Gottesdienst zu Haus am 1. Christtag 2020

 
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Gottesdienst zu Haus am 1. Christtag 2020
Gottesdienst zu Haus
                    am 1. Christtag 2020

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine
Herrlichkeit. (Joh 1, 14a)

Mit diesem Wort aus der Weihnachtsgeschichte nach Johannes, dem
Spruch für die Weihnachtstage, grüße ich Sie sehr herzlich zum
Christfestmorgen! The day after, „am Morgen danach“ ist eine gute Zeit,
das Weihnachtswunder noch einmal zu meditieren. Die bekannte
lukanische Weihnachtsgeschichte haben wir alle noch im Ohr. Die so
andere Fassung im Johannes-Evangelium und der Predigttext aus dem
Titusbrief werfen ein neues Licht auf die Stall- und Hirten-Idylle vom
heiligen Abend.
Gottesdienst zu Haus am 1. Christtag 2020
Wir legen ein Gesangbuch bereit, zünden die Lichter an am
Weihnachtsbaum oder eine schöne Kerze und feiern unseren häuslichen
Gottesdienst
im Namen das Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.
Wir lesen Verse aus der johanneischen Weihnachtsgeschichte Joh 1.
Es ist ein Hymnus, der heute an die Stelle des Psalms rücken soll:

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war
das Wort.
Dasselbe war im Anfang bei Gott.
Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist
nichts gemacht, was gemacht ist.
In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s
nicht ergriffen.
Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese
Welt kommen.
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen
seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes
vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Wir beten:
Allmächtiger Gott,
du kommst mit deiner Liebe in die Enge unserer Verhältnisse.
Lass unser Herz weit werden. Deine Güte zu fassen,
und mach uns froh über die Geburt deines Sohnes,
damit wir mit allen Geschöpfen dich loben.
Das bitten wir dich durch ihn, deinen Sohn, der mit dir und dem
Heiligen Geist lebt und Leben schenkt in Ewigkeit.
Amen.

Wir singen oder sprechen: Fröhlich soll mein Herze springen (EG 36,
1.2.6)
„Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört
und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war“.
Liebe Gemeinde, es war wieder Morgen geworden nach der heiligen Nacht. Die
Menschen, die Unglaubliches gesehen und gehört hatten, denen Unbegreifliches
gesagt worden war, die kehrten wieder um. Zweifelnd, verängstigt, neugierig waren
sie zur Krippe gekommen; alt, beladen, nichts als Ruhe und Frieden suchend die
einen; jung, gespannt, vielleicht auch ein bisschen übermütig und vorlaut die
anderen; skeptisch, realistisch, souverän – „cool“ sagt man heute – die dritten.
Und dann kehrten sie um und priesen und lobten Gott – so wie wir heute Morgen!
Anscheinend hatten die Alten mehr Frieden, größere Ruhe gefunden, als sie zu
hoffen gewagt hatten. Und die Jungen hatten mehr Freude, mehr Anrührendes
gefunden, als sie das normalerweise zugegeben hätten. Und die mit beiden Beinen
mitten im Leben standen, die hatten eine Tiefendimension gefunden, die uns
Menschen gerade auf der Höhe unseres Lebens bisweilen verlorengeht.
Alle saßen voller Freude über das, was sie gehört und gesehen hatten und was zu
ihnen gesagt worden war.

Was aber war das, was sie gehört und gesehen hatten?
Der Predigttext heute am Morgen danach kann uns helfen, mit den Hirten zu sehen
und zu hören, rückblickend vielleicht noch einmal ganz offene Augen zu bekommen
für das Wunder der heiligen Nacht. Wir lesen die Epistel zum 1. Weihnachtstag aus
dem Titusbrief (Tit 3, 4-7):

4 Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres
Heilandes,
5 machte er uns selig – nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan
hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit – durch das Bad der Wiedergeburt und
Erneuerung im Heiligen Geist,
6 den er über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland,
7 damit wir, durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens
würden nach unsrer Hoffnung.

Das klingt alles ziemlich kompliziert, liebe Gemeinde. Aber kurz gefasst heißt die
Botschaft dieses Textes: „Als die Welt verloren, Christus war geboren“ – so einfach
wie das unvermeidliche Heiligabend-Lied!
Die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes erscheint in dem Kind in der Krippe.
„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht“ (Jes 9,1). „Das ewig Licht
geht da herein, gibt der Welt ein‘ neuen Schein“ (EG 23,4). Man muss gar nicht lange
suchen: In den weihnachtlichen Texten und Liedern wird in immer neuen Bildern dies
Wunder anschaulich gemacht: In die Welt, die im Dunkel liegt, kommt Gott selbst, in
einer Solidarität mit uns Menschen, die wir eigentlich nicht begreifen können!

