • die Finanzierung der gesamten be- Kinder und Jugendliche einbeziehen parteiliche Beratung, Begleitung und hinderungsbedingten Aufwendungen wollen und „Allgemeine Aufgaben und Unterstützung in Anspruch nehmen bei betreuten Wohnformen (inklusive Anforderungen“, „Kommunikation“, können, die aufsuchende Hilfe und per- Personal-, Sach-, Overhead- und Inves- „Interpersonelle Interaktionen und sönliche Begleitung etwa zu Hilfeplan- titionskosten der Leistungserbringer). Beziehungen“, „Bedeutende Lebensbe- konferenzen ausdrücklich einschließt. reiche“ und „Gemeinschafts-, soziales Dies ist eine Forderung, die von den Menschen mit seelischer Behinde- und staatsbürgerliches Leben“ bei der Interessenvertretungs- und Fachverbän- rung sind typischerweise Mitglieder Feststellung der „Wesentlichkeit“ einer den nachdrücklich erhoben wurde. Dies der Gesetzlichen Kranken- und der Bedarfslage nicht einbeziehen wol- ist ein Beitrag, die Stellung des Leis- Sozialen Pflegeversicherung. Gerade len. Was dies für psychisch Erkrankte tungsberechtigten im sozialrechtlichen diese Leistungen, ebenso wie die zur 6 bedeuten würde, liegt auf der Hand. Dreieck zu stärken. Es ist mittlerweile medizinischen Rehabilitation und zur Beispielsweise die von ihnen erlebten nach Äußerungen von Frau Nahles er- Teilhabe am Arbeitsleben, müssen mit spezifischen und häufig nicht sichtba- kennbar, dass ein Beratungsanspruch den Leistungen zur Teilhabe reibungs- ren kommunikativen Barrieren gerieten berücksichtigt werden wird. los ineinandergreifen. Derzeit ist die damit aus dem Blick. Wesentliche Pro- Zugänglichkeit zu diesen Leistungen blembereiche der Lebenswirklichkeit Personenzentrierung und im stationären Kontext stark einge- blieben beim Zugang und der Zumes- Leistungen aus einer Hand schränkt. Unabhängig vom Ort des sung von Leistungen unberücksichtigt. Aufenthaltes muss der Bezug ambulan- Ein Schlagwort in der Diskussion um ter Sachleistungen aus allen Systemen Trägerübergreifende Hilfe- das BTHG ist „Person(en)zentrierung“. möglich sein. Derzeit ist allerdings bedarfsermittlung und partei- Dabei verstehen die einen hierunter nur (noch?) nicht zu erkennen, dass eine liche Beratung die Trennung der Existenzsicherenden integrierte Ausgestaltung von Leistun- Leistungen von den Teilhabeleistun- gen dieser unterschiedlichen Gesetzbü- Es kann nicht sein, dass für den Zu- gen im stationären Kontext. Das ist cher im Rahmen eines weiterentwickel- gang zu Teilhabeleistungen in Flens- ohne Zweifel ein wesentlicher Aspekt, ten Persönlichen Budgets die strengen burg ein anderes Verfahren Anwen- aber nicht alles. Wenn der Einbezug leistungsrechtlichen Rahmenvorgaben dung findet als in München, und dass insbesondere der Leistungen der Sozi- personenzentriert überwinden kann. in Dortmund andere Maßstäbe gelten alen Pflegeversicherung (SGB XI) und als in Dresden. Es ist bekannt, dass Krankenversicherung (SGB V) nicht Dabei ist die sozialleistungsträger- bundesweit über 70 Verfahren im Ein- gelingt, also keine wirkliche personen- übergreifende Anlage und Gestaltung satz sind und im Bereich Teilhabe am zentrierte Anschlussfähigkeit der unter- gerade für Menschen mit langfristiger Arbeitsleben über 470 Verfahren (BAR- schiedlichen Systeme entsteht, werden psychischer Erkrankung von überra- Forschungsprojekt) und Instrumente. Leistungen (wie) aus einer Hand kaum gender Bedeutung. Aber im Gegenteil, möglich werden. die Abgrenzung der Leistungsberei- Die Verbände der Menschen mit Behin- che wird großgeschrieben, wenn auch derung haben gemeinsam ein in den Die neu entstehende Schnittstelle zwi- erfreulich ist, dass der vorgesehene Augen vieler Fachleute beachtliches schen Existenzsichernden Leistungen kategorischen Leistungsausschluss von Papier zur zukünftigen bundeseinheit- (Grundsicherung) und den Teilhabe- Eingliederungshilfe beziehenden Per- lichen Gestaltung eines partizipativen leistungen für den stationären Kontext sonen aus dem Regierungsentwurf für Verfahrens zur Feststellung des Un- wird nicht ohne Schwierigkeiten für die die Pflegereform (zunächst?) wieder terstützungsbedarfs und zu den hierzu über 190.000 Menschen bleiben, die herausgenommen wurde. verwendet Instrumenten vorgelegt9. heute entsprechende Leistungen bezie- Dabei geht es um ein bundesein- hen. Es gibt jetzt schon eine Auseinan- Das Sachleistungsprinzip soll auch
