Lösungen für die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft - JULI 2021 OECD/G20-Projekt Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung
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OECD/G20-Projekt Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung Lösungen für die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft JULI 2021
INHALT Einleitung3 Erklärung über eine Zwei-Säulen-Lösung für die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft4 Das internationale Steuersystem für das 21. Jahrhundert fit machen8 Hintergrund8 Was ist das Problem mit den bestehenden internationalen Steuerregeln? 9 Wie lautet die Lösung? 10 Welche Auswirkungen wird das haben? 12 Nächste Schritte13 Chronologie13 Häufig gestellte Fragen (FAQ)14 Das vorliegende Dokument wird unter der Verantwortung des Generalsekretärs der OECD veröffentlicht. Die darin zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Argumente spiegeln nicht zwangsläufig die offizielle Einstellung der Mitgliedstaaten der OECD oder der Mitglieder des Inclusive Framework on BEPS von OECD und G20 wider. Dieses Dokument sowie die darin enthaltenen Daten und Karten berühren weder den völkerrechtlichen Status von Territorien noch die Souveränität über Territorien, den Verlauf internationaler Grenzen und Grenzlinien sowie den Namen von Territorien, Städten oder Gebieten. © OECD 2021 Die Verwendung dieser Arbeiten, sei es in digitaler oder gedruckter Form, unterliegt den Nutzungsbedingungen unter: www.oecd.org/termsandconditions. Bildmaterial © Shutterstock.com
EINLEITUNG | 3 Einleitung 132 Staaten und Gebiete haben einem neuen Zwei-Säulen-Plan zur Reform der internationalen Steuerregeln zugestimmt (Stand: 9. Juli 2021). Mit ihm soll sichergestellt werden, dass multinationale Konzerne – wo immer sie tätig sind – einen gerechten Beitrag zum Steueraufkommen leisten. Die Erklärung, in der das neue Rahmenkonzept für internationale Steuerreformen festgelegt ist, wurde von mehr als 130 Ländern unterzeichnet, die zusammen über 90 % des globalen BIP stellen. Ein kleiner Teil der insgesamt 139 Mitglieder des Inclusive Framework behält sich die Zustimmung noch vor. Die letzten Details des neuen Rahmenkonzepts sowie der Plan für die Umsetzung sollen im Oktober 2021 stehen. Die Erklärung sieht ein Zwei-Säulen-Modell vor. Säule 1 soll eine gerechtere Verteilung der Rechte der Staaten zur Besteuerung der Gewinne der großen multinationalen Konzerne gewährleisten, die die Gewinner der Digitalwirtschaft sind. Säule 2 soll den Wettbewerb nach unten bei der Unternehmensbesteuerung begrenzen, indem ein globaler Mindeststeuersatz eingeführt wird. Mit dieser Mindestbesteuerung können die Staaten ihre Steuerbasis sichern. Der Steuerwettbewerb wird damit nicht beendet, es wird ihm jedoch eine multilateral vereinbarte Grenze gesetzt, die nicht unterschritten werden darf. Die Vereinbarung wird dringend benötigte Steuereinnahmen bringen. Mit Säule 1 dürften Rechte zur Besteuerung von Gewinnen in Höhe von mehr als 100 Mrd. USD jährlich auf die Marktstaaten übergehen. Der globale Mindeststeuersatz von Säule 2 – der mindestens 15 % betragen wird – dürfte weltweit rd. 150 Mrd. USD neue Steuereinnahmen pro Jahr generieren. Von Vorteil ist auch, dass das internationale Steuersystem dadurch stabiler wird und sich die Sicherheit für Steuerpflichtige und Steuerverwaltungen erhöht. Bei einigen Punkten von Säule 2 müssen sich die Mitglieder des Inclusive Framework noch auf Detailfragen einigen. Ein kleiner Teil der Mitglieder des Inclusive Framework hat den Vorschlägen zudem noch nicht zugestimmt. Die Vereinbarung soll im Oktober 2021 stehen, wobei zugleich ein Umsetzungsplan vorlegt werden soll. 2022 sollen dann Mustervorschriften, Leitlinien sowie ein multilaterales Abkommen erarbeitet werden. Die eigentliche Umsetzung soll 2023 beginnen. © OECD 2021
4 | LÖSUNGEN FÜR DIE STEUERLICHEN HERAUSFORDERUNGEN DER DIGITALISIERUNG DER WIRTSCHAFT Die nachstehende Erklärung ist das Ergebnis der Diskussionen der Mitglieder des Inclusive Framework on BEPS von OECD und G20. 132 Mitgliedstaaten und -gebiete haben ihr bislang zugestimmt (Stand: 9. Juli 2021). Die Zustimmung einiger Mitglieder steht noch aus. Erklärung über eine Zwei-Säulen-Lösung für die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft 1 JULI 2021 Einleitung Das von der OECD und der G20 eingerichtete Inclusive Framework (IF) on Base Erosion and Profit Shifting hat sich auf eine Zwei-Säulen-Lösung für die steuerlichen Herausforderungen geeinigt, die sich aus der Digitalisierung der Wirtschaft ergeben. Die wesentlichen vereinbarten Elemente der beiden Säulen sind im Folgenden beschrieben. Ein detaillierter Umsetzungsplan soll im Oktober 2021 vorliegen; bis dahin sollen auch die noch offenen Fragen geklärt werden. Säule 1 Anwendungsbereich (scope) Betroffen sind multinationale Konzerne mit einem weltweiten Umsatz von mehr als 20 Mrd. EUR und einer Rentabilität von über 10 % (Vorsteuergewinn im Verhältnis zu den Umsatzerlösen); die Umsatzschwelle kann sich vorbehaltlich der erfolgreichen Umsetzung, einschließlich der Steuersicherheit bezüglich Betrag A (amount A), auf 10 Mrd. EUR reduzieren, wobei die Prüfung dieser Frage sieben Jahre nach Inkrafttreten der Vereinbarung beginnen und innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein