ARBEITSLEBEN - Arbeitgeber und -nehmer berichten aus der Praxis Leitfaden für Einsteiger Expertendiskussion mit AMS-Chef Kopf

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ARBEITSLEBEN - Arbeitgeber und -nehmer berichten aus der Praxis Leitfaden für Einsteiger Expertendiskussion mit AMS-Chef Kopf
DIE ESSL FOUNDATION IN KOOPERATION MIT                              August 2018

ARBEITSLEBEN
   55 erfolgreiche Beschäftigungsmodelle für Menschen mit Behinderungen

                                         Arbeitgeber und -nehmer
                                         berichten aus der Praxis

                                         Leitfaden für Einsteiger

                                           Expertendiskussion
                                            mit AMS-Chef Kopf
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INHALT
                                                                                                                              Expertendiskussion mit AMS-Chef Johannes Kopf zur       Integration als Business-Vorteil: Von ÖAMTC
                                                                                                                              Arbeitssituation von Menschen mit Behinderung.          bis Zotter Schokolade.

                                                                           Cover 18

                                                                                                                       08                                                                                                                 12

                                                                                                                       22                                                                                                                 27
                                                                           Coverfoto: Christian Keimel macht
                                                                           Karriere bei Microsoft in Österreich, die
                                                                           auch durch einen schweren Unfall nicht
                                                                           unterbrochen wurde.
                                                                                                                              Technologien eröffnen neue Möglichkeiten zu             Good Practice: 55 Organisationen von A bis Z, die
                                                                                                                              partizipieren, kommunizieren und sich zu orientieren.   erfolgreich Menschen mit Behinderung integrieren.

                                                                                                           VORWORT
                                                                           Es gibt zu wenige Arbeitsplätze für Menschen       Nachahmung empfohlen. Wir zeigen, dass es
                                                                           mit Behinderung. Das liegt nicht daran, dass       nicht – nur – soziale Überlegungen sind, die
                                                                           diese Menschengruppe – und wir sprechen            die Vorreiter­Organisationen haben. Sondern
                                                                           hier von mehr als zehn Prozent der heimi­          auch handfeste betriebliche Vorteile, wie Be­
                                                                           schen Bevölkerung – nicht ihre Leistung brin­      setzung von Mangelberufen, Ausnützung spe­
                                                                           gen könnte oder nicht wollte. Es liegt daran,      zieller Fähigkeiten oder Ansprache spezieller
FOTOS: BEIGESTELLT, AKOS BURG, ELLEN PICHLER/ZOTTER SCHOKOLADEN, CARITAS

                                                                           dass die meisten Unternehmer und Personal­         Zielgruppen.
                                                                           verantwortlichen damit nur Zusatzaufwand           Porträts von Unternehmen und Beschäftig­                               Impressum
                                                                           und Probleme verbinden, aber nicht die             ten, eine aktuelle wirtschaftspolitische Dis­
                                                                           Chancen, die Talente und Potenziale, die sich      kussion zum Thema, ein konkreter Leitfaden                             Medieninhaberin und Herausgeberin: Essl Foun-
                                                                           daraus ergeben. Und es liegt auch an den Rah­      und Serviceinformationen runden das Infor­                             dation, c/o Haus der Philanthropie, Schottenring
                                                                                                                                                                                                     16/3, 1010 Wien.
                                                                           menbedingungen (Arbeitsbestimmungen,               mationsangebot dieser Beilage ab. Die Beila­                           Produktion: „Die Presse“-Verlags-GmbH & Co
                                                                           Förderungen usw.), die zu wenig an die Be­         ge ist Teil des Zero Project, das die Essl Foun­                       KG, Hainburger Straße 33, 1030 Wien.
                                                                                                                                                                                                     Geschäftsführung: Mag. Herwig Langanger,
                                                                           dürfnisse der Arbeitgeber und Arbeitnehmer         dation ins Leben gerufen hat, ein weltweites                           Rainer Nowak, Dr. Rudolf Schwarz
                                                                           im ersten Arbeitsmarkt angepasst sind.             Netzwerkprojekt zur Förderung von Good                                 Umsetzung: „Die Presse“-Spezialredaktion, Mag.
                                                                                                                                                                                                     Astrid Müllner, Mag. Michael Köttritsch, MA.
                                                                           Diese Beilage, die wir von der Essl Foundation     Practices zum Wohle von Menschen mit Be­                               Redaktion und Koordination: Wolfgang
                                                                           heuer zum zweiten Mal in Zusammenarbeit            hinderung.                                                             Pozsogar, Mag. Nikola Miksovsky.
                                                                                                                                                                                                     Art Direction: Matthias Eberhart.
                                                                           mit der „Presse“ erstellen (danke an alle dort     Wer dabei sein will, bitte einfach melden!                             Grafik/Produktion: Thomas Kiener, Christian
                                                                           für die tatkräftige Unterstützung!), zeigt, dass   (office@zeroproject.org)                                               Stutzig, Alexander Schindler.
                                                                                                                                                                                                     Druck: DruckStyria GmbH & Co KG, Styriastraße
                                                                           es auch anders geht. Wir haben  Vorzeige­                                                                               20, 8042 Graz.
                                                                           beispiele für die gelungene Integration vor        Martin Essl,                                                           Die in diesem Magazin angeführten Informatio-
                                                                                                                                                                                                     nen zu den Good-Practice-Beispielen beruhen
                                                                           den Vorhang geholt, beschrieben und zur            Gründer der Essl Foundation                                            auf Angaben der jeweiligen Unternehmen.

                                                                                                                                                                                                                                      Arbeitsleben   3
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ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG

  Das AMS als Partner für Chancengleichheit
  auf dem Arbeitsmarkt
  Menschen mit körperlichen oder mentalen Beeinträchtigungen haben es am Arbeitsmarkt
  meist deutlich schwerer. Dabei bereichern sie viele Unternehmen mit ihren fachlichen und
  menschlichen Qualitäten.

  B   etriebe, die Menschen mit Behinderungen
      ausbilden oder beschäftigen wollen, bekom-
  men vom AMS umfassende Unterstützung. Denn
                                                     als verdoppelt – das ist eine Steigerung um
                                                     141 Prozent gegenüber 39 Prozent bei Personen
                                                     ohne gesundheitliche Einschränkung.
                                                                                                         sind behinderte Angestellte sehr häufig – zu-
                                                                                                         sätzlich zu ihren fachlichen Kenntnissen –
                                                                                                         überdurchschnittlich engagiert, loyal und echte
  Menschen mit gesundheitlichen Defiziten bezie-                                                          Teamplayer. Und viele von ihnen zeichnen sich
  hungsweise mit körperlichen, psychischen oder      Win-win-Situation.                                  durch besondere Kreativität aus: Wer im Alltag
  kognitiven Handicaps kämpfen mit Vorurteilen       Dabei bringt es allen etwas, die Betroffenen voll   mit Einschränkungen konfrontiert ist, bringt
  und gelten oft unbegründet als weniger leis-       in die Arbeitswelt zu integrieren. Sie selbst       auch im Job oft neue Denk- und Lösungsan-
                                                                                                                                                           BI L D : A M S / FOTO S T U D I O B &G

  tungsfähig. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt in     schöpfen Anerkennung und Identifikation aus          sätze ein.
  den letzten Jahren hat gerade Personen mit ge-     einer beruflichen Tätigkeit. Und auch die Unter-
  sundheitlichen Einschränkungen überproportional    nehmen profitieren: Generell steigt im Betrieb       Firmen profitieren auch finanziell.
  betroffen: Seit 2007 bis 2017 hat sich die Zahl    die Sensibilisierung für die Bedürfnisse behin-     Darüber hinaus werden Firmen, die Behinderte
  dieser durchschnittlich beim AMS arbeitslos vor-   derter Menschen und damit auch die soziale          einstellen, in Österreich finanziell gefördert:
  gemerkten Personen von 31.392 auf 75.545 mehr      Kompetenz des gesamten Teams. Außerdem              Betriebe ab beziehungsweise pro 25 Angestell-

  4   Arbeitsleben
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ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG

Auf dem richtigen Weg                                  Das AMS unterstützt                           Wussten Sie, dass …
Britta V. E., 32, kann aufgrund von Proble-            Ob bei der Besetzung von freien Stellen,      … es für das AMS egal ist, ob eine Behinde-
men mit der Wirbelsäule ihre bisherigen Tätig-         der Suche nach qualifiziertem Personal          rung gesetzlich festgestellt wurde oder nur
keiten als Regalbetreuerin bzw. Fluggastkon-           oder bei der Personalentwicklung: Das          als gesundheitliche Einschränkung von
trollorgan nicht mehr ausüben. Mit 30 Jahren           AMS informiert, berät und unterstützt          einem Arzt bestätigt wird? Das AMS unter-
beginnt sie mit Unterstützung des AMS eine             Unternehmen bei der Ausbildung und             stützt alle Kundinnen und Kunden mit ge-
Umschulung zur Technischen Zeichnerin. Dabei           Integration von Menschen mit Behinde-          sundheitlichen Einschränkungen, sofern
kann sie abwechselnd im Sitzen und Stehen              rungen in den Arbeitsmarkt.                    sich daraus Vermittlungsmöglichkeiten er-
arbeiten. Heute ist sie bei jener Ziviltechniker-                                                     geben. Etwa durch Umschulungen in neue
firma angestellt, die bereits während der Aus-          Förderung der Aus-/Weiterbildung:              Berufe oder/und durch Unterstützung bei
bildung ihre Kompetenzen sehr zu schätzen              Menschen mit Behinderung können zur            der Suche nach gesundheitsadäquaten
wusste.                                                Sicherung der Beschäftigung eine Förde-        Arbeitsplätzen.
                                                       rung zur Aus- und Weiterbildung bean-
Thomas M., 45, erlitt mehrere Bandscheiben-            tragen. Voraussetzung unter anderem:          … 2017 insgesamt 153.128 Personen mit
vorfälle, an eine Arbeit in seinem erlernten Beruf     Die Förderung muss vor Beginn der Aus-         gesundheitlichen Einschränkungen von
als Elektriker war nicht mehr zu denken. Der Ver-      bildung vereinbart werden.                     Arbeitslosigkeit betroffen waren? – Ein
lust von Gesundheit und Arbeit belastet ihn psy-                                                      Anstieg von fast sechs Prozent gegen-
chisch sehr. Mit Hilfe des AMS richtet er nun sei-     Eingliederungsbeihilfe: Unternehmen            über dem Jahr davor. Auch behinderte
ne berufliche Zukunft neu aus, lässt sich zum           können einen Zuschuss zu den Lohnkos-          Personen im engeren Sinn (begünstigt
Bürokaufmann umschulen und hat damit neue              ten beziehen, wenn sie Menschen mit Be-        nach Landesbehindertengesetz bzw. Be-
Perspektiven.                                          hinderung beschäftigen. Die Höhe und           hinderteneinstellungsgesetz oder mit
                                                       Dauer der Förderung wird jeweils zwi-          Behindertenpass) waren zunehmend be-
Döndü K., 22, hat eine Bewegungsein-                   schen dem AMS und dem Unternehmen              troffen: Ihre Zahl stieg auf knapp
schränkung der rechten Körperhälfte. Die junge         vereinbart.                                    26.000, eine Steigerung um 1,8 Prozent.
Frau absolviert eine verlängerte Lehre zur
Archivs-, Bibliotheks- und Informationsassis-          Förderung der Lehrausbildung:                 … Personen mit gesundheitlichen Einschrän-
tentin bei der Gemeinde Wien. Mit Unterstüt-           Betriebe, die Lehrlinge mit Behinderung        kungen durchschnittlich um 91 Tage länger
zung des AMS kann sie ihre Ausbildungsziele in         ausbilden, können einen pauschalierten         arbeitslos sind als Arbeitsuchende ohne ge-
der Berufsschule und bei ihrer Arbeit sehr gut         Zuschuss zu den Kosten der Lehrausbil-         sundheitliche Einschränkungen?
erfüllen und möchte 2018 zur Lehrabschluss-            dung beziehen. Höhe und Dauer können
prüfung antreten.                                      nach Bundesland variieren.

Ulrike J., 42, lebt mit einer Hörbehinderung,          fit2work – Arbeit und Gesundheit:
hat betreuungspflichtige Kinder und musste             Das kostenlose Beratungsangebot für
finanzielle Schwierigkeiten bewältigen. Das            Arbeitskräfte und Unternehmen unter-
AMS half bei der Lösung und unterstützte               stützt z. B. Unternehmen bei der Förde-
Ulrike J. bei der Ausbildung zur Bürokauffrau.         rung der Arbeitsfähigkeit ihrer Mitarbei-
Mittlerweile fand sie eine solche Stelle an der        ter/innen und bei der Gestaltung der
Universität Graz, Eingliederungsbeihilfe und           Arbeitsplätze.
Kombilohn des AMS waren eine willkommene
Hilfe.                                                                                               www.ams.at/service-unternehmen

ten sind gesetzlich verpflichtet, sogenannte          Bund und Länder geschaffen: So fallen für die   wollen, möglichst wenig bürokratische Hürden
„begünstigte Behinderte“ einzustellen. Das           Beschäftigung von beeinträchtigten Personen     und finanzielle Belastungen zu tragen haben,
sind Personen mit einem Grad der Behinde-            unter anderem auch die Kommunalsteuer, der      unterstützt sie das AMS gezielt mit Beratungs-
rung von mindestens 50 Prozent, festgestellt         Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenaus-       angeboten und Förderungen, etwa durch zeit-
vom Bundessozialamt. Unternehmen, die dem            gleichsfonds etc. weg. Der Kündigungsschutz,    lich befristete Lohnkostenzuschüsse bei Be-
nicht nachkommen, müssen eine Ausgleichs-            der viele Unternehmen davor zurückschrecken     gründung eines Dienstverhältnisses (Eingliede-
taxe zahlen, die zweckgebunden ist. Sie be-          ließ, behinderte Personen zu beschäftigen,      rungsbeihilfe) oder eines Lehrverhältnisses
trägt mindestens 257 Euro pro Pflichtstelle, bei      wurde schon 2011 erheblich gelockert: Er wird   (Förderung der Lehrausbildung).
Großbetrieben entsprechend mehr. Umgekehrt           erst vier Jahre nach Dienstbeginn wirksam.      Darüber hinaus bietet das Sozialministerium-
erhalten aber Unternehmen für in (Lehr-)Aus-                                                         service auch Förderungen für eine Arbeits-
bildung stehende begünstigte Behinderte eine         Beratung und Förderung.                         platzadaptierung oder eine „Entgeltbeihilfe“
Prämie in der Höhe der Ausgleichstaxe, also          Damit Unternehmen, die Menschen mit Beein-      bei behinderungsbedingter Leistungsein-
monatlich 257 Euro. Zusätzliche Anreize haben        trächtigungen ausbilden oder beschäftigen       schränkung an.