Kerbe 4 | 2015 Themenschwerpunkt weiterhin Grundlage des Leistungsge- Teilhabeplanung zweiten WG-Bewohner teilen kann. schehens sein. Hierzu zählt auch ein zu Aber schauen wir einmal genauer hin: einer individuell-personenbezogenen Wir haben gute Erfahrungen mit einer „Pooling“ kommt aus dem Bereich der Komplexleistung weiterentwickeltes verbindlichen regionalen Teilhabe- prinzipiell nicht bedarfsdeckenden Persönliches Budget, das bei entspre- planung, die alle relevanten lokalen Teilkasko-Pflegeversicherung. Dort chend nutzerfreundlicher Gestaltung Akteure (insbesondere Behinderten- ist „Pooling“ ein Instrument, bei dem manche personenzentrierte Lösung und Psychiatriebeiräte, Menschen mit durch das Zusammenführen von Leis- ermöglichen kann. Leistungsberech- Behinderung und Psychiatrieerfahrene tungsansprüchen mehrerer Personen tigten, die bislang im Heimstatus und ihre Vertretungsorganisationen, lo- ein „Mehr“ an Leistung für alle entste- betreut werden, wird also voraus- kale Politik und Verwaltung, Leistungs- hen kann. Die Pflegebedürftigen ma- sichtlich zugemutet werden, sich wie träger und Dienste und Einrichtungen) chen in gewisser Weise ein Geschäft. alle anderen Bürgerinnen und Bürger einbezieht, das soziale Netz lokal ko- Im Bereich der Eingliederungshilfe-neu den Schwächen unseres gegliederten ordiniert und auf einander abstimmt. geht es um personenzentrierte, bedarfs- Sozialleistungssystems zu stellen. Na- Diese Zusammenarbeit trägt weiter als deckende Leistungen in jedem Einzel- türlich geht dies mit dem Erfordernis einseitige Festlegungen von Sozialleis- fall. Ob also „gepoolt“ wird und wie einher, die Zunahme an Schnittstellen tungsträgern im Sinne einer von ihnen und ob hier der Sozialleistungsträger personenzentriert, also in jedem Ein- geforderten einseitigen Bedarfsplanung, aus der von ihm so empfundenen „per- zelfall zu überbrücken und aus den die dem Verdacht von Rationierungs- sonenzentrierten Falle“ herauskommt, Schnittstellen Nahtstellen zu machen, bemühungen unterliegt. Es ist wider- ist doch wohl zukünftig mit dem Leis- indem unter anderem ein zuständiger sprüchlich „Bedarfe planen“ zu wollen tungsberechtigten abzustimmen und Sozialleistungsträger federführend für – es geht doch um die Sicherung von kann nicht einseitig vom Leistungsträ- alle anderen einbezogenen gegenüber umfassender Teilhabe mit Maßnahmen, ger entschieden werden. dem Leistungsberechtigten agiert und die den je unterschiedlichen individuel- die Bewilligung und Auskehrung der len Bedarfslagen entsprechen. Man kann sich auch auf den Stand- Leistungen dadurch faktisch aus einer punkt stellen, dass es sich bei dieser Hand erfolgt. Pauschalierung Fallgestaltung doch wohl eher um eine typische fallübergreifende Leistung Aber auch Diensten und Einrichtungen Die Sozialhilfeträger plädieren da- handelt, die den Rahmen der strengen wird absehbar einiges zugemutet. Na- für, erweiterte Möglichkeiten für die Personenzentrierung sprengt. Wenn türlich werden mit dem Systemwandel Pauschalierung von Leistungen vor- der Dienst oder die Wohngruppe fall- 7 bestehende Leistungs- und Vergütungs- zusehen. Diese Überlegungen sind übergreifend mit einem Nachtdienst regelungen im stationären Bereich nicht grundsätzlich unvernünftig. Alle ausgestattet wird, würde man dies abgelöst und alle Grundlagen (Bundes- Fachleute haben hierzu Vorstellungen natürlich bei einer sachgerechten Hil- empfehlungen, Landesrahmenvertrag, bzw. können diese entwickeln. Aber febedarfsermittlung als kontextuelle einrichtungsindividuelle Vergütungen) es kommt wohl sehr auf die Art und Umwelteigenschaft bei der Bemessung neu verhandelt werden müssen. Dabei Weise an, was und wie pauschaliert der individuellen Unterstützungsleis- ist davon auszugehen, dass der Spar- wird und wer entscheidet, ob eine