Fundstelle VG Trier, Urteil vom 20.04.2021 - 1 K 3528/20.TR - openJur

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VG Trier, Urteil vom 20.04.2021 - 1 K 3528/20.TR

Fundstelle                      openJur 2021, 19004           Rkr:  AmtlSlg: 

Tenor
1
    1. Die Klage wird abgewiesen.
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    2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
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    3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen
    Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht
    die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand
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    Der Kläger ist syrischer Staatsangehöriger mit arabischer Volks- und sunnitischer Glaubenszugehörigkeit. Er verließ
    sein Heimatland eigenen Angaben zufolge am 1. März 2016 und reiste am 4. August 2020 in das Bundesgebiet ein, wo
    er am 10. September 2020 einen Asylerstantrag stellte, der nicht auf die Zuerkennung internationalen Schutzes
    beschränkt wurde.
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    In seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 7. Oktober 2020 gab der Kläger
    asylbegründend an, Syrien verlassen zu haben, nachdem im Dezember 2015 sein Heimatdorf in der Nähe der Stadt
    Hama, das bis zu diesem Zeitpunkt von der regierungsfeindlichen Freien Syrischen Armee kontrolliert war, von den
    Streitkräften des syrischen Regimes angegriffen worden sei. Er selbst habe sich lediglich an friedlichen
    Demonstrationen gegen die Regierung beteiligt. Am Krieg habe er weder auf Seiten der Freien Syrischen Armee noch
    auf Seiten der Regierung teilnehmen und Unschuldige umbringen wollen. Rekrutierungsversuche seitens der Freien
    Syrischen Armee habe es nicht gegeben. Sein Wehrdienst sei wegen seines Studiums der Erziehungswissenschaften
    an der Universität Homs wiederholt um ein Jahr verschoben worden. Auf dem Weg zur Universität sei er jedoch an
    Checkpoints immer wieder schikaniert und auch einmal mit dem Tode bedroht worden. Bei seiner Ausreise habe man
    ihn zudem als menschlichen Schutzschild gegen Scharfschützen missbraucht. Bei der Rückkehr in seine Heimat
    befürchte er seine Festnahme, da er für die Regierung aufgrund seiner Ausreise als Verräter gelte, der sein Land nicht
    verteidigt habe.
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    Mit Bescheid vom 2. November 2020 - 8214876-475 - erkannte die Beklagte dem Kläger den subsidiären Schutzstatus
    zu, lehnte den darüber hinausgehenden Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Anerkennung der
    Asylberechtigung jedoch ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger im Wesentlichen die Angst vor
    dem Bürgerkrieg geltend gemacht habe, was keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung zu begründen geeignet sei.
    Nach überwiegender obergerichtlicher Rechtsprechung begründe auch die Wehrdienstverweigerung nicht mit
    beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung bei Rückkehr, da es
    jedenfalls an der Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund fehle. Den Erkenntnismitteln sei nicht zu entnehmen, dass die
    syrische Regierung allen Wehrdienstverweigerern pauschal eine oppositionelle Gesinnung unterstelle und eine etwaige
    Bestrafung wegen der Wehrdienstentziehung hieran anknüpfe. Darüber hinaus habe sich der Kläger ohnehin keiner
    aktiven Wehrpflicht entzogen, da er zum Zeitpunkt seiner Ausreise noch wegen seines Studiums vom Wehrdienst
    freigestellt gewesen sei.

    Hiergegen richtet sich die am 17. November 2020 erhobene und auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
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     Hiergegen richtet sich die am 17. November 2020 erhobene und auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
     beschränkte Klage, zu deren Begründung der Kläger ergänzend ausführt, dass ihm wegen seiner Einstellung gegen alle
     Konfliktparteien des Bürgerkriegs die Verfolgung sowie Inhaftierung und Tod drohe. Weiterhin befürchte er, bei
     Rückkehr zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Es sei hinlänglich bekannt, dass Männer im wehrpflichtigen Alter
     zwangsrekrutiert, inhaftiert, gefoltert und an die Front geschickt würden. Weiterhin habe der Europäische Gerichtshof im
     Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 - entschieden, dass Menschen, die aus Syrien wegen des verpflichtenden
     Wehrdienstes flüchten würden, der Flüchtlingsstatus zuzusprechen sei. Der Gerichtshof gehe dabei davon aus, dass
     syrische Wehrpflichtige bei Ableistung ihres Pflichtdienstes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an Kriegsverbrechen
     beteiligt seien. Hinsichtlich der erforderlichen Kausalität zwischen der Bestrafung wegen der Wehrdienstverweigerung
     und einem Verfolgungsgrund habe der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass insofern eine gesetzliche Vermutung
     bestehe, die auch in seinem Fall greife. Insbesondere genüge es, wenn dem Wehrdienstverweigerer dieses Merkmal
     von seinem Verfolger zugeschrieben werde. In der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2021 hat der Kläger sein
     bisheriges Vorbringen ergänzt und vertieft; insoweit wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug
     genommen.
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     Der Kläger beantragt,
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     die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 2. November 2020 - 8214876-475 - zu verpflichten, ihm die
     Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
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     Die Beklagte beantragt,
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     die Klage abzuweisen.
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     Sie bezieht sich zur Begründung auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid und hat diesen in der mündlichen
     Verhandlung vor dem Hintergrund der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verteidigt.
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     Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands ergeben sich aus den zur Akte gereichten Schriftsätzen der
     Beteiligten, der bei Gericht vorhandenen Asyldokumentation über die asyl- und abschiebungsrelevanten Verhältnisse in
     Syrien, den ergänzend in die mündliche Verhandlung eingeführten Erkenntnismitteln und den vorgelegten
     Verwaltungsvorgängen der Beklagten (einschließlich der Asylakten mehrerer Verwandter des Klägers), die jeweils
     Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
Gründe
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     Die Klage, über die das Gericht unter Anwendung von § 76 Abs. 1 Alt. 2 AsylG als Kammer entscheidet, hat keinen
     Erfolg.
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     A. Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO statthaft und zulässig, jedoch unbegründet.
     Dem Kläger steht im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung
     der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu. Der angefochtene Bescheid der
     Beklagten vom 2. November 2020 - 8214876-475 - erweist sich im Umfang seiner gerichtlichen Überprüfung als
     rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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     I. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne des
     § 3 Abs. 1 AsylG ist. Hiernach ist Flüchtling unter anderem, wer sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen
     seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
     außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in
     Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
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     1. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art
     oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte
     darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder in einer
     Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so
     gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (vgl. auch
     Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 -
     Qualifikationsrichtlinie [QRL] -).
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     2. Zwischen den in den § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz
     vor solchen Handlungen und den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründen muss gemäß § 3a Abs. 3
     AsylG und Art. 9 Abs. 3 QRL eine Verknüpfung bestehen.