soll. Ausgenommen sind der Rohstoffsektor sowie regulierte Finanzdienstleistungen. Anknüpfungspunkt (nexus) Es wird eine spezielle neue Anknüpfungsregel geben, die die Zurechnung von Betrag A zu einem Marktstaat gestattet, wenn das betreffende multinationale Unternehmen in diesem Staat einen Umsatz von mindestens 1 Mio. EUR erzielt. Für kleinere Staaten und Gebiete, deren BIP weniger als 40 Mrd. EUR beträgt, verringert sich die Anknüpfungsschwelle auf 250 000 EUR. Die besondere Anknüpfungsregel wird nur angewandt, um zu bestimmen, ob ein Staat Anspruch auf Zurechnung von Betrag A hat. Der Erfüllungsaufwand (u. a. für die Erfassung kleiner Umsatzbeträge) wird sich auf ein Mindestmaß beschränken. Gewinnanteil (quantum) 20-30 % des Residualgewinns der betroffenen Unternehmen, welcher als der über 10 % der Umsatzerlöse hinausgehende Teil des Gewinns definiert ist, werden nach einem umsatzbasierten Aufteilungsschlüssel den Marktstaaten zugerechnet, in denen ein steuerlicher Anknüpfungspunkt vorliegt. Umsatzquellen (revenue sourcing) Die Umsatzerlöse werden zu den Marktstaaten der Endverbraucher zurückverfolgt, in denen die Waren oder Dienstleistungen konsumiert bzw. genutzt werden. Um die Anwendung dieses Prinzips zu erleichtern, werden detaillierte Quellenregeln für bestimmte Kategorien von Transaktionen erarbeitet. Bei der Anwendung dieser Quellenregeln muss ein multinationales Unternehmen eine verlässliche Methode verwenden, die seinen besonderen Gegebenheiten und Umständen gerecht wird. © OECD 2021
ERKLÄRUNG ÜBER EINE ZWEI-SÄULEN-LÖSUNG | 5 Steuerbemessungsgrundlage (tax base) Die zu berücksichtigende Gewinn- bzw. Verlustgröße der betroffenen multinationalen Unternehmen wird mit geringen Anpassungen unter Bezugnahme auf die in der externen Rechnungslegung ausgewiesenen Einkünfte bestimmt. Verluste werden vorgetragen. Segmentierung Eine Segmentierung erfolgt nur in außergewöhnlichen Fällen, in denen ein einzelner Geschäftsbereich gemäß der externen Rechnungslegung in den Anwendungsbereich fällt. Safe-Harbour-Regelung für Marketing- und Vertriebsgewinne Wenn der Residualgewinn eines betroffenen multinationalen Unternehmens bereits in einem Marktstaat versteuert wurde, greift eine Safe-Harbour-Regelung für Marketing- und Vertriebsgewinne; diese begrenzt den Residualgewinn, der dem Marktstaat über Betrag A zugerechnet wird. Die Gestaltung der Safe-Harbour- Regelung ist Gegenstand weiterer Arbeiten, insbesondere zur Berücksichtigung des Prinzips des umfassenden Anwendungsbereichs (comprehensive scope). Beseitigung von Doppelbesteuerung Eine Doppelbesteuerung der den Marktstaaten zugerechneten Gewinne wird durch Anwendung entweder der Befreiungs- oder der Anrechnungsmethode verhindert. Die Steuerlast wird von der bzw. den Konzerngesellschaften getragen, die den Residualgewinn erwirtschaften. Steuersicherheit In den Anwendungsbereich fallende multinationale Konzerne können auf Streitvermeidungs- und -beilegungsmechanismen zurückgreifen, die eine Doppelbesteuerung von Betrag A verpflichtend und verbindlich verhindern, einschließlich Klärung aller Fragen betreffend Betrag A (z. B. Streitigkeiten über Verrechnungspreise und Unternehmensgewinne). Streitigkeiten darüber, ob eine Frage Betrag A betrifft, werden verpflichtend und verbindlich geklärt, ohne dass es zu Verzögerungen beim Verfahren zur Vermeidung bzw. Beilegung der eigentlichen Streitsache kommt. Für Entwicklungsländer, die Anspruch auf Aufschub ihrer Peer Review gemäß BEPS-Aktionspunkt 14 haben und bei denen keine oder nur wenige in Verständigungsverfahren zu klärende Streitigkeiten aufgetreten sind, wird ein optionaler verbindlicher Streitbeilegungsmechanismus für Fragen betreffend Betrag A in Erwägung gezogen. Betrag B (amount B) Die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf inländische grundlegende Marketing- und Vertriebsaktivitäten wird vereinfacht und gestrafft, wobei das Augenmerk besonders auf den Anforderungen von Ländern mit geringen Kapazitäten liegt. Diese Arbeiten sollen Ende 2022 abgeschlossen sein. Verwaltung Die Einhaltung der Steuervorschriften (einschließlich der Berichtspflichten) wird gestrafft, wobei den multinationalen Konzernen ermöglicht wird, das Verfahren über eine einzige Konzerngesellschaft abzuwickeln. Unilaterale Maßnahmen Das Paket wird für eine angemessene Abstimmung zwischen der Anwendung der neuen internationalen Steuerregeln und der Abschaffung aller Steuern auf digitale Dienstleistungen sowie anderer ähnlich gearteter Maßnahmen für alle Unternehmen sorgen. Umsetzung Das multilaterale Instrument zur Umsetzung von Betrag A soll 2022 ausgearbeitet werden und zur Unterzeichnung vorliegen, womit Betrag A 2023 in Kraft treten kann. © OECD 2021