pau- tungen berücksichtigen. Leistungen zur wille bei den Sozialleistungsträgern schalierte Leistung genutzt wird. Auf Teilhabe können auch zukünftig nicht ungebrochen ist. jeden Fall kommt zuerst die Bedarfs- nur fallbezogen und personenorientiert, feststellung und dann die Beurteilung sondern auch fallübergreifend sein, Leben in der Gesellschaft durch den Leistungsberechtigten, ob allerdings bleibt es dem Wunsch- und ein pauschaliertes Leistungsangebot Wahlrecht überlassen, wo, wie und mit Personenzentrierung ist die eine Seite ausreichend die Bedarfslage deckt. Und wem Menschen leben wollen. Wie groß der Münze, auf deren Rückseite Le- eins muss klar sein: der Leistungsbe- allerdings bezogen auf diese Praxis- benswelt- und Sozialraumorientierung rechtigte muss entscheiden, ob er eine konstellation die Verführung sein wird, geprägt ist. Wenn die Leistungen der Sachleistung, ein Persönliches Budget aus Wirtschaftlichkeitsgründen gleich Eingliederungshilfe-neu zukünftig oder eine pauschalierte Geldleistung mehrere Menschen mit nächtlichem Schritt um Schritt nachhaltig perso- in Anspruch nehmen will - dies kann Hilfebedarf zusammenzubringen, also nenzentrierter werden sollen, muss nicht in der Befugnis des Leistungsträ- wieder homogenisierte Wohnangebote im Zuge der Bundesgesetzgebung gers liegen. zu schaffen und Art. 19 BRK („Selbst- Einvernehmen mit den Bundesländern bestimmte Lebensführung und Einbe- und Kommunen hergestellt werden, Von den Sozialhilfeträgern wird u. a. ziehung in die Gesellschaft“) hintanzu- dass verbindliche Regeln geschaffen „Pooling“ vorgeschlagen. Hier geht stellen, werden wir sehen... werden und auch Mittel zur Verfü- es um die gemeinsame Nutzung von gung stehen, fallübergreifende und Betreuungsressourcen durch mehrere Dienste und Einrichtungen im fallunabhängige Maßnahmen zur Leistungsberechtigte. Das ist im Kern Fokus Kultivierung der Sozialräume und zur ein ziemlich „stationärer“ Gedanke. Es Senkung von Teilhabebarrieren treffen ist am Beispiel unmittelbar einsichtig, Im Zuge der Diskussion um das neue zu können. Ob dies durch die Bun- dass jemand der in einer gemein- Teilhaberecht werden von den Sozi- desebene stimuliert gelingt? Der Wille schaftsbezogenen Gruppenwohnform alleistungsträgern neue Kontroll- und scheint vorhanden, aber es wird wohl lebt, sich möglicherweise seine nächt- Sanktionsrechte gefordert, ohne dass schwer werden. liche Unterstützungskraft mit einem die bislang zu Verfügung stehenden In-
Kerbe 4 | 2015 Them enschwerpunkt strumente (→ Prüfungsvereinbarungen) Zuverdienstmöglicheit – zu platzieren, Schlussbemerkung genutzt worden wären. Es geht hierbei ist derzeit noch offen. Psychisch er- wohl um eine leistungsträgerseitige krankte Menschen haben ein hohes Das wesentliche Risiko für diese Re- „Aufrüstung“, nicht um eine Verbes- Risiko, dauerhaft aus der Arbeitswelt form besteht in der Frage, ob es ge- serung der Hilfe. Wie eine einseitige ausgegrenzt zu werden. Nicht umsonst lingt, das Zusammenspiel der verschie- Kürzung des Einrichtungsentgelts als steigen die Aufnahmezahlen in die denen Sozialleistungsträger wirklich „minderschwere Maßnahme“ gegen- WfbM unaufhörlich. Erforderlich ist verbindlich und personenzentriert zu über einer Kündigung bei Vertrags- deshalb die grundsätzliche Bereitstel- gestalten und damit die speziellen Lo- verstößen zu einer Verbesserung der lung eines kompetenten Fachdienstes, giken der einzelnen Sozialleistungssys- Leistungen für die Leistungsberech- der den Prozess der Teilhabeplanung teme partiell zu überwinden. Das Maß tigten führen kann, hat auch noch im Bereich Arbeit, Ausbildung und ist nun mal der einzelne Mensch, seine niemand erklären können. Dienste und Umschulung systematisch begleitet eigenwillige und selbstbestimmte Le- Einrichtungen scheuen keine Kontrolle, und koordiniert. Häufig benötigen bensgestaltung mit allen Teilhabemög- befürchten aber, dass diese Diskussion psychisch erkrankte Menschen Zeit lichen und den notwendigen, maßge- verdeckt, dass die nicht vorhandene und eine Orientierungsphase. Dazu ist schneiderten