HR als strategischer Zukunftsgestalter - Ipsos
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
MITARBEITERBEFR AGUNG STUDIE HR als strategischer Zukunftsgestalter Selten hat sich unsere Arbeits- und Unternehmenswelt so schnell wie in den vergangenen eineinhalb Jahren verändert: Mitarbeitererwartungen befinden sich im rapiden Wandel, und Unternehmen stehen immer stärker unter Zugzwang, dynamisch mit Veränderung umzugehen. Wie können Personalabteilungen diesen Herausforderungen begegnen? u Laut einer Ipsos-Studie in Zusammenarbeit mit dem Teil enorm beschleunigt wurden. Dieser „Pandemie-Push“ World Economic Forum von Mai 2021 zögen global ein zeigt Spannungsfelder umso deutlicher. Sie bringen neben Drittel der Angestellten einen neuen Job in Erwägung, der Beschleunigung verstärkt Unsicherheiten auf kollekti- würde ihr Arbeitgeber eine Vollzeit-Rückkehr ins Büro ver Unternehmens- wie auf individueller Ebene mit sich. von ihnen verlangen. 66 Prozent erwarten von ihren Dabei mag das oft beschriebene „Window of opportunity“ Arbeitgebern nach Ende der Corona-Beschränkungen für die Gestaltung des Wandels der Arbeitswelt durchaus mehr Flexibilität bezüglich des Arbeitsstandorts als zuvor. offen stehen – offen sind allerdings für viele Unterneh- Statistiken wie diese zeigen, wie sehr sich unsere Arbeits- men auch die Antworten auf die Fragen, die sich aus den welt und die damit einhergehenden Anforderungen an folgenden Spannungsfeldern ergeben: Unternehmen verändert haben. Für Personalabteilungen l Agilität, New Work und neues Führungsverständnis: ist das Chance und Herausforderung zugleich. Zum einen Bereits heute suchen Unternehmen nach neuen, funk- haben die vergangenen eineinhalb Jahre neues Bewusst- tionierenden Konzepten für New Work und Agilität. sein für den gestalterischen Einfluss von Personalstrate- Die physischen Restriktionen in der Pandemie haben gie auf Unternehmenserfolg und -ausrichtung geschaf- sie reaktionsfähiger gemacht und mehr Flexibilität für fen. Zum anderen liegt ein immer größeres Augenmerk Mitarbeitende ermöglicht. Seitens der Arbeitnehmer auf HR, und es fällt schwer, im Spannungsfeld zwischen entsteht ein steigendes Interesse stärkerer Selbstorga- zunehmender Volatilität, Globalität und Regulation die nisation, das mittels der richtigen Rahmenbedingun- „richtigen“ Entscheidungen zu treffen. Die Corona-Krise gen durch HR gestützt werden muss. Mehr Selbstver- zeigt, dass Unternehmen viel prospektiver handeln müs- antwortung bedeutet jedoch auch weniger Steuerung, sen, auch wenn die konkreten Implikationen und Aus- Planbarkeit, Kontrolle und mehr Hierarchie. Mit die- wirkungen zukünftiger Veränderungen noch unklar sind. sen Veränderungen entwickelt sich ein Bedürfnis nach Für die unmittelbare Zukunft können Unternehmenslen- neuen Arten der Führung – nach einer modernen Art ker nun besser vorbereitet sein: Indem sie mit Input von des Führungsverständnisses, das den neuen Anforde- Mitarbeitenden Zukunftsszenarien proaktiv erarbeiten, rungen einer dezentralisierten Arbeitswelt gerecht wird. Handlungsmöglichkeiten und Gestaltungsspielräume Aber: Wollen und können Unternehmen das wirklich? erkennen und diese frühzeitig nutzen. Und wo stehen Unternehmens- und Führungskulturen aktuell, wie groß ist der Gap, und welche Schritte sind Mitarbeitende mitnehmen – aber wohin? sinnvoll, um diese Lücke zu schließen? l Automatisierung und technologischer Fortschritt: Die Innerhalb der People-and-Culture-Perspektive werden fortlaufende digitale Transformation bringt neue Wert- die aktuell erkennbaren Trends auch in den nächsten fünf schöpfungsmodelle und verändert die Art des Arbei- Jahren eine zentrale Rolle spielen. In der Corona-Krise tens. Daraus ergeben sich einige Unsicherheiten. Ist es haben wir erlebt, dass infolge der sich drastisch veränder- beispielsweise möglich, neue KI-getriebene Technolo- ten Rahmenbedingungen bestimmte Entwicklungen zum gien zu adaptieren, ohne den Anspruch des „selbstbe- 20 Personalwirtschaft Sonderheft 09_2021