6 | LÖSUNGEN FÜR DIE STEUERLICHEN HERAUSFORDERUNGEN DER DIGITALISIERUNG DER WIRTSCHAFT Säule 2 Gesamtaufbau Säule 2 besteht aus l zwei ineinander greifenden Regeln (die zusammen als die Global anti-Base Erosion Rules bzw. GloBE-Regeln zur Verhinderung der Aushöhlung der Steuerbasis bezeichnet werden): i) einer Income Inclusion Rule (IIR), die eine Nachbesteuerung der niedrig besteuerten Einkünfte einer Konzerngesellschaft bei der Muttergesellschaft ermöglicht, sowie ii) einer Undertaxed Payment Rule (UTPR), die Betriebsausgabenabzüge versagt oder eine gleichwertige Anpassung verlangt, sofern die niedrig besteuerten Einkünfte einer Konzerngesellschaft nicht nach einer IIR nachbesteuert werden, sowie l einer abkommensbasierten Regel (Subject to Tax Rule – STTR), die es Quellenstaaten gestattet, eine begrenzte Quellensteuer auf bestimmte Zahlungen an verbundene Unternehmen zu erheben, die unterhalb eines Mindestsatzes besteuert wurden. Nach der STTR erhobene Steuern sind auf gemäß den GloBE-Regeln erhobene Steuern anrechenbar. Status der Regeln Die GloBE-Regeln haben den Status eines gemeinsamen Ansatzes. Für die Mitglieder des IF bedeutet dies: l sie sind nicht verpflichtet, die GloBE-Regeln zu übernehmen, beschließen sie jedoch, dies zu tun, müssen sie die Regeln in einer Weise umsetzen und handhaben, die mit den nach Säule 2 vorgesehenen Ergebnissen im Einklang steht, auch im Hinblick auf Mustervorschriften und Leitlinien, auf die sich das IF einigt; l sie müssen die Anwendung der GloBE-Regeln durch andere IF-Mitglieder akzeptieren, einschließlich Vereinbarungen über die Rangordnung der Regeln und die Anwendung vereinbarter Safe-Harbour- Regelungen. Anwendungsbereich (scope) Die GloBE-Regeln gelten für multinationale Konzerne, die den unter BEPS-Aktionspunkt 13 (Country-by-Country- Reporting – länderbezogene Berichterstattung) festgelegten Schwellenwert von 750 Mio. EUR erreichen. Den Staaten ist freigestellt, die IIR auf multinationale Unternehmen anzuwenden, deren Hauptsitz sich auf ihrem Staatsgebiet befindet, selbst wenn sie diesen Schwellenwert unterschreiten. Staatliche Einrichtungen, internationale Organisationen, Organisationen ohne Erwerbszweck, Pensions- oder Investmentfonds, die die obersten Muttergesellschaften eines multinationalen Konzerns sind, oder von solchen Einrichtungen, Organisationen oder Fonds genutzte Holding-Vehikel unterliegen nicht den GloBE-Regeln. Gestaltung der Regeln Die IIR verteilt die Nachbesteuerung nach einem Top-Down-Ansatz auf der Grundlage einer Split-Ownership- Regel für Beteiligungen unter 80 %. Die UTPR verteilt die Nachbesteuerung in Bezug auf niedrig besteuerte Konzerngesellschaften, einschließlich solcher, die sich im Staat der obersten Muttergesellschaft befinden, nach einer noch zu vereinbarenden Methode. Berechnung des effektiven Steuersatzes Die GloBE-Regeln ermöglichen eine Nachbesteuerung nach dem Kriterium des effektiven Steuersatzes; dieser wird auf Ebene der jeweiligen Staaten (juridictional basis) berechnet und stützt sich auf eine gemeinsame Definition der erfassten Steuern sowie eine Steuerbemessungsgrundlage, die ausgehend von den in der externen Rechnungslegung ausgewiesenen Einkünften ermittelt wird (mit vereinbarten Anpassungen gemäß den steuerpolitischen Zielen von Säule 2 sowie zur Korrektur zeitlicher Abweichungen). Im Hinblick auf bestehende Systeme der Ausschüttungsbesteuerung entsteht keine Nachsteuerpflicht, wenn die Gewinne innerhalb von drei bis vier Jahren ausgeschüttet und zu oder über dem Mindestsatz versteuert werden. Mindeststeuersatz Der im Rahmen der IIR und der UTPR angewandte Mindeststeuersatz beträgt mindestens 15 %. © OECD 2021
ERKLÄRUNG ÜBER EINE ZWEI-SÄULEN-LÖSUNG | 7 Ausnahmen (carve-outs) Die GloBE-Regeln sehen eine formelhafte Substanzausnahme vor, der zufolge ein bestimmter Anteil der Einkünfte unberücksichtigt bleibt; dieser entspricht mindestens 5 % (während der 5-jährigen Übergangsfrist: mindestens 7,5 %) des Buchwerts der materiellen Vermögenswerte und der Lohnsumme. Die GloBE-Regeln sehen zudem eine De-minimis-Ausnahme vor. Weitere Ausschlüsse Von den GloBE-Regeln ausgenommen sind auch Einkünfte aus der internationalen Schifffahrt gemäß der Definition dieser Einkünfte im OECD-Musterabkommen. Vereinfachungen Um sicherzustellen, dass die GloBE-Regeln so zielgerichtet wie möglich gehandhabt werden, und um einen den steuerpolitischen Zielen nicht angemessenen Erfüllungs- und Verwaltungsaufwand zu vermeiden, wird das Umsetzungskonzept Safe-Harbour-Regelungen und/oder sonstige Mechanismen umfassen. Koexistenz mit GILTI Vereinbarungsgemäß wird nach Säule 2 ein Mindeststeuersatz auf Staatenebene angewandt. In diesem Kontext gilt es die Bedingungen zu prüfen, unter denen eine Koexistenz der Regeln des GILTI-Systems der Vereinigten Staaten mit den GloBE-Regeln möglich ist, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Subject to tax rule (STTR) Die Mitglieder des IF erkennen an, dass die STTR für Entwicklungsländer Voraussetzung für einen Konsens über Säule 2 ist.1 IF-Mitglieder, die auf Zinszahlungen, Lizenzgebühren sowie eine Reihe anderer Zahlungen einen nominalen Körperschaftsteuersatz anwenden, der unter dem STTR-Mindestsatz liegt, nehmen in ihre bilateralen Steuerabkommen mit Entwicklungsländern, die Mitglied des IF sind, die STTR auf, wenn sie darum ersucht werden. Die Besteuerungsrechte beschränken sich auf die Differenz zwischen dem Mindeststeuersatz und dem auf die betreffende Zahlung angewandten Steuersatz. Der Mindestsatz für die STTR beläuft sich auf 7,5-9 %. Umsetzung Die Mitglieder des IF werden einen Umsetzungsplan vereinbaren und veröffentlichen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Säule 2 2022 in Recht umgesetzt werden sollte, um 2023 wirksam zu werden. Der Umsetzungsplan wird Folgendes umfassen: l GloBE-Mustervorschriften mit geeigneten