Unterstützungsleistungen. Schiedsstellenfähigkeit der Leistungs- ein niedrigschwelliges Programm mit Ich denke, Fortschritt an diesem Punkt vereinbarungen und die faktisch vie- prozessbegleitendem Assessmentver- wird ein wesentliches Kriterium für lerorts nicht vorhandene Einbeziehung fahren zu konzipieren, in dem die in- den Erfolg der Reform für Menschen tariflicher Vergütungen bei der Ent- dividuelle Belastungsfähigkeit erprobt mit Behinderung und ihre Vertrauens- geltfestlegung den Dienstleistungsbe- und wiedergewonnen werden kann, personen sein – dies gilt auch für die reich Teilhabe weiter nachhaltig schä- sodass schließlich konkrete Schritte zur evangelische Behindertenhilfe und So- digen und absehbar zu einer weiter Förderung der beruflichen Teilhabe ge- zialpsychiatrie. fortschreitenden Tarifabkehr führen gangen werden, die nicht zwangsläufig werden. Das kann nun wirklich kein in die WfbM führen. Wenn ich bei allen Unwägbarkeiten Reformziel sein – zumal für ein sozial- heute, im August 2015, einen Tipp demokratisch geführtes Ministerium. … und das Geld? abgeben sollte, was wahrscheinlich kommt, würde ich sagen: Einkommen und Vermögen Mit dem erfolgreichen Abschluss der • Neuer Behinderungsbegriff Reform verknüpft sind die fünf Bun- • Einheitliches Verfahren zur Bedarfs- 8 Teilhabeleistungen für Menschen mit desmilliarden, die jährlich der Entlas- feststellung mit uneinheitlichen Instru- Behinderung müssen als Nachteils- tung der Kommunen dienen sollen. menten ausgleich zukünftig unabhängig vom Viele hatten die nachvollziehbare • Plurale Beratung jeweiligen Einkommen und Vermögen Hoffnung, durch Bindung der Mittel • Trennung von Existenzsichernden erbracht werden. Hiervon unberührt an die Reform würde mehr Geld ins Leistungen und Teilhabeleistungen bleibt natürlich die Heranziehung System kommen, der Druck der Sozi- • Mehr Schnittstellen des Einkommens und Vermögens im alhilfeträger auf die Dienste und Ein- • Anhebung der Einkommens- und Zusammenhang existenzsichernder richtungen nachlassen und die Qualität Vermögensgrenzen Leistungen (Grundsicherung). Die Dis- sozialer Dienstleistungen gesichert • Weiterentwicklungen im Bereich der kussion hat ergeben, dass es in diesem werden. Notwendige neue Leistungen Teilhabe am Arbeitsleben Bereich voraussichtlich erste positive schienen manchen in Reichweite. Der • „Nachschärfung“ der Bestimmungen Schritte geben wird. Eine vollständige Koalitionsvertrag sowie die Vertre- zum Zusammenwirken (SGB IX). Aufhebung wird vom Ministerium der- ter von Ministerien, Ländern und der zeit nicht für möglich erachtet. kommunalen Familie sprechen da allerdings eine andere Sprache. Gleich- Teilhabe am Arbeitsleben wohl gehören die reformbedingten Anmerkungen neuen Kosten für den Verzicht auf die 1 Zusammenstellung aller einschlägigen Es zeichnet sich ab, dass das „Budget Heranziehung von Einkommen und Passagen www.teilhabegesetz.org/media/ Ottmars_Dateien/131127_Koalitionsvertr_Zu- für Arbeit“ im Sinne des Supported Vermögen und für den neuen sys- sammenfassung.pdf Employment mit dauerhaftem Min- tembedingten Beratungs- und Koor- 2 www.bundesregierung.de/Content/DE/_ derleistungsausgleich bundesweit dinationsaufwand nicht in den Block Anlagen/2013/2013-12-17-koalitionsvertrag. eingeführt werden wird. Das wäre ein einer „neuen Kostendynamik durch pdf?_blp=p S. 94 echter Gewinn für psychisch erkrankte Leistungsausweitung“. Erfreulich ist 3 ebenda. S. 110 Menschen. Auch zielgruppenadäquate aus Sicht der Ökonomen jedenfalls, 4 http://www.gemeinsam-einfach-machen. Nischenarbeitsplätze bei „anderen dass der Anteil der Eingliederungshil- de/BRK/DE/StdS/Bundesteilhabegesetz/bun- Anbietern“ (d. h. nicht in der WfbM) fekosten am Sozialbudget zurückgeht desteilhabegesetz_node.html scheinen erreichbar, auch wenn die und der Anteil an den Gesamtausga- 5 http://www.gemeinsam-einfach-machen. Rahmenbedingungen hierfür noch ben der öffentlichen Hand mittlerweile de/BRK/DE/StdS/Bundesteilhabegesetz/2_Sit- zung/2_sitzung_ap_zu_top1.pdf?__ sorgfältig zu klären sind. stagniert. Dies und die derzeitige gute blob=publicationFile am 05.07.2015 , S. 1 wirtschaftliche Situation in Deutsch- 6 http://www.dimdi.de/dynamic/de/klassi/ Ob es allerdings gelingt, auch die land müsste den Spielraum für eine downloadcenter/icf/endfassung/icf_endfas- zwingend notwendigen niedrig- solide Teilhabereform, die ihren Namen sung-2005-10-01.pdf?action=Ich akzeptiere schwelligen Angebote – auch mit auch verdient, ermöglichen. am 05.07.2015, S. 23 ff.