                                                                                                                                         Arbeitsleben   5
ARBEITSLEBEN - Arbeitgeber und -nehmer berichten aus der Praxis Leitfaden für Einsteiger Expertendiskussion mit AMS-Chef Kopf
Inklusion international
  US-Riese Walgreens: Inklusion-Vorreiter
     R   andy Lewis hat als Vice­President von Walgreens, der größ­
         ten Drogeriemarkt­Kette der USA mit . Mitarbeitern,
      ein erfolgreiches Modell für die Beschäftigung von Behinderten
                                                                            feinert, um zu den „besten“ Mitarbeitern zu gelangen, und wir
                                                                            sehen, dass es funktioniert. Also warum es ändern? Es ist ein­
                                                                            facher, bei dem zu bleiben, was wir wissen und was wir immer
      entwickelt. Er gilt als einer der Vorkämpfer für Inklusion.           schon getan haben. Unsere Erkenntnis war, dass jeder, der in
                                                                            irgendeiner Weise anders spricht, handelt, geht, denkt oder
          Welche Erfahrungen brachten Sie zu der Erkenntnis, dass           aussieht, benachteiligt ist, wenn es darum geht, einen Job zu
          Menschen mit Behinderungen mehr leisten können?                   bekommen.
      Randy Lewis: Ursprünglich hatten wir Agenturen beauftragt,                Wie erfolgreich sind Sie mit Ihrem Engagement, andere Manager
      die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, um für uns                   von den Fähigkeiten von Menschen mit Behinderung und ihren
      weniger anspruchsvolle Arbeiten, wie etwa Hausmeistertätig­               Vorteilen für ein Unternehmen zu überzeugen?
      keiten oder Etikettieren, zu verrichten. Das lief recht gut, aller­   Unser Modell hat dazu geführt, dass Menschen mit Behinde­
      dings konnten wir erkennen, dass die meisten zu wesentlich            rungen in einer wettbewerbsfähigen Form beschäftigt werden
      mehr imstande waren. Und so haben wir ein paar von ihnen              – gleiche Arbeit, gleiche Bezahlung, Arbeit an einem inklusi­
      angestellt, um, sozusagen zur Einschulung, eng mit unseren            ven Arbeitsplatz. Wir haben eine lange Erfolgsbilanz und das
      Mitarbeitern zusammenzuarbeiten. In Folge haben wir ein               Modell wurde von mehreren großen und kleinen Unterneh­
      Einstellungsmodell entwickelt, das es uns nun ermöglicht,             men in Amerika und Großbritannien wie Marks & Spencer,
      eine große Anzahl von Menschen mit Behinderungen gezielt              Pepsi, Apple, UPS übernommen.
      einzusetzen.                                                              Was ist die wichtigste Maßnahme, damit die Beschäftigung von
          Sie sagen, die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen,          Menschen mit Behinderung zu einem Erfolg wird?
          das sei Business, nicht Nächstenliebe. Was bekam Ihr Unterneh-    Es gibt eine Maßnahme, die über allen anderen steht: der Pro­
          men durch die Einstellung von Mitarbeitern mit Behinderungen?     zentsatz der Neueinstellungen. Daraus ergeben sich alle Pro­
      Wir gewannen eine Belegschaft, die genauso leistungsfähig ist         zesse und Ressourcen. Das ist klar, eindeutig, messbar und
      wie jene ohne Behinderung. Eine Belegschaft mit mehr Zuge­            hoffentlich inspirierend. Um durchführbar zu sein, muss es
      hörigkeitsgefühl, weniger Ausfallzeiten und auch weniger Un­          ein genaues Ziel für einen bestimmten Bereich geben.
      fällen. Stieg der Anteil an behinderten Arbeitnehmern, konn­
      ten wir positive Auswirkungen auf Mitarbeiter und
      Führungskräfte beobachten. Es gab bessere Teamarbeit, mehr            Randy Lewis wird auf Einladung der Essl Foundation beim
      Engagement, erhöhten Sinn für gemeinsame Ziele und weni­              Logistik-Dialog in Wien einen Vortrag halten.
      ger Konflikte.                                                        Termin: . Oktober 
          Was sind die Gründe, dass nur eine Minderheit von Managern        Ort: Headquarter der österreichischen Post AG;
          wie Sie denkt?                                                    Rochusplatz ;  Wien, Gastgeber: Post AG
      Wir haben mit großem Aufwand unsere aktuellen Rekrutie­               Schirmherrin: Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck
      rungs­, Screening­ und Schulungsprozesse entwickelt und ver­          Bei Interesse: bitte E­Mail senden an office@zeroproject.org

    Bank Austria gewinnt internationalen Inklusionspreis
S   pringboard Consulting ist eines der be­         Awards werden vom . bis . November        Möglichkeiten berichten, Menschen mit Be­
                                                                                                                                                     FOTOS: BEIGESTELLT, MICROSOFT

    deutendsten Beratungsunternehmen in             im Rahmen der . Disability Matters Europe      hinderung Leben und Arbeiten zu erleich­
den USA zum Thema Inklusion und Barriere­           Conference & Awards im Seminarhotel             tern. Als prominente Keynote­Speaker
freiheit und auch auf anderen Kontinenten           Bocken in Horgan (Schweiz) vergeben.            werden Greg Van Borssum, Botschafter der
aktiv. Jedes Jahr würdigt Springboard mit den       Neben der Ehrung engagierter Menschen           Suicide Prevention Australia, und der Para­
Disability Matters Awards Initiativen, die sich     bietet die von Dow Europe veranstaltete Kon­    lympic­Athlet Philipp Handler erwartet.
auf vorbildliche Weise für Menschen mit Be­         ferenz auch ein umfangreiches Programm,         Einer der heurigen Preisträger ist die Unicre­
hinderungen einsetzen. Die europäischen             bei dem Experten aus der ganzen Welt über       dit Bank Austria.

6   Arbeitsleben
ARBEITSLEBEN - Arbeitgeber und -nehmer berichten aus der Praxis Leitfaden für Einsteiger Expertendiskussion mit AMS-Chef Kopf
Microsoft fördert AI-Lösungen
                                               M      icrosoft will in den nächsten fünf Jahren
                                                       Millionen US­Dollar in Technologien
                                                für künstliche Intelligenz investieren, die
                                                                                                      künstliche Intelligenz an, die Entwickler bei
                                                                                                      der Entwicklung von Technologien für Men­
                                                                                                      schen mit Behinderungen unterstützen, etwa
                                                Menschen mit Behinderung das Leben leich­             Sprachdienst­Tools oder erweiterte Text­zu­
                                                ter machen. Im Rahmen von „AI for Accessi­            Sprache­Funktionen für die Cloud­Compu­
                                                bility“ können Universitäten, Entwickler und          ting­Technologie Azure. Schon in der Ver­
                                                NGOs, die an solchen Technologien arbeiten,           gangenheit hat Microsoft Technologien für
                                                finanzielle Förderung erhalten. Unterneh­             Barrierefreiheit unterstüzt. So gibt es etwa
                                                men, die Lösungen bereits entwickelt haben,           eine kostenlose iPhone­App für blinde und
                                                wird Microsoft auch technische Beratung zur           sehbehinderte Menschen, die Text vorliest
                                                Verfügung stellen. Das Unternehmen kün­               und Objekte in der Umgebung der Person
                                                digte auch eine Reihe von Funktionen für              identifiziert.

„Talente, die Unternehmen brauchen!“
M
          artin Essl widmet sich seit dem Verkauf der bauMax-Grup-        beginnend. Und da setzen wir mit den Zero Project Unterneh­
          pe der im Jahr 2007 gegründeten Essl Foundation. Seit           mensdialogen an: Wir holen Organisationen wie diese nach
          zehn Jahren steht dabei das Zero Project im Mittelpunkt         Österreich und vernetzen sie mit österreichischen Unterneh­
zum Research und zur Verbreitung von Good Practices zum Wohle             men, damit diese voneinander lernen können und auch bei
von Menschen mit Behinderung. In Österreich setzt die Essl Foun-          uns neues Know­how und Netzwerke entstehen. In diesem
dation derzeit einen besonderen Schwerpunkt bei Beschäftigungs-           Fall ist das unser „Logistik­Dialog“, den wir gemeinsam mit der
initiativen und bei der Barrierefreiheit.                                 Post AG am . Oktober  in Wien organisieren.
                                                                               Gibt es andere Branchen oder Nischen, in denen Sie Unternehmer
    Herr Essl, warum ist die Beschäftigung von Menschen mit Behin-             besonders ansprechen wollen?
    derung wichtig? Warum gerade jetzt?                                                     Martin Essl: Wir sehen besonders viel Potenzial
Martin Essl: Wir hatten bei bauMax ein umfassen­                                            in der IT, wo ja ein absoluter Engpass an quali­
des Beschäftigungsprogramm für Menschen mit                                                 fizierten Mitarbeitern besteht. Unternehmen
Behinderung umgesetzt, und ich bin seit damals                                              und talentierte IT­Fachkräfte finden trotzdem
zutiefst von den Vorteilen überzeugt, die jedes                                             meist nicht zueinander, weil diese ganz andere
Unternehmen daraus gewinnen kann. Warum                                                     Ausbildungen und Abschlüsse erhalten. Wir
jetzt? Der Arbeitsmarkt ist im Umbruch, die Be­                                             haben – mit Unterstützung des Wirtschaftsmi­
schäftigung zieht an und es wird für Unterneh­                                              nisteriums – nun ein Projekt gemeinsam mit
men immer schwieriger, gute Leute zu finden. Ein                                            Cisco Systems, der HTL Rennweg und einigen
idealer Zeitpunkt, umzudenken und die besten                                                Arbeitgebern ins Leben gerufen, wo ein klassi­
Talente nicht nur über die üblichen Wege zu su­                                             scher Ausbildungsweg für Menschen mit Be­
chen, sondern diese Scheuklappen abzulegen.                                                 hinderung barrierefrei gestaltet und das in ein
    Die Essl Foundation und das Zero Project haben                                          Assessment­ und Onboarding­System einge­
    einen breiten internationalen Überblick. Was                                            baut wird. Als Pilotprojekt, wie es gehen könnte.
    kann man in Österreich lernen, was funktioniert                                         Ich sehe aber überall Potenzial, in allen Bran­
                                                       Martin Essl: „Jetzt ist ein
    anderswo besser?                                                                        chen, und ich möchte hier einen Beitrag leisten,
                                                       guter Zeitpunkt, umzudenken
Martin Essl: Es gibt kein Vorbildland, aber es gibt                                         dass Österreich ein Vorreiter in der inklusiven
                                                       und die besten Talente nicht
in vielen Ländern einzelne sehr gute Ansätze.                                               Beschäftigung wird.
                                                       nur über die üblichen Wege
Sowohl von unternehmerischer Seite, die bei­
                                                       zu suchen."
spielsweise neue Technologien ideal nützt, oder                                             Martin Essl widmet sich seit dem Verkauf der bauMax-
die Arbeitsprozesse so umstrukturiert, dass die                                             Gruppe der von ihm 2007 gegründeten Essl Foundation.
Begabungen von Menschen mit Behinderungen                                                   Seit 10 Jahren steht dabei das Zero Project im Mittel-
voll zur Geltung kommen. Ein ausgezeichnetes Beispiel ist                 punkt zum weltweiten Research durch 4000 Experten aus 180 Ländern
Walgreens, der US­Drogeriemarkt­Riese, wo eines der Zentral­              und zur Verbreitung von Good Practices zum Wohle von Menschen mit
lager mehr als  Prozent Mitarbeiter mit Behinderung be­                 Behinderung. In Österreich setzt die Essl Foundation derzeit besondere
schäftigt und in allen internen Walgreens­Vergleichen die bes­            Schwerpunkte bei Beschäftigungs- und Bildungsinitiativen sowie bei der
ten Ergebnisse abliefert, bei der Sicherheit und Arbeitsunfällen          Barrierefreiheit.

