Gesamtbeurteilung der Wirtschaftslage - OECD.org
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OECD-Wirtschaftsausblick Ausgabe 2016/2 © OECD 2016 Kapitel 1 Gesamtbeurteilung der Wirtschaftslage 9
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE Einleitung Die Weltwirtschaft ist seit fünf Jahren in einer Situation gefangen, in der das Wachstum – mit rd. 3% – auf enttäuschend niedrigem Niveau verharrt. Diese anhaltende Wachstumsschwäche hat die Wachstumserwartungen für die Zukunft beeinträchtigt und so die laufenden Ausgaben und das Wachstum des Produktionspotenzials geschmälert. Die weltweite Handels- und Investitionstätigkeit verläuft schwach, was dem Anstieg der Arbeitsproduktivität und der Löhne Grenzen setzt, der für ein nachhaltiges Konsumwachstum nötig wäre. Fiskalpolitische Maßnahmen – die teils schon umgesetzt, teils geplant sind – könnten jedoch, so sie Wirkung zeigen, die private Wirtschaftstätigkeit stimulieren und dafür sorgen, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft bis 2018 moderat auf rd. 3½% beschleunigt. Die Überwindung der Wachstumsschwäche hängt von den politischen Weichenstellungen wie auch von einer konzertierten und wirkungsvollen Umsetzung ab. Wenn die neue US-Regierung, wie in diesen Projektionen unterstellt, eine bedeutende und wirkungsvolle Fiskalinitiative umsetzt, die die inländische Investitions- und Konsumtätigkeit ankurbelt, könnte sich das Wachstum der Weltwirtschaft 2017 um 0,1 Prozentpunkt und 2018 um 0,3 Prozentpunkte erhöhen. Wenn die aktuellen Konjunkturimpulse in China weiterhin die Nachfrage fördern, könnte dies das Weltwirtschaftswachstum im Durchschnitt des Zeitraums 2017-2018 ebenfalls um 0,2 Prozentpunkte jährlich steigern. Eine stärkere fiskalische Lockerung als derzeit in den meisten anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften, einschließlich der EU, erwartet, würde der Binnen- ebenso wie der Weltwirtschaft zusätzlichen Auftrieb geben. Die von der OECD angestellten Analysen des verfügbaren fiskalischen Spielraums lassen darauf schließen, dass in der EU Möglichkeiten für stärker konzertiertes Handeln bestehen. Vor dem Hintergrund solcher fiskalpolitischer Initiativen würden Fortschritte im Bereich der Handelspolitik helfen, die Wachstumsschwäche der Weltwirtschaft zu überwinden und das Produktivitätswachstum zu beleben. Zunehmender Protektionismus und drohende handelspolitische Vergeltungsmaßnahmen könnten hingegen einen Großteil des Effekts der fiskalpolitischen Maßnahmen auf das Wachstum der Binnen- und der Weltwirtschaft zunichtemachen, und die Haushaltslage der Länder würde sich zudem verschlechtern. Da die Lage auf den Arbeits- und Produktmärkten nur ganz allmählich angespannter wird, dürfte die Inflation in den meisten Ländern verhalten bleiben, wobei es in den Vereinigten Staaten allerdings zu Druck auf die Ressourcen kommen könnte. Wenn die mittel- und längerfristigen Wachstumserwartungen wieder steigen, womit es der Geldpolitik in den Vereinigten Staaten möglich wäre, zu einem neutraleren Kurs zurückzukehren, könnte dies bestehende Verzerrungen auf den Finanzmärkten – z.B. in Form fehlender Laufzeit- und Kreditrisikoprämien – verringern. Das Risiko einer zunehmenden Divergenz des geldpolitischen Kurses in den großen Volkswirtschaften in den kommenden zwei Jahren könnte jedoch für neue Finanzmarktspannungen sorgen. Neue Herausforderungen ergeben sich zudem aus dem Referendumsentscheid des Vereinigten Königreichs für einen Austritt aus der Europäischen Union, womit die Wahrscheinlichkeit einer langen Phase der Unsicherheit steigt, solange der künftige Rahmen der Handelsbeziehungen mit dem Rest der EU nicht geklärt ist. OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 10
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE Um sicherzustellen, dass sich das Wachstumsgleichgewicht wieder auf einem höheren Niveau einpendeln kann, bedarf es wirksamer und kollektiver Anstrengungen der Politik zur Stützung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage auf kurze Sicht und Erhöhung des Wachstumspotenzials auf längere Sicht. Dazu gilt es, die akkommodierende Geldpolitik durch einen verbesserten gemeinsamen Einsatz fiskalpolitischer sowie ambitionierterer strukturpolitischer Maßnahmen zu ergänzen und zu vermeiden, dass der Handelsprotektionismus weiter um sich greift. Verzerrungen an den Finanzmärkten und eine voraussichtlich stärkere Volatilität bedeuten, dass in den wichtigsten fortgeschrittenen Volkswirtschaften kein Spielraum für eine über die derzeitigen Pläne hinausgehende Ausweitung der monetären Lockerung besteht. Die Länder sollten stattdessen ihren fiskalischen Spielraum genauer prüfen, da die niedrigen Zinsen es ihnen ermöglichen, die Ausgaben für harte und weiche Infrastruktur sowie andere wachstumsfördernde Posten während eines Zeitraums von durchschnittlich vier Jahren zu erhöhen, ohne dass sich dadurch ihre Schuldenquote verändern würde (vgl. Kapitel 2). Durch konzertiertes Handeln in diesem Bereich, u.a. mit einer Reallokation der öffentlichen Ausgaben in Richtung stärker wachstumsfördernder Elemente, würden die Unternehmensinvestitionen stimuliert und zusätzliche Produktionszuwächse durch Spillover-Effekte zwischen den Ländern erzielt. Fiskalpolitische Maßnahmen müssen sich auf strukturpolitische Maßnahmen stützen, sonst können sie das Produktivitätswachstum und das Arbeitsvolumen nicht erhöhen und gefährden die Tragfähigkeit der Verschuldung. Angesichts der drastischen Verlangsamung des Handels gehört es zu den entscheidenden gemeinsamen Prioritäten im Bereich der Strukturpolitik, die seit der Krise eingeführten protektionistischen Maßnahmen zurückzunehmen und die Möglichkeiten des internationalen Handels weiter auszudehnen, was von Maßnahmen zugunsten einer gerechteren Aufteilung der Handelsgewinne begleitet sein sollte. Durch einen mutigen und umfassenden Einsatz geld-, fiskal- und strukturpolitischer Maßnahmen dürfte es möglich sein, die Wachstumserwartungen zu steigern und die Risikoängste zu verringern und so die Weltwirtschaft insgesamt auf einen nachhaltigen Pfad höheren Wachstums zu lenken. Die Erholung könnte an Dynamik gewinnen, was von den politischen Weichenstellungen abhängig ist Die Möglichkeit eines weiterhin unter den üblichen Durchschnittswerten verharrenden Wachstums besteht trotz des Niedrigzinsumfelds nach wie vor (Abb. 1.1), was auf unbefriedigende angebotsseitige Grundtendenzen, eine verhaltene gesamtwirtschaftliche Nachfrage und verringerte Reformanstrengungen zurückzuführen ist. Ungeachtet einer Belebung im dritten Quartal 2016 dürfte das Wachstum des globalen BIP den Schätzungen zufolge dieses Jahr wieder bei rd. 3% gelegen haben, mehr als ¾ Prozentpunkte unter dem Durchschnitt der zwanzig Jahre vor der Krise. Werden keine Maßnahmen zur Behebung dieser anhaltenden Wachstumsdefizite ergriffen, wird es für die Regierungen immer schwieriger werden, die Verpflichtungen, die sie der Gesellschaft gegenüber implizit für die Zukunft eingegangen sind, in vollem Umfang einzulösen oder auch nur den aktuellen Erwartungen der Bürger gerecht zu werden. Während es Anzeichen dafür gibt, dass das Produktionswachstum in den Schwellen- und Entwicklungsländern nach einer langen Phase der Abschwächung nun anzuziehen beginnt – was durch den kurzfristigen Effekt der Konjunkturmaßnahmen in China und das Nachlassen der Rezession in vielen Rohstoffförderländern unterstützt wird –, steht eine nennenswerte allgemeine Belebung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften noch aus. OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 11