Kerbe 4 | 2015 Themenschwerpunkt 7 Beeinträchtigung ist die Auswirkung der auf und Rechnen); Allgemeine Aufgaben und (z. B.Eltern-Kind-Beziehungen, Sexual- einer gesundheitlichen Schädigung beru- Anforderungen (z. B.tägliche Routine durch- beziehungen, informelle Beziehungen); henden Einschränkung einer körperlichen führen wie Tagesstrukturierung, Umgang Bedeutende Lebensbereiche (z. B.Erziehung, Funktion, geistigen Fähigkeit, seelischen mit Stress); Kommunikation (z. B.Sprechen, Bildung, Arbeit); Gemeinschafts-, soziales Gesundheit oder Sinneswahrnehmung im Hören, Körpersprache); Mobilität (z. B.Körper- und staatsbürgerliches Leben (z. B.Freizeit, Wechselverhältnis zu üblichen Anforderungen position verändern, Gegenstände tragen, Kultur, Politik). (in Anlehnung an den Vorschlag des Forums Gehen und Fortbewegen); Selbstversorgung 9 http://www.diefachverbaende.de/stellung- behinderter Juristinnen und Juristen). (z. B.Körperpflege, Toilettenbenutzung, sich nahmen/ 8 Aktivitäts- und Teilhabebereiche nach der kleiden); [Teilhabe:] Häusliches Leben (z. B. ICF: [Aktivitäten:] Lernen und Wissensanwen- Einkaufen, Kochen, Wäsche waschen); Inter- dung (z. B.elementares Lernen wie Schreiben personelle Interaktionen und Beziehungen Für ein gutes Bundesteilhabegesetz Die Perspektive der Behindertenverbände Von Ottmar Miles-Paul „Für ein gutes Bundesteilhabegesetz“, so lautet der Titel einer Kampagne, die von einer Reihe von Behindertenver- Ottmar Miles-Paul Der Publizist ist seh- bänden im Juni 2013 gestartet und mittlerweile von über 40 und hörbehindert und Organisationen unterstützt wird. Die Kampagne greift eine seit 30 Jahren in der Behindertenpolitik schon seit über 40 Jahre währende Diskussion um die Re- engagiert. Koordinator der Kampagne für ein form der Eingliederungshilfe auf, die nun in die Zielgerade gutes Bundesteilhabe- 9 zu gehen scheint. Für den Herbst dieses Jahres hat das Bun- gesetz. desministerium für Arbeit und Soziales einen Gesetzentwurf für ein Bundesteilhabegesetz angekündigt. Dieses soll dann vom Deutschen Bundestag und Bundesrat nach den Plänen der Regierungskoalition Mitte 2016 verabschiedet werden. So könnte das neue Gesetz zum 1. Januar 2017 in Kraft treten. Ein Bericht über die Hintergründe und konkreten Baustellen bei der anstehenden Gesetzesreform. D ie Bundesregierung wird er- Regierungskonstellation gerade an der bringt diese Regelung auch mit sich, sucht, bis zum 31. Dezember Macht war, nicht viel Grundsätzliches dass ein Teil des Einkommens ange- 1973 den Entwurf eines Leis- verändert. Die Eingliederungshilfe für rechnet wird, wenn man Hilfen in An- tungsgesetzes für Behinderte vorzule- behinderte Menschen ist beispiels- spruch nimmt. Diese Ungerechtigkeit gen mit der Zielsetzung, das Leistungs- weise immer noch im Sozialhilferecht wurde auch vom UN-Fachausschuss recht für Behinderte aus dem Bundes- verankert. Dies bedeutet u. a., dass zur UN-Behindertenrechtskonvention sozialhilfegesetz herauszunehmen und behinderte Menschen nach wie vor arm bei der Staatenprüfung Deutschlands die vorgesehenen Leistungen unabhän- gemacht und arm gehalten werden. in Sachen Umsetzung der UN-Behin- gig von Einkommens- und Vermögens- Denn sie dürfen nicht mehr als 2600 dertenrechtskonvention kritisiert. Sie verhältnissen der Betroffenen und ihrer Euro sparen, wenn sie die nötigen ist einer von mehreren Punkten der Familien zu gewähren.