     Den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten - und vorliegend durch den Kläger allein geltend gemachten -
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     Den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten - und vorliegend durch den Kläger allein geltend gemachten -
     Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung konkretisiert § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG dahingehend, dass der Ausländer
     in einer Angelegenheit, die die potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung,
     Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder
     Überzeugung tätig geworden ist (vgl. auch Art. 10 Abs. 1 lit. e) QRL). Hierbei ist - wie bei allen Verfolgungsgründen -
     gemäß § 3b Abs. 2 AsylG, Art. 10 Abs. 2 QRL bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor
     Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen. Es genügt
     vielmehr, dass ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
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     3. Nach § 3c AsylG kann eine Verfolgung vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche
     Teile des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, es sei denn, es besteht eine
     inländische Fluchtalternative. Dieser ist nach Maßgabe des § 3e Abs. 1 AsylG zu bestimmen und führt zur
     Nichtanerkennung des Ausländers als Flüchtling, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete
     Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und wenn er sicher und legal in
     diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort
     niederlässt (vgl. auch Art. 8 QRL).
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     II. Ob Bedrohungen der vorgenannten Art und damit eine politische Verfolgung drohen, ist anhand einer Prognose zu
     beurteilen, die von einer zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes auszugehen
     und die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des
     Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat zum Gegenstand hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 1990 - 9 C 14.89 -, juris
     Rn. 13, m.w.N.).
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     1. Ausgangspunkt der zu treffenden Prognoseentscheidung ist das bisherige Schicksal des Schutzsuchenden. Die
     Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat
     beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war (Vorverfolgung), ist
     nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein ernsthafter Hinweis auf die Begründetheit seiner Furcht
     vor Verfolgung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, juris Rn. 23, unter Hinweis auf: EuGH, Urteil vom
     2. März 2010 - C-175/08 u.a. [Abdulla u.a.] -, juris Rn. 92 ff.).
23
     Der Asylsuchende muss bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles sein Heimatland aus Furcht
     vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG verlassen haben. Aufgabe des Schutzsuchenden ist es insoweit, von sich
     aus unter genauer Angabe von Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich - als wahr
     unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung droht. Der Vortrag eines Schutzsuchenden, der sein
     Verfolgungsschicksal wie viele Asylbewerber nicht durch andere Beweismittel nachweisen kann, ist dabei gemäß dem
     Gebot der freien richterlichen Beweiswürdigung zu würdigen (§ 108 Abs. 1 VwGO). Diese bindet das Gericht dabei nicht
     an starre Regeln, sondern ermöglicht ihm, den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden.
     Im Ergebnis muss das Gericht von der Wahrheit der klägerischen Behauptung eines individuellen
     Verfolgungsschicksals und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit die volle Überzeugung gewinnen. Hierbei darf das
     Gericht jedoch insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland keine unerfüllbaren
     Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich
     zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der vernünftigen
     Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C
     33.18 -, juris Rn. 20, m.w.N.).
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     2. Die begründete Furcht vor Verfolgung kann jedoch gemäß § 28 Abs. 1a AsylG auch auf Ereignissen beruhen, die
     eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten, das
     Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. Ist der
     Asylsuchende unverfolgt ausgereist, liegen eine Verfolgungsgefahr und damit eine begründete Furcht vor Verfolgung
     vor, wenn ihm bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles im Falle der hypothetischen Rückkehr
     mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und
     vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine
     Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne
     einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen (vgl. hierzu
     zusammenfassend: BVerwG, Vorlagebeschluss vom 7. Februar 2008 - 10 C 33.07 -, juris Rn. 37).
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     III. Ausgehend von diesen Maßstäben ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des §3 Abs. 1 AsylG nicht
     zuzuerkennen.

     1. Der Kläger hat Syrien nicht vorverfolgt verlassen. Dabei unterliegt das Vorbringen des Kläger - trotz kleinerer
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     1. Der Kläger hat Syrien nicht vorverfolgt verlassen. Dabei unterliegt das Vorbringen des Kläger - trotz kleinerer
     Widersprüche hinsichtlich seines ständigen Aufenthalts während des Studiums an der Universität Homs - keinen
     durchgreifenden Glaubhaftigkeitszweifeln, sondern war auch in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2021
     weitestgehend konsistent und plausibel. Diesem Vorbringen lässt sich indes eine flüchtlingsrechtlich relevante
     Vorverfolgung des Klägers nicht entnehmen.
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     a. Sofern der Kläger darauf verweist, an Kontrollpunkten wegen seiner Herkunft aus einem von Rebellen besetzten Dorf
     schikaniert und einmal bei der Beantragung eines weiteren Wehrdienstaufschubs bedroht worden zu sein, erreichen
     diese Maßnahmen ersichtlich nicht die Intensität einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG. Bei der
     Frage, ob die erforderliche Eingriffsschwere erreicht wird, sind alle Maßnahmen und Beeinträchtigungen, denen der
     Ausländer in seinem Heimatland ausgesetzt gewesen ist, zu berücksichtigen, auch wenn sie für sich genommen keine
     Menschenrechtsverletzung darstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 34). Allein die
     beschriebenen Schikanen und die einmalige Bedrohung erreichen erkennbar nicht das Maß einer schweren
     Menschenrechtsverletzung. So ist auch festzuhalten, dass sich der Kläger bis zu seiner Ausreise unbehelligt in den von
     der Regierung besetzten Gebieten aufgehalten und sein Studium an einer staatlichen Universität fortsetzen konnte.
     Auch war ihm kurz vor seiner Ausreise im Frühjahr 2016 nochmals eine Verlängerung des Aufschubs vom Wehrdienst
     wegen des laufenden Studiums gewährt worden. Bereits aus diesen Gründen scheidet die Annahme einer
     Vorverfolgung durch die syrische Regierung erkennbar aus.
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     b. Soweit der Kläger vorgetragen hat, während seiner Ausreise auf dem Weg nach Idlib an einem Hindernis von dem
     Schleuser als "menschlicher Schutzschild" gegen Scharfschützen missbraucht worden zu sein, fehlt es sowohl an einem
     Verfolgungsgrund im Sinne des § 3b AsylG als auch an einem tauglichen Verfolgungsakteur im Sinne des § 3c AsylG.
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     c. Der darüber hinaus vorgetragene Angriff auf das Heimatdorf des Klägers durch Truppen der syrischen Regierung im
     Dezember 2015 und die generell geltend gemachte Furcht, durch Kriegsereignisse getötet zu werden, vermögen eine
     flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung ebenfalls nicht zu begründen. Insoweit ist eine gezielte Rechtsverletzung, d.h.
     ein finaler Eingriff in ein asylrechtlich geschütztes Rechtsgut, erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10
     C 52.07 -, juris Rn. 22), woran es bei nicht auf Einzelpersonen gerichteten Angriffen im Rahmen von Kriegshandlungen
     fehlt (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 25. Februar 2021 - RO 11 K 20.31897 -, juris Rn. 36). Im Übrigen wird der
     insoweit geltend gemachten und unstreitig vorliegenden Bedrohungslage durch die Zuerkennung des subsidiären
     Schutzstatus (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) bereits in ausreichendem Umfang Rechnung getragen.