stimmten Arbeitens“ der Mitarbeitenden zu begraben? Und inwiefern können Unternehmen trotz Kostenoptimierung und Effizienzsteigerung ein agiles, flexibles Arbeitsumfeld schaffen, das die Kreativitätserwartungen der Arbeitneh- mer erfüllt? Eine weitere Herausforderung resultiert aus dem demografischen Wandel und einer tendenziell älter werden- den Belegschaft: Wie kann sie mit den neuen Technologien und Arbeitsformen umgehen? l Dezentralisiertes Arbeiten und Unternehmenspurpose: Der Trend einer zunehmend individuellen Arbeitskultur mit star- kem Fokus auf Flexibilität scheint im Kontrast zu einer kollekti- ven Unternehmensidentität zu stehen. Remote Work wird mehr und mehr zur Standardpraxis in Organisationen verschiedener Branchen. Jedoch erkennen wir bereits heute einen Unterschied in der Zufriedenheit zwischen bestimmten Zielgruppen im Homeoffice, wie zum Beispiel Berufseinsteigern, im Gegen- satz zur erfahrenen Belegschaft. Zudem nehmen Arbeitneh- mer vor Ort und Mitarbeitende zu Hause ihre Arbeitsrealität teilweise sehr unterschiedlich wahr. Für die einen erweist sich die Flexibilität als motivations- und produktivitätssteigernd. Für andere zeigt sich ein gegenteiliger Effekt. Wie wirken sich diese Diskrepanzen auf die Employee-Experience aus? Und wie schaffen es Unternehmen, in den nächsten fünf Jahren bei stetiger Individualisierung eine kollektive Unternehmensiden- tität und einen Purpose zu erreichen? Des Weiteren stellt sich die Frage, wie Unternehmenszwecke möglichst glaubhaft aus Sicht der Mitarbeitenden formuliert werden. l Sozio-politische Entwicklungen: Ebenso relevant wird es sein, Auswirkungen sozio-politischer Strömungen richtig zu adres- sieren. Zentrale Themen der heutigen Gesellschaft sind Diver- sität und psychische Gesundheit. Unternehmen werden sich in den kommenden Jahren intensiver mit dem „Wellbeing“ der Mitarbeitenden auseinandersetzen müssen. Vor allem die Auswirkungen hochperformanter Technologien auf die psychische Gesundheit bergen einige Kontroversen: Inwiefern lassen sich menschliche und technische Leistungsfähigkeit sinnvoll vereinbaren? Szenarioplanung als Weg in die gemeinsame Zukunftsgestaltung Ipsos hat in der umfangreichen Studie „Shaping 2025 and Beyond“ ein robustes Grundgerüst entwickelt, das Unterneh- men als Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser großen Fragen dient. Mithilfe von vier Zukunftsszenarien macht es Organisationen, Regierungen und Gesellschaften aktuelle sowie künftige Unsicherheiten bewusst und ermöglicht Handlungs- strategien, um aktiv die angestrebte Zukunft herbeizuführen. Gerade im Kontext der People-and-Culture-Perspektive hilft die- ser zukunftsorientierte Ansatz, aufkommende Spannungsfelder für Mitarbeitende frühzeitig zu erkennen, auf diese einzugehen und Raum für Mitgestaltung zu schaffen. Personalwirtschaft Sonderheft 09_2021 21