                                                                                                                                          Arbeitsleben   7
ARBEITSLEBEN - Arbeitgeber und -nehmer berichten aus der Praxis Leitfaden für Einsteiger Expertendiskussion mit AMS-Chef Kopf
Diskutanten im Haus der Philanthropie: Markus Neuherz,
    Karin Simonitsch, Dorothea Brozek, Johannes Kopf, Michael
    Pichler, Michael Fembek (v. l. n. r.).

8   Arbeitsleben
ARBEITSLEBEN - Arbeitgeber und -nehmer berichten aus der Praxis Leitfaden für Einsteiger Expertendiskussion mit AMS-Chef Kopf
„Ängste
                             über Bord werfen!“
                    Warum beschäftigt trotz zahlreicher Best-Practice-Beispiele erst eine
                       Minderheit von österreichischen Unternehmen Menschen mit
                    Behinderung? Eine Diskussion im „Haus der Philanthropie“ versuchte
                                   Antworten auf diese Frage zu finden.

                   P
                            rominente Teilnehmer kamen am .          Diese Mitarbeiter mit Behinderung waren
                            August in das Gebäude der Wiener          voll integriert und ein wertvoller Teil des
                            Börse, um auf Einladung der Essl          Unternehmens. Ein Marktleiter sagte mir:
                            Foundation über die Inklusion von         „Wenn sie mir die wegnehmen, dann kippt
                            Menschen mit Behinderung zu dis­          das gesamte System im Markt zusammen.“
                   kutieren: Dorothea Brozek (Beraterin; Trai­        Das bestätigte sich beim Verkauf des Unter­
                   nerin), Johannes Kopf (Vorstand AMS),              nehmens. Hier ist es wichtig, dass die Leis­
                   Markus Neuherz (GF Dachverband „dabei ­            tungsträger bis zuletzt bleiben, dann hat
                   Austria“), Karin Simonitsch (Eigentümerin          man einen Asset beim Verkauf. Bei bauMax
                   Marien Apotheke), Michael Pichler (HR Ma­          war das zu , % der Fall und dazu haben
                   nager/Unternehmensberater). Als Modera­            auch die Menschen mit Behinderung beige­
                   tor und Gastgeber fungierte Michael Fembek,        tragen. Viele Führungskräfte sagten, wir
                   Programm­Manager der Essl Foundation.              bleiben, weil wir sind das diesen Menschen
                                                                      schuldig.
                       Fembek: Den gesellschaftlichen Mehrwert,           Fembek: Die meisten Unternehmen beschäf-
                       den die Einstellung von Behinderten bringt,        tigen sich nicht mit dem Thema. Was sind
                       kennen wir alle hier am Tisch, es ist sozial       die Kernargumente, warum sie es trotzdem
                       sinnvoll und gesellschaftlich wertvoll. Aber       tun sollten?
                       was ist der betriebliche Mehrwert, der luk-    Neuherz: Die Motivation, Menschen mit Be­
                       riert werden kann?                             hinderung einzustellen, kann bei Unterneh­
                   Simonitsch: Ich bin Apothekerin und be­            men sehr unterschiedlich sein. Da ist ein­
                   schäftige drei gehörlose Mitarbeiter. Sie          mal das Stichwort Green Business: So wie
                   können nicht hören, aber sonst können sie          sich ein Unternehmen Umweltthemen und
                   alles. Sie bringen tolle Leistungen. Und           anderen CSR­Themen nicht verschließen
                   mehr noch! Es gibt zum Beispiel in Wien            kann, ist es auch mit der Behinderung. Ein
                   und im Umland ungefähr  Gehörlose.             weiteres Thema ist der Fachkräftemangel,
                   Viele davon sind unsere Kunden geworden.           wobei wir durch Seperationssysteme wie
                   Sogar aus St. Pölten kommen die Leute zu           Sonderschulen noch immer nicht in der
                   uns, weil sie in der Gebärdensprache, also         Lage sind, Menschen mit Behinderung die
                   in der Muttersprache der Gehörlosen, an­           gleichen Ausbildungschancen zu geben wie
                   derswo keine adäquate gesundheitliche Be­          Menschen ohne. Im ländlichen Bereich
                   treuung bekommen. Auch sonst haben wir             schließlich wollen Unternehmen mit der
                   von unseren gehörlosen Mitarbeitern viel           Beschäftigung von Menschen mit Behinde­
                   bekommen. Jeder von uns lernte die Gebär­          rung oft auch einen Beitrag für die Gesell­
                   densprache, das war ganz toll, weil meine          schaft leisten.
                   Mitarbeiter untereinander gelernt haben,           Pichler: Ich bin fest überzeugt, dass die Be­
                   auf Körpersprache und Mimik zu achten              schäftigung von Behinderten die Resilienz
                   und so vermittelte Signale zu erkennen .           eines Unternehmens stärkt. Gerade in der
                   Pichler: Als ich bei bauMax, wo über            digitalisierten Welt der Zukunft braucht es
FOTOS: ÀKOS BURG

                   Menschen mit Behinderung arbeiteten, als           mehr Menschlichkeit als Gegenpol. Und
                   Personalverantwortlicher anfing, war ich in        wenn Menschen mit Behinderung in einem
                   den ersten Tagen unglaublich überrascht:           System drinnen sind, dann kommt eine an­

                                                                                                       Arbeitsleben   9
ARBEITSLEBEN - Arbeitgeber und -nehmer berichten aus der Praxis Leitfaden für Einsteiger Expertendiskussion mit AMS-Chef Kopf
Michael Fembek: Was wäre für Unternehmen der    Dorothea Brozek: Uns behindern nicht individuelle   Johannes Kopf: Es gibt Wege, die schon viele ge-
erste Schritt in Richtung Inklusion?            Behinderungen, sondern die Gegebenheiten.           gangen sind, und somit keinen Grund für Bedenken.