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE Figure 1.1. Global GDP growth is set to rise Year-on-year percentage changes % % 8 8 World OECD¹ 7 non-OECD 7 6 6 5 5 4 4 3 3 2 2 1 1 0 0 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Note: GDP measured using purchasing power parities. 1. With growth in Ireland in 2015 computed using gross value added at constant prices excluding foreign-owned multinational enterprise dominated sectors. Source: OECD Economic Outlook 100 database. 12http://dx.doi.org/10.1787/888933437145 Die Messgrößen der politischen Unsicherheit, die u.a. auf Presseanalysen beruhen, bewegen sich in einer Reihe von Ländern sowie auf globaler Ebene weiterhin auf hohem Niveau (Abb. 1.2). Dies sorgt für zusätzliche Abwärtsrisiken, was negative Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit haben dürfte, sollte sich daran nichts ändern. Dennoch haben die Turbulenzen an den Aktienmärkten nach den ersten heftigen Reaktionen auf das Ergebnis der Wahlen in den Vereinigten Staaten und das Referendum im Vereinigten Königreich nachgelassen. An den Rentenmärkten hat die Volatilität allerdings zugenommen. Die Zinssätze für Staatsanleihen sind in zahlreichen Volkswirtschaften gegenüber ihren historischen Tiefstständen gestiegen, wozu beiträgt, dass die Märkte eine künftig höhere Inflation und damit auch einen rascheren Anstieg der Leitzinsen in den Vereinigten Staaten erwarten. Das Wachstum der Weltwirtschaft könnte sich unter der Annahme eines stärker konjunkturstützend ausgerichteten fiskalpolitischen Kurses in den Vereinigten Staaten – mit entsprechenden Nachfrage-Spillover-Effekten auf andere Volkswirtschaften – in den kommenden beiden Jahren etwas beschleunigen, allerdings nur auf rd. 3½% bis 2018 (Tabelle 1.1). Sollte es in den Vereinigten Staaten nicht zu diesen Veränderungen kommen und sollte der geschätzte Effekt der erwarteten fiskalischen Lockerung in China und im Euroraum ausbleiben, würde das globale BIP-Wachstum 2017 um rd. 0,4 Prozentpunkte und 2018 um rd. 0,6 Prozentpunkte schwächer ausfallen als hier unterstellt (Kasten 1.1. und Abb. 1.3). Mit einer noch ungünstigeren Entwicklung wäre zu rechnen, falls restriktive handelspolitische Maßnahmen eingeführt würden; Maßnahmen zur Handelserleichterung würden dem Wachstum hingegen Auftrieb geben (Kasten 1.3). In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften dürften konjunkturstützende makro- ökonomische Maßnahmen und stabile Rohstoffpreise weiterhin die Wirtschaftstätigkeit fördern, für ein stärkeres Wachstum und eine nachhaltige Belebung des Verbrauchs bedarf es jedoch noch eines allgemeinen, dauerhaften Anstiegs des Lohnwachstums und der OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 12
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE Figure 1.2. Economic policy uncertainty remains elevated in a number of economies Policy uncertainty index normalised over 2011-2015, 3-month moving average Global Emerging market economies 3 3 2 2 1 1 0 0 -1 -1 -2 -2 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2011 2012 2013 2014 2015 2016 United States United Kingdom 3 10 2 8 6 1 4 0 2 -1 0 -2 -2 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Note: The emerging market economies measure is a PPP weighted average of news-based policy uncertainty in China, India, Brazil and Russia. The estimates for the United States and the United Kingdom in November are based on daily data available up to November 21. Source: PolicyUncertainty.com; and OECD calculations. 12http://dx.doi.org/10.1787/888933437152 Unternehmensinvestitionen. Im OECD-Durchschnitt dürfte sich das BIP-Wachstum von 1¾% in diesem Jahr auf knapp über 2¼% im Jahr 2018 erhöhen (Abb. 1.4, Teil A). Ohne den fiskalpolitischen Konjunkturimpuls in den Vereinigten Staaten würde das BIP-Wachstum des OECD-Raums 2017-2018 bei durchschnittlich unter 2% pro Jahr liegen, kaum verändert gegenüber 2015-2016. Die Entwicklung in den aufstrebenden Volkswirtschaften dürfte aufgrund von Unterschieden hinsichtlich des Umfangs der konjunkturpolitischen Impulse, der Rohstoffpreissensitivität, der Fortschritte bei der Umsetzung von Strukturreformen und der finanziellen Risiken uneinheitlich verlaufen. Insgesamt wird sich das Wachstum in den kommenden beiden Jahren wohl allmählich beleben, da die Rezession in Brasilien, Russland und anderen Rohstoffförderländern nach und nach abklingt (Abb. 1.4, Teil B). Die entscheidenden Elemente der Projektionen für die großen Volkswirtschaften sind in Kasten 1.2 zusammengefasst. Auch im Kontext konjunkturfördernder Politikmaßnahmen, die ein höheres Wachstum der Weltwirtschaft ermöglichen sollen, bleibt das Wachstum der Welthandelsvolumen, das sich von 2½% im Jahr 2015 auf unter 2% in diesem Jahr verlangsamt hat, ungewöhnlich schwach. In den nächsten beiden Jahren wird nur mit einer bescheidenen Verbesserung gerechnet. Das Handelswachstum dürfte bis 2018 auf rd. 3¼% steigen und so weitgehend dem Wachstum der weltweiten Produktion entsprechen (zu Marktwechselkursen). Damit liegt es deutlich unter den Vergangenheitstrends, was die Vermutung nahelegt, dass der OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 13
