Frankfurter Verlagsanstalt - Frühjahr 2022 frankfurter verlagsanstalt
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Nino Haratischwili »Hier stehen wir, das Trio, das entkommen ist, das den Sprung in die Gegenwart geschafft hat, wir, die Über- lebenden, die versuchen, stellvertretend für all diejenigen weiterzuleben, denen es nicht vergönnt war und die für immer und ewig auf diesen Bildern jung bleiben werden. Wir wollen weiterhin vor der Welt geheim halten, dass wir auf der Flucht sind, vor dieser Bürde, vor diesem un- gerechten Los, dass wir zuweilen wünschen, wir wären diejenigen, die auf der anderen Seite dieser Bilder ge- blieben sind. So schreiten wir durch dieses Museum der Fehler und geben uns der Illusion hin, wenigstens für ein paar Stunden die Toten wieder zum Leben zu erwecken.« SPITZENTITEL ERSCHEINT AM 25.2.2022 Foto, auch Titelseite © Dina Oganova w ww .FVA. de frankfurter verlagsanstalt
Nino Haratischwili »Solch ein Geschenk! Nino Haratischwili ist eine große Geschichtenerzählerin, mit der be- sonderen Gabe, komplexe historische Epochen für uns lebendig werden zu lassen. Gespannt und bewegt folgen wir Dina, Ira, Nene und Qeto und wollen nur eins: dass das Erzählen nie Das mangelnde Licht Roman endet.« Maria-Christina Piwowarski, Buchhandlung ocelot und blauschwarzberlin »Welch wunderbarer Roman! Schon allein die Geschichte dieser Freundschaft würde ausreichen, Premierenlesung am 3. März 2022 im Literaturhaus Frankfurt dass man das Buch verschlingt, aber was ich an Nino so bewundere, ist, dass ihre Geschichten immer größer sind: Ihr Blick auf die Freundschaft der vier Frauen ist ein Blick durchs Vergröße- Lesereise von März bis Juni 2022, ausgewählte Termine möglich rungsglas, zugleich aber blickt sie auf ihr Land als Ganzes. Ich bin überglücklich und geehrt, die Theaterpremiere am 26. Februar 2022 am Thalia Theater in Hamburg niederländische Verlegerin dieses großartigen Romans zu sein.« Nelleke Geel, Meridiaan, Niederlande Nach der lang ersehnten Unabhängigkeit Erst 2019 in Brüssel, anlässlich einer großen vom ins Taumeln geratenen Riesen stürzt Retrospektive mit Fotografien ihrer toten der junge georgische Staat ins Chaos. Freundin, kommt es zu einer Wiederbegeg- Zwischen den feuchten Wänden und ver- nung. Die Bilder zeigen ihre Geschichte, die wunschenen Holzbalkonen der Tbilisser zugleich die Geschichte ihres Landes ist, Altstadt finden Ende der 1980er-Jahre vier eine intime Rückschau, die sie zwingt, den Mädchen zusammen: die freiheitshungrige Vorhang über der Vergangenheit zu heben – Dina, die kluge Außenseiterin Ira, die ro- und eine Vergebung scheint möglich. mantische Nene, Nichte des mächtigsten In Das mangelnde Licht erzählt Nino Hara- Kriminellen der Stadt, und die sensible tischwili von einem verlorenen Land und Qeto. Die erste große Liebe, die nur im einer verlorenen Generation, einer Re- Verborgenen blühen darf, die aufbranden- volution, die ihre Kinder frisst, und einer de Gewalt in den Straßen, die Stromaus- bedingungslosen Frauenfreundschaft, die fälle, das ins Land gespülte Heroin und die dem Tod trotzt. Ein großer Roman mit Gespaltenheit einer jungen Demokratie epischem Atem und von dramatischer im Bürgerkrieg – allem trotzt ihre Freund- Pracht, der aufbricht wie ein Granatapfel – schaft, bis ein unverzeihlicher Verrat und und eine Hommage an Georgien, an die ein tragischer Tod sie schließlich doch aus- Stadt Tbilissi und ihre Menschen, eine Lie- einandersprengen. beserklärung durch die Zeiten hindurch. Nino Haratischwili Das mangelnde Licht Roman Etwa 832 Seiten Besondere Ausstattung Schön gebunden Ganzumschlag Illustriertes Vorsatzpapier Lesebändchen Nino Haratischwili, geboren 1983 in Tbilissi/Georgien, ist Ca. 34,– € (D) preisgekrönte Theaterautorin, -regisseurin und Romanauto- ISBN 978-3-627-00293-0 rin. Ihr großes Familienepos Das achte Leben (Für Brilka), in Besondere Ausstattung 25 Sprachen übersetzt, avancierte zum weltweiten Bestseller, Ganzumschlag eine große internationale Verfilmung ist in Vorbereitung. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Anna- Spitzentitel: Erscheint am 25. Februar 2022 Foto © Dina Oganova Seghers-Literaturpreis, dem Bertolt-Brecht-Preis und dem Schiller-Gedächtnispreis, ihr Roman Die Katze und der General stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2019. Ihr Digitales Leseexemplar neuer Roman Das mangelnde Licht wurde bereits vor Erscheinen Streifenplakat und Schaufensterplakat in 15 Länder verkauft. Die Autorin lebt in Berlin. Das Hörbuch erscheint am 10. März 2022 bei Hörbuch Hamburg. 9 783627 002930 www .FVA. de frankfurter verlagsanstalt
Nino Haratischwili SPITZENTITEL ERSCHEINT AM Das mangelnde Licht Leseprobe Schon vor Erscheinen in 15 Länder verkauft! 25.2.2022 Tbilissi, 1987 Das Abendlicht verfing sich in ihren Haaren. Sie genau einordnen konnte. Heute würde ich es auf, von uns erkundet und erobert zu werden, Dinas Welt, Teil der Welt der Abenteuer und Ge- würde es schaffen, gleich würde sie auch dieses vielleicht einen Rausch nennen, ein Geschenk, eine Welt, die sich uns zu Füßen legen wollte. heimnisse, jetzt durfte auch ich so selbstzufrie- Hindernis überwinden, ihren Körper mit voller das einem das Leben so vollkommen unvor- Wir näherten uns der alten Umzäunung des den aus der Wäsche gucken. Ich meinte, Nenes Wucht gegen das Gitter pressen, bis es ihrem bereitet macht, dieser winzige Schlitz, der sich Botanischen Gartens, bestaunten das von Dina Herzklopfen bis zum Eingang des Tunnels zu Gewicht nur noch einen schwachen Widerstand selten genug zwischen der ganzen hässlichen vollbrachte Wunder, während hören, der wie ein weit aufge- leisten, leicht auf- Alltäglichkeit, der sie selbstzufrieden zu uns her- rissenes, gähnendes Maul vor stöhnen und nach- »Ich war völlig im Bann, das ist großes Story- ganzen Schwerst- übersah, als wolle sie Applaus uns lag, als wollte er sagen: Ja, geben würde. Ja, sie telling, große Erzählkunst, ein riesiger funkelnder arbeit des Lebens und Anerkennung dafür, dass ihr glaubt wohl, all eure Äng- würde dieses Hin- Wandteppich! In so reicher Sprache erzählt, sehr öffnet und der ei- sie unseren Zweifeln zum ste überwunden zu haben und dernis nicht nur für emotional, sehr warm, sehr herzlich, sehr weiblich – nen erahnen lässt, Trotz recht behalten hatte, schon weit gekommen zu sein, sich, sondern auch eine moderne Romeo-und-Julia-Geschichte vor dass hinter all dem dass uns nämlich dieses vom aber das wahrhaft Schauer- für uns drei durch- dem georgischen Bürgerkriegsszenario. Ich bin Allzugewöhnlichen Rost zerfressene Gitterstück liche liegt noch vor euch, noch brechen, um ihren begeistert!