Mechanismen, um die Koordinierung der von den IF-Mitgliedern umgesetzten GloBE-Vorschriften im Lauf der Zeit zu erleichtern, einschließlich eines möglicherweise hierfür zu erarbeitenden multilateralen Instruments. l Eine STTR-Mustervorschrift sowie ein multilaterales Instrument zur Erleichterung ihrer Einführung. l Übergangsregeln, einschließlich der Möglichkeit einer aufgeschobenen Umsetzung der UTPR. Nächste Schritte Die vorstehende Vereinbarung ist Ausdruck des Strebens der Mitglieder des IF nach einer robusten globalen Mindeststeuer mit begrenzten Auswirkungen auf multinationale Unternehmen, die realwirtschaftlichen Aktivitäten mit Substanz nachgehen. Sie erkennt an, dass zwischen dem effektiven globalen Mindeststeuersatz und den Ausnahmen ein direkter Zusammenhang besteht, und beinhaltet das Engagement, die Diskussionen fortzusetzen, um bis Oktober zu einer abschließenden Entscheidung über diese Gestaltungselemente innerhalb des vereinbarten Rahmens zu gelangen. Ferner wird die Möglichkeit untersucht, multinationale Unternehmen in der Anfangsphase ihrer internationalen Tätigkeit von der globalen Mindeststeuer auszunehmen. 1. Als Entwicklungsländer gelten hier Staaten, deren Pro-Kopf-BNE, nach der Methode des World Bank Atlas berechnet, 2019 maximal 12 535 USD betrug. © OECD 2021
8 | LÖSUNGEN FÜR DIE STEUERLICHEN HERAUSFORDERUNGEN DER DIGITALISIERUNG DER WIRTSCHAFT Das internationale Steuersystem für das 21. Jahrhundert fit machen HINTERGRUND Die überwältigende Mehrheit der Mitglieder des Inclusive Im BEPS-Projekt von OECD und G20 arbeiten18% die Framework hat sich auf ein Maßnahmenpaket geeinigt, Mitglieder des22% Inclusive Framework gemeinsam das die bedeutendsten Änderungen der internationalen daran, Steuervermeidungsstrategien, die Lücken und Steuerregeln seit über einem Jahrhundert mit sich bringen Inkongruenzen in den internationalen Steuerregeln wird. Das Zwei-Säulen-Modell wird gewährleisten, dass die ausnutzen, ein Ende zu setzen. größten und ertragsstärksten Unternehmen dort Steuern zahlen, wo sich ihre Nutzer und Kunden befinden. Zudem begrenzt es den Steuerwettbewerb nach unten, indem 18% 15% 22% es eine globale Mindestbesteuerung für Unternehmen einführt. Es ist das Resultat intensiver Diskussionen der letzten Jahre, bei denen alle Seiten Kompromisse eingingen. 139 Mitglieder Die OECD leitet seit den 1990er Jahren internationale 26% Inclusive 15% Anstrengungen, um den Staaten zu ermöglichen, Framework Steuerhinterziehung und Unternehmensteuervermeidung 26% 19% zu verhindern. Ziel der ersten Arbeiten der 2000er Jahre war es, Standards festzulegen und die Länder für die Schaffung 19% weltweit einheitlicher Bedingungen zu gewinnen. Damit wurde das Fundament für die gewaltigen Fortschritte gelegt, die nach der Weltfinanzkrise der Jahre 2008 und 2009 Afrika Africa Asien-P azifik Asia-Pacific Osteuropa und Zentralasien Eastern Europe-Central Asia Americas (North America, Latin America and the Caribbean) erzielt wurden. Bei ihren entschlossenen Bemühungen, das Nordamerika, Lateinamerika und Karibik Western Europe Westeuropa globale Finanzsystem wieder funktionsfähig zu machen, verpflichteten sich die Staats- und Regierungschefs weltweit auch, dem Bankgeheimnis ein Ende zu setzen und entschieden gegen Steuerhinterziehung durch Privatpersonen vorzugehen. Dies führte 2009 zur Einrichtung des Globalen Forums Transparenz und Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten (kurz „Globales Forum“). Anschließend richtete sich die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf das Problem der Steuervermeidung durch Unternehmen. Dazu wurde 2013 das Projekt gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung gestartet (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS). Das BEPS-Projekt hat wesentlich zu mehr Kohärenz, Substanz und Transparenz im internationalen Steuersystem beigetragen. Ein entscheidendes Element des BEPS-Projekts sind Lösungen für die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft. Digitalisierung und Globalisierung untergraben die zentralen Regeln, auf denen die Besteuerung internationaler Unternehmensgewinne in den letzten hundert Jahren fußte. Große multinationale Unternehmen können erhebliche Gewinne auf ausländischen Märkten erzielen, ohne dass diese Länder darauf – wenn überhaupt – nennenswerte Steuern erheben könnten. © OECD 2021
DAS INTERNATIONALE STEUERSYSTEM FÜR DAS 21. JAHRHUNDERT FIT MACHEN | 9 WAS IST DAS PROBLEM MIT DEN BESTEHENDEN INTERNATIONALEN STEUERREGELN? Die bestehenden internationalen Steuerregeln beruhen und weil multinationale Unternehmen Gewinne in auf Vereinbarungen, die in den 1920er Jahren getroffen Staaten und Gebiete verschieben können, die kaum wurden. Sie sind in einem globalen Geflecht bilateraler oder keine Steuern erheben, bleiben ihre Einkünfte oft Doppelbesteuerungsabkommen verankert. unversteuert. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Staaten Steuerwettbewerb betreiben, um ausländische Zwei Aspekte sind dabei problematisch: Direktinvestitionen durch ermäßigte Steuersätze – und teilweise sogar völlige Steuerbefreiungen – anzuziehen. l Erstens sehen die bestehenden Regeln vor, dass die Gewinne eines Unternehmens in einem anderen OECD-Schätzungen zufolge kostet Steuervermeidung durch Land nur besteuert werden können, wenn dieses Unternehmen etwa 100-240 Mrd. USD jährlich bzw. 4-10 % Unternehmen dort über eine physische Präsenz verfügt. der weltweiten Körperschaftsteuereinnahmen. Dies trifft Vor hundert Jahren, als sich die Wirtschaftstätigkeit noch Entwicklungsländer besonders hart, da sie im Allgemeinen um Fabriken, Lagerhallen und physische Waren drehte, stärker von Unternehmensteuereinnahmen abhängig sind war dies durchaus sinnvoll. In der digitalisierten Welt als fortgeschrittene Volkswirtschaften. Da es ihnen nicht von heute gehen multinationale Unternehmen jedoch gelingt, die Gewinne multinationaler Unternehmen zu häufig umfangreichen Geschäftstätigkeiten in Staaten besteuern, haben einige Länder unilaterale Maßnahmen nach, in denen sie nur über eine geringe bzw. keinerlei ergriffen, also z. B. Steuern auf digitale Dienstleistungen physische Präsenz verfügen. eingeführt. Andere Länder drohen darauf mit Strafzöllen zu reagieren. Daher bedarf es dringend einer globalen Lösung, l Zweitens besteuern die meisten Länder nur die um Handelskriege zu verhindern und die Unsicherheit zu inländischen Einkünfte ihrer multinationalen beseitigen, die Handel und Investitionen schaden könnte. Unternehmen, nicht die ausländischen. Dem liegt Solche Entwicklungen könnten die Weltwirtschaft effektiv die Annahme zugrunde, dass die ausländischen bis zu 1 % des globalen BIP kosten und die Anstrengungen Gewinne dort versteuert werden, wo sie erzielt zur Förderung des Aufschwungs nach der Coronakrise werden. Weil jedoch immaterielle Werte wie Marken, behindern. Auch dies würde Entwicklungsländer härter Urheberrechte und Patente immer wichtiger werden treffen als fortgeschrittene Volkswirtschaften. Steuervermeidung durch Unternehmen kostet die Staaten etwa 100-240 Mrd. USD* jährlich – dies sind 4-10 % der weltweiten Körperschaftsteuer einnahmen. *OECD-Schätzungen © OECD 2021
10 | LÖSUNGEN FÜR DIE STEUERLICHEN HERAUSFORDERUNGEN DER DIGITALISIERUNG DER WIRTSCHAFT WIE LAUTET DIE LÖSUNG? Das Inclusive Framework von OECD und G20 hatte den Auftrag, diese zwei Problempunkte bis Mitte 2021 zu lösen. Das Inclusive Framework zählt 139 Mitglieder, die gleichberechtigt zusammenarbeiten. Am 9. Juli 2021 hatten bereits 132 seiner Mitglieder einem neuen Zwei-Säulen-Plan zugestimmt, der das Resultat fast zehnjähriger von der OECD koordinierter Verhandlungen ist. Er soll sicherstellen, dass große multinationale Unternehmen dort Steuern zahlen, wo sie tätig sind und Gewinne erzielen. Der Plan sieht eine Zwei-Säulen-Lösung vor: Säule 1 l Säule 1 passt die veralteten internationalen Steuerregeln –S äule 1 beinhaltet auch Mechanismen zur an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts an. Dazu Streitvermeidung und beilegung, um dem Risiko der erhalten die Marktstaaten neue Besteuerungsrechte über Doppelbesteuerung zu begegnen. multinationale Unternehmen (MNU), ganz gleich, ob diese dort physisch präsent sind oder nicht. –S äule 1 führt zudem zum Stopp und zur Rücknahme unilateraler Maßnahmen, z. B. von Steuern auf digitale – Nach Säule 1 werden 20-30 % des Gewinns der größten Dienstleistungen, und verhindert so schädliche und ertragsstärksten multinationalen Konzerne, der Handelsstreitigkeiten. eine bestimmte Gewinnmarge überschreitet (sog. Residualgewinn), den Marktstaaten zugeordnet, in denen sich die Nutzer bzw. Kunden dieser Unternehmen befinden. „Residualgewinn“ Staat A Internationale Konzernzentrale 20-30 % des Residualgewinns werden den Staaten MNU Staat B der Nutzer und Kunden des MNU zugeordnet Staat C Mit Säule 1 gehen Rechte zur Besteuerung von Unternehmensgewinnen in Höhe von mehr als 100 Mrd. USD auf die Marktstaaten über. © OECD 2021
Säule 2 l Säule 2 sieht eine Mindeststeuer auf Staatsgebiet haben, mindestens bis zum vereinbarten Unternehmensgewinne vor und schafft so eine Mindestsatz nachbesteuert werden können. Damit Untergrenze für den Steuerwettbewerb. Staaten in aller wird der Steuerwettbewerb durch eine Mindeststeuer Welt haben vereinbart, dass ausländische Einkünfte begrenzt, ganz gleich, wo ein Unternehmen tätig ist. multinationaler Konzerne, die ihren Sitz auf ihrem Oberste Operative Muttergesellschaft Tochtergesellschaft Staat A Staat B MNU BALE LO 15% G ... ... ER inn t ew taa MIN r G ers Die globale EU rte eu Mindeststeuer gilt DE STST ge gst für Unternehmen rla ri ve Nied mit einem Jahresumsatz In von mehr als 750 Mio. EUR International Headquarters Niedrigsteuerstaat Die globale Mindeststeuer nach Säule 2 – mindestens 15 % – dürfte weltweit mehr als 150 Mrd. EUR neue Steuereinnahmen generieren. © OECD 2021
