Für das Imperium und die Karriere - Senatoren auf Dienstreise

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Für das Imperium und die Karriere - Senatoren auf Dienstreise
Für das Imperium und die Karriere
Senatoren auf Dienstreise

                                                                                                     titelthema
Dienstreisen gehörten zum Funktionsprinzip des Römischen Reiches.
Männer aus der Stadt Rom hatten alle Führungsstellen in den Provinzen
und der Armee inne und kehrten immer wieder nach Rom zurück. Die          Abb. 1
Funktionsträger mussten weite Strecken zurücklegen – und die Untertanen   Die Via Appia südlich
dafür aufkommen.                                                          von Rom: Hier begannen
                                                                          die meisten Reisen von
                                                                          Senatoren.

                                von Matthäus Heil

V     ersammlungen und Debatten in Rom –
      das war nur eine Seite im Leben der rö­
mischen Senatoren. Aus ihren Reihen gingen
die politischen Beamten hervor und die Regeln
ihrer Karriere verlangten die Übernahme im­
mer höherer Ämter. Die Statthalterschaften
und andere hohe Funktionen in den Provin­
zen konnten nicht übersprungen werden –
dort waren alle Führungsstellen den römischen
Senatoren und Rittern vorbehalten. Diese
mussten also aus Rom anreisen und die Statt­
halter sowie ihre Stellvertreter in ihrer Provinz
umherziehen, um jeweils vor Ort Recht spre­
chen zu können (Abb. 1). Erst nach Ablauf
ihrer Amtszeit – einige wenige Jahre oder nur
eines – durften sie nach Rom zurückkehren.
Um es zugespitzt zu formulieren: Das römi­
sche Imperium wurde von reisenden Beam­
ten regiert.

Die Anfänge
Die Ursprünge reichen bis in die Zeit nach
dem Ersten Punischen Krieg (264–241 v. Chr.)
zurück. Mit Sizilien gewann Rom zu jener
Zeit ein erstes Untertanengebiet. Es wurde
einer permanenten Militärverwaltung unter­
stellt und einem politischen Beamten aus Rom
als Aufgabe (provincia) zugewiesen. Auch als
Rom weitere Gebiete hinzugewann, bewährte
sich das Verfahren und wurde die ganze Kai­
serzeit bis ins ausgehende 3. Jh. n. Chr. bei­
behalten. In der langen Zeit wurde es lediglich
modifiziert und ausgebaut: Die Statthalter
– zunächst Praetoren – hatten später den
Rang von Propraetoren oder Proconsuln, und
als der Kaiser auf Dauer den Proconsulat aller

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                                            wichtigen Provinzen mit Truppenbesatzung               ein Sechstel des gesamten Senats dienstlich
                                            übernahm, entsandte er in jede von ihnen ei­           von Italien abwesend war. Innerhalb eines
                                            nen Bevollmächtigten senatorischen Standes             Jahres dürften etwa 50 Senatoren zu ihrem
                                            (legatus Augusti pro praetore) und löste ihn           fernen Dienstort gereist oder von dort zu­
                                            jeweils nach wenigen Jahren ab. Die Procon­            rückgekehrt sein. Hinzu kommen ca. 55 hohe
                                            suln der Kaiserzeit blieben generell nur ein           ritterliche Beamte auf den Außenposten, was
titelthema

                                            Jahr auf ihrem Posten. Parallel entstand eine          ca. 37 Hin- und Rückreisen im Jahr bedeu­
                                            kaiserliche Hausbürokratie mit Außenstellen            tete, sowie rund 450 Offiziere ritterlichen
                                            in den Provinzen, deren obere Stellen mit rö­          Standes, die geschätzt 300 solcher Reisen im
                                            mischen Rittern besetzt wurden. Diese wur­             Jahr tätigten.
                                            den in analoger Weise in die Provinzen ent­
                                            sandt und nach einer Weile wieder abgelöst.            Ein durchschnittlicher Senator
                                            Vergleichbares gilt für die höheren Offiziere          Die einzelnen Senatoren und ritterlichen Be­
                                            der kaiserzeitlichen Armeen.                           amten hatten ein beträchtliches Pensum zu
                                               Der häufige Austausch der Funktionäre               bewältigen. So hatte beispielsweise der Se­
                                            zog beträchtliche Bewegungen im Reich                  nator L. Iulius Marinus Caecilius Simplex
                                            nach sich. Am Ende des 1. Jhs. n. Chr. gab             (PIR2 I 408), der in der Zeit von ca. 78 bis
                                            es 27 bzw., mit dem Militärbezirk Numidien,            ca. 102 n. Chr. wirkte, nacheinander folgende
                                            28 Provinzen unter der Leitung eines Sena­             Ämter inne (Abb. 2):
                                            tors und elf unter der eines Ritters, ferner           • Mitglied des Viermännerkomitees
                                   Abb. 2
                                            etwa 28 Legionen und 300 Hilfstruppenein­                 für Straßenreinigung (in Rom)
                 Skizze der dienstlichen
             Reisen des L. Iulius Marinus   heiten. Etwa 80 Stellen in den Provinzen wa­           • Militärtribun der legio IV Scythica
                      Caecilius Simplex.    ren Senatoren vorbehalten, so dass stets etwa             (in Syrien)

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                                                          Abb. 3
                                                          Meilensteine markierten die
                                                          Wegstrecken zu Lande – hier ein
                                                          Exemplar der augusteischen
                                                          Zeit aus Lorca in Spanien,
                                                          das in moderner Verbauung die
                                                          Zeiten überdauert hat.