dere Perspektive hinein. Man sieht Prozesse     teil: Im letzten Jahr ist sowohl bei begünstigt     soll. Dabei ist das überhaupt kein Problem.
aus einem anderen Blickwinkel, man ver­         behinderten Menschen als auch bei Perso­            Ein zweiter Aspekt: Der gelockerte Kündi­
einfacht das eine oder andere. Einfachheit      nen mit gesundheitlichen Vermittlungsein­           gungsschutz ist noch nicht in den Köpfen der
ist etwas, wonach Menschen heutzutage           schränkungen – das ist die erweiterte AMS­          Entscheider angelangt. Selbst viele versierte
dürsten. Führungskräfte brauchen mehr           Definition – die Arbeitslosigkeit gestiegen.        Personalmanager wissen nicht, dass man
Empathie, mehr zwischenmenschliche              Heuer – wir haben das zweite Jahr in Folge          einen Menschen mit Behinderung vier Jahre
Kompetenz, das wird gefördert, wenn du in       ein starkes Wirtschaftswachstum – ist das           nach Einstellung kündigen kann.
deinem Team einen Menschen mit Behin­           Thema Arbeitskräftemangel, Fachkräfte­                  Fembek: Wenn ein Unternehmen trotz der er-
derung hast.                                    mangel aktuell. Die letzten Zahlen von Ende             wähnten Bedenken und Ängste sich für das
Simonitsch: Es gibt Tätigkeiten, die für Men­   Juli zeigen, dass in beiden Gruppen die Zahl            Thema Inklusion interessiert – was wären die
schen mit Behinderung maßgeschneidert           der Vorgemerkten um fünf Prozent zurück­                ersten konkreten Schritte auf dem Weg zur Be-
sind. Bei mir arbeitet ein Gehörloser, der      ging. Aber obwohl es weniger Arbeitssu­                 schäftigung.
auch das Asperger­Syndrom hat – eine Va­        chende gibt, sucht das klassische Unterneh­         Neuherz: Das wäre Arbeitsassistenz kontak­
riante des Autismus –, und er macht Tätig­      men Männer im Haupterwerbsalter, nicht              tieren (www.neba.at) oder Arbeitsmarktser­
keiten, die sonst niemand gerne macht, weil                                                         vice kontaktieren (www.ams.at). Aber darü­
sie langweilig sind, aber zugleich hohe Auf­                                                        ber hinaus braucht es den kompromisslosen
merksamkeit erfordern, mit besonderer               „VIELLEICHT SITZT DAS                           Willen, Menschen mit Behinderungen an­
Liebe und Akribie. Ich bin sicher, es gibt in                                                       zustellen. Zu sagen, bei gleicher Qualifika­
vielen Betrieben ähnliche Tätigkeiten.           GRÖSSTE TALENT FÜR DEN                             tion tun wir das, ist im Moment noch zu
Wenn man da jemand findet, der sich dabei                                                           wenig, denn die gleiche Qualifikation kann
wohlfühlt und extrem genau arbeitet, dann         JOB IM ROLLSTUHL ODER                             aufgrund der unterschiedlichen Bildungs­
ist das doch ein Heuler.                                                                            möglichkeiten nicht immer geboten wer­
Brozek: Es ist schön zu hören, dass Betriebe              IST GEHÖRLOS.“                            den. Der kompromisslose Wille, einen Men­
durch Mitarbeiter mit Behinderung                                                                   schen mit Behinderung zu beschäftigen,
menschlicher werden. Aber sind behinderte                       KARIN SIMONITSCH                    bedeutet, sich Zeit zu nehmen und zu
Mitarbeiter so etwas wie Psychoweichspü­                                                            schauen, in welchen Bereichen solche Men­
ler? Es geht doch darum, einen chancen­         jugendlich, nicht älter, ohne gesundheitli­         schen eingesetzt werden können.
gleichen Zugang zu ermöglichen. In meiner       chen Einschränkungen. Diese Gruppe hat              Brozek: Ein erster Schritt für ein Unterneh­
Praxis erlebe ich ganz viele Unternehmer,       unter den Arbeitssuchenden aber nur einen           men kann sein, Kollegen zu suchen, die hier
die wollen das bieten. Nur die werden auch      Anteil unter  Prozent. Unternehmen soll­          schon Erfahrungen haben, und von ihren
wieder von vielen Auflagen und von vielen       ten also überlegen, ob bestimmte gesund­            Erfahrungen zu profitieren. Talente könnte
Beratungen behindert, wo sie nicht die nöti­    heitliche Einschränkungen für den Job nicht         man durchaus auch an Schulen finden,
ge Information kriegen. Das Zusammen­           unerheblich sind. Und selbst wenn das               etwa im Schulzentrum Ungargasse.
spiel der Verwaltungen der öffentlichen         Thema Relevanz hätte, es gibt sehr viel             Kopf: Für Unternehmen, die nie einen Mit­
Hand und Unternehmen muss besser wer­           Unterstützung. Ich kenne kein Unterneh­             arbeiter oder eine Mitarbeiterin mit Behin­
den, hier sehe ich großes Potenzial.            men, das Menschen mit Behinderung be­               derung beschäftigt haben, ist das Thema
Kopf: Zur Arbeitsmarktsituation. Wir haben      schäftigt und sagt, das war ein Fehler.             völliges Neuland. Aber es gibt gesicherte
im letzten Jahr erstmalig nach fünf Jahren      Pichler: Das Thema ist nach wie vor sehr            Wege, die schon viele gegangen sind, und
                                                                                                                                                        FOTOS: ÀKOS BURG

wieder sinkende Arbeitslosigkeit gehabt,        angstbesetzt. Bevor ich zu bauMax gekom­            somit besteht kein Grund für große Be­
Menschen mit Behinderung haben aber             men bin, war ich völlig unsicher, wie man mit       fürchtungen. Das sollten wir stärker be­
davon nicht profitieren können. Im Gegen­       Menschen mit Behinderungen umgehen                  wusst machen.

10   Arbeitsleben
Michael Pichler: In der digitalisierten Welt   Karin Simonitsch: Wir haben von unseren          Markus Neuherz: Es braucht den kompromisslosen
braucht es mehr Menschlichkeit als Gegenpol.   gehörlosen Mitarbeitern viel bekommen.           Willen, Menschen mit Behinderungen anzustellen..

Neuherz: Ein wichtiger Punkt ist auch das      Behinderung anstelle, möchte ich auch, dass      Ängste über Bord werfen. Wenn man mit
Thema Kommunikationstechnologien und           die Person weiß, wie sie damit umgeht und        Behinderung aufwächst und andauernd
Recruiting­Systeme. Ein schönes Beispiel       dass sie mir sagen kann, was sie braucht.        Prügel vor die Füße geworfen werden, ist es
dazu: Wir haben jahrelang mit einem gro­       Brozek: Auch die Abwicklung punkto Förde­        verständlich, dass man problembehaftet zu
ßen Unternehmen zusammengearbeitet,            rungen muss vereinfacht werden. Das föde­        einem Bewerbungsgespräch kommt. Aber
das in diesem Bereich sehr viel macht und      ralistische Abwicklungssystem ist einfach        es sollte einem trotzdem bewusst sein, dass
Vorreiter ist. Aber obwohl der Wille da war,   ein Hemmnis. Ein konkretes Beispiel: Eine        man Talente anzubieten hat, und versuchen,
konnte es keine Lehrlinge finden. Es stellte   Frau hat sich auf Grund ihrer Behinderung        mit den unterstützenden Maßnahmen, die
sich heraus, dass das Tool bei der Internet­   in Wien persönliche Assistenz organisiert,       man hat, proaktiv auf den Unternehmer zu­
bewerbung es nicht zuließ: Wer mit den         um eine Weiterqualifizierung absolvieren         zugehen. Umgekehrt zeigen wir als Essl
Noten unter einem Schnitt war, flog raus.      zu können. Sie ist dann wieder nach Hause        Foundation mit unseren Best­Practice­Bei­
Wir versuchen in solchen Fällen den On­        in ihr Bundesland, musste dort wieder ein        spielen, wie es gut gehen könnte.
line­Recruiting­Vorgang zu modifizieren,       Jahr warten, bis sie wieder eine Unterstüt­      Brozek: Stark zu verbessern sind die Unter­
damit auch Menschen mit Behinderung            zung in Form der Assistenz bekommen hat.         stützungsangebote wie bundesweite, ganz­
eine Chance haben, durch das System zu                                                          heitliche und einkommensunabhängige
kommen. Diese digitale Barrierefreiheit ist                                                     persönliche Assistenz oder Schaffung eines
entscheidend und wird vermutlich noch an       „DAS ZUSAMMENSPIEL DER                           One­Stop­Shop­Verfahrens für Hilfsmittel.
Bedeutung gewinnen.                                                                             Ohne diese komme ich nicht aus der Woh­
Pichler: Firmen sollten von diesem Main­        ÖFFENTLICHEN HAND UND                           nung, ich kann mein Leben nicht organisie­
stream­Recruiting, das den Hauptfokus auf                                                       ren, kann mich nicht um meinen Job küm­
den männlichen ­jährigen mit Erfahrung        DER UNTERNEHMEN MUSS                            mern und schon gar nicht selbstbewusst
richtet, wegkommen. Es gibt zwei Möglich­                                                       eine Bewerbung machen. Bestehende Rah­
keiten, um eine Stelle zu besetzen. Man be­            BESSER WERDEN.“                          menbedingungen wie das Bundes­Behin­
schreibt eine Stelle und sucht die richtige                                                     dertengleichstellungsgesetz und das Be­
Person dazu. Oder umgekehrt, man hat eine                     DOROTHEA BROZEK                   hinderteneinstellungsgesetz          müssen
interessante Person und überlegt, wo sie im                                                     wirklich gelebt werden. Und jeder Einzelne
Unternehmen eingebaut werden kann, ob          Dann hat sie einen Job auf einer Uni be­         sollte fragen, wo kann ich die Behinderung
man um diese Person herum eine neue Stel­      kommen, wieder in einem anderen Bundes­          aufheben. Denn was uns alle behindert, ist
le schaffen kann. Also zu überlegen, wo hat    land. Und wieder hätte sie um Assistenz an­      nicht die individuelle Behinderung der ein­
dieser Mensch besondere Stärken und            suchen und warten müssen. So werden wir          zelnen Person, sondern es sind die Gege­
Kompetenzen, wie kann ich die bei mir im       behindert und letztendlich kommen die            benheiten.
Unternehmen nutzen.                            Arbeitgeber nicht zu ihren Talenten.             Kopf: Ich kenne das Thema seit fast  Jah­
Neuherz: Es liegt auch an den Betroffenen.     Simonitsch: Vielleicht sitzt das größte Talent   ren. Manchmal hat man das Gefühl, man
Eine Frau mit Behinderung sagte mir, wir       für den Job im Rollstuhl. Vielleich ist das      erzählt immer das Gleiche, redet sich den
sind Experten in unserer Sache, wir wissen,    größte Talent für einen Job gehörlos oder        Mund fusselig und glaubt, es tut sich eigent­
was wir brauchen, und wir müssen das auch      blind. Da gehen Talente verloren. Das größ­      lich nichts. Tatsächlich fruchtet es aber
den Unternehmern sagen. Das stimmt,            te Talent ist nicht weiß, nicht männlich,        doch, es gibt Zeitfenster, wo sich ein Unter­
wenn ich eine Behinderung habe, kann ich       nicht , nicht sportlich, sondern alles darü­   nehmen mit dem Thema beschäftigt. Und
am besten darüber sprechen, was ich brau­      ber hinaus auch.                                 jedes gewonnene Unternehmen mehr, jeder
che. Unternehmen stellen Leute an, damit       Pichler: Alle müssen aufeinander zugehen.        Beschäftigte mit Behinderung, ist ein Bot­
diese Probleme lösen. Wenn ich jemand mit      Auch Menschen mit Behinderung sollten            schafter für unsere Sache.