Jahr für Jahr versuche ich nun, mittlerweile seit Jahrzehnten, mich dem Wunder der
Weihnacht irgendwie zu nähern. Und Jahr für Jahr stehe ich staunend vor diesem
Rätsel: Dass der Schöpfer dieser Welt sich selbst unter die Bedingungen der
Schöpfung stellt. „Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den
Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt“, so heißt es im
Philipper-Hymnus (Phil 2,7). „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“, so
drückt es das Johannes-Evangelium aus (Joh 1,14). Das Wort, das die Welt ins
Leben rief, das wirkmächtige Wort Gottes, das wird selbst „Welt“, „Fleisch“.
Vielleicht ist es an Weihnachten einmal angebracht, dass wir uns klarmachen: Das
Opfer, das Jesus Christus, der Gottessohn bringt, um uns zu erlösen, ist nicht etwa
nur seine Passion und sein Tod am Kreuz, also das Ende seines irdischen Lebens.
Und „Erlösung“ heißt nicht etwa nur, dass einer stellvertretend für die bösen
Menschen eine Strafe auf sich nimmt. Sondern das Opfer des Gottessohnes besteht
darin, dass er das Mensch-Sein als solches auf sich nimmt mit allem, was das
Menschsein ausmacht; seine „Passion“ beginnt mit seiner Geburt: Geborenwerden,
teilhaben an allen Beschwernissen, die das Leben nun mal so mit sich bringt, Kind
sein und heranwachsen, lernen und Erfahrungen sammeln, sich auseinandersetzen
mit Menschen, leiden unter allem, worunter wir ja doch auch alle leiden: unter Gewalt
und Lieblosigkeit, unter Krankheit und Tod, unter Verarmung, Kriminalität und
Schicksalsschlägen. Vielleicht ist es dies Jahr auch wieder einmal gut und notwendig
sich klar zu machen: Das Mensch-Sein Gottes in Jesus heißt auch seine Teilhabe an
Flüchtlingsschicksalen, sein Dabei-Sein in Gefängnis und Verhör und Folter, sein
Dabei-Sein auf der Intensivstation. Selbst an dunkelsten Orten, wo Menschen sein
können – ER ist dabei!

Warum nur?
Damit wir gerettet würden. Luther übersetzt: Damit wir „selig“ würden. Wie können
wir das in unserer Sprache sagen? Denn vermutlich würde keiner von uns und erst
recht keiner von den Menschen draußen spontan den Wunsch äußern: „Ich möchte
gern gerettet werden“ oder gar „ich möchte gern selig werden“, wenn man ihn nach
seinem größten Wunsch fragen würde.

Was möchten wir denn gern? Wonach sehnen wir uns? Wovon möchten wir in der
Tat erlöst werden?
Ich glaube, da fällt uns doch so einiges ein:
- Wir sehnen uns nach Frieden, haben Angst vor neuem Krieg und vor Gewalt. Wir
sehnen uns nach dem Ende der Pandemie – und leiden unter unserer Ratlosigkeit.
- Uns macht zu schaffen, dass viele junge und zunehmend auch ältere Menschen
offenbar keine Perspektive sehen, hinter politischen Rattenfängern hinterher laufen,
sich in der Masse der „Querdenker“ zu unbegreiflicher Blindheit und sogar Brutalität
hinreißen lassen.
- Menschen in der Lebensmitte und in zunehmendem Alter fragen sich bisweilen:
„War‘s das? Wozu soll ich eigentlich noch auf dieser Erde weilen? Die Kinder
brauchen mich nicht mehr. Die jungen Mitarbeiter können mit Computern erheblich
besser umgehen als ich; meine Erfahrungen, meine Lebenserfahrung, sind nicht
mehr gefragt, werden nicht mehr gebraucht.“
- Alte Menschen spüren und haben Angst davor, den Jungen zur Last zu fallen. Das
unausweichliche Sterben rückt näher und macht Angst. Werden wir im Falle einer
„Triage“ aussortiert?

Wenn ich recht sehe, ist nicht die „Sünde“ unser Hauptproblem, wenn auch
„Schuldgefühle“ eine große Rolle spielen für unsere Befindlichkeit. Und die Frage, ob
wir nach dem Tod in irgendeiner Weise weiterleben, beschäftigt uns in der Regel
auch nicht so übermäßig. Was uns bewegt, scheint mir eher die Frage nach dem
Sinn – dem Sinn von Leben und Sterben, dem Sinn von Arbeit, von Kinderkriegen,
von Unfällen und Krankheiten, dem Sinn von Geldverdienen und Häusle-Bauen,
insbesondere angesichts der Gefährdung von all dem, die in diesem Jahr
unausweichlich erkennbar wurde.