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     d. Auch die Befürchtung aufgrund der durch die Ausreise verwirklichten Wehrdienstentziehung inhaftiert zu werden,
     vermag eine Vorverfolgung des Klägers - selbst eine beachtlich wahrscheinliche Bestrafung unterstellt (siehe hierzu
     sogleich) - ebenfalls nicht zu begründen. Die Wehrdienstentziehung wird nach zutreffender Ansicht erst durch die Flucht
     ins Ausland verwirklicht, wo der Wehrpflichtige dem Zugriff des syrischen Staates entzogen ist. Im Moment der
     Wehrdienstverweigerung kann demnach bereits aus diesem Grund eine für die Annahme der flüchtlingsrechtlich
     relevanten Vorverfolgung notwendige unmittelbar bevorstehende Verfolgungshandlung nicht vorgelegen haben (vgl.
     OVG NRW, Urteil vom 22. März 2021 - 14 A 3439/18 .A -, juris Rn. 39; aA OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.
     Januar 2021 - OVG 3 B 109.18 -, juris Rn. 51-52). Im Falle des Klägers gilt dies umso mehr, weil sein Wehrdienst zum
     Zeitpunkt seiner Ausreise im Frühjahr 2016 noch für die Dauer fast eines Jahres - konkret: bis zum 15. Januar 2017 -
     aufgeschoben war.
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     2. Dem Kläger droht auch keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung aufgrund beachtlicher Nachfluchtgründe nach
     § 28 Abs. 1a AsylG.
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     a. Eine Verfolgung droht dem Kläger nicht bereits wegen seiner illegalen Ausreise aus Syrien, des längeren Aufenthalts
     im westlichen Ausland und der hiesigen Asylantragstellung.

     Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2016
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     Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2016
     - 1 A 10922/16 .OVG -, juris), die von anderen Obergerichten überwiegend geteilt wird (vgl. beispielhaft: BayVGH, Urteil
     vom 21. September 2020 - 21 B 19.32725 -, juris; NiedersOVG, Beschluss vom 31. August 2020 - 2 LB 674/18 -, juris;
     OVG NRW, Urteil vom 13. März 2020 - 14 A 2778/17 .A -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. März 2019 - A
     4 S 335/19 -, juris; OVG Saarland, Urteil vom 19. Februar 2019 - 1 A 647/17-, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom
     12. Februar 2019 - OVG 3 B 27.17 - juris; HessVGH, Urteil vom 6. Juni 2017 -3 A 3040/16 .A - juris;) und der sich die
     Kammer nach eigener Prüfung der Rechtslage anschließt, genügen weder die Illegalität der Ausreise aus Syrien, der
     längere Auslandsaufenthalt und der Antrag auf internationalen Schutz im Ausland noch die Herkunft aus einer von der
     Regierung als oppositionsgeprägt erachteten Region für sich genommen, um losgelöst von den individuellen
     Umständen des Einzelfalls bei einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine
     Verfolgung wegen zugeschriebener politischer Einstellung anzunehmen. Individuell gefahrerhöhende Umstände sind
     jedoch in der Person des Klägers nicht ersichtlich.
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     b. Die Gefahr, im Falle der hypothetischen Rückkehr zum Wehrdienst eingezogen zu werden, stellt keine
     flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG dar.
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     Nach der Rechtsprechung ist es ein legitimes Interesse jedes - auch nach weltanschaulichen Gesichtspunkten
     totalitären - Staates, durch eine Wehrpflicht die Verteidigung des Landes zu ermöglichen. Zudem knüpft die Ableistung
     des Wehrdienstes regelmäßig nicht an einen Verfolgungsgrund im Sinne des § 3b AsylG an. Eine Verfolgung kann in
     dieser Hinsicht vielmehr nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt,
     dass die Einziehung von Wehrpflichtigen an asylerhebliche Merkmale anknüpft und mit ihr beabsichtigt ist, etwa
     Personen mit einer von der herrschenden Staatsdoktrin abweichenden politischen Gesinnung zu treffen (vgl. BVerwG,
     Urteil vom 6. Dezember 1988 - 9 C 22.88 -, juris, Rn. 8, m.w.N.)
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     Anhaltspunkte dafür, dass die Einziehung zum Wehrdienst in Syrien im vorgenannten Sinne in diskriminierender Weise
     erfolgen würde, also etwa an die Merkmale Herkunft, Ethnie, Religion oder politische Gesinnung anknüpft, ist keinem
     der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zu entnehmen. Vielmehr besteht die Wehrpflicht - mit punktuellen
     Ausnahmen (vgl. hierzu sogleich) - für alle Männer zwischen 18 und 42 Jahren gleichermaßen (vgl. Schweizerische
     Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28. März 2015, S. 2-3). Darüber hinaus geht aus einer
     Analyse, die auf regimefreundlichen Internetseiten veröffentlicht worden ist und die die Zahl der Gefallenen innerhalb
     der syrischen Armee im Jahr 2020 dokumentiert, hervor, dass etwa die Hälfte aller Todesfälle innerhalb der Armee
     Männer aus den traditionell regimetreuen Gebieten Latakia, Tartus, Hama und Homs betroffen hat. Die als regimetreu
     geltende alawitische Gemeinschaft berichtet, über ein Drittel ihrer Männer im wehrfähigen Alter verloren zu haben (vgl.
     European Asylum Support Office, Syria - Military Service, April 2021, S. 25). Angesichts dessen kann nicht von einer
     selektiven Einziehung bestimmter Gruppen anhand flüchtlingsrechtlich relevanter Merkmale, etwa von Personen mit
     einer von der herrschenden Staatsdoktrin abweichenden politischen Gesinnung, gesprochen werden.
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     c. Auch die Möglichkeit, im Falle der hypothetischen Rückkehr nach Syrien wegen der durch die Ausreise verwirklichten
     Wehrdienstentziehung bestraft zu werden, führt nicht zur Annahme einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung im
     Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, Art. 9 Abs. 2 lit. e) QRL.
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     aa. § 3a Abs. 2 AsylG benennt beispielhaft eine Reihe von Handlungen, die - abhängig von den Umständen des
     Einzelfalls - den Tatbestand einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG erfüllen können. Hierzu zählt
     gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG unter anderem eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des
     Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die
     Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 AsylG erfüllen, namentlich Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen
     oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (vgl. auch Art. 9 Abs. 2 lit. e) QRL).
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     Dabei steht es nach der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der tatbestandlichen Annahme einer
     Wehrdienstverweigerung im genannten Sinne nicht entgegen, wenn das Recht des Herkunftsstaats die Möglichkeit
     einer Verweigerung des Militärdienstes nicht vorsieht und der Betroffene seine Verweigerung nicht in einem bestimmten
     Verfahren formalisiert hat, sondern lediglich aus seinem Herkunftsland geflohen ist, ohne sich der Militärverwaltung zur
     Verfügung zu stellen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 -, juris Rn. 26-32).

     Gleichermaßen wird die Bejahung der Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG nicht dadurch ausgeschlossen,
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     Gleichermaßen wird die Bejahung der Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG nicht dadurch ausgeschlossen,
     dass der Wehrpflichtige, der seinen Dienst in einem Konflikt verweigert, seinen künftigen militärischen Einsatzbereich
     nicht kennt. Vielmehr ist es ausreichend, dass die Ableistung des Militärdienstes im Kontext eines allgemeinen
     Bürgerkriegs verweigert wird, der durch die wiederholte und systematische Begehung von Kriegsverbrechen unter
     Einsatz von Wehrpflichtigen gekennzeichnet ist, weil zu erwarten ist, dass der Wehrdienst unabhängig vom
     Einsatzgebiet unmittelbar oder mittelbar die Beteiligung an solchen Verbrechen oder Handlungen umfassen würde (vgl.
     EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 -, juris Rn. 33-38).
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     Auch zwischen der in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlung und den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG
     genannten Verfolgungsgründen muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG und Art. 9 Abs. 3 QRL eine Verknüpfung bestehen (vgl.
     auch EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 -, juris Rn. 39-44). Dabei kann nach der jüngeren
     Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs das Bestehen dieser Verknüpfung zwar nicht allein deshalb als
     gegeben angesehen werden, weil Verfolgungshandlung an die Militärdienstverweigerung anknüpft. Allerdings soll eine
     starke Vermutung dafür sprechen, dass die Bestrafung wegen einer Verweigerung des Militärdienstes unter den
     genannten Voraussetzungen mit einem der denkbaren Verfolgungsgründe in Zusammenhang steht, wobei es Sache
     der zuständigen nationalen Behörden und Gerichte ist, in Anbetracht sämtlicher in Rede stehender Umstände die
     Plausibilität dieser Verknüpfung zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 -, juris Rn. 45-61).
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     bb. Ausgehend hiervon liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung
     des Klägers im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, Art. 9 Abs. 2 lit. e) QRL nicht vor.
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     Zwar hat der Kläger den Militärdienst in einem Konflikt verweigert, in dem der Militärdienst Verbrechen oder
     Handlungen umfassen würde, die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 AsylG erfüllen (nachfolgend (1)). Auf
     Grundlage der vorhandenen aktuellen Erkenntnismittel droht einfachen Wehrdienstverweigerern - anders als
     Deserteuren (vgl. VG Trier, Urteil vom 20. April 2021 - 1 K 3510/20.TR -, zur Veröffentlichung vorgesehen) - nicht mit
     beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Verhängung der gesetzlich vorgesehenen oder einer anderen Form unmenschlicher
     oder erniedrigender Bestrafung (nachfolgend (2)). Die in Betracht kommende Strafe knüpft zudem nicht an einen
     Verfolgungsgrund im Sinne § 3b Abs. 1 AsylG an, da insoweit die durch den Europäischen Gerichtshof aufgestellte
     Vermutung durch die aktuellen Erkenntnismittel widerlegt wird (nachfolgend (3)).
44
     (1) Der Kläger hat sich dem Militärdienst in einem Konflikt verweigert, in dem der Militärdienst Verbrechen oder
     Handlungen umfassen würde, die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 AsylG erfüllen.
45
     (a) Der Kläger ist zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Syrien wehrpflichtig gewesen und ist dies zum nach §77 Abs. 1
     Halbsatz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt weiterhin.
46
     In Syrien besteht für alle Männer zwischen 18 und 42 Jahren eine allgemeine Wehrpflicht. Wer den Wehrdienst bereits
     geleistet hat, muss sich gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 aus dem Jahr 2007 als Reservist zur erneuten
     Einziehung bereithalten (vgl. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian
     Arab Republic - Update VI, März 2021, S. 116; European Asylum Support Office, Syria - Targeting of Individuals, März
     2020, S. 31; European Asylum Support Office, Syria - Military Service, April 2021, S. 13; Danish Immigration Service,
     Syria - Issues Regarding Military Service, Oktober 2019, S. 5; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl,
     Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Syrien, 18. Dezember 2020, S. 43-44). Eine dauerhafte Befreiung
     von der Wehrpflicht ist nur aufgrund erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen oder für die einzigen Söhne einer
     Familie (Wahid) möglich. Unter bestimmten Bedingungen können auch nicht in Syrien lebende syrische
     Staatsangehörige und registrierte Palästinenser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Syrien vom Wehrdienst durch Zahlung
     einer "Ausnahmegebühr" ausgenommen werden (vgl. Danish Immigration Service, Syria - Issues Regarding Military
     Service, Oktober 2019, S. 5).
47
     Die Ableistung der Wehrpflicht kann bei temporären gesundheitlichen Einschränkungen sowie bei Studenten für die
     Dauer ihres Studiums zeitlich beschränkt aufgeschoben werden, wobei ein solcher Aufschub jährlich verlängert werden
     muss (vgl. Danish Immigration Service, Syria - Issues Regarding Military Service, Oktober 2019, S. 5).
48
     Der am 1. Januar 1995 geborene Kläger, der ausweislich seiner Anhörung (mindestens) vier Brüder hat und daher nicht
     als Wahid vom Wehrdienst befreit war, war hiernach aufgrund der gesetzlichen Regelungen seit dem 1. Januar 2013
     wehrpflichtig. Dies ergibt sich auch aus seinem bei der Verwaltungsakte befindlichen Wehrbuch (vgl. Bl. 26-30 d. VA.).
     Soweit ihm wegen seines Studiums der Erziehungswissenschaften ein temporärer Aufschub von der Ableistung des
     Wehrdienstes - nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung bis Mitte Januar 2017 - gewährt worden ist,
     bringt dies die Wehrpflicht als solche nicht in Fortfall, sondern hemmt allenfalls die konkrete Einziehung zur Ableistung
     des Wehrdienstes im Einzelfall.

     (b) Der Kläger hat sich durch seine dauerhafte Ausreise aus Syrien spätestens mit Ablauf der ihm aus Studienzwecken
49
     (b) Der Kläger hat sich durch seine dauerhafte Ausreise aus Syrien spätestens mit Ablauf der ihm aus Studienzwecken
     gewährten Freistellung dem Militärdienst entzogen. Dies ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
     unter Berücksichtigung aller mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über
     den Antrag relevant sind, der maßgeblichen Angaben des Antragstellers und der von ihm vorgelegten Unterlagen sowie
     seiner individuellen Lage und seiner persönlichen Umstände zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-
     238/19 -, juris Rn. 31).
50
     Von syrischen Männern wird mit Vollendung des 18. Lebensjahres erwartet, dass sie sich selbstständig bei dem für sie
     zuständigen Rekrutierungsbüro melden, weil sie bereits von Gesetzes wegen zur Ableistung des Wehrdienstes
     verpflichtet sind (vgl. European Asylum Support Office, Syria - Targeting of Individuals, März 2020, S. 31;
     Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Vorgehen der syrischen Armee bei der Rekrutierung, 18. Januar 2018, S. 1-2).
51
     Wehrpflichtige Männer, die sich nicht zum Wehrdienst gemeldet haben, werden nach den vorliegenden Erkenntnissen
     mittels Fahndungslisten, öffentlichen Aufrufen, an Checkpoints, in der Universität, bei der Beantragung amtlicher
     Dokumente, bei Krankenhausaufenthalten oder mittels Hausdurchsuchungen zwangsrekrutiert (vgl. European Asylum
     Support Office, Syria - Military Service, April 2021, S. 21-22; Danish Immigration Service, Syria - Military Service, Mai
     2020, S. 11).