                                                                                                                                  Arbeitsleben   11
Serviceplus. In der Zotter-Schokoladen-Manufaktur werden auch Führungen in Gebärdensprache angeboten.

                    Businessvorteile
                                                                                                        D
                                                                                                                   ie Stärkeren fordern, die Schwä­
                                                                                                                   cheren fördern“ ist ein Leitspruch
                                                                                                                   des steirischen Schokoladenher­

                    von vielfältigen
                                                                                                                   stellers Josef Zotter. Als „Gut­
                                                                                                                   mensch“ will er aber trotz solcher
                                                                                                        und anderen Aussagen nicht gelten. Auch
                                                                                                                                                         FOTOS: GUTMANN, ELLEN PICHLER/ZOTTER SCHOKOLADEN

                         Teams
                                                                                                        dass fünf der insgesamt  Mitarbeiter in
                                                                                                        seinem steirischen Betrieb Menschen mit
                                                                                                        Behinderung sind, sei keineswegs eine Cha­
                                                                                                        rity­Geste: „Wir sind ein Familienunterneh­
                                                                                                        men, deshalb machen wir das“, sagt er kurz
   Immer mehr Betriebe entdecken, dass die Beschäftigung von                                            und bündig. Er erzählt, dass es ihm ein Anlie­
                                                                                                        gen sei, diesen Menschen eine Chance zu
 Menschen mit Behinderung auch handfesten Gewinn bringt. Zotter,                                        geben, aber dass letztlich – und darauf
Gutmann, Rewe, der ÖAMTC und das Hotel Wesenufer machen es vor.                                         komme es an – auch sein Betrieb von diesen
                                                                                                        Aktivitäten profitiere.
                                      TEXT: WOLFGANG POZSOGAR                                           Eine gehörlose Mitarbeiterin beispielsweise
                                                                                                        schlug Zotter einmal vor, Führungen durch

12   Arbeitsleben
die Zotter­Erlebniswelt in Gebärdensprache
durchzuführen. „Es wurde ein voller Erfolg“,
resümiert der Erfinder der handgeschöpf­
ten Schokolode begeistert, „heute kommen
ein bis zweimal im Monat bis zu  Gehör­
lose und sind begeistert, dass sie hier in
ihrer Sprache betreut werden.“ Das sorgt
nicht nur für zusätzlichen Umsatz, den er
sonst kaum lukrieren könnte: „Auch die hö­
renden Kunden sind begeistert, wenn sie
dieses spezielle Service mitbekommen. Das
bringt letztlich Wertschöpfung.“
Auf die Stimmung und den Zusammenhalt
im Team haben die Mitarbeiter mit Behin­
derung ebenfalls positiven Einfluss, erzählt
der erfolgreiche Unternehmer: „Beispiels­
weise wissen meine Mitarbeiter, wenn ein­
mal in ihrem Leben etwas schiefläuft, wenn
sie etwa bei einem Unfall einen Fuß verlie­
ren, dann finden sie bei mir wieder einen
Arbeitsplatz. Das ist motivierend.“ Die aus
                                                 Gemeinsamer Erfolg. Bei Gutmann trägt Caroline Pirchner-Dornauer (oben) dazu bei, dass Menschen mit
solchen Faktoren resultierende hohe Mit­
                                                 Behinderung sich in der Arbeitswelt beweisen können – wie auch im Team vom Hotel Wesenufer (unten).
arbeiterzufriedenheit wirke sich auf die
Arbeitsqualität aus und halte die Fluktua­
tion niedrig. Das sei ebenfalls ein finanziel­                                                          auch in neuen Teichen fischen: „Wir haben
ler Vorteil.                                                                                            bemerkt, dass wir bei der Rekrutierung von
                                                                                                        Arbeitskräften eine relativ große Gruppe
In der Arbeitswelt Fuß fassen. In der Tiroler                                                           von Menschen, eben jene mit Behinderun­
Hauptstadt Innsbruck hat der Energiever­                                                                gen, nicht proaktiv angesprochen haben“,
sorger Gutmann seinen Hauptsitz. Das                                                                    erzählt Johannes Zimmerl, bei Rewe für das
Unternehmen betreibt österreichweit Tank­                                                               Personalwesen verantwortlich. Vor drei Jah­
stellen und bietet in Westösterreich Strom,                                                             ren fasste deshalb der Vorstand des Kon­
Erdgas, Heizöl und Pellets an. Der erste Mit­                                                           zerns, zu dem Billa, Merkur, Penny, Bipa
arbeiter mit Einschränkungen wurde bereits                                                              oder Adeg gehören, den Beschluss, gezielt
vor  Jahren von der Firmenchefin selbst                                                               Menschen mit Behinderung als Mitarbeiter
angestellt. Mittlerweile sind bei Gutmann                                                               zu rekrutieren.
 Menschen beschäftigt,  davon mit Be­                                                              Rewe hatte schon davor gute Erfahrungen
hinderung.                                                                                              mit dieser Gruppe von Beschäftigten ge­
Für das Personal ist Caroline Pirchner­Dor­                                                             macht. Heute arbeiten allein bei Billa und
nauer verantwortlich. Sie hat sich in den        Menschen vielleicht als langweilig empfin­             Merkur fast  Mitarbeiter und Mitarbeite­
letzten Jahren sehr für das Thema Inklusion      den, außerordentliche Leistungen erbrin­               rinnen mit Behinderung sowie  integra­
engagiert: „Es liegt mir persönlich am Her­      gen: „Es ist eine Freude zu sehen, wie enga­           tive Lehrlinge. „Wir haben Menschen mit
zen, es macht große Freude zu sehen, wie         giert und penibel Mitarbeiter mit                      den unterschiedlichsten Behinderungen“,
das Leben dieser Menschen an Qualität ge­        Einschränkungen etwa das Befüllen der Re­              erzählt Zimmerl. Sie werden in allen Unter­
winnt, wenn sie in der Arbeitswelt Fuß fas­      gale in den Tankstellenshops ausführen“, so            nehmensbereichen und auf allen Ebenen
sen.“ Im gleichen Atemzug berichtet sie          Pirchner­Dornauer. Solche Fähigkeiten wer­             eingesetzt. In der Logistik etwa arbeiten Ge­
aber über die Vorteile für das Unternehmen,      den im Zeitalter der Digitalisierung übri­             hörlose, Menschen mit Autismus können
die daraus resultieren: „Es ist deutlich spür­   gens mehr denn je gefragt sein, denn soge­             ihre besonderen Fähigkeiten im Rech­
bar, dass dadurch der Umgang im Team             nannte manuelle Nicht­Routinetätigkeit                 nungswesen oder Zentraleinkauf ausspie­
besser wurde“, nennt sie als ein Beispiel.       werden Roboter nicht so bald übernehmen                len, Menschen mit körperlichen Beein­
Beschäftigt werden bei Gutmann Menschen          können.                                                trächtigungen oder Lernschwierigkeiten
mit körperlichen und geistigen Einschrän­                                                               werden im Verkauf beschäftigt.
kungen. Manchmal zeigen Kunden gegen­            Gezieltes Rekrutieren. Etwas andere Beweg­             Für Rewe ist die forcierte Beschäftigung von
über diesen Mitarbeitern eine gewisse Un­        gründe als bei Zotter und Gutmann waren                Menschen mit Behinderung ein voller Er­
sicherheit, erzählt Pirchner­Dornauer, aber      bei Rewe Anlass, sich mit dem Thema Be­                folg: „Unser Fischteich, in dem wir Mitarbei­
das sei eher die Ausnahme: „Viele Kunden         schäftigung von Menschen mit Behinde­                  ter suchen, ist größer geworden, das war
kommen, gerade weil wir Menschen mit Be­         rung auseinanderzusetzen. Das Unterneh­                unser wichtigstes Ziel“, berichtet der Rewe­
hinderung beschäftigen, zu unseren Tank­         men mit rund . Mitarbeitern in                    Personalchef. Das soziale Verantwortungs­
stellen.“ Ein Plus sei auch, dass diese Mit­     Österreich ist immer auf der Suche nach ge­            bewusstsein, das durch diese Einstellung
arbeiter an Arbeitsplätzen, die andere           eignetem Personal und deshalb wollte man               zum Ausdruck kommt, wirkt sich auch bei