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE Table 1.1. The global recovery could gain some steam OECD area, unless noted otherwise Average 2016 2017 2018 2004-2013 2014 2015 2016 2017 2018 Q4 Q4 Q4 Per cent Real GDP growth1 World2 3.9 3.3 3.1 2.9 3.3 3.6 3.2 3.4 3.7 OECD2,7 1.6 1.9 2.1 1.7 2.0 2.3 1.8 2.1 2.3 United States 1.6 2.4 2.6 1.5 2.3 3.0 1.8 2.5 2.9 Euro area7 0.8 1.2 1.5 1.7 1.6 1.7 1.6 1.6 1.7 Japan 0.8 0.0 0.6 0.8 1.0 0.8 1.5 0.8 0.9 Non-OECD2 6.6 4.6 3.8 4.0 4.5 4.6 4.3 4.5 4.7 China 10.3 7.3 6.9 6.7 6.4 6.1 6.8 6.1 6.1 Output gap3 -0.5 -2.1 -1.5 -1.4 -0.9 0.0 Unemployment rate4 7.1 7.4 6.8 6.3 6.1 6.0 6.2 6.1 5.9 Inflation1,5 2.0 1.6 0.7 1.0 1.7 2.1 1.3 1.7 2.3 Fiscal balance6 -4.6 -3.5 -3.0 -3.1 -3.0 -2.9 World real trade growth1 5.3 3.9 2.6 1.9 2.9 3.2 2.1 2.8 3.5 1. Percentage changes; last three columns show the increase over a year earlier. 2. Moving nominal GDP weights, using purchasing power parities. 3. Per cent of potential GDP. 4. Per cent of labour force. 5. Private consumption deflator. 6. Per cent of GDP. 7. With growth in Ireland in 2015 computed using gross value added at constant prices excluding foreign-owned multinational enterprise dominated sectors. Source: OECD Economic Outlook 100 database. 12http://dx.doi.org/10.1787/888933438659 Figure 1.3. Fiscal stimulus is helping to support GDP growth Estimated contribution to annual GDP growth % pts % pts 5.0 5.0 Other forces 4.5 US fiscal effect 4.5 EA fiscal effect 4.0 China fiscal effect 4.0 3.5 3.5 3.0 3.0 2.5 2.5 2.0 2.0 1.5 1.5 1.0 1.0 0.5 0.5 0.0 0.0 World OECD Non-OECD World OECD Non-OECD World OECD Non-OECD 2016 2017 2018 Note: Based on macro-model simulations of an assumed fiscal stimulus in the United States worth ¾ per cent of GDP in 2017 and 1¾ per cent of GDP in 2018; actual and projected fiscal stimulus in China of 1½ per cent of GDP in 2016 and 1% of GDP in both 2017 and 2018; and actual and projected fiscal stimulus in the euro area of 0.4% of GDP in 2016, 0.2% of GDP in 2017 and 0.3% of GDP in 2018. The stimulus in China and the euro area is assumed to be implemented through government final expenditure on consumption. Details of the stimulus in the United States are set out in Box 1.1. Source: OECD Economic Outlook 100 database; and OECD calculations. 12http://dx.doi.org/10.1787/888933437163 OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 14
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE Kasten 1.1 Kurzfristige Auswirkungen fiskalischer Impulse in den Vereinigten Staaten Infolge des Wahlausgangs in den Vereinigten Staaten wird allgemein mit einem spürbaren makroökonomischen Kurswechsel gerechnet. In welchem Umfang die neue Regierung die im Wahlkampf skizzierte Haushaltspolitik tatsächlich umsetzt, wird sich erst später herauskristallisieren, da zur Verabschiedung der erforderlichen Gesetze die Zustimmung des Kongresses benötigt wird und in einigen Bereichen, insbesondere bei den Steuerreformen, u.U. komplexe Gesetzesänderungen notwendig sind. Dennoch ist im Verlauf der nächsten zwei Jahre eine gewisse fiskalpolitische Lockerung zu erwarten, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Wachstumsaussichten und die Inflationsentwicklung in den Vereinigten Staaten und anderen Volkswirtschaften. Das in diesem Kasten beschriebene stilisierte Szenario stellt – unter Verwendung des globalen makro- ökonomischen NiGEM-Modells – illustrative Schätzungen der möglichen kurzfristigen wirtschaftlichen Effekte dar, die aus einer fiskalischen Expansion in den Vereinigten Staaten in der erwarteten und in den Projektionen berücksichtigten Form resultieren könnten. In dem Szenario wurden folgende fiskalpolitische Maßnahmen berücksichtigt: z Eine Ausweitung des Staatskonsums und der staatlichen Investitionstätigkeit um jeweils ¼% des (im Basisszenario unterstellten) BIP in den Jahren 2017 und 2018. z Eine Reform der Einkommensteuer, durch die sich die Steuereinnahmen 2017 und 2018 um rd. ½% des BIP reduzieren. In der Praxis dürfte dies u.a. über eine Verringerung der Zahl der unterschiedlichen Einkommensteuersätze sowie eine geringfügige Senkung der Grenzsteuersätze erfolgen. z Reformen der Unternehmensbesteuerung, durch die sich die Steuereinnahmen 2018 um rd. ¾% des BIP verringern werden. In der Simulation wird unterstellt, dass dies durch eine Reduzierung des effektiven Unternehmensteuersatzes um knapp über 10% gegenüber dem Basisszenario anstatt einer Ausweitung der Bemessungsgrundlage zustande kommt. Da es einige Zeit in Anspruch nehmen wird, die zur Verwirklichung dieser Maßnahmen erforderlichen Gesetze zu verabschieden, wird mit den zusätzlichen Ausgaben ab dem zweiten Quartal 2017 und einer schrittweisen Umsetzung der Steuersenkung für die privaten Haushalte im Jahresverlauf 2017 gerechnet. Die Simulation mit dem NiGEM-Modell wurde vergangenheitsorientiert durchgeführt, da angenommen wird, dass die Unternehmen und privaten Haushalte in einer von erheblicher Unsicherheit geprägten Zeit wahrscheinlich nicht so handeln, als würde über fiskalische Maßnahmen Gewissheit bestehen, bevor sie verabschiedet sind. In den Vereinigten Staaten wurde zugelassen, dass die Geldpolitik endogen bleibt, in anderen Volkswirtschaften aber wurden die Leitzinsen stabil gehalten. Die Haushaltsregel in den Vereinigten Staaten wurde außer Kraft gesetzt, so dass sich durch die zusätzlichen Ausgaben und die Steuersenkungen zunächst das Haushaltsdefizit erhöht. Insgesamt steigern die fiskalpolitischen Maßnahmen das BIP-Wachstum in den Vereinigten Staaten im Kalenderjahr 2017 um rd. 0,4 Prozentpunkte und 2018 um knapp über 0,8 Prozentpunkte (vgl. erste Abbildung). Die Unternehmensinvestitionen wachsen relativ schnell und liegen 2018 rd. 5½% über dem Basisszenario, wodurch sich das Produktionspotenzial ausweitet. Die Arbeitslosenquote nimmt weiter ab (um knapp unter ½ Prozentpunkt bis 2018) und es treten erste Anzeichen eines Ressourcendrucks auf, mit einem Anstieg der Verbraucherpreisinflation um 0,1 Prozentpunkte im Jahr 2017 und 0,4 Prozentpunkte 2018. Das im Verhältnis zum Potenzial stärkere Wachstum und die höhere Inflation bewirken eine Anhebung der Leitzinsen, die sich gegenüber dem sehr niedrigen im Basisszenario unterstellten Niveau 2017 um ¼ Prozentpunkt und 2018 um ¾ Prozentpunkte erhöhen. Dies trägt zu einem Anstieg der langfristigen Zinssätze bei, die 2018 rd. 40 Basispunkte über dem Basisszenario liegen. Die kräftigere Endnachfrage in den Vereinigten Staaten kurbelt auch das Importwachstum an und sorgt dafür, dass die Importvolumen 2018 rd. 3% über dem Wert aus dem Basisszenario liegen. Dies bewirkt leicht positive Spillover-Effekte auf andere Volkswirtschaften (vgl. erste Abbildung), insbesondere Kanada und Mexiko (vorausgesetzt, es werden keine gegenläufigen handelspolitischen Maßnahmen ergriffen). Insgesamt wird durch die Konjunkturmaßnahmen das weltweite BIP-Wachstum 2017 um rd. 0,1 Prozentpunkte und 2018 um 0,3 Prozentpunkte gesteigert, während sich das Welthandelswachstum in den Jahren 2017 und 2018 um ¼ Prozentpunkt bzw. ½ Prozentpunkt erhöht. Ohne die fiskalischen Impulse in den Vereinigten Staaten wäre 2018 in den meisten Ländern ein weitgehend vergleichbares BIP-Wachstum wie 2017 zu erwarten (vgl. zweite Abbildung). (Fortsetzung nächste Seite) OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 15