Wo kann solcher Sinn herkommen?
Wir können ihn uns nicht selber verschaffen. Wir spüren: Unser Leben kann seinen
Sinn überhaupt nur von außen bekommen, von etwas oder von jemandem, der zu
mir in Beziehung tritt, und zwar in eine liebende Beziehung. Es lohnt zu leben, wie
auch immer, wenn es Einen gibt, der mich liebt, mich annimmt, so wie ich bin, der
nach mir fragt – sogar da, wo ich selber mir wertlos und vollkommen uninteressant
vorkomme.

Mir scheint: Dies genau ist es, was die Hirten gehört und gesehen hatten in der
heiligen Nacht. Das Kind in der Krippe war nicht irgendein Kind, das sie nichts weiter
anging. Sondern das Kind veränderte ihr Leben, das Leben jedes Einzelnen. In ihm
war erschienen die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes. Gott war an ihre Seite
getreten, wollte ihr armseliges Leben mit ihnen teilen, es mit ihnen führen und ihnen
Liebe schenken. Gott, der uns das Leben schenkt, bleibt nicht sozusagen selber „in
Sicherheit“, oben im Himmel. Sondern Gott gibt unserem Leben göttlichen Glanz,
indem er selbst es mit uns lebt. Wir werden „Erben des ewigen Lebens“ – nicht weil
wir irgendwann nach unserem Tod unvorstellbar lange weiterleben, sondern weil
unser Leben hier und jetzt in seiner ganzen Begrenztheit und Unvollkommenheit und
Gefährdung gleichsam geadelt wird dadurch, dass auch der Gottessohn dies Leben
gelebt hat. Unsere Enttäuschungen, unser Leiden, worin auch immer es bestehen
mag, bekommen einen Sinn, weil es uns nicht mehr von Gott trennt, sondern weil es
uns – im Gegenteil! – mit Gott in eine Schicksalsgemeinschaft stellt! Und sogar unser
Sterben und unser Tod bekommen einen Sinn, und wenn es noch so sinnlos
erscheinen mag, weil diese Schicksalsgemeinschaft mit Gott durch den Tod nicht
aufgehoben wird – im Gegenteil: Auch da bleibt der Gottessohn an unserer Seite.
Und wir bleiben an seiner Seite, wenn Gott ihn – und nun eben auch uns – aus dem
Tod herausholt in seine ewige Nähe.
Das ist die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, dass er unser Leben
lebenswert macht, ihm Würde verleiht, uns herausrettet aus der hoffnungslosen
Ichbezogenheit unseres Lebens, ja, uns selig macht!
Die Hirten hatten das offenbar erkannt, was da in dem Kind in der Krippe
aufgeleuchtet war, dass da das ewige göttliche Licht in ihrer dunklen Welt erschienen
war. Und sie priesen und lobten Gott dafür. Gebe Gott, dass wir mit ihnen sehen und
hören, dass die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes auch unserem Leben
neuen Sinn, neue Tiefe, neue Hoffnung gibt. Weil ER sagt: „Dich habe ich lieb! Dich
verlasse ich nicht!“
Amen.

STILLE

Wir sprechen das Glaubensbekenntnis.

Und wir singen oder sprechen: Uns wird erzählt von Jesus Christ (57)
Wir beten:

Gott, wir sehnen uns nach Gesundheit. War haben Angst vor Krankheit und Tod.
Wecke Hoffnung in uns, die auch dem Tode standhält. Lass uns – gesund oder krank
– mit dir rechnen und auf dich bauen. Stärke unser Vertrauen.
Wir sehnen uns nach Gemeinschaft und haben Angst vor Einsamkeit. Gott, schenke
uns Menschen, die deinen Weg mitgehen, die um uns wissen, die an unserer Seite
sind, ob nah oder fern. Verbinde uns in deiner Liebe.
Wir sehnen uns nach Orientierung. Vieles ist undurchsichtig für uns; wir können nicht
einen Tag in die Zukunft schauen. Du, Gott, gibst Weisung und Rat. Dein Wort ist
Licht auf unserem Weg. Nimm du uns an die Hand.
Schenke allen Menschen das Licht des Lebens, den Kranken, den Überforderten,
denen, die hohe Verantwortung tragen. Lass es Weihnachten werden, überall auf
Erden, durch Jesus Christus.
Wir denken vor Dir an die Menschen, die uns besonders am Herzen liegen.
............
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern
Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem
Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in
Ewigkeit.
Amen.

Wir singen oder sprechen: Gelobet seist du, Jesu Christ (EG 23,1-4)

Der Herr segne uns und behüte uns.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns
gnädig.
Der Herr hebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden.
Amen.

                                              Annegret Lingenberg, Pfrin.i.R.
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