12 | LÖSUNGEN FÜR DIE STEUERLICHEN HERAUSFORDERUNGEN DER DIGITALISIERUNG DER WIRTSCHAFT WELCHE AUSWIRKUNGEN WIRD DAS HABEN? In Tax Challenges Arising from Digitalisation – Economic Das Zwei-Säulen-Modell dürfte zudem das Investitions- und Impact Assessment schätzte die OECD, dass Säule 1 die Wachstumsumfeld verbessern. Ohne die Einigung wäre Körperschaftsteuereinnahmen von Entwicklungsländern mit einer wachsenden Zahl unkoordinierter, unilateraler um durchschnittlich rd. 1 % erhöhen dürfte. Säule 2 Maßnahmen (z. B. Steuern auf digitale Dienstleistungen) und könnte Niedrigeinkommensländern sogar noch höhere zunehmenden Steuer- und Handelsstreitigkeiten zu rechnen. Mehreinnahmen bescheren. Dies würde die Steuersicherheit und die Investitionstätigkeit beeinträchtigen und zu zusätzlichem Erfüllungs- und Mit Säule 1 dürften Rechte zur Besteuerung von Verwaltungsaufwand führen. Das Ausmaß der negativen Unternehmensgewinnen in Höhe von mehr als Auswirkungen wäre von der Reichweite, der Gestaltung und 100 Mrd. USD jährlich auf die Marktstaaten übergehen. dem Geltungsbereich dieser unilateralen Maßnahmen sowie Die globale Mindeststeuer nach Säule 2 – die mindestens der in Reaktion darauf ergriffenen Handelsmaßnahmen 15 % betragen wird – dürfte weltweit rd. 150 Mrd. USD abhängig. Steuer- und Handelsstreitigkeiten könnten das zusätzliche Steuereinnahmen pro Jahr generieren. globale BIP um mehr als 1 % schmälern. Welche Auswirkungen die Maßnahmen genau auf die Steuereinnahmen haben werden, hängt von den noch zu klärenden Ausgestaltungsdetails von Säule 1 und 2, dem Grad ihrer Umsetzung, Art und Stärke der Reaktionen der multinationalen Konzerne und der Staaten sowie der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ab. Ohne die Konsenslösung wäre mit einer wachsenden Zahl unkoordinierter, unilateraler Maßnahmen (z. B. Steuern auf digitale Dienstleistungen) und zunehmenden Steuer- und Handelsstreitigkeiten zu rechnen. © OECD 2021
NÄCHSTE SCHRITTE | 13 Nächste Schritte Die Zwei-Säulen-Lösung umfasst eine Reihe von Punkten, Die Vereinbarung soll im Oktober 2021 stehen, bei denen sich die Mitglieder des Inclusive Framework noch zusammen mit einem Plan für die Umsetzung, nach auf Einzelheiten einigen müssen. So steht bislang z. B. nur dem 2022 Mustervorschriften, Leitlinien sowie ein fest, dass sich der Anteil der umzuverteilenden Gewinne multilaterales Abkommen erarbeitet werden sollen. Die auf 20-30 % belaufen wird und dass der Mindeststeuersatz Umsetzung soll 2023 beginnen. mindestens 15 % betragen wird. Die genauen Zahlen müssen jedoch noch festgelegt werden. Ein kleiner Teil der Mitglieder des Inclusive Framework hat den Vorschlägen zudem noch nicht zugestimmt. Chronologie l 1996 – Die G7 erklärt Steuerhinterziehung und Steuervermeidung zu prioritären Handlungsfeldern. l 1998 – Die OECD veröffentlicht den Bericht Harmful Tax Competition: An Emerging Global Issue. l 2000-2007 – Internationale Standards zu Steuertransparenz werden erarbeitet; Engagements für gleiche Wettbewerbsbedingungen weltweit. l 2008-2009 – Weltfinanzkrise – Die G20 verpflichtet sich, dem Bankgeheimnis ein Ende zu setzen; das Globale Forum Transparenz und Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten wird eingerichtet. l Juli 2013 – Die G20 erklärt Steuervermeidung zu einem prioritären Handlungsfeld. l Oktober 2015 – Das aus 15 Aktionspunkten bestehende BEPS-Paket gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung wird verabschiedet – Aktionspunkt 1 befasst sich mit der Digitalisierung der Wirtschaft. l Juni 2016 – Das heute 139 Mitglieder zählende Inclusive Framework on BEPS von OECD und G20 wird gegründet. l 2017-2020 – Im Inclusive Framework laufen intensive Diskussionen über Lösungen für die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft; im Oktober 2020 werden Blaupausen für eine Zwei- Säulen-Lösung veröffentlicht. l Juli 2021 – Über 130 Staaten und Gebiete einigen sich auf einen neuen Zwei-Säulen-Plan zur Reform der internationalen Steuerregeln. l Oktober 2021 – Erneuter Bericht für die Finanzminister*innen der G20; Abschluss der endgültigen Vereinbarung und Klärung der letzten Details. l 2022 – Ausarbeitung von Mustervorschriften, eines multilateralen Instruments und genauer Leitlinien für die Umsetzung. l 2023 – Umsetzung. © OECD 2021
14 | LÖSUNGEN FÜR DIE STEUERLICHEN HERAUSFORDERUNGEN DER DIGITALISIERUNG DER WIRTSCHAFT Häufig gestellte Fragen (FAQ) 1. Wie wird das Zwei-Säulen-Modell gewährleisten, dass multinationale Unternehmen einen fairen Beitrag zum Steueraufkommen leisten? Das Maßnahmenpaket hat zwei Säulen, die jeweils unterschiedliche Lücken im bestehenden Regelwerk schließen. Diese Lücken ermöglichten es multinationalen Unternehmen bislang, Steuern zu vermeiden. Säule 1 betrifft etwa 100 der größten und profitabelsten multinationalen Unternehmen und teilt einen Teil ihrer Gewinne auf die Länder auf, in denen sie ihre Produkte und Dienstleistungen verkaufen. Ohne die neuen Regeln können diese Unternehmen auf einem Markt erhebliche Gewinne erzielen, ohne dort nennenswert Steuern zu zahlen. Nach Säule 2 muss eine deutlich größere Gruppe multinationaler Unternehmen (alle Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Mio. EUR) eine globale Mindeststeuer entrichten. Selbst wenn diese Unternehmen Gewinne in Steueroasen verschieben, müssen sie darauf Steuern in Höhe von mindestens 15 % zahlen. 2. Die Zwei-Säulen-Lösung betrifft nur etwa 100 Unternehmen. Was ist mit den anderen: Sollten die nicht auch Steuern zahlen? Zuerst einmal: Säule 1 betrifft etwa 100 Unternehmen, Säule 2 jedoch etliche mehr. Außerdem sollen diese Regeln den steuerlichen Herausforderungen begegnen, die sich aus der Digitalisierung der Wirtschaft ergeben. Und es sind nun einmal diese multinationalen Unternehmen, bei denen die Gefahr am größten ist, dass sie die bestehenden Regeln ausnutzen, um Steuern zu vermeiden. Für andere – kleinere – Unternehmen gelten die bestehenden Regeln. Zudem verfügt das Inclusive Framework über eine Reihe anderer internationaler Standards, die sicherstellen, dass sie ihren Beitrag zum Steueraufkommen leisten. 