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE (Fortsetzung) Der anfängliche Ex-ante-Anstieg des US-Haushaltsdefizits aufgrund der höheren Ausgaben und niedrigeren Steuern wird zum Teil durch die positiven fiskalischen Effekte einer stärkeren gesamtwirtschaftlichen Aktivität kompensiert, so dass sich der tatsächliche Defizitanstieg gegenüber dem Basisszenario auf ungefähr ½% des BIP im Jahr 2017 und 1½% des BIP im Jahr 2018 beläuft, verglichen mit dem entsprechenden Ex-ante-Defizitanstieg von ¾% des BIP 2017 und 1¾% des BIP 2018. Trotz der höheren Defizitquote und des Renditeanstiegs bei langfristigen Staatsanleihen verringert sich die Staatsschuldenquote der Vereinigten Staaten in beiden Jahren geringfügig (um rd. ½% des BIP im Jahr 2018). Dies ist dadurch bedingt, dass der positive Effekt des Anstiegs des (nominalen) BIP auf die im Verhältnis zum BIP gemessene Staatsschuldenquote den Effekt des höheren Haushaltsdefizits auf kurze Sicht überkompensiert. The near-term GDP growth impact of a stylised US fiscal stimulus Difference from baseline % pts % pts 0.9 0.9 2017 0.8 2018 0.8 0.7 0.7 0.6 0.6 0.5 0.5 0.4 0.4 0.3 0.3 0.2 0.2 0.1 0.1 0.0 0.0 United States World Japan United Kingdom Canada Mexico Euro area China Source: OECD Economic Outlook 100 database; and OECD calculations. 12http://dx.doi.org/10.1787/888933437091 The contribution of US fiscal stimulus to projected GDP growth A. GDP growth in 2017 B. GDP growth in 2018 % pts % pts 5 5 Other forces US fiscal effect 4 4 3 3 2 2 1 1 0 0 World Other OECD World Other OECD United States non-OECD United States non-OECD Source: OECD Economic Outlook 100 database; and OECD calculations. 12http://dx.doi.org/10.1787/888933437108 (Fortsetzung nächste Seite) OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 16
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE (Fortsetzung) Es gibt eine Reihe von Faktoren, durch die sich die in dieser Analyse beschriebenen anfänglichen Output- Effekte der fiskalischen Impulse ändern könnten: z Einige der vorgesehenen fiskalpolitischen Maßnahmen, insbesondere Änderungen bei der Unternehmensbesteuerung, dürften dauerhaft sein, was längerfristige Auswirkungen auf die zukünftige Entwicklung der Haushaltsdefizite und der Staatsverschuldung mit sich bringt. Das Wissen, dass diese in Zukunft möglicherweise entweder durch höhere Steuern oder niedrigere Ausgaben ausgeglichen werden müssen, könnte die kurzfristige Nachfragereaktion des privaten Sektors auf die fiskalischen Impulse dämpfen. Die Konjunkturmaßnahmen könnten das Produktionspotenzial auf längere Sicht steigern und dadurch zur Tragfähigkeit der Staatsverschuldung beitragen, insbesondere wenn die Unternehmen auf die niedrigeren Unternehmensteuern nicht mit einer Erhöhung ihrer Dividenden oder Finanzinvestitionen reagieren, sondern mit einer beständigen Ausweitung ihrer Anlageinvestitionen; in welchem Ausmaß dies eintreten wird, ist jedoch sehr unsicher. z In der Praxis wird der Umfang, in dem die Steuersenkungen die Nachfrage stützen, sowohl von verteilungspolitischen Fragen als auch von der Größenordnung abhängen, in der die Staatseinnahmen insgesamt verringert werden. Wenn Haushalte mit höheren Einkommen oder liquiditätsstarke Unternehmen niedrigere Steuern zahlen müssen, könnten sie ihre daraus resultierenden zusätzlichen Erträge u.U. zur Ersparnisbildung verwenden, anstatt ihre Konsum- bzw. Investitionsausgaben zu erhöhen. z Eine aggressivere geldpolitische Reaktion in den Vereinigten Staaten sowie eine damit einhergehende stärkere Aufwertung des US-Dollar würden die kurzfristigen Wachstumseffekte in den Vereinigten Staaten ebenfalls dämpfen. Allerdings könnte in diesem Fall in anderen Volkswirtschaften, deren Währungen abwerten, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stärker anziehen, sofern sich dadurch nicht die Volatilität an den Finanzmärkten erhöht. Ein stärkerer Anstieg der Laufzeitprämien auf langfristige Staatsanleihen aufgrund der für die Zukunft erwarteten höheren Staatsverschuldung würde die Reaktion auf die fiskalischen Impulse ebenfalls schwächen. z Wenn aber durch die Konjunkturmaßnahmen zahlreiche entmutigte Arbeitskräfte zur Rückkehr an den Arbeitsmarkt bewegt werden oder wenn die Investitionsreaktion der Unternehmen noch deutlicher ausfällt als hier unterstellt, könnte das Produktionspotenzial stärker zunehmen. Dies würde das Entstehen von Inflationsdruck unterbinden und die Notwendigkeit von Leitzinserhöhungen in den Vereinigten Staaten verringern. Prozess der Globalisierung – gemessen an der Handelsintensität – so gut wie zum Stillstand gekommen ist (Abb. 1.5). Besonders schwach ist das Wachstum der Einfuhrvolumen in den Schwellen- und Entwicklungsländern, selbst bei Ausklammerung der anhaltenden Abnahme der Importquote in China1. OECD-Analysen deuten darauf hin, dass ein Großteil der in den letzten fünf Jahren verzeichneten Abschwächung des Handelswachstums strukturellen Faktoren zuzuschreiben ist, wie einer Verlangsamung des Prozesses der Handelsliberalisierung, neuen protektionistischen Maßnahmen, die seit der Krise eingeführt wurden, sowie einer Kontraktion der globalen Wertschöpfungsketten (vor allem in China und Ostasien) (Haugh et al., 2016). Konjunkturelle Faktoren, darunter die schwere Rezession in einigen Rohstoffförderländern sowie die allgemeine Anlageinvestitionsschwäche, verstärken die strukturellen Probleme. Wenn es mit den bereits umgesetzten und den vorgeschlagenen fiskalischen Initiativen, u.a. im Bereich der Infrastrukturinvestitionen, gelingt, die Unternehmensinvestitionen anzukurbeln, könnte das Wachstum des Welthandels stärker ausfallen als derzeit erwartet. Maßnahmen zur Reduzierung der weltweiten Handelskosten hätten zusätzliche positive Effekte (Kasten 1.3). Würden hingegen in den kommenden beiden Jahren in den großen Volkswirtschaften weitere protektionistische Maßnahmen eingeführt, würde das Welthandelswachstum noch schwächer ausfallen, was negative Auswirkungen auf das Produktivitätswachstum hätte. OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 17