MITARBEITERBEFR AGUNG STUDIE Das Gerüst der Szenarioplanung im Rahmen von „Sha- schiebung der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatwelt ping 2025“ bilden 14 „Global Certainties“. Hierbei han- der Mitarbeitenden. Geschäftsreisen sind nicht wieder voll delt es sich um Trends, die sich bereits vor der Pandemie zurückgekehrt, und das hybride Arbeiten bleibt erhalten. abzuzeichnen begannen, die weiter präsent sind und die Allerdings führen neue Arbeitsmodelle zu starker Ver- sich in den nächsten fünf Jahren sehr wahrscheinlich änderung von Wohngegenden und Vororten und beein- fortsetzen und verstärken werden (siehe Abbildung 1). flussen somit Immobilienpreise und die Rolle von Büros Im Rahmen dieser Global Certainties und in Reaktion im Arbeitsalltag. Außerdem macht sich in dieser Welt, auf sie, entwickelt sich die Welt in ganz unterschiedliche gerade bei den Jüngeren, eine zunehmende Unzufrie- Richtungen. Welche das sein könnten, zeigen die vier denheit breit: Menschen spüren immer deutlicher, dass Zukunftsszenarien in „Shaping 2025“: „Familiar Power“, aktuelle Strategien keine nachhaltigen Antworten auf neue „Local Power“, „Transforming Power“ und „Fractured Herausforderungen bieten und ringen mit dem Gefühl, Power“. Diese Szenarien unterscheiden sich entlang zwei mit der „Rückkehr in die Normalität“ eine große Chance zentraler Dimensionen der möglichen Entwicklung: verpasst zu haben. Erwartet die Welt eine Rezession oder stark fragmen- tiertes Wachstum, oder wird sich die Wirtschaft erho- Die Perspektiven kennen und kennenlernen len? Bleiben existierende Machtstrukturen bestehen oder manifestieren sich neue, progressive Systeme? Welche Diese und die drei weiteren, ganz anders aussehenden zukünftigen Szenarien sollten Personalverantwortliche Zukunftswelten von Shaping 2025 ermöglichen ein demnach besonders beachten? Verständnis für die Unsicherheiten der unmittelbaren Erholungsphase nach der Pandemie – und werden am Wahrscheinlichste Zukunftsidee: besten genutzt, indem sie für und mit dem Unterneh- Familiar Power men weitergedacht werden. Die weiteren drei Szenarien mögen aus heutiger Sicht weniger wahrscheinlich wir- Das Szenario der Familiar Power ist aus derzeitiger Sicht ken, jedoch gibt es für alle klare Anhaltspunkte im Hier die wahrscheinlichste Zukunftsidee und scheint auf den und Jetzt. Und so können Unternehmen sich fragen: ersten Blick vertraut. Oberflächlich gibt es keine großen Was bedeutet zum Beispiel eine Welt von Transforming Entwicklungen, und bereits bekannte Dynamiken prägen Power für unsere Mitarbeitenden, unser Geschäftsmo- den Arbeitsalltag: Unveränderte Hierarchie- und Macht- dell – und (was) wollen wir als Unternehmen dazu bei- strukturen lassen wenig Raum für progressiven Wandel tragen, sie aktiv herbeizuführen? Inwiefern beeinflusst hinsichtlich mehr Diversität oder weniger Silodenken. der Rückbezug zu einer regionalen Lebenswelt in einer Auch die fortschreitende Digitalisierung löst überholte Zukunft der Local Power die Arbeitsmigration? Und wie bürokratische Prozesse nicht ab, intensiviert aber die Ver- begegnet das Human Resource Management den großen Herausforderungen der Rekrutierung von Fachkräften und Talenten aufgrund von fehlendem Vertrauen in Global Certainties Abbildung 1 Organisationen im Szenario der Fractured Power? Der vollständige „Shaping-2025-and-Beyond-Report“ steht auf ipsos.com/shaping-2025-and-beyond zum Down- load und gibt weitere Einblicke in die alternativen Sze- narien. Sinn und Zweck dieser Szenarien ist es nicht, Recht über die Zukunft zu behalten. Sie bereiten vielmehr auf diese vor, indem sie zentrale Veränderungstreiber und Wendepunkte für Unternehmen aufzeigen und kritisch reflektieren. Angesichts des nicht planbaren Tempos der Veränderungen künftiger Entwicklungen helfen sie, Stakeholder aus ihrem „Gegenwartsbias“ herauszuholen und den Gedanken des „Being prepared“ auf organisa- tionaler Ebene zu verinnerlichen. Das bedeutet, sowohl die Reaktionsfähigkeit zu erhöhen als auch Gestaltungs- Quelle: Ipsos 2021 räume früher zu erkennen und aktiv zu nutzen. Die zen- trale Frage muss lauten: Welche Zukunft ist möglich und Das Gerüst der Szenarioplanung im Rahmen von Shaping 2025 bilden 14 „Global Certainties“. wünschenswert – und wie wollen und können wir als 22 Personalwirtschaft Sonderheft 09_2021