52
     Darüber hinaus unterliegen wehrpflichtige Männer weitreichenden Ausreisebeschränkungen. Sie benötigen zur
     Beantragung eines Reisepasses die schriftliche Einwilligung der Armee. Männern, die noch keinen Wehrdienst geleistet
     haben, wird gar kein Reisepass oder nur ein solcher mit einer Gültigkeit von zwei Jahren ausgestellt, während die
     übliche Gültigkeitsdauer sechs Jahre beträgt. Seit März 2012 benötigen Männer zwischen 18 und 42 Jahren für eine
     legale Ausreise zudem die Bewilligung der Armee, was einer faktischen Ausreisesperre gleichkommt (vgl. Auswärtiges
     Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien [Stand: November 2020], 4. Dezember 2020, S. 14;
     Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentziehung, Desertion, 23. März 2017, S. 13).
53
     Der Kläger hat sich aufgrund der zwischenzeitlichen Ausreise nach Ablauf seiner temporären Befreiung im Januar 2017
     nicht erneut bei dem Wehramt gemeldet. Er hat auch nicht über eine Einwilligung der Wehrbehörden zur Ausreise
     verfügt. Insbesondere steht der Anwendbarkeit des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, Art. 9 Abs. 2 lit. 3) QRL nicht entgegen,
     dass der Kläger das Land verlassen hat, ohne ein Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer angestrengt
     zu haben. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann von dem Kriegsdienstverweigerer nicht
     verlangt werden, dass er seine Verweigerung in einem bestimmten Verfahren formalisiert, wenn ein solches Verfahren
     nach dem Recht seines Heimatstaates nicht existiert (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - C-472/13 - juris Rn. 45;
     EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 -, juris Rn. 28-29). Dies ist in Syrien nach den vorliegenden
     Erkenntnismitteln der Fall, da es keine Möglichkeit gibt, den Wehrdienst legal zu verweigern (vgl. UNHCR, International
     Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic - Update VI, März 2021, S. 116).
54
     (c) Der Kläger hätte seinen Militärdienst auch in einem Konflikt leisten müssen, in dem der Militärdienst Verbrechen
     oder Handlungen umfassen würde, die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 AsylG erfüllen.
55
     Hierfür ist erforderlich, dass es in Anbetracht aller relevanten Umstände plausibel erscheint, dass der Betroffene
     entweder als Mitglied der Kampftruppen selbst Kriegsverbrechen im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylG begehen oder er sich
     bei der Ausübung anderer, etwa logistischer oder unterstützender Funktionen in hinreichend unmittelbarer Weise an
     solchen Verbrechen beteiligen müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - C-472/13 -, juris Rn. 36-45; BayVGH,
     Beschluss vom 30. Januar 2020 - 20 B 19.32952 -, juris Rn. 33). Dies beinhaltet damit grundsätzlich eine Prognose, in
     die der Grad der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Begehung einer solchen Handlung und der künftigen Beteiligung an
     einer solchen Handlung im Rahmen des Militärdienstes einzustellen ist.
56
     Im Falle eines Wehrdienstverweigerers, der seinen Militärdienst in einem Konflikt verweigert, seinen künftigen
     militärischen Einsatzbereich aber nicht kennt, soll dabei nach der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen
     Gerichtshofs ausreichend sein, dass die Ableistung des Militärdienstes im Kontext eines allgemeinen Bürgerkriegs
     stattzufinden hätte, der durch die wiederholte und systematische Begehung von Verbrechen oder Handlungen im Sinne
     von Art. 12 Abs. 2 QRL durch die Armee unter Einsatz von Wehrpflichtigen gekennzeichnet ist und unabhängig vom
     Einsatzgebiet unmittelbar oder mittelbar die Beteiligung an solchen Verbrechen oder Handlungen umfassen würde (vgl.
     EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 -, juris Rn. 38). Das nationale Gericht hat hiernach zu prüfen, ob im
     Rahmen des Bürgerkriegs seitens des syrischen Staates systematisch Kriegsverbrechen begangen würden, wobei -
     entgegen der missverständlichen Formulierung im Urteil des Europäischen Gerichtshofs - auf den nach § 77 Abs. 1 Satz
     1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg,
     Urteil vom 29. Januar 2021 - OVG 3 B 108.18 -, juris Rn. 20).

     Dabei vermag sich die Kammer nicht der teilweise geäußerten Einschätzung anderer Gerichte anzuschließen, wonach
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     Dabei vermag sich die Kammer nicht der teilweise geäußerten Einschätzung anderer Gerichte anzuschließen, wonach
     die systematische Begehung von Kriegsverbrechen durch die syrischen Regierungstruppen bereits angesichts der
     weitreichenden Gebietsgewinne der Regierung und der sich so verringernden Zahl verbleibender Kampfgebiete
     auszuschließen sein soll (so aber: NiedersOVG, Beschluss vom 16. Juli 2020 - 2 LB 39/20 -, juris Rn. 55; BayVGH,
     Beschluss vom 30. Januar 2020 - 20 B 19.32952 -, juris Rn. 33). Nach Auswertung der aktuellen Lageberichte bestehen
     weiterhin erhebliche Anhaltspunkte für die systematische Begehung von Kriegsverbrechen durch das syrische Regime
     und seine Verbündeten (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, [Stand:
     November 2020], 4. Dezember 2020, S. 8 und 16; UK Home Office, Country Policy and Information Note - Syria: the
     Syrian Civil War, 10. August 2020, S. 31ff.). Diese finden aktuell vornehmlich in der letzten von Rebellen besetzten
     Region Idlib und Hama im Nordwesten Syriens sowie im nördlichen Teil Aleppos statt und beinhalten gezielte Angriffe
     auf zivile Infrastruktur wie Krankenhäuser, Schulen und Märkte sowie die Verwendung von Streumunition und
     chemischen Waffen in dicht besiedelten Gebieten (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note - Syria:
     the Syrian Civil War, 10. August 2020, S. 31ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik
     Syrien, [Stand: November 2020], 4. Dezember 2020, S. 8; Amnesty International, Syria 2020, 7. April 2021).
58
     Wenngleich sich die Möglichkeit, an diesen Kriegsverbrechen beteiligt zu sein, daher auf den Einsatz in den wenigen
     verbliebenen Kampfgebieten im Nordwesten Syriens beschränkt, muss nach der Erkenntnislage jeder syrische
     Militärangehörige, unabhängig von seinem Rang, seiner Erfahrung, seinem religiösen Hintergrund oder Herkunft damit
     rechnen, irgendwann an die Front versetzt zu werden (vgl. Danish Immigration Service, Syria - Military Service, Mai
     2020, S. 13). Darüber hinaus hat die syrische Armee in den letzten Jahren damit begonnen, ihre Einheiten zu rotieren,
     sodass auch solche Soldaten, die bislang weit weg von den Frontlinien ihren Dienst verrichtet haben, nunmehr keine
     Garantie (mehr) haben, nicht an die Front versetzt zu werden (vgl. Danish Immigration Service, Syria - Military Service,
     Mai 2020, S. 13 f.). Dies kann im Einzelfall nur durch sehr gute Verbindungen innerhalb des Militärs und die Zahlung von
     Bestechungsgeldern verhindert werden. In gleichem Maße laufen auch Wehrdienstleistende, Wehrdienstverweigerer
     und Deserteure Gefahr nach der Einziehung an die Frontlinien versetzt zu werden (vgl. Danish Immigration Service,
     Syria - Military Service, Mai 2020, S. 13 f., 31 f.; European Asylum Support Office, Syria - Targeting of Individuals, März
     2020, S. 37; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentzug, Desertion, 23. März 2017,
     S. 10).
59
     (2) Auf Grundlage der vorhandenen aktuellen Erkenntnismittel droht einfachen Wehrdienstverweigerern jedoch nicht mit
     beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Verhängung der gesetzlich vorgesehenen oder einer anderen Form unmenschlicher
     oder erniedrigender Bestrafung.