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE Figure 1.4. GDP growth projections for the major economies Year-on-year percentage changes A. Real GDP growth in the OECD B. Real GDP growth in the non-OECD % % 3.5 10 2015 2017 2016 2018 3.0 8 2.5 6 2.0 4 1.5 2 1.0 0 0.5 -2 0.0 -4 OECD¹ Euro area¹ non-OECD India² Brazil United States Japan China Russia Indonesia Note: Horizontal lines show the average annual growth rate of GDP in the period 1987-2007. Data for Russia are for the average annual growth rate in the period 1994-2007. 1. With growth in Ireland in 2015 computed using gross value added at constant prices excluding foreign-owned multinational enterprise dominated sectors. 2. Fiscal years. Source: OECD Economic Outlook 100 database. 12http://dx.doi.org/10.1787/888933437172 Kasten 1.2 Wachstums- und Inflationsprojektionen für die großen Volkswirtschaften In den Vereinigten Staaten hat sich das BIP-Wachstum im zweiten Halbjahr 2016 belebt, was einer weiterhin robusten Expansion von Verbrauch und Beschäftigung sowie einem Nachlassen der von den sinkenden Investitionen im Energiesektor ausgehenden Belastungen zu verdanken war. Die Binnennachfrage und insbesondere die Unternehmensinvestitionen werden den Projektionen zufolge in den kommenden zwei Jahren durch eine unterstellte fiskalische Lockerung in Form von höheren Staatsausgaben und Steuersenkungen für private Haushalte und Unternehmen zusätzliche Impulse erhalten, auch wenn die langfristigen Zinsen etwas steigen werden. In diesem Szenario wird sich das BIP-Wachstum 2017-2018 bei durchschnittlich knapp über 2½% jährlich bewegen. Sollten die unterstellten zusätzlichen Maßnahmen ausbleiben, würde es im Durchschnitt der Jahre 2017-2018 vermutlich näher bei 2% liegen (Kasten 1.1). In Japan dürfte das BIP-Wachstum mit ¾-1% jährlich im Zeitraum 2017-2018 verhalten bleiben, wobei die Effekte der vorherigen Yen-Aufwertung und der Handelsschwäche im asiatischen Raum nachlassen und die Exporte auf die stärkere Importnachfrage der Vereinigten Staaten reagieren. Eine unterstellte leichte Lockerung der Fiskalpolitik wird der Konjunktur nächstes Jahr etwas Auftrieb geben, 2018 dürften die fiskalischen Belastungen aber wieder zunehmen. Die entscheidende Frage ist daher, inwieweit sich die Kapazitäts- und Arbeitskräfteengpässe sowie die hohen Gewinne in höheren Unternehmensausgaben und Löhnen niederschlagen werden. Im Euroraum dürfte das Wachstum zwischen 1½% und 1¾% jährlich verharren. Trotz der akkommodierenden Geldpolitik und einer leichten Lockerung der Fiskalpolitik im Verlauf von 2016-2018 bleibt die Binnennachfrage verhalten, da sie durch eine schwache Investitionstätigkeit, eine nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit und hohe Bestände an notleidenden Kredite, in einigen Ländern gebremst wird. Die Exporte werden von einer stärkeren Importnachfrage der Vereinigten Staaten profitieren. Allerdings dürften in den nächsten beiden Jahren auch die negativen Effekte eines schwächeren Nachfragewachstums im Vereinigten Königreich sowie der Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Europäischen Union zum Tragen kommen. Durch eine robustere Nutzung fiskalischer Spielräume würden sich die Aussichten sowohl für die EU als auch für den Rest der Welt verbessern und könnte auf eine dauerhafte Überwindung der Wachstumsschwäche hingewirkt werden. (Fortsetzung nächste Seite) OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 18
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE (Fortsetzung) Die Aussichten für das Vereinigte Königreich sind deutlich ungünstiger als vor der Entscheidung für den EU-Austritt, und das BIP-Wachstum wird den Projektionen zufolge 2017-2018 zwischen 1% und 1¼% jährlich liegen – trotz der zusätzlichen Unterstützung durch eine stärker akkommodierend ausgerichtete Geldpolitik sowie der Verringerung der umfangreichen für 2017 und 2018 geplanten fiskalischen Straffung. Die Unsicherheit über die künftigen politischen Weichenstellungen, die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union und die Reaktion der Wirtschaft ist nach wie vor groß, und sie wird wohl auch noch nach dem Austritt aus der EU, mit dem für 2019 gerechnet wird, und dem Abschluss von Handelsabkommen nach dem Meistbegünstigungsprinzip anhalten. Dies wird die Unternehmensinvestitionen belasten, die in den kommenden zwei Jahren drastisch zurückgehen dürften. Die starke Abwertung des Pfund wird der Exportwirtschaft zwar Impulse verleihen, sie wird aber auch die Inflation erhöhen und das Wachstum der Realeinkommen bremsen1. Die Übergreifeffekte auf die Weltwirtschaft dürften sich im Verlauf der nächsten beiden Jahre bemerkbar machen. Für China wird angesichts der nachlassenden Konjunkturimpulse und der kontinuierlichen Umschichtung der Nachfrage in Richtung Binnenwirtschaft mit einer weiteren Abschwächung des Wachstums auf rd. 6¼% im Durchschnitt der Jahre 2017-2018 gerechnet. Die Bewältigung dieses Umschichtungsprozesses sowie der Risiken im Finanzsystem bleibt dabei eine entscheidende Herausforderung. In Indien dürften der starke Anstieg der Löhne im öffentlichen Sektor und die wichtigen vor kurzem verabschiedeten Strukturreformen – vor allem die Einführung der Waren- und Dienstleistungsteuer (GST) – dazu beitragen, dass das BIP-Wachstum etwas über 7½% verharren kann, da sich damit die Anreize für Unternehmensinvestitionen erhöhen. In vielen anderen asiatischen Volkswirtschaften, darunter Indonesien, setzt sich das kräftige Wachstum der Binnennachfrage fort, das durch hohe staatliche Infrastrukturinvestitionen bzw. eine Expansion der Kredite unterstützt wird, wodurch die von der schwachen Entwicklung des Handels mit China ausgehende Bremswirkung ausgeglichen wird. In Brasilien und der Russischen Föderation wird für die nächsten beiden Jahre mit einer langsamen Erholung gerechnet, die durch höhere Rohstoffpreise, ein seit kurzem wieder steigendes Vertrauen sowie konjunkturstützende geldpolitische Maßnahmen vor dem Hintergrund einer sinkenden Inflation begünstigt wird. Vor dem Hintergrund eines gedämpften Wachstums der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage dürfte der Inflationsdruck in den meisten Ländern verhalten bleiben. Die Gesamtinflation auf der Verbraucherstufe beginnt in den wichtigsten fortgeschrittenen Volkswirtschaften zuzunehmen, dies ist aber großenteils dem jüngsten Anstieg der Rohstoffpreise zuzuschreiben. Die Produktionsgüterpreise ziehen in vielen aufstrebenden Volkswirtschaften ebenfalls an, vor allem in China, wo die Inflation auf der Erzeugerstufe zum ersten Mal seit über vier Jahren wieder positiv ist. Die Kerninflation verharrt vergleichsweise stabil auf niedrigem Niveau, was sich aus den anhaltenden Kapazitätsüberhängen sowie dem geringen globalen Inflationsdruck erklärt, vor allem in Japan, wo im vergangenen Zwölfmonatszeitraum eine erhebliche effektive Währungsaufwertung verzeichnet wurde. Sofern es nicht zu weiteren deutlichen Veränderungen der Rohstoffpreise, Wechselkurse und Inflations- erwartungen kommt, wird die Kerninflation unter dem Einfluss sinkender Kapazitätsüberhänge in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften in den kommenden zwei Jahren wohl allmählich zunehmen, allerdings nur soweit die Kapazitätsüberhänge konjunkturbereinigt abnehmen. Sollte sich die Nachfrage erholen, käme es infolge von Investitionen sowie der Rückkehr entmutigter Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt zu einem tendenziellen Angebotsanstieg, womit sich der Druck auf die Ressourcen verringern würde. In den Vereinigten Staaten dürfte die Inflation in der zweiten Jahreshälfte 2018 bei rd. 2½% liegen, falls es zu den unterstellten fiskalischen Impulsen kommt, in Japan und im Euroraum wird sie aber voraussichtlich unter 1¼% bzw. 1½% verharren. Was die großen aufstrebenden Volkswirtschaften anbelangt, so wird der Verbraucherpreisauftrieb in China wohl gering bleiben, während er in Brasilien und der Russischen Föderation unter dem Einfluss der Stabilisierung der Wechselkurse langsam nachlassen dürfte. Auch in Indien dürfte sich der Inflationsdruck weiterhin in Grenzen halten, obwohl die Waren- und Dienstleistungsteuer zu einem einmaligen Anstieg des Preisniveaus führen könnte. 