                                                                                                                                           Arbeitsleben   13
haben rund  Bewerbungen bekommen,
                                                 statt zehn werden wir sogar zwölf oder drei­
                                                 zehn Menschen mit Behinderung einstel­
                                                 len.“ Sie werden beim Mobilitätsclub unter­
                                                 schiedlichste Tätigkeiten ausführen.
                                                 Der ÖAMTC hat die Inklusion gut vorberei­
                                                 tet, berichtet die Diversitätsbeauftragte:
                                                 „Wir haben mit zwei Workshops für Perso­
                                                 nalentwickler begonnen, bei denen Arbeits­
                                                 assistenzen gezeigt haben, mit welchen
                                                 technischen Lösungen sich Behinderungen
                                                 ausgleichen lassen.“ Bei einer Geschäftslei­
                                                 tersitzung wurde die Clubführung über das
                                                 Vorhaben informiert: „Einer unserer Direk­
                                                 toren, der schon Erfahrung mit Mitarbeitern
                                                 mit Behinderungen hatte, war Feuer und
                                                 Flamme und hat für uns die Überzeugungs­
                                                 arbeit übernommen“, erzählt Berangy­Dad­
       „ES IST EINE GROSSE                       gar. Auf einer Veranstaltung wurden Füh­              „WIR WOLLEN, DASS
                                                 rungskräfte von Mitarbeitern aus dem
       HERAUSFORDERUNG                           Sozialministeriumservice und der Arbeits­              SICH UNSER TEAM
                                                 assistenz über die unterschiedlichen Behin­
            UND AUCH EINE                        derungen informiert. Für Recruiter gab es
                                                                                                         ÄHNLICH WIE DIE
                                                 noch eine weitere Schulung zum Bewer­
                                                 bungsgespräch. Bewerber werden vom
         SEHR ERFÜLLENDE                         ÖAMTC vorerst zu einem Arbeitstraining                    BEVÖLKERUNG
                                                 eingeladen, dabei können beide Seiten
                    AUFGABE.“                    sehen, wie es passt.                                   ZUSAMMENSETZT.“
              MARGARETE DURSTBERGER,                                                                        NASILA BERANGY-DADGAR,
                                                 Unsicherheiten beseitigen. Solche Informa­
             LEITERIN HOTEL WESENUFER                                                                    DIVERSITÄTSBEAUFTRAGTE ÖAMTC
                                                 tionsveranstaltungen im Zuge der Inklusion
                                                 sind sinnvoll, um Barrieren abzubauen –
Rewe positiv auf das Betriebsklima aus. Wie      vor allem auch bei den Mitarbeitern ohne        men und einem Restaurant liegt an der
Josef Zotter betont Zimmerl, dass die Be­        Behinderung, betont Johannes Zimmerl            Donau nahe zur Passau. Dieses gut ausge­
schäftigung von Menschen mit Behinde­            von Rewe. „Es gilt, Unsicherheiten im Um­       lastete Haus ist der Rahmen für ein außer­
rung keineswegs ein Charity­Projekt sei:         gang mit den Kollegen mit Einschränkun­         gewöhnliches Sozialprojekt von Pro Mente:
„Wir nehmen nur Leute auf, die wir gut ein­      gen auszuräumen.“ Dazu gehört etwa das          „Wir haben das Ziel, Menschen mit psychi­
setzen können und die Mehrwert für das           Wissen, welche Hilfen man etwa einem            schen Beeinträchtigungen für den ersten
Unternehmen bringen.“                            Menschen im Rollstuhl anbietet oder dass        Arbeitsmarkt fit zu machen“, erläutert Ho­
                                                 Autisten im sozialen Umgang oft anders          telleiterin Margarete Durstberger.
Suche nach Menschen mit Behinderung.             sind: „Ein autistischer Kollege wird viel­      Beschäftigt werden  Hotel­ und Gastrono­
Gerade erst angelaufen ist das Projekt Be­       leicht nicht fragen, ob er aus der Küche Kaf­   miefachkräfte, die großteils zusätzliche so­
schäftigung von Menschen mit Behinde­            fee mitbringen soll, aber nicht weil er un­     zialpädagogische Ausbildungen haben,
rung beim ÖAMTC. Nasila Berangy­Dadgar,          freundlich ist, sondern nicht daran denkt“,     sowie  Mitarbeiter mit Beeinträchtigun­
die Diversitätsbeauftragte des Mobilitäts­       erläutert Zimmerl. Caroline Pirchner­Dor­       gen. Diese Konstellation funktioniert seit
clubs, trägt für das im Herbst  gestartete   nauer meint, das die Beschäftigung von          zehn Jahren bestens. „Es ist eine große He­
Vorhaben die Verantwortung. Anlass war           Menschen mit Behinderung Offenheit bei          rausforderung, aber auch eine sehr erfüllen­
die Überlegung, dass es im normalen Re­          der HR­Abteilung und beim Unternehmen           de Aufgabe, die wir hier ausführen“, erzählt
cruiting nur schwer gelingt, Menschen mit        erfordere. „Natürlich ist es vor allem am An­   Margarete Durstberger. Die befriedigende
Behinderungen für das Unternehmen zu             fang ein aufwendiger Prozess, damit das         Arbeitsplatzsituation sowie die im Hotel
gewinnen. „Aber wir wollen erstens der Be­       Vorhaben gelingt, es bedarf Geduld und          Wesenufer herrschende Atmosphäre gegen­
schäftigungspflicht nachkommen und zwei­         Einfühlungsvermögen, aber man wächst in         seitiger Wertschätzung haben Auswirkun­
tens, dass unsere Belegschaft ähnlich wie        die Materie hinein, weiß dann mit Men­          gen: Stammgäste schätzen die herzliche At­
die Bevölkerung zusammengesetzt ist“, er­        schen besser umzugehen.“                        mosphäre und authentische Freundlichkeit.
zählt Berangy­Dadgar. Über Arbeitsamt,                                                           Das Haus wurde  mit einer Kundenzu­
                                                                                                                                                FOTOS: ÖAMTC, WESENUFER

Sozialministeriumservice sowie Inserate          Sozialpädagogen helfen mit. Auf einer ganz      friedenheit von , Prozent zum besten
wurden deshalb gezielt Menschen mit Be­          anderen Ebene läuft die Beschäftigung von       Seminarhotel Oberösterreichs gewählt. Hier
hinderung für unterschiedlichste Jobs im         Menschen mit Einschränkungen im oberös­         haben die Menschen mit Behinderung zu­
Unternehmen gesucht. Der Erfolg war über­        terreichischen Hotel Wesenufer. Das Semi­       sammen mit den Branchenfachkräften be­
wältigend, berichtet Berangy­Dadgar: „Wir        narhotel mit  Betten, sechs Seminarräu­       wiesen, was sie leisten können.