60
     (a) Das syrische Recht bestimmt in Art. 98 des Military Penal Code, dass die Entziehung von der Wehrpflicht in
     Friedenszeiten mit einem bis sechs Monaten Haft, in Kriegszeiten mit bis zu fünf Jahren Haft, geahndet wird (vgl.
     European Asylum Support Office, Syria - Targeting of Individuals, März 2020, S. 36; Bundesamt für Fremdenwesen und
     Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Syrien, 18. Dezember 2020, S. 49-50).
61
     Dies führt zwar für sich genommen nicht zu einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, da grundsätzlich nicht zu
     beanstanden ist, dass die Verweigerung einer staatsbürgerlichen Pflicht wie dem obligatorischen Wehrdienst
     strafrechtlich geahndet wird, selbst wenn die entsprechenden Sanktionen von totalitären Staaten verhängt werden (vgl.
     grundlegend: BVerwG, Urteil vom 19. August 1986 - 9 C 322.85 -, juris Rn. 15, zuletzt bestätigt: BVerwG, Urteil vom 19.
     April 2018 - 1 C 29.17 -, juris Rn. 22; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 11. Februar 2021 -A 4 K 2581/19 -, juris Rn. 59-
     60). Anderes gilt jedoch, wenn der Militärdienst in einem Konflikt zu leisten wäre, in dem der Militärdienst Verbrechen
     oder Handlungen umfassen würde, die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 AsylG erfüllen. Die Besonderheit der
     Tatbestandsalternative des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG besteht insoweit darin, dass in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG keine
     unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung gefordert ist, um die Verfolgungshandlung auszulösen, sondern -
     vorbehaltlich der stets erforderlichen Prüfung der hinreichenden Eingriffsschwere nach Absatz 1 - die bloße Tatsache
     einer Strafverfolgung oder Bestrafung genügen lässt, wenn die Erfüllung des Militärdienstes die Gefahr der Mitwirkung
     an Kriegsverbrechen mit sich bringt (vgl. Wittmann, in: BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 7. Edition [Stand: 1.
     Januar 2021], AsylG § 3a Rn. 42).
62
     (b) Der Annahme einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, Art. 9 Abs. 2 lit. e) QRL steht jedoch
     entgegen, dass die gesetzlich vorgesehene Strafe nach den vorliegenden Erkenntnisquellen in der Praxis nicht
     verhängt wird.

     Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann das bloße Bestehen von Rechtsvorschriften, nach
63
     Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann das bloße Bestehen von Rechtsvorschriften, nach
     denen bestimmte Handlungen oder Unterlassungen - hier: die Verweigerung des Wehrdienstes - unter Strafe gestellt
     sind, nicht als Maßnahme betrachtet werden, die den Betroffenen in so erheblicher Weise beeinträchtigt, dass der Grad
     an Schwere erreicht ist, der erforderlich ist, um diese Strafbarkeit als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL
     ansehen zu können. Demgegenüber kann die Strafe, mit der eine Rechtsvorschrift bewehrt ist, die die Handlung oder
     Unterlassung unter Strafe stellt, für sich alleine eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL darstellen,
     sofern sie im Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird. Daher haben die
     nationalen Behörden und Gerichte, wenn ein Asylbewerber geltend macht, dass in seinem Herkunftsland
     Rechtsvorschriften bestünden, die eine bestimmte Handlung oder Unterlassung unter Strafe stellten, im Rahmen ihrer
     Prüfung der Ereignisse und Umstände nach Art. 4 QRL alle das Herkunftsland betreffenden relevanten Tatsachen
     einschließlich der Rechts- und Verwaltungsvorschriften dieses Landes und der Weise, in der sie angewandt werden, zu
     prüfen, wie dies in Art. 4 Abs. 3 lit. a) QRL vorgesehen ist. Im Rahmen dieser Prüfung müssen die Behörden und
     Gerichte insbesondere ermitteln, ob im Herkunftsland des Antragstellers die in diesen Rechtsvorschriften vorgesehene
     Freiheitsstrafe in der Praxis verhängt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-199/12 u.a. [Minister voor
     Immigratie en Asiel ./. X, Y, Z] - juris Rn. 53-59).
64
     Diesen Maßstab zugrunde gelegt, liegt keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgungshandlung im Sinne des
     § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, Art. 9 Abs. 2 lit. e) QRL im Falle der hypothetischen Rückkehr des Klägers vor. Den aktuell zur
     Verfügung stehenden Erkenntnismitteln ist zu entnehmen, dass einfache Wehrdienstentzieher und -verweigerer
     jedenfalls zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 20. April 2021 auch dann, wenn
     sie sich dem Wehrdienst durch illegale Ausreise entzogen haben, in der Regel nicht bestraft, sondern vielmehr direkt
     zum Militärdienst eingezogen werden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien,
     [Stand: November 2020], 4. Dezember 2020, S. 30; European Asylum Support Office, Country Guidance: Syria
     Common analysis and guidance note, September 2020, S. 66; European Asylum Support Office, Syria - Targeting of
     Individuals, März 2020, S. 37; Danish Immigration Service, Syria - Military Service, Mai 2020, S. 31-32). Letzteres weist
     - wie vorstehend bereits ausgeführt - keine flüchtlingsrechtliche Relevanz auf.
65
     Ob Wehrdienstentzieher - neben der Einziehung oder unabhängig davon - bestraft werden, hängt nach der
     Erkenntnislage - hier: der überwiegenden Meinung der vom Danish Immigration Service befragten Quellen -
     insbesondere davon ab, ob ihnen außer der Wehrdienstentziehung noch andere Vergehen vorgeworfen werden bzw.,
     ob sie in der Lage sind entsprechendes Bestechungsgeld zu zahlen (vgl. Danish Immigration Service, Syria - Military
     Service, Mai 2020: Gregory Waters, Herausgeber der International Review, S. 48; Jawad Al-Tamimi, Doktorand an der
     Swansea University, S. 50; Elizabeth Tsurkov, Fellow des Foreign Policy Research Institute, S. 55; Abbas Almousa,
     The Day After, S. 62; Rami, Syrischer Aktivist, S. 67; Navvar Shabban; Omran Center for Strategic Studies; S. 73;
     Asaad Hanna, Syrischer Journalist, S. 76; ein westlicher Diplomat, S. 83). Nur wenige der vom Danish Immigration
     Service befragten Quellen gehen demgegenüber davon aus, dass Wehrdienstentziehern allein aufgrund der
     Wehrdienstentziehung in jedem Fall eine Bestrafung in Form einer Haftstrafe droht, wobei kaum eine der befragten
     Personen von der Umsetzung der gesetzlich vorgesehenen Bestrafung, sondern lediglich von einigen Tagen Haft und
     anschließendem Einzug zum Wehrdienst ausgeht (vgl. Sara Kayyali, Human Rights Watch, S. 51; Mohammad Sarmini,
     Jusoor for Studies, S. 70; A Humanitarian Organisation; S. 87; Fadel Abdul Ghany, Syrian Network for Human Rights,