“ Diesen Antrag Hilfen in Anspruch nehmen. Darüber gegenwärtigen Diskussion um das Bun- hat die Bundestagsfraktion der CDU/ hinaus werden auch ihre PartnerInnen desteilhabegesetz. CSU bereits am 11. Mai 1973 in den in die Haftung genommen, sodass man Deutschen Bundestag eingebracht. Das zusammen nur 3.214 Euro ansparen Während vonseiten des Bundesminis- ist schon über 40 Jahre her und zeigt, darf. Besonders bedrückend ist es für teriums für Arbeit und Soziales zwar wie zäh die Diskussion für die Reform behinderte Menschen, wenn ihre Eltern erkannt wurde, dass die derzeitige der Eingliederungshilfe in Deutschland noch herangezogen werden und ihre Regelung reformbedürftig ist, gehen in den letzten Jahrzehnten verlaufen Einkommens- und Vermögensver- die Meinungen über die Art und Weise ist. Denn bisher hat sich, egal welche hältnisse offen legen müssen. Zudem dieser Reform derzeit noch weit aus-
Kerbe 4 | 2015 Them enschwerpunkt einander. Ob es am Ende nur eine Frühjahr 2015 entschieden, eine ver- Arbeit orientieren, wie es bereits in Anhebung der derzeitigen Beträge im einbarte Entlastung der Kommunen in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen Hinblick auf die Anrechnung des Ein- Größenordnung von fünf Milliarden seit einigen Jahren praktiziert wird. kommens und Vermögens gibt, wie es Euro nicht, wie ursprünglich geplant, Grundgedanke ist dabei, dass das vom Ministerium derzeit geplant ist im Bereich der Eingliederungshilfe zu Geld, das für die Beschäftigung eines oder ob es gelingt, eine vollständige realisieren. Das erschwert behinderten Menschen Abschaffung der Anrechnung des Ein- die politische Diskus- Umschwung von in einer Werkstatt für kommens und Vermögens zu erreichen, sion um eine mögliche aussondernden behinderte Menschen dürfte entscheidend von der Lobby Leistungsausweitung Systemen hin zu eingesetzt wird, für und den Aktivitäten der verschiedenen im Bereich der Einglie- inklusiven Angeboten eine alternative sozial- Akteure abhängen. Constantin Grosch, derungshilfe natürlich mitten in der Gemeinde versicherungspflichtige ein Jurastudent aus Hameln hat hierzu erheblich. Während An- und tarifgebundene beispielsweise eine „Petition für ein bieter von Leistungen für behinderte Beschäftigung auf dem allgemeinen Recht auf Sparen und ein gutes Teil- Menschen weniger Interesse an einem Arbeitsmarkt in Form eines langfristi- habegesetz“ gestartet, die mittlerweile Bundesteilhabegeld zeigen, weil dies u. gen Lohnkostenzuschusses eingesetzt von über 185.000 UnterzeichnerInnen a. einen KundInnenverlust zur Folge werden kann. Dies könnte einigen unterstützt wird1. haben könnte, ist diese Diskussion für behinderten Menschen statt einer Be- behinderte Menschen nach wie vor schäftigung in der Werkstatt mit einem Grundsätzlich geht es auch um die sehr wichtig. Die Erfahrungen mit dem derzeitigen Durchschnittslohn von ca. Frage, ob die Regelungen für die Un- Blindengeld zeigen beispielsweise, wie 185 Euro im Monat und fehlenden terstützung behinderter Menschen end- wichtig es ist, einen möglichst unbü- Arbeitnehmerrechten die Tür für eine lich aus der Sozialhilfe herausgelöst rokratischen Nachteilsausgleich für die Beschäftigung auf dem allgemeinen und im Sozialgesetzbuch IX verankert behinderungsbedingten Mehraufwen- Arbeitsmarkt mit einem anständigen werden. Hierfür gibt es derzeit einige dungen und nötigen Hilfen zu haben. Tariflohn öffnen. positive Signale vonsei- Deshalb wird auch ein ten des Bundesministeri- Debatte um das bundeseinheitliches In diesem Zusammenhang wird auch ums für Arbeit und So- Bundesteilhabegeld Blindengeld im Rahmen diskutiert, dass auch andere Arbeitge- ziales, jedoch steht noch des Bundesteilhabege- ber Angebote für behinderte Menschen in den Sternen, wie diese Regelungen setzes3 gefordert. Die Verbände gehör- zu den Bedingungen machen können, 10 am Ende genau aussehen und welchen loser Menschen sind hier ebenfalls sehr die der Beschäftigung in der Werkstatt Effekt sie für behinderte Menschen ha- aktiv. für behinderte Menschen vergleichbar ben werden. sind. Dies würde zwar nicht unbedingt Da viele der derzeitigen Regelungen zu mehr Lohn für die behinderten Be- Ein Punkt, an dem sich die Geister der für behinderte Menschen noch vom schäftigten, aber zu mehr Inklusion verschiedenen Akteure noch erheblich alten