14   Arbeitsleben
Umfassende Teilhabe
                        durch Inklusion
                        Bewusstseinsbildung ebnet den Weg zu einer
                        Bereicherung unserer Gesellschaft.

                        W     ie wichtig ist der Regie-
                              rung das Thema Inklu-                                          Zugegeben,
                                                                                             auch bei
                        sion von behinderten Men-
                        schen am Arbeitsmarkt und

                                                                                                uns gibt’s
                        was hat sie sich dazu konkret
                        vorgenommen?

                                                                                               Stock-
                        Die umfassende Teilhabe von
                        Menschen mit Behinderungen
                        in sämtlichen Lebensbereichen
                        ist mir und der gesamten Bun-

                                                                                                holder.
                        desregierung ein großes Anlie-
                        gen. Zentrales Element hierfür
                        stellt aber selbstverständlich
                        die berufliche Inklusion dar,
                        da diese neben geregeltem
                        Einkommen insbesondere auch        Beate Hartinger-Klein
                        soziale Kontakte und damit
                                                           Bundesministerin für Arbeit,
                        gleichberechtigte Teilhabe in-
                                                           Soziales, Gesundheit und
                        nerhalb der Gesellschaft er-       Konsumentenschutz
                        möglicht. Um Menschen mit
                        Behinderungen nachhaltig
                        hierbei zu unterstützen, ist es    verstärkt zu koordinieren und               Stock-Halter:
                        mir wichtig, dass wir im Sinne     zu forcieren und hierbei auch               SONNENTOR Bauer
                        des Regierungsprogramms die        Übertrittsmöglichkeiten von                 Andreas Schmidt
                        Mittel des Inklusionspakets zur    Menschen in den Arbeitsmarkt
                        konsequenten Weiterführung         zu schaffen, um so einen früh-
                        und Weiterentwicklung der          zeitigen Ausschluss vom
                        Beschäftigungsinitiative ein-      Arbeitsmarkt zu verhindern.
                        setzen. Dies gilt sowohl für       Darüber hinaus bedarf es flan-
                        Projekte wie Jugendcoaching        kierender bewusstseinsbilden-
                        und Produktionsschulen als         der Maßnahmen. Unternehmer,
                        auch für Maßnahmen für             mit denen ich spreche, bestäti-
                                                                                                                       Was soll das eigentlich?
                                                                                                              Seit 1988 stures Festhalten an
                        unsere Partner in der Wirt-        gen mir laufend, welche Berei-                Handarbeit, um damit im Waldviertel
                        schaft. Die Unternehmen sind       cherung Menschen mit Behin-                 Arbeitsplätze zu schaffen? Der Verzicht
                        diejenigen, die die Menschen       derungen für ihre Unterneh-                 auf konventionelle Vertriebswege, um
                        beschäftigen, und man darf es      men darstellen. Das gilt es –                 damit keinem Preisdruck auf Kosten
                        ihnen nicht durch komplizierte     neben einer Optimierung der                        der Bauern ausgesetzt zu sein?
                                                                                                           Keine stillen Teilhaber, Aktionäre
                        Strukturen und bürokratischen      Anreize für Unternehmen –                      oder Stockholder? Erfahre mehr auf
                        Aufwand erschweren.                nachhaltig zu transportieren.                     www.sonnentor.com/gemeinwohl
                                                           Derzeit arbeiten wir intensiv
                        Was liegt Ihnen persönlich in      daran, den geltenden Nationa-
                        diesem Zusammenhang beson-         len Aktionsplan Behinderung
                        ders am Herzen – was möchten       (NAP) bestmöglich umzuset-
                        Sie unbedingt umsetzen?            zen, und hier sind wir auf
                        Neben unbürokratischen und         einem guten Weg. Selbstver-
FOTO: JOHANNES ZINNER

                        transparenten Strukturen lie-      ständlich werden aber schon
                        gen mir zwei Punkte am Her-        Vorarbeiten und Überlegungen
                        zen: Zum einen gilt es, die Ein-   für den zukünftigen NAP an-
                        gliederung in den Arbeitsmarkt     gestellt.

                                                                                               www.sonnentor.com
Michael Pichler,                                                                                                                       Michael Aumann,
  Essl Foundation,                                                                                                                       Geschäftsführer
  langjähriger                                                                                                                           von myAbility,
  Personalmanager,                                                                                                                       langjähriger
  Trainer & Coach,                                                                                                                       Unternehmens-
  Personalmanager                                                                                                                        berater.
  des Jahres 2016.

     To-dos für Unternehmen
                                           Gedanken und nützliche Tipps, wie man konkret
                                       Menschen mit Behinderung erfolgreich beschäftigen kann.
                                                        VON MICHAEL PICHLER UND MICHAEL AUMANN

Vorbereitend                                           Suche & Auswahl                                       ¾ Erwähnen Sie bei all Ihren Stellenausschreibun-
                                                                                                               gen, dass Sie sich explizit auch an Menschen
¾ Bewusste Entscheidung treffen: „Ja, ich gehe es      ¾ Sind unsere Bewerbungsprozesse wirklich               mit Behinderung wenden.
  an!“                                                   barrierefrei?                                         Wählen Sie zur Ausschreibung nicht schon im
  Geben Sie Menschen mit Behinderung die ehr-            Möglicherweise enthält der Recruitingprozess          Vorhinein bestimmte Stellen aus, die Ihnen be-
  liche Chance, sich für Ihr Unternehmen ge-             versteckte Barrieren, die Bewerbungen von             sonders geeignet für Menschen mit Behinderung
  winnbringend einzusetzen. Mit circa 15 Prozent         Menschen mit Behinderung entweder verhin-             erscheinen. Behinderungen sind vielfältig und
  der Bevölkerung, die eine Behinderung haben,           dern oder nicht auffallen lassen. Es gibt ein-        individuell. Primär kommt es auf die jeweils ge-
  beschäftigen Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit          fache Maßnahmen, um einen chancengerech-              fragten und vorhandenen Kompetenzen an.
  bereits Mitarbeiter mit Behinderung – Sie wis-         ten Bewerbungsprozess für alle zu schaffen. Bei
  sen es nur nicht in allen Fällen.                      Bedarf unterstützen Sie Experten (z. B. myAbili-    ¾ Greifen Sie bei der Suche auch auf Fachdienste
                                                         ty oder regionale Arbeitsassistenzen).                in Ihrer Region zurück.
¾ Wer im Unternehmen kann das Projekt zusätz-                                                                  Regionale Arbeitsassistenzen finden Sie einfach
  lich unterstützen?                                   ¾ Nützen Sie auch spezialisierte Job-Plattformen        unter www.neba.at
  Begeistern Sie Schlüsselstellen für das Projekt        (z. B. www.myAbility.jobs, vormals „Career
  und bilden Sie z. B. eine DisAbility Taskforce mit     Moves“).                                            ¾ Nutzen Sie spezialisierte Talent-Programme, die
  interessierten Führungskräften und potenziellen        Spezialisierte Job-Plattformen helfen Ihnen,          potenzielle Mitarbeiter mit Behinderung mit
  Mentoren.                                              Ihre Zielgruppe zu erreichen und Ihre Glaub-          Unternehmen vernetzen.
                                                         würdigkeit zu unterstreichen.                         Talent-Programme sind eine gute Möglichkeit,
¾ Nutzen Sie bereits vorhandene Erfahrungen in                                                                 mit der Zielgruppe in Kontakt zu treten, sich
  Ihrem Unternehmen und identifizieren Sie              ¾ Zeigen Sie, dass Ihr Unternehmen für Bewerbun-        gegenseitig besser kennenzulernen, Berüh-
  Good-Practice-Beispiele.                               gen von Menschen mit Behinderung offen ist.           rungsängste abzubauen und sich so einen neu-
  Anhand guter Vorbilder kann man einfacher              Die Ausschreibung von Jobs auch für Menschen          en Talent-Pool zu erschließen.
  entscheiden und handeln.                               mit Behinderung ist nur eine Maßnahme von
                                                                                                                                                                  FOTOS: BEIGESTELLT

                                                         mehreren. Benennen Sie z. B. auch Ansprech-         ¾ Fokussieren Sie sich im Bewerbungsgespräch
                                                         partner auf der Website, weisen Sie auf Initiati-     besonders auf die Kompetenzen der Person und
                                                         ven und eine allenfalls vorhandene Disability         fragen Sie sich, ob diese auf die zu besetzende
                                                         Charta hin.                                           Stelle passt.

16   Arbeitsleben
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