Zukunftsszenarien Abbildung 2 proaktiv daran mitwirken, sie herbeizuführen. Perso- nalabteilungen können hierfür einen Rahmen bieten, um fortlaufend Lösungen für die Herausforderungen der Spannungsfelder zu finden: Indem Perspektiven der Mitarbeiter einbezogen, Szenarien entwickelt und kooperativ im Unternehmenskontext bewertet werden. Ganz konkret lassen sich Zukunftsszenarien wie die von Ipsos für Shaping 2025 entwickelten nutzen, um aktive Zukunftsgestaltung zu betreiben, und zum Beispiel im Rahmen funktionsübergreifender Workshops unter AUTORENTEAM Einbeziehung von Mitarbeiterbefragungsergebnissen Fragen wie diese zu beantworten: l Was würden Mitarbeitende und Kunden in verschie- denen Zukunftsszenarien anders machen als heute – was werden sie wertschätzen, wie werden sie sich Quelle: Ipsos 2021 vernetzen, wie zusammenarbeiten? l Könnten unsere aktuellen Unternehmenswerte, Füh- Dr. Ingrid Feinstein, Director, IPSOS Employee rungsstil, Struktur, Mitarbeitenden, Systeme, Fähig- & Organizational Research Vier Szenarien werden in Shaping 2025 definiert. keiten und Strategie in alternativen Zukunftsszena- (EOR), Frankfurt, rien bestehen, und wo müssten wir Veränderungen ingrid.feinstein@ipsos.com Unternehmen mit unseren Rahmenbedingungen, Zielen vornehmen? und Mitarbeitenden mit den möglichen Entwicklungen l Was wären die Stärken, Schwächen, Chancen und umgehen und diese mitgestalten? Gefahren unseres Unternehmens, unserer Unterneh- menskultur, und unserer Employer Brand in den ver- Feedback einholen – prospektiv statt schiedenen Zukunftsszenarien – und welche Konse- retrospektiv quenzen sollten wir daraus ziehen?“ Es gilt, Mitarbeiter-Feedback im Sinne des Inspect and Kai Güse, Senior Expert Business Development, IPSOS, Frankfurt, Einfache Antworten auf die großen Fragen der neuen Adapt-Gedankens zu nutzen, um kontinuierlich mit kai.guese@ipsos.com Arbeitswelt gibt es nicht. Angesichts der globalisier- den dynamischen Entwicklungen der Zukunft umzu- ten Komplexität und Fragmentierung fällt es schwer, gehen. Dazu gehört, die kreativen, ideengebenden und einen „One-Size-Fits-All“-Ansatz zu adaptieren. Aber: ein Stück weit ebenfalls richtungweisenden Zukunfts- Künftige Entwicklungen und ihre Auswirkungen sind vorstellungen der Belegschaft einzubeziehen. Deshalb gestaltbar – für Unternehmen, Führungskräfte und Mit- sollten sich Entscheider immer die Frage stellen, wel- arbeitende. Indem Unternehmen sich und ihren Mit- che Zukunft möglich ist und ob sie die Perspektiven arbeitenden die Frage stellen, welche Zukunft (nicht ihrer Arbeitnehmer und anderer Stakeholder für und in nur für die eigene Branche, sondern für Welt und ihrem Unternehmen in Bezug auf die Zukunft kennen. Gesina Gudehus-Wittern, Director Germany bei Ipsos Gesellschaft und die Rolle des eigenen Unternehmens Nur dann wird eine sinnvolle Ausgangslage für deren Strategy3, Hamburg, gesina. darin) wünschenswert ist, können sie kooperativ und gemeinsame Gestaltung gefunden. p gudehus-wittern@ipsos.com
Sie können auch lesen