Prokrastination - Aufschieberitis "Verschiebe nie auf morgen - Prokrastination - Universität Augsburg
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Prokrastination Prokrastination – Aufschieberitis „Verschiebe nie auf morgen… …was Du übermorgen kannst besorgen (Mark Twain)“ Prof. Dr. Erik E. Lehmann SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 1
Prokrastination Definition und Abgrenzung „Verschiebe nie auf morgen…“ procrastinatio (lat.): pro (auf, vor) crastinus (morgig) Aufschieberitis (ugspr.): als schlechte Angewohnheit interpretiertes Verhalten, eine als notwendig aber unangenehm empfundene Arbeit zu verschieben Bummelei (jurist.): übertrieben langsames Arbeiten eines Arbeitnehmers (Grund für Abmahnung) 4 generische Merkmale der Prokrastination: mangelnde Notwendigkeit der Arbeitserledigung Kontraproduktivität der Arbeitserledigung Verzögerung der Arbeitserledigung mit negativen Konsequenzen Bewusstsein der persönlichen Nachteile und des Verhaltens Keine psychische Erkrankung nach DSM-5 oder ICD 10 SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 2
Prokrastination Definition und Abgrenzung „Verschiebe nie auf morgen…“ ...was Du übermorgen kannst besorgen (Mark Twain) „Einem chronischen Aufschieber zu sagen „Mach es einfach“ ist so, wie einem Depressiven den Ratschlag zu geben, „Sei doch einfach fröhlich“ (Joe Ferrari, DePaul University) Leonardo da Vinci überzog regelmäßig die Lieferfristen 4 Jahre für das Abendmahl, 14 Jahre für die Mona Lisa Franz Kafka wartete auf Inspiration … Cost & Benefit (Entscheidung unter Unsicherheit): individuell bewertete Unsicherheit der/des • Eintrittswahrscheinlichkeiten • Kosten (Konsequenzen, Opportunitätskosten) • Erfolges SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 3
Prokrastination Merkmale „Merkmale…“ Arbeitserledigung einer notwendigen Aufgabe ist nur mit großer Überwindung möglich. Handlungsaufschub nimmt chronische Züge an. Insbesondere der Arbeitsbeginn wird als unangenehm empfunden. Arbeitsleid (Unlust) und Negativgefühle sind abhängig von der Notwendigkeit, weniger von deren Bewertung (langweilig, spannend, etc…). Belohnung/Erfolg der Arbeit meist sekundär oder zeitlich versetzt. Bewusstes Ignorieren des zeitlichen Druckgefühls und scheinbare Kompensation durch kontraproduktive Scheinhandlungen, denen aber eine Sinnhaftigkeit beigemessen wird (Putzen, Apps-Installieren, Einkaufen, E-Mails beantworten). Der Aufschieber will seine Arbeit erledigen. (der Faulpelz nicht!) SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 4
Prokrastination Folgen und Konsequenzen „Folgen und Konsequenzen…“ Abnutzungserscheinung von Vorsätzen psychische Störungen wie Depressionen Schamgefühle, Minderwertigkeitskomplexe soziale Konsequenzen (Beziehungen ) materielle Konsequenzen/Nachteile: schlechtere Leistungsbeurteilung (Noten,…) Entlassung/Exmatrikulation Kostenfaktor (Steuererklärung) Qualitätseinbußen SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 5
Prokrastination Ursachen „Ursachen…“ dysfunktionale Verzerrung bei Betroffenen (Versagensängste und Neurotizismus) Schlechte Einschätzung von Zeiten, Prioritäten, Konsequenzen und Folgen Unterschätzung des Zusammenhangs von Aufgabe und Gefühlen, Suche nach Erregung/Reizen, unfähig Belohnungen aufzuschieben Überschätzung des Zusammenhangs von Aufgabenerledigung und emotionaler Stimmung (in the mood…) Persönlichkeitsmerkmale schlechte Organisation, mangelnde Sorgfalt, Impulsivität Perfektion, Ängste, Vermeidung von Beurteilung und Selbsterkenntnis, mangelnde Selbstachtung mangelnde (kindlich naive) Selbstregulationsfähigkeit genetische Prädisposition SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 6
Prokrastination Ursachen „Ursachen…“ Externe Faktoren (Kosten/Nutzen des Aufschiebens) Verfügbarkeit der Ablenkungsmöglichkeiten (Opportunitätskosten der Ablenkung) mit „Pseudonutzen“ Facebook (liken, posten), Börsenkurse checken, Fitness, Jodel noch kurz die Mails checken… meine Meinung twittern (gesellschaftliche/politische Anteilnahme…) meine Wohnung/Zimmer aufräumen, putzen, streichen bei IKEA Kerzen kaufen, … Belohnung durch Fristverlängerung Ko-Abhängigkeiten Gesellschaftliche Veränderung (Herdenverhalten, Verharmlosungsstrategie, „procrasto ergo sum“) Elternhaus (Role Model, eingeengter Handlungsspielraum, …) SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 7