1. Insgesamt decken sich diese Projektionen weitgehend mit den von der OECD vor dem Referendum aufgestellten Szenarien (Kierzenkowski et al., 2016). In diesen Szenarien wurde im Fall eines EU-Austritts im Jahr 2019 mit einer Abnahme des BIP des Vereinigten Königreichs auf nähere Sicht um über 3% gegenüber dem Basisansatz bis 2020 gerechnet. OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 19
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE Figure 1.5. Global trade is very weak relative to historic norms Ratio of global trade growth to global GDP growth 2.4 2.4 Average 1986-2007 = 2.14 2.2 2.2 2.0 2.0 Average 1970-2015 = 1.8 1.8 1.8 1.6 1.6 1.4 1.4 1.2 1.2 1.0 1.0 0.8 0.8 0.6 0.6 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Note: World trade volumes for goods plus services; global GDP at constant prices and market exchange rates. Period averages are the ratio of average annual world trade growth to average annual GDP growth in the period shown. Source: OECD Economic Outlook 100 database; and OECD calculations. 12http://dx.doi.org/10.1787/888933437181 Kasten 1.3 Der Effekt von Veränderungen der weltweiten Handelskosten Die Verlangsamung des Welthandelswachstums trägt zu der derzeit zu beobachtenden anhaltenden Wachstumsschwäche bei. Handel erhöht den Wettbewerbsdruck, ermöglicht eine stärkere Spezialisierung und bessere Ressourcenallokation, erleichtert den Wissenstransfer und ist Voraussetzung für gut funktionierende globale Wertschöpfungsketten. Daher haben Maßnahmen, die sich auf den Handel auswirken, Konsequenzen für die gesamtwirtschaftliche Produktion und die Produktivität. Angesichts der zunehmenden Aufspaltung des Produktionsprozesses auf verschiedene Länder (bei der Vorleistungen u.U. mehrmals die Landesgrenzen überqueren) können kleine Veränderungen der Handelskosten aufgrund ihres kumulativen Effekts erhebliche Auswirkungen auf den Handel haben. Deshalb sind handelsbezogene Maßnahmen ein entscheidendes Element von Strategien zur Überwindung der anhaltenden Wachstumsschwäche. Anhand stilisierter Szenarien soll hier der Nutzen bescheidener Handelsförderungsmaßnahmen im Vergleich zu den Kosten von Maßnahmen aufgezeigt werden, mit denen Sand ins Getriebe der globalen Wertschöpfungsketten gestreut würde. In einem ersten Szenario wird der Effekt verbesserter Handelserleichterungsvereinbarungen betrachtet, die das Tempo und die Effizienz der Grenzverfahren in allen Volkswirtschaften steigern. Dabei wird unterstellt, dass die Handelskosten in allen Sektoren und allen Ländern einheitlich um 1,3% sinken. Die zugrunde gelegte Kostensenkung beruht auf den OECD-Indikatoren für Handelserleichterungen (Moisë, 2013)1. Nach dem METRO-Modell der OECD (2015a) würde diese Kostensenkung zu einer Erhöhung des weltweiten BIP um rd. 1,5% und des Welthandels um 1,7% führen. Dieser Effekt würde sich nicht sofort einstellen, sondern erst nach der kompletten Anpassung von Nachfrage und Produktionsfaktoren, die allerdings z.T. noch vor Ende des Betrachtungszeitraums dieses Wirtschaftsausblicks abgeschlossen sein könnte. Infolge von Effizienzsteigerungen, die aus den gesunkenen Kosten der Bedienung von Auslandsmärkten resultieren, würden über mehrere Jahre hinweg Produktivitätssteigerungen erzielt. Dies könnte zudem mit einem positiven, wenn auch nur geringem Wachstum der langfristigen Gesamtfaktorproduktivität einhergehen, die der stärkeren Handelsöffnung geschuldet wäre. (Fortsetzung nächste Seite) OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 20
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE (Fortsetzung) In einem zweiten Szenario wird demgegenüber der potenzielle Effekt stärkerer Handelsbeschränkungen in den größten im Welthandel aktiven Volkswirtschaften – Europa, Vereinigte Staaten und China – untersucht. Dabei wird unterstellt, dass diese Wirtschaftsräume die Kosten des Handels mit allen Waren (nicht aber Dienstleistungen) für alle Handelspartner um 10 Prozentpunkte erhöhen. Dies entspricht in etwa einer durchschnittlichen Anhebung der Zolltarife auf das Niveau der Meistbegünstigungstarife im Jahr 2001, dem Jahr, in dem die Verhandlungen im Rahmen der DOHA-Entwicklungsrunde begannen. Eine solche Erhöhung hätte einen erheblichen negativen Effekt auf Handel und BIP, der sich auf diejenigen Länder am stärksten auswirken würde, die die neuen Handelsschranken eingeführt haben (vgl. erste Abbildung). The effect of increased trade costs in the United States, China and Europe % % 0 0 -5 -5 -10 -10 GDP Imports Exports -15 -15 United States China Europe Rest of the world World Note: Effect of a rise in trade protection by the United States, China and European Union which raises trade costs by 10 percentage points. Europe includes the European Union, Switzerland and Norway. Trade results for Europe exclude intra-European trade. Simulation results on GDP and trade are from the OECD’s METRO model, a global computable general equilibrium model of trade with a high degree of sectoral disaggregation (OECD 2015a). Source: OECD calculations. 12http://dx.doi.org/10.1787/888933437111 Die hier gewählte Größenordnung der Veränderung des Grads der Handelsprotektion hat rein illustrativen Charakter, weniger starke oder im Gegenteil stärkere Veränderungen dürften entsprechend geringere oder größere makroökonomische Auswirkungen haben, allerdings sind einige negative Effekte hier möglicherweise nicht erfasst. Würden beispielsweise andere Länder auf die Erhöhungen der Handelsbeschränkungen antworten, indem sie ebenfalls ihre Handelsschranken anheben, könnte es zu zusätzlichen negativen Effekten infolge von Beeinträchtigungen der globalen Wertschöpfungsketten kommen. Zudem würde die durch protektionistische handelspolitische Maßnahmen entstehende Unsicherheit wahrscheinlich zu einer Verlangsamung der Investitionstätigkeit führen, die weitere Einkommens- und Produktivitätsrückgänge nach sich zöge. In einem letzten Szenario soll der positive Effekt einer Verstärkung der Handelsöffnung auf das Produktivitätswachstum isoliert werden. Wenn die weltweite sowie die OECD-weite Handelsintensität dank gemeinsamer handelspolitischer Anstrengungen mit dem Tempo steigen würde, das im Durchschnitt der zwanzig Jahre vor der Krise verzeichnet wurde, anstatt weitgehend unverändert zu bleiben, könnte das Wachstum der Gesamtfaktorproduktivität unter Zugrundelegung von Schätzungen zum Zusammenhang zwischen Handelsöffnung und Produktivitätswachstum in Égert und Gal (2016) auf mittlere Sicht um 0,2 Prozentpunkte pro Jahr gesteigert werden. Dadurch würde sich das jährliche Wachstum der Gesamtfaktorproduktivität in den OECD-Volkswirtschaften um ein Drittel erhöhen (vgl. zweite Abbildung). (Fortsetzung nächste Seite) OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 21