                                                                          3/12 ANTIKE WELT   21
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                                             •  Quaestor (in Makedonien)                            zugebracht und dabei an die 20 000 km zu­
                                             •  plebeischer Aedil (in Rom)                          rückgelegt – und zwar zu Pferd, auf einem
                                             •  Praetor (in Rom)                                    ungefederten Wagen oder auf dem wetterab­
                                             •  Legat des Proconsul von Cyprus (auf                 hängigen Segelschiff. Erfolgreicheren Sena­
                                                Zypern)                                             toren, die nach dem Consulat die Komman­dos
                                             • Legat des Proconsul von Pontus-Bithynia,             über die wichtigen Militärprovinzen er­langten,
titelthema

                                                seines Vaters (in der heutigen Nordwest­            wurde noch mehr abverlangt.
                                                türkei)
                                             • Curator der Via Tiburtina (in der Um­                Privilegien und ihr Missbrauch
                                                gebung von Rom)                                     Ihrer Wichtigkeit entsprechend, reisten sol­
                                             • Mitglied der fratres Arvales (einer Pries­           che Persönlichkeiten mit großer Begleitung.
                                                terschaft, in Rom)                                  Sie nahmen Familienangehörige mit, immer
                                             • Legat (Kommandeur) der legio XI Claudia              auch eine Reihe von Freunden als Berater,
                                                (in Vindonissa in der Schweiz)                      zahlreiche Diener und viel Gepäck. Vor Ort
                                             • kaiserlicher Legat (Statthalter) von                 gab es lange kein festes Personal, weswegen
                                                Lycia-Pamphylia (in der heutigen Süd­               die Beamten ihre eigenen Mitarbeiter mit­
                                   Abb. 4       westtürkei)                                         bringen mussten. Der römische Staat stellte
              Dem Risiko, während eines
                  Amtes in der Provinz zu    • Proconsul von Achaia (im heutigen                    ihnen nur wenige Hilfskräfte zur Verfügung.
                  sterben, sahen sich alle      Griechenland)                                          Für die Reise selbst bekamen sie Reisegeld
             ausgesetzt: Der «Eigelstein»    • Consul (in Rom).                                     aus der römischen Staatskasse und durften
               in Mainz war ursprünglich
                                             In seinen etwa 25–30 Jahren im Reichsdienst            ansonsten die Gastfreundschaft der Unterta­
              wohl ein Kenotaph für den
             in Germanien verstorbenen       hat dieser Mann also sieben große Reisen un­           nen und Verbündeten in Anspruch nehmen –
                                  Drusus.    ternommen, ca. elf Jahre außerhalb Italiens            was sie ausgiebig und ohne viel Zurückhal­