Prokrastination Typen „Typen…“ Arousal Procrastinator (Erregungsaufschieber) Kick (Erregung) kurz vor der Deadline und bei Erreichen (Adrenalinausschüttung) Autosuggestion, dass die eigene Kreativität und Leistungsfähigkeit positiv durch den Zeitdruck beeinflusst wird Avoidance Procrastinator (Vermeidungsaufschieber) Vermeidung von Aufgaben, die als minderwertig beurteilt werden könnten Aufschub als argumentatives Substitut für mangelnde Fähigkeit Impulsive Procrastinator (Ablenkungsaufschieber) lässt sich begründet ablenken und sucht aktiv nach Ablenkungen mangelnde Fähigkeit zu Selbstkontrolle, -organisation und –regulierung Notwendigkeit aktueller Belohnungen SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 8
Prokrastination Studentenkrankheit? „Studentenkrankheit…“? weite Verbreitung unter Studenten Große Menge, leichte Beobachtbarkeit (ideale Zielgruppe für die Forschung; aktive Nutzung sozialer Medien und Mitteilungsbedürfnis) Neoorientierung von fremd organisierter und strukturierter Umgebung (Schule, Elternhaus) zu selbstorganisierter Umgebung Konsequenzen des chronischen Handlungsaufschubs treten erst mit zeitlicher Verzögerung auf (Abschlusszeugnis, Möglichkeit der Wiederholung, …) Sekundäre Entlohnung (eine Klausur von vielen, Möglichkeit des Ausgleichs Bummelstudenten… …wann ist der wirkliche Abgabetermin (Belohnung durch Fristverlängerung…) SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 9
Prokrastination Studentenkrankheit? „Studentenkrankheit…“? weite Verbreitung unter Studenten: Viele verzetteln sich und verbummeln ihre Zeit zwischen Internetcafé und Mensa. Der Zeitaufwand für Studium und Jobs ist geringer als angenommen. Ein Viertel der Studenten mogelt sich mit 20 Stunden und weniger durch ein Semester. Der typische Student hat zwölf Stunden Privatleben am Tag. 1961: 24 Stunden in der Woche fürs Selbststudium (2003: 14 Stunden; 2015: unter 10 Stunden). SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 10
Prokrastination Problem Problem: (kein) Zeitplan In Deutschland ist für den Bachelor ein Gesamtpensum von 1800 Stunden im Jahr vorgesehen: Bei sieben Wochen Urlaub, 40 Stunden in der Woche. (Erwachsenen Menschen sollte das zumutbar sein). Problem: Studium ist höchst lernwidrig organisiert ist, typischer Wochenplan eines Bachelor-Studenten ist scheckig wie ein Flickenteppich Zeit zwischen den Terminen: Für anderthalb Stunden in die Bibliothek? Dann lieber ein Weilchen bei Facebook herumklicken. Smartphon‚ Killer No. 1“ "Bulimie-Lernen„: Die Studenten sind nicht in der Lage, sich die Arbeit einzuteilen! SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 11
Prokrastination Zeitplan Zeitplan Wohnung Sicherstellen eines optimalen Arbeitsumfeldes Optimale Einkäufe, Reinigung, Grundversorgung Konzentrationszeit Schnittstellen Komplementarität-/Substitutionalität zu anderen Aktivitäten Gezielte Planung von Vermeidung Freizeit Aktivitäten unnötiger Ablenkungen Sicherstellen der Notgroschen Planung der Jobs finanziellen Resourcen, - Mitschriften Ad hoc Start! Lerngruppen Optimales Feedback - Skripte Ergebnis vs. mit - Bücher Gemeinsame Tunnelblick! Hinreichendes Kommiliton - Vor jedem Absprachen! Ergebnis! en Grenzkosten der vor jedem Fortführung! Feedback- Arbeitsbeginn! Kontrolle Vorbereitung Beginn Durchführung Beendigung Feedback Primäre Aktivitäten SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 12
Prokrastination Lösungsansätze Lösungsansätze Gesamte Arbeitsaufgabe holistisch betrachten realistische Planung des Zeitaufwandes realistische Planung des Gesamtumfanges realistische Beurteilung von Aufwand und Umfang im Verhältnis zu anderen Aufgaben Zerlegung der Gesamtaufgabe in Teilaufgaben Realistische Planung des Zeitaufwandes der Teilaufgaben Vorteil der Spezialisierung und Arbeitsteilung Erledigung von qualifizierbaren und quantifizierbaren Teilaufgaben Austausch mit Kommilitonen/Kollegen (Kontrolle, Ansporn, …) Erkenne Dich selbst! optimale/produktive Arbeitszeit (frühmorgens, am übernächsten Tag nach der Partynacht) Lernintervalle (3 Stunden am Stück, kleinere Abschnitte, …) realistische Einschätzung des eigenen Vermögens, Fähigkeiten und Produktivität (zeitlich, kognitiv, quantitativ, qualitativ) SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 13