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE (Fortsetzung) Raising trade intensity would boost productivity growth A. World trade intensity B. OECD annual productivity growth % of GDP % 80 1.0 Average 1986-2007 0.9 70 Raising 0.8 trade intensity 0.2% pts 0.7 60 gain 0.6 50 0.5 0.4 40 0.3 0.2 30 0.1 20 0.0 1980 1990 2000 2010 2020 Average 1998-2007 2025 Average 2008-2015 Note: Scenario in which world and OECD trade intensity (exports plus imports as a share of GDP at market exchange rates) increases by 1.3 percentage points per annum (the average over 1986-2007) from 2017 onwards. Source: Haugh et al. (2016), “Cardiac Arrest or Dizzy Spell: Why is World Trade So Weak and What can Policy Do About It?”, OECD Economic Policy Papers, No. 18; and OECD calculations. 12http://dx.doi.org/10.1787/888933437128 1. Wegen Einzelheiten zu den OECD-Indikatoren für Handelserleichterungen vgl. auch www.oecd.org/tad/facilitation/indicators.htm. Wie kann die Fiskalpolitik zur Überwindung der Wachstumsschwäche beitragen? Das schwache Wachstum bremst die Investitionstätigkeit und die Produktivität Die anhaltende Nachfrageschwäche schlägt sich zunehmend in nachteiligen angebotsseitigen Entwicklungen nieder, was die längerfristige Kapazität einer Volkswirtschaft untergräbt, höhere Lebensstandards für ihre Bürger zu schaffen. Die Schätzungen des Wachstums des Pro-Kopf-Produktionspotenzials wurden in der Zeit nach der Krise wiederholt nach unten revidiert, was neben demografischen Effekten in einigen Ländern durch eine Verlangsamung des trendmäßigen Arbeitsproduktivitätswachstums infolge der schwachen Investitionstätigkeit und des langsameren Wachstums der Gesamtfaktorproduktivität bedingt ist (Ollivaud et al., 2016). Für den OECD-Raum insgesamt wird das Wachstum des Pro-Kopf-Produktionspotenzials für den Zeitraum 2016-2018 mit 0,9% angesetzt, d.h. es ist gegenüber der durchschnittlichen Wachstumsrate seit 2009 unverändert geblieben, was aber 1¼ Prozentpunkte weniger ist als der in den 1980er und 1990er Jahren erreichte Durchschnitt. Das Wachstum des Pro-Kopf-Produktionspotenzials wurde in den BRIICS in den letzten Jahren ebenfalls nach unten revidiert, und zwar seit 2011 um über 1¾ Prozentpunkte in China und um 1 Prozentpunkt in den übrigen Volkswirtschaften. Weitere Belege für die längerfristigen Auswirkungen des anhaltend schwachen Nachfragewachstums werden durch den in den Konsensprognosen unterstellten Rückgang des erwarteten langfristigen BIP-Wachstums in nahezu allen Volkswirtschaften während der letzten fünf Jahre geliefert (Abb. 1.6)2. Die Erwartungen des künftigen Investitionswachstums sind besonders drastisch gesunken3. Der Rückgang des erwarteten BIP-Wachstums war in der Regel in den Volkswirtschaften stärker ausgeprägt, in denen das tatsächliche BIP- OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 22
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE Figure 1.6. Long-term GDP growth expectations have declined over the past five years India Indonesia China World United Kingdom United States Canada OECD Expected annual growth 2017-2026, % Euro area Brazil Revision, % pts Japan Russia -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Note: The revision is the difference between April 2011 projections of average annual GDP growth over 2012-2021 and April 2016 projections of average annual GDP growth over 2017-2026. OECD and World estimates based on weighted average of available countries, using 2015 PPP shares. Source: Consensus Forecasts; and OECD calculations. 12http://dx.doi.org/10.1787/888933437197 Wachstum in den letzten Jahren hinter den Erwartungen zurückblieb, was mit dem Ergebnis im Einklang steht, das in einer Situation, in der die Wirtschaft in einer Falle sich verstetigender niedriger Wachstumsraten gefangen scheint, zu erwarten gewesen wäre (Abb. 1.7). Ohne Politikmaßnahmen zur Stärkung der Nachfrage und der längerfristigen Wachstumsaussichten wird sich diese Falle wahrscheinlich vertiefen, was negative längerfristige Folgen für Beschäfti- gung, Einkommen und Inklusivität nach sich zieht. Eine wirksame Fiskalpolitik, die jetzt im Zeitfenster der Niedrigzinsen und in Kombination mit landesspezifischen struktur- und handelspolitischen Maßnahmen durchgeführt wird, könnte hingegen die Erwartungen verändern, und damit positive Rückkopplungseffekte zwischen den Erwartungen und dem tatsächlichen BIP-Wachstum auslösen. Die seit der Krise festzustellende anhaltende Schwäche der Kapitalakkumulation ist weitgehend auf die schwache Inlands- und Weltnachfrage, die größere Unsicherheit und die finanziellen Engpässe zurückzuführen, die in manchen Volkswirtschaften durch die angeschlagenen Bankensektoren entstanden sind (OECD, 2015b). Die Haushaltskonsolidierung hat zudem neue Infrastrukturinvestitionen und Investitionen in Erhalt und Wartung bestehender Infrastrukturen in vielen Ländern behindert. Der Rückgang des erwarteten künftigen Wachstums hat darüber hinaus die Anreize verringert, zu gegebenen Kapitalkosten Investitionen zu tätigen4. Für die kommenden zwei Jahre wird nur eine geringfügige Verbesserung erwartet, wobei das OECD-weite gesamtwirtschaftliche Wachstum der von den Unternehmen getätigten Anlageinvestitionen im Zeitraum 2017-2018 um etwas über 2½% jährlich steigen dürfte, gegenüber rd. ¾% jährlich im Zeitraum 2015-2016. Die Belebung der Investitionstätigkeit fällt in den Vereinigten Staaten kräftiger aus als in den anderen Ländern, was auf niedrigere Kapitalkosten infolge der unterstellten Senkung der Unternehmensteuern zurückzuführen ist. Im OECD-Raum, ohne die Vereinigten Staaten, dürften die Unternehmensinvestitionen in den nächsten zwei Jahren um weniger als 1½% pro Jahr steigen. Die Abschwächung des Wachstums der Gesamtfaktorproduktivität fand in einem Zeitraum statt, in dem sich der Abstand zwischen den global produktivitätsstarken und -schwachen Unter- nehmen vergrößert hat, was auf eine Verlangsamung des Tempos hindeutet, in dem neue OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 23