Geist der Aussonderung in Son- und damit verbunden auch zu mehr scheiden, ist das Bundesteilhabegeld, dereinrichtungen geprägt sind, wird Chancen auf eine zukünftige tarif- das als Nachteilsausgleich eingeführt ferner gefordert, dass das neue Bun- gebundene Beschäftigung im Betrieb werden könnte. Eine Reihe von Behin- desteilhabegesetz endlich die Inklusion bieten. Vereine könnten beispielsweise dertenverbänden fordern, dass mit dem in den Mittelpunkt stellt und hierfür auch ein solches Angebot machen. neuen Gesetz ein bedarfsdeckender entsprechende Regelungen schafft. Hier wird derzeit jedoch noch disku- und bundeseinheitlicher Nachteils- Die Empfehlungen des UN-Fachaus- tiert, welche Qualitätskriterien hierfür ausgleich in Form eines Bundesteil- schusses zur UN-Behin- nötig sind, wobei zu habegeldes für behinderte Menschen dertenrechtskonvention Hilfe am Bedarf und befürchten ist, dass die geschaffen wird, das nicht auf das Ein- sind davon geprägt, dass den Interessen der Lobby der Werkstätten kommen und Vermögen angerechnet Deutschland endlich behinderten Menschen versucht, diese mög- werden darf. Hierfür gab es vonseiten den Umschwung von ausrichten lichst hoch anzusetzen, der Arbeits- und Sozialministerkonfe- aussondernden Syste- um die Konkurrenz renz der Länder einen Vorschlag, der men wie Sonderschulen, Heimen und gering zu halten. Unstrittig ist, dass vor allem denjenigen zu Gute kommen Werkstätten für behinderte Menschen es sowohl beim Budget für Arbeit als würde, die bei einem Bundesteilhabe- hin zu inklusiven Angeboten mitten auch bei einer vergleichbaren Beschäf- geld in Höhe von etwa 660 Euro nicht in der Gemeinde herbeiführt. Deshalb tigung außerhalb von Werkstätten ein mehr auf ergänzende Hilfen aus der ist es wichtig, dass im Bundesteilha- Recht auf Rückkehr in die Werkstatt Eingliederungshilfe angewiesen sind. begesetz verankert wird, dass die Un- für die Betroffenen geben muss, wenn Das Forum behinderter Juristinnen terstützungsleistungen für behinderte es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und Juristen schlägt in seinem Gesetz- Menschen am Prinzip der Inklusion nicht klappt. Dies ist m. E. für sich entwurf2 für ein Gesetz zur Sozialen ausgerichtet werden. Alternativen zu schon ein wichtiges Qualitätskriterium, Teilhabe demgegenüber eine Staffelung Werkstätten für behinderte Menschen das von den Betroffenen selbst gesteu- der Beträge und eine Nichtanrechnung müssen gefördert werden. ert werden kann, sodass keine weiteren auf andere Leistungen und auf das bürokratischen Hürden aufgebaut wer- Einkommen und Vermögen vor. Unstrittig scheint dabei mittlerweile den müssen. Auch hierzu wird es in die bundesweite Einführung von Re- den nächsten Monaten sicherlich noch Die Bundesregierung hat sich im gelungen, die sich am Budget für einige Diskussionen geben.
Kerbe 4 | 2015 Themenschwerpunkt Die Türen für ein Leben „Daheim setzes ist daher außerordentlich positiv und Inklusion für sie ist. Dies gilt vor statt im Heim“, also mitten in der zu bewerten, denn behinderte Men- allem im Prozess der parlamentari- Gemeinde gezielt zu öffnen, ist eine schen und ihre Verbände wurden in schen Beratung, denn am Ende müssen weitere Herausforderung, an die uns dieser Legislaturperiode von Anfang die Bundestagsabgeordneten im Bun- die UN-Behindertenrechtskonvention an und konsequent in die Beratun- destag und die LändervertreterInnen erinnert. Deshalb haben viele die gen mit einbezogen. So waren einige im Bundesrat die Hand für das hof- Hoffnung, dass mit der Schaffung Verbände behinderter Menschen und fentlich gut werdende Gesetz heben. des Bundesteilhabegesetzes auch die die Bundesbehindertenbeauftragte gut Die Chance, dieses Mal wirklich eine Nutzung Persönlicher Budgets und einbezogen in der Arbeitsgruppe Bun- längst überfällige Reform in der Be- Persönlicher Assistenz desteilhabegesetz, die hindertenhilfe zu erreichen, muss also in den unterschiedlichen Konsequente Betei- von Juli 2014 bis April genutzt werden, denn was uns dabei Bereichen erleichtert und ligung behinderter 2015 fast monatlich