3. Über welche Steuerbeträge sprechen wir? Mit Säule 1 dürften Rechte zur Besteuerung von Unternehmensgewinnen in Höhe von mehr als 100 Mrd. USD jährlich auf die Marktstaaten übergehen. Die globale Mindeststeuer nach Säule 2 – die mindestens 15 % betragen wird – dürfte weltweit rd. 150 Mrd. USD zusätzliche Steuereinnahmen pro Jahr generieren. 4. Was bringt die Vereinbarung für Entwicklungsländer? Säule 1 gibt Entwicklungsländern das Recht, die Einkünfte zu besteuern, die große multinationale Konzerne durch auf ihrem Staatsgebiet ansässige Nutzer bzw. Kunden erzielen. OECD-Schätzungen zufolge werden sowohl Niedrig- als auch Mittel- und Hocheinkommensländer Einnahmezuwächse verzeichnen; diese Zuwächse dürften jedoch für Niedrigeinkommensstaaten (im Verhältnis zu ihren aktuellen Körperschaftsteuereinnahmen) höher ausfallen. Zudem sind die Regeln ausdrücklich so gestaltet, dass die neuen Besteuerungsrechte in kleineren Ländern einfacher anzuwenden sind. Säule 2 schützt das Recht der Staaten, Zahlungen (wie etwa Zinsen und Lizenzgebühren) zu besteuern, die an Unternehmen in anderen Ländern geleistet werden, wenn auf diese Zahlungen dort nicht bereits der Mindeststeuersatz von mindestens 15 % erhoben wurde. Für Entwicklungsländer ist das ein großer Fortschritt, da sie – in der Annahme, die Besteuerung erfolge im anderen Staat – in ihren Doppelbesteuerungsabkommen häufig auf das Recht verzichtet haben, solche Zahlungen zu besteuern. Durch die Mindeststeuer verlieren Steueroasen zudem ihren Daseinszweck. Damit wird es allen Staaten, auch Entwicklungsländern, leichter fallen, ihre Steuerbasis vor den Gefahren der Steuervermeidung zu schützen. Darüber hinaus stehen Entwicklungsländer durch die globale Mindeststeuer weniger unter Druck, übertrieben großzügige Steueranreize zu bieten, um ausländische Investitionen anzuziehen. Aktivitäten mit echter wirtschaftlicher Substanz sind dabei ausgenommen. © OECD 2021
HÄUFIG GESTELLTE FRAGEN (FAQ) | 15 5. Bedeutet dies das Ende für Steueroasen? Ja. Steueroasen leben davon, dass sie Verschwiegenheit anbieten (z. B. durch das Bankgeheimnis), Briefkastenfirmen beherbergen (die weder einer Tätigkeit nachgehen noch Personal beschäftigen müssen) und keine bzw. nur geringe Steuern auf bei ihnen verbuchte Gewinne erheben. Die Anstrengungen der G20 und des Global Forum haben dem Bankgeheimnis ein Ende gesetzt (u. a. durch den automatischen Austausch von Bankdaten). Die BEPS-Regeln verlangen zudem, dass Unternehmen über ein Mindestmaß an Substanz verfügen. Briefkastenfirmen sind damit nicht mehr möglich. Darüber hinaus sorgen sie für Transparenz, sodass die Steuerverwaltungen ihre Steuervorschriften wirksam anwenden können. Säule 2 wird nun dafür sorgen, dass die Unternehmen mindestens 15 % Steuern auf ihre Gewinne zahlen. Zusammen bewirken diese verschiedenen Initiativen, dass „Steueroasen“ im herkömmlichen Sinne keine Zukunft mehr haben. Staaten und Gebiete, die internationale Finanzdienstleistungen anbieten, werden aber weiterhin Abnehmer dafür finden, vor allem wenn sie ihren Kunden einen Mehrwert in Form von Beratung und Unterstützung bei nicht steuerlich motivierten Geschäftstransaktionen bieten. 6. Ab wann werden die Unternehmen die neuen Steuern zahlen müssen? Das Zwei-Säulen-Modell soll im Oktober 2021 in seiner endgültigen Form stehen und dann umgesetzt werden. Dazu müssen die noch offenen Fragen geklärt sowie Mustervorschriften, ein multilaterales Abkommen und Leitlinien für die Umsetzung ausgearbeitet werden. Das Inclusive Framework möchte diese Arbeiten 2022 abschließen, damit die Umsetzung 2023 beginnen kann. Das würde bedeuten, dass die Unternehmen die neuen Steuern auf ihre Gewinne des Jahres 2023 entrichten müssen. 7. Wenn der Körperschaftsteuersatz in den meisten Ländern ohnehin über 20 % liegt, warum ist der Mindestsatz dann mit 15 % angesetzt? Ein großer Teil der Unternehmensgewinne unterliegt einem effektiven Steuersatz von weniger als 15 %, obwohl in den Sitzstaaten der betreffenden multinationalen Unternehmen ein wesentlich höherer Körperschaftsteuersatz gilt. Daher ist der erzielte Kompromiss ein großer Fortschritt. Außerdem hat das Modell des Inclusive Framework die Zustimmung einer großen Zahl recht unterschiedlicher Staaten erhalten, in denen der Körperschaftsteuersatz vielfach unter 15 % liegt. Viele Staaten hätten zwar lieber einen höheren Mindestsatz vereinbart, entscheidend ist jedoch, dass die Zwei-Säulen-Lösung ein für alle Seiten akzeptabler Kompromiss ist. 8. Können die Staaten die Unternehmen nicht einfach selbst besteuern, wie es einige mit „Steuern auf digitale Dienstleistungen“ versucht haben? Die Zwei-Säulen-Lösung führt zum Stopp und zur Rücknahme unilateraler Maßnahmen wie etwa Steuern auf digitale Dienstleistungen. Mit solchen Steuern haben einige Staaten als Alternative zu einer globalen, von allen Mitgliedern vereinbarten Lösung experimentiert. Dies war aber stets nur als Behelfslösung gedacht. Die Mitglieder des Inclusive Framework sind sich bewusst, dass unilaterale Maßnahmen u. U. wirkungslos sind und Streitigkeiten mit anderen Ländern auslösen können, erstens weil sie zu Doppelbesteuerung führen können und zweitens weil möglicherweise mit Handelsmaßnahmen auf sie geantwortet wird. Die Steuern auf digitale Dienstleistungen zielten zudem stets auf die großen Digitalunternehmen, die nun der neuen Steuer gemäß Säule 1 unterliegen werden. © OECD 2021