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE Figure 1.7. Growth expectations have fallen in countries with past growth shortfalls Revisions to expected GDP growth over 2017-21 1.0 1.0 0.5 0.5 0.0 0.0 % pts per annum -0.5 -0.5 -1.0 -1.0 -1.5 -1.5 -2.0 -2.0 -2.5 -2.5 -3.0 -3.0 -4.0 -3.5 -3.0 -2.5 -2.0 -1.5 -1.0 -0.5 0.0 Difference actual GDP growth and expected growth 2011-15 % pts per annum Note: Series shown are the difference between April 2016 and April 2011 consensus projections of average annual GDP growth over 2017- 2021 and the difference between average annual GDP growth over 2011-2015 and April 2011 consensus projections of average annual GDP growth over the same period. Source: Consensus Forecasts; IMF; and OECD calculations. 12http://dx.doi.org/10.1787/888933437200 Innovationen verbreitet werden. Unternehmen, die an der globalen Produktivitätsgrenze operie- ren, waren selbst nach der Krise weiter innovativ (Andrews et al., 2016; Abb. 1.8), obgleich es einige Anzeichen dafür gibt, dass ihre Produktivitätszuwachsraten nachzulassen begonnen haben. Im Gegensatz dazu fiel das Produktivitätswachstum in Unternehmen, die die Produktivitätsgrenze nicht erreicht haben, sehr schwach aus5. Geringe Kapitalinvestitionen, die Handelsverlangsamung und weniger Ehrgeiz in der Strukturpolitik haben dazu beigetragen, dass sich die Verbreitung neuer Technologien, die in neuen Ausrüstungen enthalten sind, verlangsamt hat. Strukturpolitische Maßnahmen zur Stärkung der Produktmarktdynamik und des Wett- bewerbsdrucks könnten zur Erhöhung der Anreize beitragen, neue Unternehmen zu gründen, Wachstumsinvestitionen vorzunehmen sowie in neue Technologien zu investieren und sie zu verbreiten (Alesina et al., 2005; OECD, 2015b; Adalet McGowan et al., 2015; Andrews et al., 2016). Die sehr akkommodierende Geldpolitik und der auf den Geschäftsmodellen der Finanzinstitute lastende Druck (siehe weiter unten) könnten zudem eine Ausweitung der Forbearance-Maßnahmen der Banken nach sich ziehen. Dadurch könnten einige vom Zusammenbruch bedrohte Unternehmen am Markt gehalten werden, was die Reallokation der Ressourcen in produktivere Aktivitäten behindern würde (Adalet McGowan et al., 2016). Gleichzeitig hielten sich Produktmarktreformen in vielen Sektoren, vor allem im Einzelhandel und bei den freiberuflichen Dienstleistungen, in Grenzen. Bedeutsame neue Produktmarktreformen könnten selbst auf kurze Sicht den Investitionen erheblichen Auftrieb geben. Daten auf Unternehmensebene in Gal und Hijzen (2016) deuten darauf hin, dass umfassende Produktmarktreformen zum Abbau regulierungsbedingter Hemmnisse die Investitionen nach zwei Jahren um rd. 4% erhöhen können, wobei die größten Vorteile in den Netzindustrien und im Einzelhandel entstehen und von Unternehmen ausgehen, die keinen hohen Verschuldungsgrad aufweisen6. Maßnahmen, die das Matching von Kompetenzen und Arbeitsplätzen verbessern und gewährleisten, dass Kompetenzen in vollem Umfang genutzt werden, könnten die Produktivität ebenfalls steigern, indem sie einen wirksamen Einsatz neuer Innovationen und Technologien ermöglichen (OECD, 2016a). OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 24
1. GESAMTBEURTEILUNG DER WIRTSCHAFTSLAGE Figure 1.8. A widening labour productivity gap between global frontier firms and other firms Labour productivity: value added per worker, 2001-2013 Frontier Laggards A. Manufacturing B. Services 0.5 0.5 0.4 0.4 0.3 0.3 0.2 0.2 0.1 0.1 0.0 0.0 -0.1 -0.1 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2002 2004 2006 2008 2010 2012 Note: The global frontier is measured by the average of log labour productivity for the top 5% of companies with the highest productivity levels within each 2-digit industry. Laggards capture the average log productivity of all the other firms. Unweighted averages across 2- digit industries are shown for manufacturing and services, normalised to 0 in the starting year. The time period is 2001-2013. The vertical axes represent log-differences from the starting year: for instance, the frontier in manufacturing has a value of about 0.3 in the final year, which corresponds to approximately 30% higher productivity in 2013 compared to 2001. Services refer to non-financial business sector services. Calculations based on the recent update of the OECD-Orbis productivity database (Gal, 2013). Source: Andrews et al. (2016), “The global productivity slowdown, technology divergence and public policy: A firm level perspective” Brookings Institution Hutchins Center Working Paper, No. 24. 12http://dx.doi.org/10.1787/888933437213 Die Niedrigwachstumsfalle begrenzt die Expansion des Verbrauchs Die Erholung von der Krise verlief nicht nur schleppend, auch ihre Qualität war enttäuschend. Das Wachstum in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften war unausgewogen, sowohl im Hinblick auf die Entwicklungen in den einzelnen Volkswirtschaften als auch im Hinblick auf die Zusammensetzung der Ausgaben. Die Konsumausgaben und Anlageinvestitionen waren beständig schwächer als in früheren Erholungen von Rezessionen, die Investitionen konnten aber im Gegensatz zu früheren Erholungen nicht einmal mit dem moderaten Anstieg des Verbrauchs Schritt halten (Abb. 1.9). Auf kurze Sicht kann die leichte Zunahme der Nachfrage der privaten Haushalte durch bereits existierende Kapazitäten gedeckt werden, dies kann jedoch nicht auf unbegrenzte Zeit fortgesetzt werden, ohne dass Ungleichgewichte, Ungleichheiten und Risiken entstehen. Durchgreifendere Politikmaßnahmen zur Stützung der Endnachfrage sind erforderlich, um solchen Resultaten entgegenzuwirken. In den zwanzig Jahren vor der Krise stiegen die OECD-weiten Konsumausgaben mit einer durchschnittlichen Jahresrate von knapp unter 3%, während die Sparquote der privaten Haushalte zwischen 1987 und 2007 um über 5½ Prozentpunkte sank. Infolge der Finanzkrise und der langsamen Erholung ist es zu einer Umkehr dieser Trends gekommen, wobei die Konsumausgaben im Zeitraum 2008-2015 im Durchschnitt um knapp über 1% pro Jahr stiegen und sich die Sparquote der privaten Haushalte um rd. 1½ Prozentpunkte erhöhte7. Für die kommenden zwei Jahre werden nur geringfügige Veränderungen projiziert, wobei die OECD-weiten Konsumausgaben im Zeitraum 2017-2018 um etwas über 2% pro Jahr ansteigen und die Sparquote der privaten Haushalte in der Mehrheit der Volkswirtschaften weitgehend unverändert bleibt. OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/2 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE 25
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