     S. 90).
66
     Dies bestätigen auch die vom European Asylum Support Office im Januar 2021 befragten Quellen, die lediglich von der
     Möglichkeit einer Inhaftierung von bis zu drei Monaten und im Übrigen vom sofortigen Einzug zum Militärdienst
     ausgehen (vgl. European Asylum Support Office, Syria - Military Service, April 2021, S. 33). Es ist daher naheliegend,
     dass es sich bei den kurzzeitigen Inhaftierungen von Wehrdienstverweigerern nicht um eine Bestrafung, sondern
     lediglich um eine Ingewahrsamnahme zwecks Überstellung zum Wehrdienst handelt, die primär ein erneutes
     Untertauchen des Wehrpflichtigen verhindern soll (vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. März 2021 -14 A 3439/18 .A -, juris
     Rn. 82). Diese Einschätzung wird auch durch den United Nations High Commissioner for Refugees im aktuellen Bericht
     zum Schutzbedarf syrischer Geflüchteter bestätigt, in dem dieser nunmehr zu dem Ergebnis kommt, dass
     Wehrdienstentziehen mit höherer Wahrscheinlichkeit ein kurzzeitiger Arrest ("arrest") und sofortige Einziehung zum
     Wehrdienst droht als strafrechtliche Sanktionen und Inhaftierung ("criminal sanction and imprisonment", vgl. UNHCR,
     International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic - Update VI, März 2021,
     S. 123-124). Derartige Maßnahmen überschreiten indes die Intensitätsschwelle des § 3a Abs. 1 AsylG nicht.

     Jenseits dessen hat die syrische Regierung in den letzten Jahren auch eine Reihe von Amnestieregelungen erlassen,
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     Jenseits dessen hat die syrische Regierung in den letzten Jahren auch eine Reihe von Amnestieregelungen erlassen,
     die es insbesondere Wehrdienstverweigerern erlauben sollen, einer Bestrafung zu entgehen, wenngleich sie dennoch
     zur Ableistung des Militärdienstes verpflichtet bleiben. Nach dem am 9. Oktober 2018 veröffentlichten Präsidialdekret
     Nr. 18/2018, das am 15. September 2019 durch das Präsidialdekret Nr. 20/2019 erneuert worden ist, erhalten
     Wehrdienstentzieher und Deserteure Straffreiheit, wenn sie sich innerhalb von vier Monaten bei Aufenthalt im Inland
     und innerhalb von sechs Monaten bei Aufenthalt im Ausland, zum Militärdienst melden (vgl. Bundesamt für
     Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Syrien, 18. Dezember 2020, S. 51;
     Danish Immigration Service, Syria - Military Service, Mai 2020, S. 35; European Asylum Support Office, Syria -
     Targeting of Individuals, März 2020, S. 37, European Asylum Support Office, Syria - Military Service, April 2021, S. 38
     ff.). Am 22. März 2020 wurde eine weitere Amnestieregelung erlassen (Präsidialdekret Nr. 6/2020), die neben
     Wehrdienstentziehung auch Straftaten, wie oppositionelle Onlineaktivität und einzelne andere Straftaten, die eigentlich
     unter das Terrorismusgesetz fallen, umfasst (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der
     Staatendokumentation - Syrien, 18. Dezember 2020, S. 51; Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen
     Republik Syrien, [Stand: November 2020], 4. Dezember 2020, S. 12f.; Danish Immigration Service, Syria - Military
     Service, Mai 2020, S. 36).
68
     Hinsichtlich der Frage, inwieweit die syrische Regierung die Amnestieregelungen umsetzt und langfristig beachtet,
     gehen die Quellen auseinander, was insbesondere auch dem Umstand geschuldet ist, dass kaum syrische
     Staatsangehörige diese in der Vergangenheit in Anspruch genommen haben, weil die Pflicht zur Ableistung des
     Militärdienstes in jedem Fall weiterhin bestehen bleibt (vgl. Danish Immigration Service, Syria - Military Service, Mai
     2020, S. 35, European Asylum Support Office, Syria - Military Service, April 2021, S. 38 ff.). Die vom Danish
     Immigration Service im Jahr 2020 hierzu befragten Quellen gaben jedoch überwiegend an, dass jedenfalls ein
     regelhaftes Nichtbeachten der Amnestiereglungen durch die syrische Regierung aktuell nicht verifiziert werden könne
     (vgl. Danish Immigration Service, Syria - Military Service, Mai 2020: Gregory Waters, Herausgeber der International
     Review, S. 48; Elizabeth Tsurkov, Fellow am Foreign Policy Research Institute, S. 55; Rami, syrischer Aktivist, S. 68;
     Navvar Shaban, Omran Center for Strategic Studies, S. 74; Suhail Al-Ghazi, unabhängiger Forscher, S. 81; eine in
     Syrien ansässige humanitäre Organisation, S. 87), während der Bericht des European Asylum Support Office
     mehrheitlich Quellen zitiert, nach denen allenfalls Einzelfälle bekannt sind, in denen Personen unter Inanspruchnahme
     der Amnestieregelung zurückgekehrt und gleichwohl inhaftiert worden sein sollen (vgl. European Asylum Support Office,
     Syria - Military Service, April 2021, S. 39-40).
69
     (c) Auch eine sonstige Ahndung der Wehrdienstverweigerung, die die Eingriffsschwere des §3a Abs. 1 AsylG erreichen
     würde, findet in der Praxis nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit statt.
70
     So bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Wehrdienstverweigerern extralegale Formen der
     Bestrafung drohen. Insbesondere werden sie nicht planmäßig oder häufiger an die Front versetzt, als andere
     Wehrpflichtige (vgl. Danish Immigration Service, Syria - Military Service, Mai 2020, S. 13-14). Vielmehr müssen - wie
     bereits dargelegt - alle Angehörigen des syrischen Militärs gleichermaßen damit rechnen, in Kampfgebiete versetzt zu
     werden. Dies geht letztlich auch aus dem aktuellen Bericht des European Asylum Support Office von April 2021 hervor,
     wonach sowohl normale Wehrpflichtige (vgl. European Asylum Support Office, Syria - Military Service, April 2021, S. 23-
     24) als auch Wehrdienstverweigerer teilweise mit minimalem Training an die Front geschickt würden (vgl. European
     Asylum Support Office, Syria - Military Service, April 2021, S. 35-36). Reservisten hingegen seien signifikant seltener an
     aktiven Kampfhandlungen beteiligt. Ihr Fronteinsatz hänge maßgeblich davon ab, ob sie über Spezialkenntnisse oder
     besondere Erfahrung verfügten (vgl. European Asylum Support Office, Syria - Military Service, April 2021, S. 25).