16 | LÖSUNGEN FÜR DIE STEUERLICHEN HERAUSFORDERUNGEN DER DIGITALISIERUNG DER WIRTSCHAFT 9. Wie kann die OECD gewährleisten, dass alle Unterzeichnerstaaten das Maßnahmenpaket tatsächlich umsetzen? Dies ist ein entscheidender Punkt, da weltweit gleiche Bedingungen Voraussetzung dafür sind, dass die Lösung des Inclusive Framework wirksam ist. Das Zwei-Säulen-Modell ist Ausdruck des Engagements der überwältigenden Mehrheit der Mitglieder des Inclusive Framework gemäß einem von der G20 erteilten Auftrag. Wie bei anderen internationalen Standards, die von der OECD erarbeitet wurden, geht dieses Engagement mit der Verpflichtung zur Umsetzung der Vereinbarung einher. Diese Umsetzung wird vom Inclusive Framework genau beobachtet werden. Das Inclusive Framework wird darauf hinwirken, dass auch die wenigen Mitglieder, die noch nicht unterzeichnet haben, dem Kompromiss zustimmen. Die Bilanz der OECD in diesem Bereich ist hervorragend – dies belegt nicht zuletzt die Umsetzung der Standards für Steuertransparenz und des BEPS-Pakets. Zudem gehörten weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen schon immer zu ihren obersten Prioritäten. 10. Das Zwei-Säulen-Modell sieht Ausnahmen u. a. für Bergbauunternehmen, die Schifffahrt, regulierte Finanzdienstleister und Pensionsfonds vor. Warum wird von diesen Unternehmen nicht das Gleiche verlangt wie von anderen? Das Zwei-Säulen-Modell soll sicherstellen, dass multinationale Unternehmen die internationalen Steuerregeln nicht mehr ausnutzen können, um Steuern zu vermeiden. Seine Regeln sind so gestaltet, dass diesem Problem begegnet wird. Die gewährten Ausnahmen sorgen dafür, dass Arten von Gewinnen und Aktivitäten unberücksichtigt bleiben, bei denen dieses Problem gar nicht auftreten kann – sei es, weil die Gewinne ohnehin an den Ort gebunden sind, an dem sie erzielt werden (regulierte Finanzdienstleister und Bergbauunternehmen müssen ihrer Tätigkeit dort nachgehen, wo sie ihre Einkünfte erwirtschaften), oder weil für diese Aktivitäten aufgrund ihres besonderen Charakters andere Steuerregeln gelten (wie für die Schifffahrt und für Pensionsfonds). Für diese Arten von Unternehmen gelten aber weiterhin alle sonstigen internationalen Transparenz- und BEPS-Standards. Damit ist gewährleistet, dass sie wirksam besteuert werden können. © OECD 2021
LITERATURVERZEICHNIS | 17 LITERATURVERZEICHNIS OECD (2021), Statement on a Two-Pillar Solution to Address OECD (2020), Tax Challenges Arising from Digitalisation the Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the – Economic Impact Assessment: Inclusive Framework Economy – July 2021, OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting on BEPS, OECD, Paris, https://www.oecd.org/tax/beps/ Project, OECD Publishing, Paris, statement-on-a-two-pillar-solution-to-address-the- https://dx.doi.org/10.1787/0e3cc2d4-en. tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the- economy-july-2021.htm. OECD (2020), Tax Challenges Arising from Digitalisation – Report on Pillar One Blueprint: Inclusive Framework Hanappi, T. und A. González Cabral (2020), “The impact on BEPS, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting of the pillar one and pillar two proposals on MNE’s Project, OECD Publishing, Paris, investment costs : An analysis using forward-looking https://doi.org/10.1787/beba0634-en. effective tax rates”, OECD Taxation Working Papers, No. 50, OECD Publishing, Paris, OECD (2020), Tax Challenges Arising from Digitalisation https://dx.doi.org/10.1787/b0876dcf-en. – Report on Pillar Two Blueprint: Inclusive Framework on BEPS, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Millot, V. et al. (2020), “Corporate Taxation and Project, OECD Publishing, Paris, Investment of Multinational Firms: Evidence from https://doi.org/10.1787/abb4c3d1-en. ` Firm-Level Data”, OECD Taxation Working Papers, No. 51, OECD Publishing, Paris, OECD (2019), Programme of Work to Develop a Consensus https://dx.doi.org/10.1787/9c6f9f2e-en. Solution to the Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy, OECD/G20 Inclusive OECD (2020), Corporate Tax Statistics, OECD, Paris, Framework on BEPS, OECD, Paris, www.oecd.org/tax/ https://www.oecd.org/tax/beps/corporate-tax- beps/programme-of-work-to-develop-aconsensus- statistics-database.htm. solution-to-the-tax-challenges-arising-from-the- digitalisation-of-the-economy.htm. OECD (2020), Statement by the OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS on the Two-Pillar Approach to Address OECD (2015), Addressing the Tax Challenges of the Digital the Tax Challenges Arising from the Digitalisation of Economy, Action 1 – 2015 Final Report, OECD/G20 Base the Economy – January 2020, OECD/G20 Inclusive Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, Framework on BEPS, OECD, Paris, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264241046-en. www.oecd.org/tax/beps/statement-by-the-oecd-g20- inclusive-framework-on-beps-january-2020.pdf. © OCDE 2021
Weitere Informationen: ctp.beps@oecd.org https://oe.cd/bepsaction1 @OECDtax OECD Tax
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