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tung taten. Denn kommerzielle Reiseveran­          Vorschriften gegen den Missbrauch                    Abb. 5
stalter gab es nicht, und die Gasthäuser waren     Unter den Kaisern wurde das Straßensystem            Selbst ein durchschnitt­
                                                                                                        licher Senator kannte weite
meist erbärmlich schlecht. Die Gemeinden           des Reiches stark verbessert, was Reisen zu          Teile des Reiches: Skizze
mussten den durchziehenden Beamten und             Lande erleichterte (Abb. 3). Außerdem wurde          der von L. Iulius Marinus
ihren Begleitern also kostenlos oder gegen         eine staatliche Transportorganisation (cursus        Caecilius Simplex bereisten
                                                                                                        Gebiete.
geringes Entgelt Unterkunft und Verpflegung        publicus) aufgebaut: Entlang der Hauptrou­
stellen. Dazu kamen ferner Wagen, Zugtiere         ten entstanden Stationen, an denen Eilku­
und Trossknechte oder auch ganze Schiffe           riere die Pferde wechseln und Reisende mit
mitsamt Besatzung. Für all dies mussten die        Berechtigungsausweis übernachten konnten
Gemeindebeamten meist auf das Eigentum             sowie Wagen und Zugtiere für die Weiterreise
ihrer Bürger zurückgreifen. Dass hierbei dem       vorfanden. Allerdings lasteten die Kosten
Missbrauch Tür und Tor geöffnet war, liegt         zum größten Teil auf den Straßenanliegern.
auf der Hand: Die Beamten und ihre Beglei­         Ferner versuchten die Kaiser, durch immer
ter konnten ungebührlich viel verlangen, sie       neue Vorschriften den Missbrauch der Reise­
konnten den Transport von Handelswaren             privilegien einzuschränken. So wurde kürzlich
für private Zwecke erzwingen und es konn­          ein Edikt Kaiser Hadrians (117–138 n. Chr.)
ten vielerlei Personen versuchen, sich die         bekannt, in dem es um Inhaber eines Diploms
gleichen Privilegien anzueignen – etwa mit         (Berechtigungsausweis) geht, die von Maro­
der Behauptung, ebenfalls im öffentlichen          neia in Makedonien aus einen nicht notwen­
Auftrag unterwegs zu sein. Zur Zeit der römi­      digen Abstecher auf die Insel Samothrake
schen Republik hatten die Provinzialen nur         unternahmen. Der Kaiser schrieb: «Daher
wenig Chancen auf Abhilfe, da die römischen        muss ich in einem Edikt klar verdeutlichen,
Gerichte personell eng mit denen verflochten       dass diejenigen, die nach Samothrake über­
waren, die man hätte anklagen müssen. Eine         setzen, für die Boote und die Ruderer bezah­
Besserung trat erst in der Kaiserzeit ein, als     len müssen» und die Stadt auf keine Weise
es einen Monarchen gab, dem sich auch die          belästigen dürften. Ganz beseitigen ließen
Senatoren fügen mussten. Und dieser war an         sich die vielfältigen Missbräuche aber offen­
Ruhe und Ordnung im Reich interessiert.            kundig nicht, und als die Kaiser im 3. Jh.

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Für das Imperium und die Karriere – Senatoren auf Dienstreise

                                            n. Chr. in Grenz- und Bürgerkriegen gebun­             periums aus intensiver eigener Anschauung
                                            den waren, scheinen sie wieder zugenommen              kennengelernt, so dass sie bei den Debatten
                                            zu haben.                                              in Rom nicht auf zweifelhafte Experten an­
                                                                                                   gewiesen waren (Abb. 5). Und während der
                                            Das Ende der alten Ordnung                             vielen langen Reisen ergaben sich zahlreiche
                                            Allerdings bedeuteten die vielen Dienstreisen          Kontakte, wovon besonders die lokalen Eliten
titelthema

                                            nicht nur eine Belastung für alle Beteiligten          im Reich profitierten. Wer sich geschickt an­
                                            (Abb. 4). Alle altgedienten Senatoren hatten           stellte, konnte Freunde unter den Senatoren
                                            im Lauf ihrer Karriere weite Teile des Im­             gewinnen und seinen Nachkommen vielleicht
                                                                                                   sogar den Weg ebnen, um eines Tages selbst in
                                                                                                   die Reichsaristokratie aufzusteigen. Bestand
                                                                                                   der Senat in der Republik noch ausschließlich
                 Adresse des Autors                   Literatur
                                                                                                   aus Stadtrömern oder Italikern, so gehörten
                 PD Dr. Matthäus Heil                 A. BÉRENGER-BADEL, Le voyage des
                 Berlin-Brandenburgische Akademie     gouverneurs à l‘époque impériale, in:        ihm am Ende des 2. Jhs. n. Chr. Männer aus
                 der Wissenschaften                   H. Duchêne (Hrsg.), Voyageurs et Anti-
                 Prosopographia Imperii Romani                                                     fast allen Teilen des Imperiums an.
                                                      quité classique (2003) 73–86.
                 Jägerstr. 22/23
                                                      C. P. JONES, An Edict of Hadrian
                                                                                                       Seit dem ausgehenden 3. Jh. n. Chr. er­
                 D-10117 Berlin
                                                      from Maroneia, in: Chiron 41 (2011)          fuhr das System der Provinzverwaltung eine
                                                      313–325.
                 Bildnachweis
                                                                                                   tiefgreifende Umgestaltung. Hin- und herrei­
                                                      A. KOLB, Transport und Nachrichten-
                 Abb. 1: Foto Kleuske/Wikimedia       transfer im Römischen Reich (2000).          sende Senatoren spielten in der Spätantike so
                 Commons; 3: M. G. Schmidt/Corpus     Eine ausführlichere Fassung dieses           gut wie keine Rolle mehr. Geblieben ist aber
                 Inscriptionum Latinarum; 4: Foto     Beitrags erscheint im Sammelband
                 M. Bahmann/Wikimedia Commons;        «Mobilität in den Kulturen der antiken       das Transportsystem mitsamt den Leistungs­
                 alle übrigen Abb. vom Verfasser.     Mittelmeerwelt» (in Vorbereitung).           pflichten für die Anlieger der großen Straßen.
                                                                                                   Dieses existierte bis ins frühe Mittelalter.

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