     Darüber geht auch aus der bereits vorstehend erwähnten Analyse über die Zahl der Gefallenen innerhalb der syrischen
     Armee hervor, dass ein großer Anteil der Toten aus traditionell regimetreuen Gebieten stammt (vgl. European Asylum
     Support Office, Syria - Military Service, April 2021, S. 25). Vor diesem Hintergrund ist auch ein System der
     "Frontbewährung" als Bestrafung von Wehrdienstverweigerern nicht ersichtlich (vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. März
     2021 - 14 A 3439/18.A -, juris Rn. 89).
71
     (3) Selbst, wenn man - entgegen der dargestellten Erkenntnismittellage - davon ausginge, dass dem Kläger beachtlich
     wahrscheinlich eine Bestrafung aufgrund seiner Wehrdienstentziehung bei einer hypothetisch zu unterstellenden
     Rückkehr nach Syrien droht, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass eine solche Bestrafung an einen flüchtlingsrechtlich
     relevanten Verfolgungsgrund im Sinne des § 3b AsylG anknüpft. Die insoweit durch den Europäischen Gerichtshof
     aufgestellte Vermutung wird durch die aktuellen Erkenntnismittel widerlegt.

     (a) Auch bei einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, Art. 9 Abs. 2 lit. e) QRL muss eine
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     (a) Auch bei einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, Art. 9 Abs. 2 lit. e) QRL muss eine
     Verknüpfung zum Verfolgungsgrund bestehen, d.h. die Verfolgung muss "wegen" eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG
     benannten Verfolgungsgründe drohen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2019 - 1 C 31.18 -, juris Rn. 34). Dies ist
     etwa der Fall, wenn der Betroffene mit den wegen den aufgrund der verwirklichten Wehrdienstentziehung verhängten
     Sanktionen über die Ahndung des Pflichtverstoßes hinaus wegen seiner politischen Überzeugung oder eines sonst
     asylerheblichen Merkmals getroffen werden soll (sog. Politmalus, vgl. BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 29.17 -,
     juris Rn. 22).
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     Diesen Maßstab hat auch der Europäische Gerichtshof jüngst im Ergebnis nochmals für den Anwendungsbereich des
     Art. 9 Abs. 2 lit. e) QRL bestätigt (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 -, juris Rn. 44). Zwar könne - so
     der Gerichtshof - in vielen Fällen die Verweigerung des Militärdienstes gewiss Ausdruck politischer oder religiöser
     Überzeugungen sein - sei es, dass sie in der Ablehnung jeglicher Anwendung militärischer Gewalt oder in der
     Opposition zur Politik oder den Methoden der Behörden des Herkunftslandes bestehen - oder ihren Grund in der
     Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe haben. In diesen Fällen spreche einiges dafür, dass die
     Verfolgungshandlungen, zu denen diese Verweigerung Anlass geben kann, diesen Gründen zugeordnet werden. Die
     Verweigerung des Militärdienstes könne allerdings auch auf anderen als den in der Qualifikationsrichtlinie genannten als
     Verfolgungsgrund definierten Motiven beruhen und beispielhaft durch die Furcht begründet sein, sich den Gefahren
     auszusetzen, die die Ableistung des Militärdienstes im Kontext eines bewaffneten Konflikts mit sich bringt. Deshalb
     könne das Bestehen einer Verknüpfung zwischen zumindest einem der Verfolgungsgründe und der Strafverfolgung
     oder Bestrafung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. e) QRL nicht als gegeben angesehen werden und folglich der Prüfung
     durch die mit der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz betrauten nationalen Behörden und Gerichte nicht
     entzogen sein (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 -, juris Rn. 49-50).
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     Auf der Ebene der Beweislast stellt der Europäische Gerichtshof allerdings eine "starke Vermutung" für das Bestehen
     einer Verknüpfung zwischen einer etwaigen Bestrafung und einem der genannten Verfolgungsgründe auf. Es könne
     nicht davon ausgegangen werden, dass es Sache der um internationalen Schutz nachsuchenden Person sei, den
     Beweis für die Verknüpfung zwischen den Verfolgungsgründen und der etwaigen Bestrafung zu erbringen, weil ein
     Antragsteller nicht immer in der Lage sei, seinen Antrag durch Unterlagen oder sonstige Beweise zu untermauern. Die
     Gründe für die Verweigerung des Militärdienstes und folglich die hierdurch ausgelöste Strafverfolgung würden
     subjektive Gesichtspunkte des Asylantrags darstellen, für die ein unmittelbar Beweis besonders schwer erbracht werden
     könne. Unter diesen Umständen sei es Sache der zuständigen nationalen Behörden, in Anbetracht sämtlicher von der
     um internationalen Schutz nachsuchenden Person vorgetragener Anhaltspunkte, die Plausibilität der Verknüpfung
     zwischen den genannten Gründen und der Strafverfolgung und Bestrafung zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 19.
     November 2020 - C-238/19 -, juris Rn. 45-61).
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     (b) Ausgehend von diesem Maßstab muss die durch den Europäischen Gerichtshof aufgestellte Vermutung einer
     bestehenden Verknüpfung zwischen der etwaigen Bestrafung wegen einer Wehrdienstentziehung und einem
     Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, namentlich des primär in Betracht kommenden Verfolgungsgrunds der
     "politischen Überzeugung" im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG nach Auswertung der vorhandenen Erkenntnismittel
     zur aktuellen Lage in Syrien als widerlegt gelten.
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     Bereits die Annahme, dass jedem Syrer im wehrfähigen Alter, der das Land verlassen hat, seitens des syrischen
     Regierung eine oppositionelle Haltung unterstellt wird, ist angesichts der Masse ausgereister Syrer realitätsfern. Auch
     der syrischen Regierung ist bewusst, dass die Mehrzahl der ausgereisten Staatsbürger wegen des Krieges und dessen
     katastrophaler Folgen für die Bevölkerung und nicht wegen einer vermeintlichen Gegnerschaft zum Assad-Regime
     ausgereist ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 1 A 10922/16 .OVG -, juris; NiedersOVG,
     Beschluss vom 16. Juli 2020 - 2 LB 39/20 -, juris Rn. 47-48; BayVGH, Urteil vom 21. September 2020 -21 B 19.32725 -,
     juris Rn. 27ff.).
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     Auch ist nicht ersichtlich, dass Wehrdienstentziehern und -verweigerern eine härtere Bestrafung als üblich droht, weil
     ihnen eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird (sog. Politmalus). Vielmehr leidet das syrische Militär aufgrund der
     massenhaft ausgereisten Syrer im wehrfähigen Alter und der großen Anzahl an Deserteuren an erheblichem
     Personalmangel (vgl. Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation,
     Anfragebeantwortung zu Syrien: Gebiete unter kurdischer Selbstverwaltung: Zugriff der Zentralregierung auf
     Wehrdienstverweigerer und auf Wehrpflichtige; Einsatz eines Wehrpflichtigen nach seiner Rekrutierung; Beteiligung an
     Kriegsverbrechen, 14. August 2019) und ist daher daran interessiert, schnell wehrdienstfähige Männer seiner Armee
     zuzuführen, was sich wiederum in den dargestellten Anstrengungen des syrischen Regimes widerspiegelt, ausgereiste
     wehrpflichtige Männer durch Amnestieregelungen zur Rückkehr nach Syrien zu bewegen.
     Gegen die pauschale Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung durch die Regierung spricht insbesondere auch die
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