Prokrastination Beispiel Beispiel: Klausur Gesamte Arbeitsaufgabe zunächst holistisch betrachten Gesamtaufwand aller Klausuren in Stunden (workload) Gesamtaufwand pro Klausur Zeitliche Verteilung der Klausuren Festlegung möglichst Zeiteinheiten (Stunden pro Tag) Berechnung des möglichen Beginns/Ende Bildung von Lerngruppen (max. 3) Zerlegung der Gesamtaufgabe in Teilaufgaben Bereitstellung aller Mitschriften, Manuskripte, Kopien Einteilung in Lerneinheiten Austausch mit Kommilitonen/Lerngruppen Arbeitsteilung und Spezialisierung Kontrolle und Feedback Erkenne Dich selbst! Problem ist der Zeitpunkt des Beginns! SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 14
Prokrastination Arbeitsvorbereitung Arbeitsvorbereitung Bereitstellung der notwendigen Mittel und Arbeitsumwelt Bücher, Hefte, Skripten, sauberer Schreibtisch (am besten am Vorabend) Realistischer Plan (ein Kapitel im Buch, Skript, …), maximal 2 Stunden (dann Pause) Entfernen von Ablenkungsmöglichkeiten (PC, Handy, …) Optimaler Arbeitsbeginn am nächsten Tag! Festlegung und Priorisierung der Arbeitseinheit: Auswendig Lernen (hohe Kosten, da kaum Belohnung) Verstehen/Nachvollziehen (mittlere Kosten, da individuelle Belohnung, AhA-Effekt) Übungen/Aufgaben (geringere Kosten, da Anfang, Ende und Belohnung gegeben). Festlegung der Belohnung! SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 15
Prokrastination Arbeitsbeginn Arbeitsbeginn Kritisch ist der Beginn! Festlegung eines fixen Zeitpunktes! sitzt man am Schreibtisch, hält man meist zwei Stunden durch! kürzere Lernintervalle haben den Vorteil einer besseren Konzentration, erfordern aber immer einen „Neustart“ Vermeidung störender Aktivitäten, welche die Arbeit unterbrechen und einen „Neustart“ erfordern: Facebook, E-Mail, Jodel, etc…schließen … SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 16
Prokrastination Arbeitsdurchführung Arbeitsdurchführung Vermeide eine perfektionistische, detailverliebte Arbeitsweise Konzentriertes Arbeiten für einen festgesetzten Zeitraum Bewusstsein machen, dass der „Grenzaufwand“ zu einem entsprechenden „Grenzertrag“ führt Entwickle ein Gefühl, dass ein Mehr an Aufgabe 1 zu einem Weniger an Aufgabe 2 führen kann (Substiutionsbeziehung) Freizeitgestaltung ist wichtig! Entwickle Motivationsroutinen und –schübe … SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 17
Prokrastination Arbeitsbeurteilung Arbeitsbeurteilung Bewusstsein für das Gefühl der Erledigung Perfektionismus kann schädlich sein Beurteilung einer Teilaufgabe (eine Klausur) im Gesamtkontext Ein „Optimal“ ist immer unter Restriktionen zu sehen! Satisfying anstelle „Perfectionying“ SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 18
Prokrastination Schlussbemerkungen Schlussbemerkungen Aufschieben ist natürlich (nicht aber der Umfang…) Erkenne Deine Schmerzgrenze! Genieße Faulheit und Langeweile! einfach „Nichts-Tun“, Gedanken kreisen lassen ohne Ablenkung (TV, Smartphone, Internet, etc…) einfach einmal Lesen (auch Fachbücher ohne direkten Bezug und Gedanken aufnehmen, …) Prokrastination hat auch Vorteile Stärkt Selbstvertrauen auf sich selbst („Resilienz“) Vorteilhaft bei dynamischen (sich ändernden) Situationen Werden Dinge aus zukünftigen Perioden vorab angepackt, sind diese auch „erledigt“ Adrenalinschübe bei Zeitdruck fördern die Konzentration SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 19
Prokrastination References References Höcker A., Engberding M., Beißner J., Rist F. (2008): Evaluation einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Intervention zur Reduktion von Prokrastination, Verhaltenstherapie 18, 223–229 (DOI:10.1159/000167857) Schraw, G.; Wadkins, T; Olafson, L. (2007): Doing the things we do: A grounded theory of academic procrastination, Journal of Educational Psychology, 99(1), 12-25. Zum “Surfen”: http://www.spiegel.de/fotostrecke/studienobjekt-student-was-macht-ihr-denn-den-ganzen-tag-fotostrecke-59686.html http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/prokrastination-experten-geben-tipps-gegen-das-aufschieben-a-881050.html http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/prokrastination-wer-aufschiebt-ist-oft-nicht-faul-sondern-krank-a-823956.html http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/laestige-lernhemmungen-wer-aufschiebt-hat-nicht-mehr-vom-leben-a-656559.html http://www.ihf.bayern.de/uploads/media/IHF_kompakt_Maerz-2018.pdf SoSe 2018 Lehrstuhl Unternehmensführung und Organisation - Universität Augsburg 20
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