« Anne Vial, international scout doch so viel mehr an der Engelsstraße den idea- gibt es mich in meiner ganzen unzertrennlichen steckt, wenn man len Durchschlupf bot, um dunklen Betonpracht voller Gefährtinnen den Weg ins Abenteuer freizuma- es bloß zulässt und sich von Zwängen und vor- das große und lang ersehnte Ratten, nicht zu vergessen die chen. Für den Bruchteil eines Moments hielt ich bestimmten Mustern löst, um den entschei- Abenteuer zu beginnen. gefährlichen Strömungen und den Atem an. Mit aufgerissenen Augen schau- denden Schritt zu tun. Denn ohne es recht zu – Na, wird es endlich?, rief sie alptraumhaften Geräusche. ten wir auf unsere zwischen zwei Welten stehen- begreifen, ahnte ich bereits damals, dass sich uns von der anderen Seite zu, Ich wandte meinen Blick von de Freundin: Dinas einer Fuß verharrte noch mir dieser Moment für immer ins Gedächtnis und eine von uns, ich weiß dem schwarzen Betonloch ab auf dem Gehsteig der Engelsstraße, der andere einprägen und sich mit der Zeit in ein Sinnbild nicht mehr, welche, legte den und konzentrierte mich dar- ragte bereits in den dunklen Innenhof des Bo- des Glücklichseins verwandeln sollte. Ich spür- Zeigefinger auf die zusam- auf, Nene und Ira in den Innen- tanischen Gartens; sie schwebte zwischen dem te, dass dieser Moment magisch war, und das mengepressten Lippen und hof zu locken. Obwohl der be- Erlaubten und dem Verbotenen, zwischen dem nicht, weil etwas im eigentlichen Sinne Beson- stieß ein sorgenvolles »Psst!« hervor. Das Licht ginnende Regen mir nicht gerade Mut machte, Kitzel des Unbekannten und der Monotonie deres geschah, sondern weil wir in unserem Zu- einer einsamen Laterne auf der Straßenseite ge- verjagte ich meine Sorgen angesichts der noch des Vertrauten, zwischen dem Weg nach Hause sammenhalt eine unzerstörbare Kraft bildeten, genüber fiel auf Dinas Gesicht, sie hatte Spuren langen Strecke bis zu unserem eigentlichen Ziel. und dem Wagnis. Sie, die Mutigste von uns vie- eine Gemeinschaft, die vor keiner Herausforde- von Rost auf beiden Wangen. Ich machte den Ein Auto fuhr vorbei. Nene duckte sich instink- ren, öffnete uns eine geheime Welt, zu der sie rung mehr zurückschrecken würde. ersten Schritt, überwand mit dem Schwung tiv. Dina begann zu lachen. allein uns Zugang verschaffen konnte, Ich hielt den Atem an und beobachtete, wie meines rechten Beins die Angst und die Aufre- – Sie denkt bestimmt, ihr Onkel sucht bereits weil für sie Gitter und Zäune keine Dina durch das Gitter in den Hof hineinbrach, gung, unmöglich zu sagen, was überwog. Ich nach ihr, und wenn er sie nicht gleich fin- Bedeutung besaßen. Sie, de- mit diesem frohlockenden, triumphalen Ge- drückte mich fest an Dina, die mir das Gitter det, hetzt er ihr seine Hyänen auf den Hals. ren Leben im letzten Jahr des sichtsausdruck. Und auch ich wähnte mich für so gut es ging auseinanderhielt, blieb mit dem – Mach ihr doch nicht noch mehr Angst!, bleiernen, kranken und nach einen Moment als Herrscherin über jedes Glück Haar an einer der sich kräuselnden und sinnlos beschwor sie Ira … Luft ringenden Jahrhunderts und jede Freude, als Königin der Wagemutigen, abstehenden Drahtschlingen hängen, befrei- an einem Strick enden sollte, denn ich war für einen Augenblick sie, Dina, te mich schnell wieder und taumelte dann auf Weiterlesen in: improvisiert aus dem Seil meine tollkühne Freundin. Und nicht nur ich, den Innenhof. Dafür erntete ich ein wohlwol- Nino Haratischwili eines Gymnastikrings. In jener auch die beiden anderen wurden zu ihr, teilten lendes Kopfnicken und ein verschmitztes Dina- Das mangelnde Licht Nacht aber, viele ahnungslose dieses Gefühl von Freiheit, das lauter Verspre- Lächeln. Durch die bestandene Mutprobe an- Jahre vom Tod entfernt, war ich gebannt von chen zu bergen schien, wartete hinter diesen gestachelt, rief ich den beiden Nachzüglerinnen einem allumfassenden Gefühl, das ich nicht rostigen Streben doch eine ganze Welt nur dar- zu, sie sollten sich beeilen. Jetzt war ich Teil von w ww .FVA. de frankfurter verlagsanstalt
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