nicht gelingt, könnte dann evtl. wieder gefördert wird. Unter Menschen und ihrer im Bundesministerium über 40 Jahre dauern, bis es erreicht dem Stichwort der perso- Verbände im Prozess der für Arbeit und Soziales wird. nenzentrierten Hilfen soll Gesetzgebung tagte und die unter- die Orientierung an den schiedlichen Bereiche Angeboten und Rahmenbedingungen einer möglichen Reform intensiv dis- der Einrichtungen für behinderte Men- kutierte. Das Forum behinderter Juris- Anmerkungen schen überwunden und die Hilfe am tInnen, das bereits im Mai 2013 einen 1 Informationen zur „Kampagne für ein gutes Bedarf und den Interessen der behin- umfassenden Gesetzesentwurf für ein Bundesteilhabegesetz“ gibt’s im Internet unter www.teilhabegesetz.org; die Petition derten Menschen ausgerichtet werden. Gesetz zur Sozialen Teilhabe formuliert findet sich hier: http://kampagne.teilhabe- Dies ist eine große Baustelle, weil es in hatte, wurde ebenfalls immer wieder gesetz.org den einzelnen Bundesländern derzeit in ExpertInnengespräche einbezogen. 2 Link zum Gesetzentwurf des Forums behin- sehr unterschiedliche Ansätze für eine Zudem informiert das Bundesministe- derter Juristinnen und Juristen: http://www. individuelle Teilhabeplanung und die rium für Arbeit und Soziales intensiv teilhabegesetz.org//media//Ottmars_Datei- Nutzung Persönlicher Budgets gibt. über die Ergebnisse der Arbeitsgruppe en/140117_GST.pdf Spannend dürfte in dieser Diskussion Bundesteilhabegesetz auf seiner Inter- 3 Link zur Kampagne für ein bundeseinheit- sein, ob die Interessen behinderter netseite4. liches Blindengeld: http://www.dbsv.org/dbsv/aufgaben-und- Menschen im Gezerre zwischen den themen/blindengeld/ Interessen der Kostenträger und der Dass bei der Schaffung des Bundesteil- 4 http://www.gemeinsam-einfach-machen. 11 Leistungserbringer nicht zu kurz kom- habegesetzes nicht nur Friede, Freude, de/BRK/DE/StdS/Bundesteilhabegesetz/bun- men. Deshalb ist es auch hier nötig, Eierkuchen herrscht, sondern es auch desteilhabegesetz_node.html dass sich behinderte Menschen selbst entscheidend um die Verfolgung viel- und ihre Verbände in diese nicht un- fältiger, zum Teil sehr unterschied- komplizierte Diskussion einklinken. licher Eigeninteressen verschiedener Denn wenn wirklich personenzentriert Akteure geht, wurde im bisherigen gedacht und unterstützt werden soll, Prozess jedoch auch deutlich. Die dann geht das nicht ohne die behin- Kommunen haben beispielsweise derten Menschen selbst. Dies gilt es durchgesetzt, dass die vom Bund ur- in den weiteren Diskussionen klar zu sprünglich im Rahmen der Reform der machen. Eingliederungshilfe versprochenen fünf Milliarden Euro erst einmal für Investi- Dieser Ansatz führt auch zu einer tionen und andere Bereiche eingesetzt der Kernforderungen für den Gesetz- werden. Die Betreiber von Einrichtun- gebungsprozess der Kampagne für gen und Werkstätten und so manche ein gutes Bundesteilhabegesetz und Behindertenverbände, die selbst solche der Verbände behinderter Menschen: Einrichtungen betreiben, haben zum nämlich eine konsequente Beteiligung Teil ihre eigene Agenda zum Erhalt behinderter Menschen und ihrer Ver- ihrer bestehenden Strukturen und da- bände im Prozess der Gesetzgebung. mit verbunden ihrer Einnahme- und Getreu dem mittlerweile auch im Koa- Einflussquellen. Und die einzelnen litionsvertrag von CDU, SPD und CSU Behindertengruppen haben trotz einer verankerten Motto „Nichts über uns weitgehenden Absprache und Einigung ohne uns“ müssen behinderte Men- im Deutschen Behindertenrat zum Teil schen und ihre Verbände bei der Ent- ganz unterschiedliche Schwerpunkte wicklung des Gesetzes und dann auch bei der Gesetzesreform. bei den Umsetzungsprozessen in den Bundesländern konsequent von An- Deshalb ist es wichtig, dass sich im fang an mit einbezogen werden. weiteren Prozess noch mehr behin- derte Menschen selbst zu Wort melden Der bisherige Beteiligungsprozess für und deutlich machen, wie wichtig die die Schaffung des Bundesteilhabege- Selbstbestimmung, Gleichberechtigung
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